Raus aus dem Motivationstief - am besten mit dem CARE Training von Great Growing Up.

Raus aus dem Motivationstief

Herzlich willkommen zu unserer heutigen Podcast-Episode! Wenn du das Gefühl hast, dass immer mehr deiner Mitarbeitenden innerlich gekündigt haben und nur noch das Nötigste tun, dann bist du hier genau richtig. Denn leider ist genau das in vielen Unternehmen mittlerweile die bittere Realität. Die Tagesschau hat kürzlich über eine alarmierende Entwicklung berichtet: Fast drei Viertel aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten nur noch nach Vorschrift. Da stellt sich die Frage: Wie kommen wir raus aus dem Motivationstief?

Raus aus dem Motivationstief - am besten mit dem CARE Training von Great Growing Up.
Drei von vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Foto: lukasbieri/pixabay

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Laut einer aktuellen Gallup-Studie ist die emotionale Bindung an Unternehmen auf einem historischen Tiefstand. Die meisten Angestellten machen nur noch das Nötigste – und das mit eher mäßiger Begeisterung. Wer kann es ihnen verdenken, wenn Wertschätzung, Entwicklungsmöglichkeiten und echte emotionale Zugehörigkeit im Job oft Mangelware sind?

Aber es gibt einen Weg heraus aus diesem Motivationstief – und den wollen wir uns heute genauer anschauen. Denn mit dem CARE Training von Great Growing Up gibt es ein Konzept, das nicht nur die emotionale Intelligenz stärkt, sondern auch dafür sorgt, dass Menschen sich wieder mit ihrem Job identifizieren können. Was genau dahintersteckt und wie es Unternehmen konkret hilft, erfährst du jetzt.

Teil 1. ​Die aktuelle Situation in Unternehmen ist alarmierend​

  • Dienst nach Vorschrift: Laut einer repräsentativen Umfrage des Gallup Engagement Index Deutschland 2024 geben 78 Prozent der Angestellten an, nur noch das Allernötigste im Job zu leisten. ​
  • Sinkende emotionale Bindung: Lediglich neun Prozent der Befragten fühlen eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber – ein neuer Tiefstand seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2001.
  • Abnehmendes Vertrauen: Das Vertrauen in Führungskräfte ist weiter gesunken. Nur noch 21 Prozent der Befragten gaben 2024 an, ihren Führungskräften zu vertrauen, im Vergleich zu 49 Prozent im Jahr 2019. ​
  • Wirtschaftliche Folgen: Die geringe emotionale Bindung und die damit verbundene reduzierte Produktivität verursachen laut Gallup geschätzte Kosten von 113 bis 135 Milliarden Euro pro Jahr für die deutsche Wirtschaft. ​
    Hier geht's zum Beitrag der Tagesschau.

Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeitermotivation und -bindung zu ergreifen. Das CARE Training von Great Growing Up bietet hier einen vielversprechenden Ansatz, um die emotionale Intelligenz im Unternehmen zu fördern und somit die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung nachhaltig zu stärken. Es wird Zeit, einen neuen Weg zu gehen: den Weg raus aus dem Motivationstief.

Teil 2: Warum sich Mitarbeitende nicht mehr binden

Es gibt zahlreiche Gründe, warum sich Mitarbeitende nicht mehr mit ihrem Unternehmen identifizieren können. Einer der Hauptgründe: fehlende Wertschätzung. Studien zeigen, dass über 50 % der Beschäftigten sich am Arbeitsplatz nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Und wenn sich Menschen nicht gesehen und gehört fühlen, schalten sie innerlich ab. Kein Wunder also, dass 78 Prozent der Beschäftigten sagen: "Ich mache hier nur noch das, wofür ich bezahlt werde – nicht mehr und nicht weniger."

Raus aus dem Motivationstief -am besten mit dem CARE Training von Great Growing Up.
Vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fehlt einfach die Perspektiv in ihrem Job. Foto: Pexels/pixabay

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die fehlende Perspektive. Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, in einer Sackgasse zu stecken, warum sollten sie dann motiviert sein, sich weiterzuentwickeln? Karriere- und Weiterbildungschancen sind entscheidend – aber in vielen Unternehmen werden sie stiefmütterlich behandelt. Laut der Deloitte Global Human Capital Trends fühlen sich 42 % der Beschäftigten durch fehlende Weiterbildungsangebote in ihrem Wachstum blockiert.

Und dann ist da noch das Betriebsklima. Ja, dieser unsichtbare Faktor, der darüber entscheidet, ob man morgens gerne zur Arbeit geht oder ob man sich bereits sonntagabends die Haare rauft. Eine toxische Unternehmenskultur, mangelnde Kommunikation oder ein zu hoher Leistungsdruck können schnell dazu führen, dass Mitarbeitende innerlich kündigen.

Aber genug von den Problemen – schauen wir uns an, wie das CARE Training genau hier ansetzt.

Teil 3: Raus aus dem Motivationstief mit dem CARE Training anders?

CARE steht für Communication, Acceptance, Responsibility und Emotion – also Kommunikation, Akzeptanz, Verantwortung und Emotion. Dieses Konzept bildet die Grundlage für eine nachhaltige Veränderung im Unternehmen.

Stell dir vor, du hast einen jungen Mitarbeitenden, der sich nie traut, eigene Ideen einzubringen. Er fühlt sich unsicher, hat Angst vor negativen Reaktionen und hält sich lieber zurück. Das CARE Training hilft ihm, seine Emotionen wahrzunehmen, seine Unsicherheiten zu verstehen und zu erkennen, dass er sehr wohl wertvolle Beiträge leisten kann. Das Ergebnis? Mehr Selbstvertrauen, mehr Engagement und eine stärkere Bindung ans Unternehmen.

Die Grundlage des Trainings ist die Entwicklung emotionaler Intelligenz. Mitarbeitende lernen, eigene Emotionen zu regulieren, empathischer mit Kolleginnen und Kollegen umzugehen und Verantwortung für ihre eigene Arbeitszufriedenheit zu übernehmen.

Ein zentraler Aspekt des Trainings ist es, Führungskräften und HR-Verantwortlichen zu vermitteln, wie sie eine Umgebung schaffen können, in der sich Mitarbeitende gehört und ernst genommen fühlen. Denn Führung ist der entscheidende Faktor für die emotionale Bindung der Mitarbeitenden. Das ist der Weg raus aus dem Motivationstief.

Teil 4: Drei echte Erfolgsgeschichten aus dem CARE Training

Der Azubi, der endlich Gehör fand

Max, 22 Jahre, im dritten Lehrjahr als Kfz-Mechatroniker. Er hatte das Gefühl, dass Azubis in seiner Werkstatt ohnehin nie ernst genommen werden. Also hielt er sich zurück und machte einfach, was man ihm sagte – ohne Begeisterung.

Raus aus dem Motivationstief - am besten mit dem CARE Training von Great Growing Up.
Viele Mitarbeiter würden lieber verschwinden als eine Präsentation zu halten. Foto: jarmoluk/pixabay

Im CARE Training lernte Max, dass er seinen Frust produktiv nutzen kann. Dafür war es von großer Bedeutung, dass er lernte, seine Wut nicht länger zu verdrängen, sondern sie konstruktiv zu nutzen. Max sprach daraufhin mit seinem Ausbilder, schlug eine neue Struktur für Team-Meetings vor und wurde plötzlich wahrgenommen. Die Folge? Mehr Motivation, mehr Eigenverantwortung und ein echter Beitrag zum Team.

Die Bürokauffrau, die neue Wege fand

Sophie, 19, Auszubildende zur Kauffrau für Büromanagement, war kurz davor, ihre Ausbildung abzubrechen. Sie fühlte sich unterfordert und frustriert.

Im CARE Training erkannte sie, dass ihr kreative Aufgaben fehlten. Für Sophie war es wichtig zu begreifen, dass Ihre Angst kein Signal war, das sie stoppen will, sondern ein Begleiter auf dem Weg zu neuen Herausforderungen. Nach einem offenen Gespräch mit ihrer Ausbilderin bekam sie mehr Verantwortung im Marketing-Team – und schloss ihre Ausbildung mit Bestnoten ab.

Der Elektroniker, der seine Angst überwand

Ali, 20, war nervös vor seiner ersten Kundenpräsentation. Anstatt sich weiter von seiner Angst lähmen zu lassen, nutzte er die Strategien aus dem CARE Training. Über die Akzeptanz seiner Wut gelangte Ali zu Entschlossenheit und letztlich zu Mut. Er bereitete sich besser vor, lernte, seine Nervosität als Wachstumschance zu sehen – und hielt eine sensationelle Präsentation.

Teil 5: Was HR-Verantwortliche jetzt tun können

Viele HR-Verantwortliche fühlen sich diesem Problem ohnmächtig ausgeliefert. Die gute Nachricht: Sie sind es nicht! Sie haben tatsächlich die Möglichkeit, aktiv etwas zu verändern. Mitarbeitermotivation und -bindung sind keine Zufallsprodukte – sie entstehen durch bewusste Entscheidungen und gezielte Maßnahmen.

Wertschätzung aktiv zeigen: Ein einfaches "Danke" oder ein Lob kann Wunder wirken.

Entwicklungsmöglichkeiten bieten: Menschen wollen wachsen. Ermögliche ihnen das durch Weiterbildungen und klare Karriereperspektiven.

Eine offene Kommunikationskultur etablieren: Wer Ängste oder Sorgen frei äußern kann, bleibt engagierter.

Das CARE Training ausprobieren! Studien zeigen, dass Programme zur emotionalen Intelligenz die Zufriedenheit und Produktivität drastisch steigern.

Fazit: Es gibt einen Weg aus dem Motivationstief

Ja, die Lage ist ernst. Aber sie ist nicht aussichtslos! Unternehmen, die jetzt die Weichen stellen und auf emotionale Intelligenz setzen, haben die besten Chancen, Talente zu halten und echte Teams zu formen. Das CARE Training bietet genau die Tools, die es dafür braucht. Und vielleicht ist es genau das, was deinem Unternehmen fehlt, um Mitarbeitende nicht nur zu halten, sondern sie wirklich zu begeistern und ihnen einen Weg raus aus dem Motivationstief zu bahnen.

Bleibt neugierig, bleibt mutig – und bis zur nächsten Episode!

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2025

Emotionen sind Erfolgsfaktoren

Emotionen sind Erfolgsfaktoren. Das lernen Mitarbeiter im CARE Training.
Emotionen sind tatsächlich Erfolgsfaktoren. Und das gilt nicht nur für die angeblich positiven Gefühle.

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Great Growing Up, dem Podcast für Beziehungskompetenz im Business! Heute geht es um ein Thema, das jeden betrifft, aber im Job oft unterschätzt wird: Emotionen sind Erfolgsfaktoren. Vor allem für Auszubildende sind Gefühle wie Angst, Ärger oder Frustration tägliche Begleiter – doch statt sie zu verdrängen, sollten sie lernen, diese Emotionen zu nutzen. Warum? Weil es den Unterschied macht zwischen Unsicherheit und Selbstbewusstsein, zwischen Stagnation und Wachstum, zwischen Misserfolg und Erfolg!"

Vorschau auf die Folge:
✔ Warum Emotionen auch im Job eine entscheidende Rolle spielen.
✔ Welche Studien zeigen, dass emotionale Intelligenz ein Karriere-Boost ist.
✔ Wie Azubis durch den bewussten Umgang mit Gefühlen resilienter und produktiver werden.
✔ Und natürlich: Was Unternehmen tun können, um ihre Azubis in diesem Bereich zu fördern.

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Die unterschätzte Macht der Emotionen

Was passiert eigentlich, wenn du eine wichtige Aufgabe bekommst – und auf einmal Angst hochkommt? Oder wenn dich ein Kollege ungerecht kritisiert – und du vor Wut kochst? Die meisten von uns haben gelernt, solche Emotionen zu unterdrücken. 'Sei professionell', 'Reiß dich zusammen'. Aber: Wissenschaftlich gesehen ist das die falsche Strategie.

Wissenschaftlicher Hintergrund

          Emotionen beeinflussen unsere Denkleistung.

  • Studien zeigen, dass emotionale Reaktionen unser Arbeitsgedächtnis beeinflussen.
  • Angst kann beispielsweise unsere Aufmerksamkeit erhöhen – aber nur, wenn wir lernen, sie bewusst zu nutzen.Verdrängte Emotionen führen zu mehr Stress.
  • Eine Langzeitstudie der Harvard Medical School zeigt, dass Menschen, die negative Emotionen unterdrücken, langfristig mehr Stresshormone im Blut haben und anfälliger für Burnout sind.Emotionale Intelligenz ist ein Karriere-Booster.
  • Die Universität Yale fand heraus: Führungskräfte mit hoher emotionaler Intelligenz erzielen bessere Geschäftsergebnisse – weil sie ihr Team empathischer führen und Probleme souveräner lösen.

📌 Fazit: "Emotionen sind kein Störfaktor, sondern ein Werkzeug, wenn wir sie bewusst einsetzen."

Warum das Verdrängen von Emotionen Azubis schadet

Emotionen sind Erfolgsfaktoren. Das lernen Mitarbeiter im CARE-Training.
Wer seine Gefühle unterdrückt, wird langfristig weder glücklich noch erfolgreich.

🚨 Was passiert, wenn Azubis ihre Gefühle unterdrücken?

Die meisten von uns wurden erzogen, unangenehme Gefühle zu „schlucken“. Doch das ist nicht nur psychologisch problematisch – es hat auch direkte negative Auswirkungen auf die Arbeitsleistung, das Teamklima und sogar die körperliche Gesundheit.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Verdrängen von Emotionen:

Studie der Harvard Medical School: Wer regelmäßig seine Emotionen unterdrückt, aktiviert dauerhaft das Stresszentrum im Gehirn. Folge: Höhere Cortisolwerte, mehr Erschöpfung, höhere Burnout-Gefahr.
📌 Quelle: www.health.harvard.edu

Studie der Stanford University: Verdrängte Gefühle mindern die kognitive Leistungsfähigkeit. Wer Emotionen wegschiebt, blockiert Teile seines präfrontalen Kortex – also genau den Bereich, den wir für Problemlösungen und Entscheidungsfindung brauchen.
📌 Quelle: www.stanford.edu

Studie der University of Texas: Unterdrückte Emotionen beeinflussen das Immunsystem. Menschen, die sich angewöhnen, nicht über Probleme zu sprechen oder Gefühle zu zeigen, haben ein höheres Risiko für Entzündungen, Herzerkrankungen und Magengeschwüre.
📌 Quelle: www.utexas.edu

Auswirkungen auf die Arbeitswelt

Gefühle sind Erfolgsfaktoren. Das lernen Mitarbeiter im CARE Training.
Stress wird chronisch: Wer Frust oder Überforderung unterdrückt, zieht sich oft zurück oder kündigt innerlich.

👉 Stress wird chronisch: Azubis, die Frust oder Überforderung unterdrücken, ziehen sich oft zurück oder kündigen innerlich.
👉 Fehlende Konfliktlösung: Wer Ärger nicht ausdrückt, entwickelt stattdessen unterschwellige Spannungen – und die führen zu mehr Reibung im Team.
👉 Geringere Innovationskraft: Wer sich nicht traut, Emotionen wie Unsicherheit oder Angst zuzugeben, wird auch weniger neue Ideen einbringen oder um Unterstützung bitten.

🌪 Praxisbeispiel 1 – Ärger als Antrieb:
"Max, 22, war im dritten Lehrjahr als Kfz-Mechatroniker und hatte genug davon, dass die Azubis in seiner Werkstatt immer als letzte informiert wurden. Früher hätte er sich nur still geärgert – aber im CARE Training entschied er sich, diesen Ärger produktiv zu nutzen: Er sprach mit seinem Ausbilder, schlug eine neue Kommunikationsstruktur vor – und auf einmal wurden die Azubis regelmäßig in Meetings eingebunden. Ergebnis? Mehr Motivation, mehr Eigenverantwortung."

💭 Erkenntnis: "Ärger ist ein Signal, dass uns etwas wichtig ist – wenn wir ihn nutzen, kann er uns voranbringen." Emotionen sind Erfolgsfaktoren.

🌧 Praxisbeispiel 2 – Traurigkeit als Kompass für Veränderung

"Sophie, 19, machte eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement. Anfangs war sie hochmotiviert, doch nach einigen Monaten fühlte sie sich oft niedergeschlagen. Jeden Morgen hatte sie ein flaues Gefühl, ihre Energie war im Keller. Früher hätte sie diese Traurigkeit einfach ignoriert – aber im CARE-Training lernte sie, genauer hinzuhören: Was genau macht mich so unzufrieden? Sie erkannte, dass ihr kreative Aufgaben fehlten und dass sie im Kundenkontakt aufblühte. Also sprach sie mit ihrer Ausbilderin und bekam mehr Verantwortung im Marketing-Team. Plötzlich war ihre Begeisterung zurück, und sie schloss ihre Ausbildung mit Bestnoten ab."

💭 Erkenntnis: "Traurigkeit zeigt uns, dass uns etwas fehlt – wenn wir sie ernst nehmen, kann sie uns helfen, unser Leben aktiv zu gestalten." Emotionen sind Erfolgsfaktoren

⚡ Praxisbeispiel 3 – Angst als Wachstumschance

"Ali, 20, war im zweiten Lehrjahr als Elektroniker und sollte das erste Mal eigenständig eine Kundenpräsentation halten. Er war extrem nervös, sein Kopf war voller 'Was-wenns': Was, wenn ich etwas vergesse? Was, wenn sie mich auslachen? Früher hätte er sich mit Ausreden aus der Situation gerettet – aber er lernte im CARE-Training, dass Angst ein Zeichen für Wachstum ist. Also bereitete er sich intensiv vor, probte mehrfach und erinnerte sich kurz vor der Präsentation daran: 'Angst ist Energie, die mich schärfer macht.' Das Ergebnis? Die Präsentation lief großartig, und er wurde für weitere Projekte eingeplant."

💭 Erkenntnis: "Angst zeigt uns, dass wir uns außerhalb der Komfortzone bewegen – wenn wir sie als Wachstumschance nutzen, können wir daran wachsen." Emotionen sind Erfolgsfaktoren.

🎯 Fazit

Diese drei Beispiele zeigen, dass Emotionen nie unser Feind sind – sie sind Wegweiser. Wer lernt, sie bewusst zu nutzen, gewinnt nicht nur persönlich, sondern auch beruflich. Das bedeutet: Wenn wir Azubis dazu ermutigen, ihre Emotionen bewusst wahrzunehmen und richtig zu nutzen, dann profitieren sie nicht nur persönlich – sondern auch das Unternehmen! Emotionen sind Erfolgsfaktoren.

Der wirtschaftliche Vorteil – Warum Unternehmen emotional intelligente Azubis brauchen

💰 Unternehmen profitieren direkt von emotional bewussten Mitarbeitern

Teams, die mit Emotionen offen und verantwortlich umgehen, sind produktiver.

📊 Studie von McKinsey & Company (2023): Emotionale Intelligenz steigert die Produktivität eines Unternehmens um bis zu 20 %, weil Teams konfliktfähiger sind und effektiver zusammenarbeiten.
📌 Quelle: www.mckinsey.com

📊 Deloitte-Bericht 2022: Unternehmen mit einer emotional offenen Kultur haben 25 % niedrigere Fluktuation – weil Mitarbeiter sich wertgeschätzt und verstanden fühlen.
📌 Quelle: www2.deloitte.com

🚀 Was bedeutet das konkret für Unternehmen?

Geringere Fluktuation & weniger Ausbildungsabbrüche

·         Laut einer IHK-Studie brechen 32 % der Azubis ihre Ausbildung ab, oft wegen Konflikten, Überforderung oder dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

·         Ein Unternehmen, das Azubis beibringt, ihre Emotionen produktiv zu nutzen, reduziert Abbrüche und spart massive Rekrutierungskosten.

Höhere Leistungsfähigkeit & Motivation

·         Emotionale Selbstregulation bedeutet: Azubis bleiben fokussierter, sind widerstandsfähiger gegenüber Stress und zeigen mehr Eigeninitiative.

Bessere Teamdynamik & höhere Innovationskraft

·         Ein offenes Emotionsmanagement verbessert das Arbeitsklima, reduziert Konflikte und macht Teams kreativer.

📍 Praxisbeispiel: Erfolgsstory aus einem Unternehmen, welches das CARE-Trainings nutzt

"Die Ausbildungsleiterin einer großen Logistikfirma erzählte uns, dass ihre Azubis nach dem CARE-Training weniger Angst hatten, Fehler zuzugeben. Das führte dazu, dass Probleme viel schneller gelöst wurden – und dadurch Kosten gesenkt werden konnten. Zudem verbesserte sich die Kommunikation im Team enorm."

Unternehmen, die in die emotionale Intelligenz ihrer Azubis investieren, haben nicht nur motiviertere Mitarbeiter – sie sparen auch Kosten und steigern ihre Wettbewerbsfähigkeit. Und genau hier setzt CARE an!"

Wie das CARE-Training Unternehmen unterstützt

📌 CARE vermittelt:
✔ Selbstwahrnehmung: Azubis erkennen, was in ihnen vorgeht und wie sie darauf reagieren können.
✔ Emotionale Selbstregulation: Sie lernen, mit Stress, Ärger oder Unsicherheit umzugehen.
✔ Kommunikationsfähigkeit: Sie drücken Emotionen klar aus, ohne destruktiv zu werden.
✔ Konfliktlösung: Statt Spannungen entstehen konstruktive Gespräche.

📅 Möglichkeiten für Unternehmen:
🎓 Workshops für Azubis & Ausbilder
📢 Beratung zur Einführung emotionaler Intelligenz in den Ausbildungsprozess
🔎 Individuelle Begleitung bei Konfliktfällen

🌍 Mehr Infos auf www.greatgrowingup.com – ich freue mich auf den Austausch!

Emotionen als Erfolgsfaktor

Wir haben heute gelernt: Emotionen im Job sind keine Schwäche – sie sind ein Erfolgsfaktor! Unternehmen, die das verstehen, werden langfristig erfolgreicher sein. Und für Azubis bedeutet emotionale Kompetenz: mehr Selbstbewusstsein, weniger Stress und bessere Chancen im Beruf."

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2025

Effektiv und nachhaltig: Mitarbeiter-Potenziale freilegen mit dem CARE Training.

Mitarbeiter-Potenziale freilegen

Viele Mitarbeiter hüten ihr Potenzial wie einen Schatz. Gar nicht selten geschieht das unbewusst, denn viele Menschen haben tatsächlich Angst vor ihrer eigenen Größe. Hier erfahren Sie, wie sie Mitarbeiter-Potenziale freilegen und zur Entfaltung bringen.  Willkommen zu einer neuen Folge von Great Growing Up, dem Podcast, der Unternehmen, Ausbilder und Führungskräfte dabei unterstützt, das Beste aus ihren Teams herauszuholen. Heute widmen wir uns einem Thema, das vielleicht das größte Kapital eines Unternehmens betrifft.

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Die Entwicklung des vollen Potenzials Ihrer Mitarbeiter

Effektiv und nachhaltig: Mitarbeiter-Potenziale freilegen mit dem CARE Training.
Wer Mitarbeiter-Potenziale freilegen will, braucht vor allem emotionale Intelligenz.    Foto: u_390ap8znhu/pixabay

Doch wie genau kann das gelingen? Spoiler: Mitarbeiter-Potenziale freilegen geht weit über technische Skills hinaus. Es geht vielmehr um Emotionen, um Selbstführung und um die Kunst, klar und authentisch zu kommunizieren. Also bleiben Sie dran, denn wir tauchen ein in inspirierende Geschichten, praxisnahe Tipps und wissenschaftliche Erkenntnisse, die nicht nur den Erfolg Ihrer Teams, sondern auch deren Zufriedenheit und Engagement nachhaltig steigern können.

Verborgenen Qualitäten erkennen – eine wahre Geschichte

Beginnen wir mit einer Geschichte, die ich selbst in einem CARE Training erleben durfte:

Stellen Sie sich Marina vor. Sie ist seit Jahren eine Stütze ihres Teams, hochkompetent, zuverlässig und immer bereit, Verantwortung zu übernehmen. Doch in Meetings und bei Projekten erleben wir etwas Seltsames: Ihre Ideen gehen oft unter, und die jüngeren Kollegen, vor allem die Azubis, nehmen sie nicht ernst.

Was passiert? Marina wird still. Sie zieht sich zurück und beginnt, an sich zu zweifeln. Dabei bleibt das enorme Potenzial, das sie ins Unternehmen einbringen könnte, völlig ungenutzt. Und genau so erlebten wir Marina im CARE Training: schüchtern und zurückhaltend.

Klare Grenzen setzen

Im Training halfen wir Marina, ihre innere Stärke zu entdecken. Sie lernte, ihre Emotionen wie Wut, Trauer und Angst eben nicht als Schwäche, sondern als wertvolle Signale zu sehen. Sie erkannte zudem, dass sie klare Grenzen setzen kann, ohne andere zu verletzen, und dass ihre Bedürfnisse ebenso wichtig sind wie die der anderen.

Ein Moment blieb mir besonders in Erinnerung. Marina sagte:
„Ich wusste nicht, dass ich so viel Kraft in mir habe. Ich dachte, ich müsste mich anpassen, um dazuzugehören.“

Diese Kraft haben viele Mitarbeiter – oft ist sie tief verborgen, weil sie nie die Gelegenheit hatten, ihre emotionalen und kommunikativen Fähigkeiten bewusst zu entwickeln.

Genau darum geht es, wenn Sie Mitarbeiter-Potenziale freilegen wollen, und genau das wird im CARE-Training sichtbar.

Wie sieht es in Ihrem Team aus?

Ich lade Sie ein, kurz innezuhalten. Denken Sie an Ihr eigenes Team:

  • Gibt es jemanden, dessen Talente bislang im Verborgenen liegen?
  • Gibt es Mitarbeitende, die durch Unterstützung und klare Kommunikation mehr Vertrauen in sich selbst gewinnen könnten?

Wenn Sie jetzt an jemanden gedacht haben, bleiben Sie dran. Wir sprechen gleich darüber, wie Sie als Führungskraft oder Teamleiter dieses Potenzial aktiv fördern können.

Mitarbeiter-Potenziale freilegen - Was sagt die Forschung?

Effektiv und nachhaltig: Mitarbeiter-Potenziale freilegen mit dem CARE Training.
Mitarbeiter, die ihr Potenzial entwickeln, sind zufriedener und leisten mehr.                         Foto: This_is_Engineering/pixabay

Lassen Sie uns einen Blick auf die Wissenschaft werfen, um zu verstehen, warum emotionale Intelligenz und klare Kommunikation so entscheidend sind, wenn Sie Mitarbeiter-Potenziale freilegen wollen.

Eine Studie aus dem Journal of Occupational and Organizational Psychology zeigt, dass Unternehmen, die gezielt in emotionale Intelligenz investieren, eine um bis zu 30 % höhere Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität erreichen.

Hier geht’s zur Studie.

Warum ist das so? Emotionale Intelligenz bedeutet nicht nur, eigene Gefühle zu verstehen. Es bedeutet auch, empathisch zu sein, konstruktiv zu kommunizieren und selbst in stressigen Situationen den Überblick zu behalten.

Die Harvard Business Review bestätigt: Teams mit hoher emotionaler Intelligenz sind widerstandsfähiger, kreativer und besser in der Lage, Konflikte zu lösen. Was folgt daraus? Technische Fähigkeiten allein reichen nicht aus. Emotionale Kompetenzen machen den Unterschied.

Hier geht’s zur Studie.

Mitarbeiter-Potenziale freilegen mit dem CARE-Training

Das CARE-Training ist darauf ausgelegt, genau diese Kompetenzen zu fördern. Mit einem Beispiel wird das deutlich:

In einem mittelständischen Unternehmen arbeitete ich mit einem Team, das durch Spannungen blockiert war. Viele fühlten sich nicht gehört. Missverständnisse führten darüber hinaus zu Konflikten, und die Produktivität litt darunter.

Was im Training passiert

Zunächst halfen wir jedem Teammitglied, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen. Es war verblüffend zu sehen, wie sich allein dadurch die Dynamik veränderte. Durch Übungen wie „dienendes Zuhören“ und regelmäßige Feedback-Runden lernte das Team, sich gegenseitig wirklich zuzuhören. Konflikte wurden daher nicht länger verdrängt, sondern offen angesprochen – und zwar lösungsorientiert.

Ein magischer Moment

Dann geschah etwas Magisches: Eine sehr zurückhaltende Teilnehmerin sagte: „Ich habe mich nie getraut zu sagen, was ich wirklich brauche.“ Doch mit der Unterstützung des Teams fand sie ihre Stimme wieder. Diese Offenheit setzte eine Kettenreaktion in Gang. Das Ergebnis? Mehr Transparenz, Vertrauen und eine deutlich höhere Produktivität. Mitarbeiter-Potenziale freilegen geht genau so.

Wie Sie selbst Mitarbeiter-Potenziale freilegen

Effektiv und nachhaltig: Mitarbeiter-Potenziale freilegen mit dem CARE Training.
Klarheit in der Kommunikation hilft beim Freilegen verborgener Potenziale.                  Foto: StanislavKondrashov/Pixabay

Hier sind drei konkrete Schritte, mit denen Sie heute anfangen können, das Potenzial Ihrer Mitarbeiter freizusetzen:

  1. Emotionen als Ressourcen nutzen:
    Schulen Sie Ihre Teams darin, Emotionen zu erkennen und als Signale zu verstehen. Gefühle wie Ärger oder Frustration sind wertvolle Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmt. Nutzen Sie diese Energie für positive Veränderungen.
  2. Klare Kommunikation fördern:
    Etablieren Sie feste Zeiten für offene Gespräche. Zum Beispiel: Eine wöchentliche Feedback-Runde, bei der jeder Mitarbeitende ehrlich sagen kann, was gut läuft und wo Herausforderungen liegen.
  3. Konflikte als Wachstumschance sehen:
    Konflikte sind keine Bedrohung, sondern eine Möglichkeit, Beziehungen zu stärken. Ermutigen Sie daher Ihre Teams, Konflikte konstruktiv zu lösen, statt sie zu vermeiden.

Warum ist es wichtiger denn je, Mitarbeiter-Potenziale freizulegen?

Die Arbeitswelt befindet sich in einem Wandel, wie wir ihn in diesem Ausmaß noch nie erlebt haben.

  • Remote-Arbeit: Teams arbeiten zunehmend standortübergreifend, was neue Anforderungen an die Zusammenarbeit stellt. Wo früher der persönliche Kontakt im Büro Konflikte entschärfen oder Missverständnisse klären konnte, sind heute digitale Kommunikationswege gefragt, die Klarheit und Empathie erfordern. Emotionale Intelligenz wird deshalb zu einem entscheidenden Faktor, um Beziehungen auch über virtuelle Kanäle hinweg zu pflegen.
  • Digitale Transformation: Technologie entwickelt sich schneller als je zuvor, und Fachkenntnisse allein reichen nicht aus, um Schritt zu halten. Mitarbeitende, die anpassungsfähig, kreativ und lösungsorientiert sind, können Innovationen vorantreiben und das Unternehmen zukunftssicher machen.
  • Fachkräftemangel: Der Wettbewerb um die besten Talente verschärft sich. Studien zeigen, dass Mitarbeitende zunehmend nach Arbeitgebern suchen, die ihre persönliche und berufliche Entwicklung fördern. Unternehmen, die in die Entwicklung von Soft Skills wie Kommunikation, Selbstführung und Konfliktlösung investieren, schaffen eine Arbeitsumgebung, in der Menschen langfristig wachsen und bleiben wollen.

Warum ist das wichtig?
In einer Welt, die zunehmend automatisiert wird, bleiben menschliche Fähigkeiten der wichtigste Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die das Potenzial ihrer Teams erkennen und fördern, setzen nicht nur auf kurzfristigen Erfolg, sondern auf nachhaltige Exzellenz.

Der Blick in die Zukunft

Die Entwicklung des Potenzials Ihrer Mitarbeitenden ist mehr als ein Schlüssel zum Unternehmenserfolg – sie ist eine Investition in die Menschen, die Ihr Unternehmen ausmachen.

  • Eine erfüllende Arbeitskultur: Stellen Sie sich vor, Ihre Mitarbeitenden kommen nicht nur zur Arbeit, um Aufgaben zu erledigen, sondern weil sie Teil eines Teams sind, das sie inspiriert und unterstützt. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Stimme gehört wird und sie wachsen können, entstehen Innovation, Loyalität und Freude an der Arbeit.
  • Führungskräfte als Wegbereiter: Führungskräfte, die emotionale Intelligenz vorleben, werden zu Vorbildern. Sie inspirieren ihre Teams, authentisch zu kommunizieren, Verantwortung zu übernehmen und Konflikte als Chancen zu sehen.
  • Die Vision von Great Growing Up: Wir glauben daran, dass Unternehmen nicht nur wachsen sollten, sondern auch die Menschen in ihnen. Jedes CARE-Training ist darauf ausgerichtet, Mitarbeitende dabei zu unterstützen, ihre inneren Stärken zu entdecken und in ihrem Arbeitsalltag anzuwenden.

Ich lade Sie nochmal ein, kurz innezuhalten: Welche Möglichkeiten könnten entstehen, wenn Sie Ihren Teams die Werkzeuge geben, die sie brauchen, um ihr volles Potenzial zu entfalten? Ich bin überzeugt, dass es sich für Sie und Ihr Unternehmen lohnt, diesen Schritt zu gehen.

Vielen Dank, dass Sie heute dabei waren. Wenn Sie neugierig geworden sind, wie das CARE-Training Ihnen dabei helfen kann, die Kraft Ihrer Mitarbeitenden freizusetzen, besuchen Sie uns auf www.greatgrowingup.com.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Unternehmen und Menschen wachsen zu lassen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2024

Emotionale Intelligenz hilft gegen Leistungsallergie

Es scheint, als hätten immer mehr junge Menschen eine „Leistungsallergie“ – obwohl sie voller Potenzial sind, scheuen sie den vollen Einsatz oder fühlen sich überfordert. Aber was steckt wirklich dahinter? In dieser Episode zeigen wir, wie Sie als HR-Profis diese Talente erkennen und zur vollen Entfaltung bringen können. Dazu gehören nicht nur praxisnahe Tipps, sondern auch aktuelle Studien und echte Geschichten aus dem CARE Training.

Bleiben Sie dran, denn ich werde nicht nur spannende Studien vorstellen, sondern auch Geschichten aus der Praxis teilen, die zeigen, wie CARE Trainings einen Unterschied machen können.

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Vom Underperformer zum Teamleader

Ich möchte hier eine Geschichte erzählen, die ich im CARE Training erlebt habe. Es geht um Max, einen talentierten jungen Mann, der vor allem als „Underperformer“ bekannt war. Er schien desinteressiert, beteiligte sich kaum und schien mit seiner Rolle überfordert.

Von wegen faul und unmotiviert

Emotionale Intelligenz hilft gegen Leistungsallergie Darauf baut das CARE Training und erweckt schlummernde Talente zum Leben.
Emotionale Intelligenz ist der Schlüssel zur Entwicklung von Talenten. Foto: Canva

Lassen Sie mich mit einer Geschichte beginnen, die zeigt, wie wichtig es ist, die wahren Potenziale junger Menschen zu erkennen. Es geht um Max, einen talentierten jungen Mann, der in seinem Unternehmen eher als „Underperformer“ galt. Max schien desinteressiert und unmotiviert, aber nach einem Feedbackgespräch stellte sich heraus, dass er nicht faul war, sondern sich einfach nicht in der Lage fühlte, seine Stärken zu erkennen.

Im CARE-Training arbeiteten wir mit Max an seiner emotionalen Intelligenz. Durch gezielte Übungen lernte er, seine Unsicherheiten zu überwinden, sich selbst besser zu führen und klare Ziele zu setzen. Das Ergebnis? Max wurde vom zurückhaltenden Mitarbeiter zum Teamleiter – und das alles, weil er lernte, sein Potenzial zu entfalten.

Diese Geschichte zeigt, dass viele junge Talente eher an emotionalen Blockaden als an mangelnder Motivation leiden. Wenn wir ihnen die richtige Unterstützung bieten, können sie ihre Leistungspotenziale voll ausschöpfen.

Was die Forschung über Leistungsallergie sagt 

Lassen Sie uns jetzt tiefer in die Wissenschaft eintauchen. Eine aktuelle Studie des Instituts für Beschäftigungsforschung zeigt, dass die sogenannte „Leistungsallergie“ bei jungen Menschen oft falsch interpretiert wird. Was oft als Vermeidung von Arbeit wahrgenommen wird, ist häufig ein Zeichen von Überforderung und Unsicherheit​. Hier geht es zur Studie: Frontiers

Zu wenig Unterstützung

Die Harvard Business Review betont ebenfalls, dass viele junge Talente nicht deswegen scheitern, weil sie nicht leistungsfähig sind, sondern weil sie emotional nicht ausreichend unterstützt werden​. Mehr dazu hier: Emerald

Unternehmen, die in emotionale Intelligenz investieren, fördern langfristig nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch die Bindung junger Mitarbeiter. Anstatt jungen Talenten eine „Leistungsallergie“ zu unterstellen, sollten wir uns fragen: Bieten wir die richtigen Strukturen, um ihr Potenzial zu entfalten? Emotionale Intelligenz hilft gegen Leistungsallergie Darauf baut das CARE Training und erweckt schlummernde Talente zum Leben.

Von der Mitläuferin zur Ideengeberin

Emotionale Intelligenz hilft gegen Leistungsallergie Darauf baut das CARE Training und erweckt schlummernde Talente zum Leben.
Vertrauen in die eigene Kreativität hilft dabei verborgenes Potenzial freizulegen. Foto: Canva

Hier noch eine Geschichte aus dem CARE Training, die verdeutlicht, wie wichtig es ist, stille Talente zu fördern. Clara war eine junge Mitarbeiterin, die eher introvertiert und in Meetings oft still war. Ihr Chef bemerkte jedoch, dass sie tiefgründige, kreative Ideen hatte, die jedoch selten zur Sprache kamen.

Vertrauen in die eigenen Ideen gewinnen

Im CARE-Training halfen wir Clara, Vertrauen in ihre eigenen Ideen zu entwickeln und eine Kommunikationsstrategie zu erarbeiten. Sie sagte: „Ich hatte immer Angst, meine Ideen könnten dumm sein.“ Mit der Zeit lernte Clara, wie sie ihre Ideen selbstbewusst einbringen konnte. Heute ist sie eine der führenden kreativen Köpfe im Unternehmen.

Dieses Beispiel zeigt, dass stille Talente häufig unterschätzt werden. Die richtige Unterstützung und das richtige Umfeld können sie zu wahren Leistungsträgern machen. Emotionale Intelligenz hilft gegen Leistungsallergie Darauf baut das CARE Training und erweckt schlummernde Talente zum Leben.

So fördern Sie die Potenziale junger Talente

Was können HR-Verantwortliche und Ausbildungsleiter heute konkret tun, um das Potenzial junger Mitarbeiter zu entfalten? Hier sind drei praktische Tipps.  Leistungsallergie oder was? Wie Sie Talente zum Leben erwecken.:

  1. Emotionale Intelligenz fördern: Wie die Forschung zeigt, haben Teams mit hoher emotionaler Intelligenz weniger Konflikte und sind produktiver. Junge Mitarbeiter müssen lernen, ihre eigenen Emotionen zu erkennen und zu managen. Das CARE Training hilft dabei, Selbstführung und Teamfähigkeit zu stärken. (Lesen Sie mehr über die Studien hier: Harvard Business Review).
  2. Klare Kommunikation etablieren: Fördern Sie regelmäßige Feedbackgespräche und eine offene Kommunikation. Es ist wichtig, jungen Mitarbeitern ein Forum zu geben, in dem sie sich sicher fühlen, ihre Ideen und Bedenken zu äußern.
  3. Langfristige Entwicklungspläne: Bieten Sie langfristige Perspektiven und Entwicklungspläne an, um jungen Talenten einen klaren Weg aufzuzeigen. Das motiviert sie, sich im Unternehmen zu engagieren und ihre Karriere aktiv zu gestalten.

Das CARE Training stoppt Leistungsallergie

CARE Trainings sind ein bewährtes Mittel, um Potenziale junger Mitarbeiter zu entfalten. Sie lernen nicht nur, sich selbst besser zu führen, sondern auch, wie sie im Team erfolgreich zusammenarbeiten. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Unternehmen, das CARE in seine Entwicklungsprozesse integriert hat, sah eine deutliche Steigerung der Produktivität und eine Verbesserung der Mitarbeiterbindung.

Die Fähigkeit, emotionale Ressourcen zu stärken und Konflikte konstruktiv zu lösen, ist entscheidend, um junge Talente langfristig zu binden und zu fördern.

Warum emotionale Intelligenz wichtiger ist als je zuvor

Die Arbeitswelt verändert sich rasant, und emotionale Intelligenz wird immer wichtiger. In Zeiten von Remote-Work und virtuellen Teams zeigt eine Studie der Society for Human Resource Management, dass Unternehmen, die emotionale Intelligenz fördern, eine um
20 % höhere Mitarbeiterbindung und eine signifikante Verringerung von Burnout-Raten verzeichnen​.

Dies zeigt deutlich, dass emotionale Kompetenzen der Schlüssel sind, um in der heutigen, sich wandelnden Arbeitswelt erfolgreich zu sein.

Qualitäten der Generation Z – Ein Blick auf das Potenzial

Nun möchte ich ein bisschen genauer auf die Generation Z eingehen, denn oft werden ihr Potenzial und ihre besonderen Qualitäten übersehen oder missverstanden. Die heutige Generation junger Talente bringt nämlich sehr spezifische Stärken mit – Stärken, die in einer sich wandelnden Arbeitswelt eine Schlüsselrolle spielen.

Was zeichnet die Generation Z aus?

  1. Starke Werteorientierung und Wunsch nach Sinnhaftigkeit
    Diese Generation ist oft auf der Suche nach einem tieferen Sinn und einem positiven Einfluss, den sie in ihrer Arbeit bewirken kann. Studien zeigen, dass für die Generation Z der „Purpose“ wichtiger ist als reine Profitziele. Sie möchten spüren, dass sie zu etwas beitragen, das für sie und die Gesellschaft bedeutungsvoll ist. Für Unternehmen bedeutet das, klare Werte und eine Vision zu kommunizieren, die sich mit den Wünschen der Generation Z nach Sinnhaftigkeit decken.
  2. Hohe digitale Kompetenz und Innovationsgeist
    Die Generation Z ist mit digitalen Technologien aufgewachsen und daher hervorragend darin, neue Tools und Trends zu adaptieren. Sie bringen oft einen unverstellten Blick auf bestehende Prozesse mit und haben ein natürliches Gespür für Innovationen. Gerade wenn Unternehmen neue, digitale Wege gehen wollen, ist die Generation Z ein unschätzbarer Vorteil. Hier können Arbeitgeber also gezielt ansetzen, indem sie diesen Drang zur Veränderung und Optimierung fördern.
  3. Starkes Bedürfnis nach Transparenz und Authentizität
    Im Gegensatz zu früheren Generationen legt die Generation Z besonderen Wert auf offene Kommunikation und Authentizität. Sie schätzt es, wenn ihr Unternehmen klare, ehrliche Einblicke in Entscheidungen und Strukturen gibt. Gerade in Unternehmen mit flachen Hierarchien oder in Start-up-Umgebungen kann diese Offenheit dazu führen, dass die jungen Talente sich stärker engagieren und mit dem Unternehmen identifizieren.
  4. Wachsendes Interesse an mentaler Gesundheit und Work-Life-Balance
    Die Generation Z versteht, wie wichtig es ist, sich auch um das eigene emotionale und mentale Wohlbefinden zu kümmern. In einer Arbeitswelt, die zunehmend schnelle Anpassungsfähigkeit und hohen Einsatz verlangt, ist diese Haltung Gold wert. Arbeitgeber sollten diesen Fokus auf mentale Gesundheit als wertvolle Perspektive für das gesamte Team betrachten – das Bewusstsein der Generation Z für eine gesunde Work-Life-Balance und Selbstfürsorge ist ein echter Gewinn für eine nachhaltige Unternehmenskultur.

Diese Qualitäten sind ein unglaubliches Potenzial. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, Strukturen zu schaffen, die diese Stärken nicht nur anerkennen, sondern auch aktiv fördern. Indem wir die Werte und Bedürfnisse der Generation Z verstehen und respektieren, können wir ein Umfeld schaffen, in dem sie sich wirklich entfalten – und dabei gleichzeitig das Unternehmen voranbringen.

Jetzt das Potenzial Ihrer Talente entfalten

Vielen Dank, dass Sie heute dabei waren. Wenn Sie mehr über das CARE Training und unsere Ansätze zur Potenzialentfaltung erfahren möchten, besuchen Sie einfach meine Website greatgrowingup.com.

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Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2024

Wie das Office zum Home wird

SAP tut es. Volkswagen tut es. Audi tut es auch. Und viele andere Unternehmen tun es auch: Sie rufen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro und arbeiten daran, wie das Office zum Home wird. Der Trend zu immer mehr Homeoffice wird umgekehrt – gar nicht so - langsam, aber sicher.

In der Zeit vom 8. Februar 2024 steht, warum viele Unternehmen – vom kleinen Start Up bis zum Weltmarktführer – ihre Mitarbeiter wieder zurück ins Büro locken. Bei SAP sollen die 100.000 Angestellten spätestens ab Mai wieder mindestens drei Tage pro Woche im Büro arbeiten. VW-Manager müssen künftig sogar vier Tage vor Ort sein. Und auch bei Audi wünscht die sich die Chefetage von ihren Managern wieder mehr Präsenz im Büro. Sie alle wollen erleben, wie das Office zum Home wird.

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Produktivität im Homeoffice stieg nur kurzfristig

Wie das Office zum Home wird. Unternehmen versuchen, der Homeoffice-Falle zu entkommen.
Home Office hat viele Vorteile. Eines aber kommt zu kurz: Entwicklung. Foto: pixabay/Amrita1

Das mag zunächst verwundern, denn anfangs war die Begeisterung über das durch Corona erzwungene Homeoffice geradezu nahezu überschwänglich. Untersuchungen hatten doch gezeigt, dass die Produktivität sogar steige, wenn man den Mitarbeitern erlaubt, Zuhause zu arbeiten.

Kurzfristig sei das tatsächlich so gewesen, heißt es nun. Aber etwas anderes sei im Homeoffice auf Dauer zu kurz gekommen: Entwicklung. Mitarbeiter, die sich allenfalls hin und wieder online via Teams oder Zoom begegnen, fehlt etwas. Sie entwickeln sich längst nicht so gut, wie Mitarbeiter, die im Büro zusammenarbeiten, weil ihnen Austausch, Feedback, Ansporn, und ja, auch gegenseitige Kontrolle fehlen.

Kurzum: Wenn jeder nur in seinen vier Wänden arbeitet, kann ein Team nicht effektiv arbeiten, kollegial interagieren und sein volles Potenzial entfalten.

Selbst Zoom ruft Mitarbeiter zurück ins Büro

Ironischerweise haben das sogar Konzerne bemerkt, die vom Homeoffice-Boom am meisten profitiert haben: Der Videodienstanbieter Zoom ruft seine Mitarbeiter ebenso zurück ins Büro wie Google, Meta und viele andere Technik-Riesen. Mark Zuckerberg, Facebook-Erfinder und Chef des Meta-Konzerns, hat Daten auswerten lassen und dabei herausgefunden: die im Büro schaffen mehr als ihre Kollegen im Homeoffice. Die Folge: Wer sich bei Meta nicht an die Bürozeiten hält, muss - ganz old school - mit der Kündigung rechnen.

Homeoffice ist beliebt

Ganz so leicht ist die Rückabwicklung des Homeoffice aber nicht. Denn Zuhause arbeiten ist modern und unter jungen, qualifizierten Mitarbeitern sehr beliebt. Schließlich erlaubt es den flexiblen Wechsel zwischen Arbeit und dem ganz privaten Leben Zuhause. Wer daheim arbeiten darf, tut sich leichter mit der Betreuung von Kindern, dem Haushalt, der eigenen Freizeit. Das ist vielen Mitarbeitern sie wichtig, dass feste Bürozeiten tatsächlich zum Deal Breaker werden können: Es gibt Mitarbeiter, die lieber kündigen, als aufs Homeoffice zu verzichten.

In der Homeoffice-Falle

Genau in dem Punkt stecken viele Unternehmen in der Falle. Sie haben erkannt, dass Homeoffice nicht das einzig Wahre ist, aber ihre Mitarbeiter wollen gar nicht wieder zurück ins Büro. Zumindest nicht so oft. Die Beratungsfirma PwC hat herausgefunden, dass 35 Prozent ihrer Mitarbeiter tatsächlich lieber dauerhaft Zuhause arbeiten wollen.

Was zurück ins Büro lockt und was nicht

Wie das Office zum Home wird. Unternehmen versuchen, der Homeoffice-Falle zu entkommen.
Menschen haben Sehnsucht nach Gemeinschaft, aber viele fürchten sie auch. Foto: Great Growing Up.

Wie also lockt man Mitarbeiter wieder zurück ins Büro? Es gibt Unternehmen, die es mit finanziellen Anreizen versuchen, aber die haben einen hohen Gewöhnungseffekt und werden schnell als selbstverständlich wahrgenommen. Zwang ist dagegen sogar kontraproduktiv, weil er Widerstand erzeugt.

Was also könnte Mitarbeiter ins Büro locken?

Was Menschen lieben - und fürchten

An diesem Punkt ist es hilfreich, sich Grundlegendes bewusst zu machen. Der Mensch strebt nach Gemeinschaft. Und gleichzeitig fürchtet er sie. Tatsächlich sind wir auf Gemeinschaft angewiesen, denn wir Menschen lieben es, wenn wir Aufmerksamkeit und Wertschätzung bekommen. Vor dem Spiegel im Homeoffice funktioniert das auf Dauer nicht.

Im Büro können wir Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren. Aber eben auch ganz anderes: Differenzen, Kritik, Ablehnung. Wo Menschen zusammen sind, gibt es früher oder später immer Konflikte. Davor haben viele Menschen Angst und bleiben lieber Zuhause.

Oberfläche Pseudo-Gemeinschaft

Oder sie flüchten sich in Pseudo-Gemeinschaft: Die Mitarbeiter verhalten sich im Büro dann beinahe ebenso oberflächlich wie in vielen Onlinemeetings: sie sind vordergründig freundlich, höflich und vermeiden es, Konflikte anzusprechen.

Das wirkt eine Zeit lang sehr harmonisch, tatsächlich aber bleiben die Beziehungen zwischen den Mitgliedern solcher Teams eben oberflächlich. Die Abteilung bleibt so im Stadium der Pseudo-Gemeinschaft hängen.

In diesem Stadium investieren Mitarbeiter ihre Energie vornehmlich darin, ihre Fassaden aufrecht zu halten. Konflikte werden ebenso gemieden wie Herausforderungen, denn gerade die bergen immer auch das Risiko des Scheiterns in sich.

Kreativität birgt Chance und Risiko

Das gleiche gilt für kreative Schaffensprozesse, denn auch die sind riskant: Kollegen könnten darauf mit Kritik oder gar Geringschätzung reagieren. Für Menschen, denen es vor allem darum geht, sich glatt und kantenfrei zu zeigen, ist das undenkbar.

In der Folge bleibt so ein Pseudo-Team weit unter seinen Möglichkeiten zurück, denn der Umgang bleibt oberflächlich, mutlos und unverbindlich. Das ist nicht nur schade, sondern auch teuer, denn Potenzial vergeuden kostet Unternehmen bares Geld.

Willkommen in Chaos und Konflikt

Wie das Office zum Home wird. Unternehmen versuchen der Homeoffice-Falle zu entkommen.
Wer seine Kollegen als Einzelkämpfer erlebt, bleibt natürlich lieber im Homeoffice. Foto: pixabay/kirill_makes_pics

Irgendwann kommt in jeder Pseudo-Gemeinschaft der Punkt, an dem unterdrückte Konflikte und Emotionen an die Oberfläche drängen. Oft geschieht das unkontrolliert und ohne Verantwortlichkeit. Im Gegenteil: Vorwürfe und Beschuldigungen sind dann zu hören. Chaos und Konflikt regieren. Das macht keinen Spaß und stört die Produktivität. Dann lieber Homeoffice, da habe ich meine Ruhe…

Das CARE Training von Great Growing Up führt Mitarbeiter in höhere, deutlich effektivere Stadien der Gemeinschaft. Und das völlig ohne Zwang. Es nutzt stattdessen Sehnsüchte, die uns Menschen in der DNA stecken: die nach Akzeptanz, Wertschätzung und Entwicklung.

Interesse und Offenheit

Wie aber kommt man raus aus Chaos und Konflikt? Am besten mit Interesse und Offenheit. Dieses Stadium von Gemeinschaft erscheint zunächst weniger lebendig als Chaos und Konflikt. Aber es ist die Voraussetzung dafür, dass aus einer Gruppe von Menschen ein Team wird.

Interesse und Offenheit schaffen Raum für etwas, das in der Kommunikation gerne vergessen wird: das Zuhören. Menschen, die sich mit Interesse begegnen, sind offen dafür, die Sichtweisen anderer Menschen zu erfahren, ihre Welt kennenzulernen. Sie kommunizieren nicht nur, indem sie sprechen, sie hören zu und halten auch mal Stille aus.

Die eigene Verantwortlichkeit anerkennen

Mit Interesse und Offenheit wird es zunächst einmal ruhiger im Team. Es geht nicht mehr darum, die eigene Fassade zu verteidigen, das eigene Image zu schützen. Vielmehr geht es darum, sich gegenseitig zu sehen. Dazu gehört neben dem Interesse am anderen auch die Offenheit dafür, die eigene Verantwortlichkeit und Emotionalität anzuerkennen und zu ko

Wie das Home zum Office wird. Unternehmen versuchen, der Homeoffice-Falle zu entkommen.
Jedes Team durchläuft Stadien von Gemeinschaft. Interesse und Offenheit sind die Basis von dauerhafter Produktivität.

mmunizieren.

Auf diese Weise entstehen Teams, die eben nicht mehr aus Einzelkämpfern betstehen, sondern Gemeinschaften von Menschen, die sich selbst und ihrem Gegenüber und Wertschätzung und Akzeptanz begegnen.

Training vermittelt Fertigkeiten

Dazu braucht es Fertigkeiten, die das CARE Training vermittelt: Emotionalität bewusst wahrnehmen und verantwortlich kommunizieren, Zuhören, Klarheit, Grenzen setzen, Unangenehmes ansprechen und mehr.

Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen. Wir sind nicht dazu geschaffen, allein durchs Leben zu gehen. Wir brauchen die Gemeinschaft mit anderen Menschen, um das zu leisten, was die Natur in uns angelegt hat: Entwicklung.

Interaktion ermöglicht Entwicklung

Für Entwicklung braucht es die Interaktion mit anderen Menschen, denn ohne Impulse von außen, reproduzieren wir in der Regel nur das, was uns schon vertraut ist. Kreativität braucht immer wieder Input von außen. So unterstützen sich Menschen darin, sich weiterzuentwickeln. Sie lernen mit- und voneinander.

So wird das Office zum Home

Das CARE Training vermittelt Mitarbeitern Fertigkeiten, die sie im konstruktiven Umgang miteinander zu Profis machen. Damit sie gerne ins Unternehmen kommen, weil sie dort Akzeptanz und Wertschätzung erfahren. So wird das Unternehmen zu einem Ort, in dem Menschen gerne arbeiten, weil sie dort sein dürfen, wer sie sind. Das Office wird zum Home.

 

 

Generation Z will viel und ist schnell weg-

Generation Z will viel und ist schnell weg

Für Matthias Sutter ist der Fall klar: die Zahl der Bewerber um offene Stellen nimmt immer mehr ab, gleichzeitig werden ihre Ansprüche der Bewerber immer höher. Der Verhaltensökonom vom Max-Planck-Institut in Bonn, folgert daraus: Unternehmen, die sich diesen Ansprüchen anpassen, gewinnen den Krieg um Talente. Ich glaube, das ist zu kurz gedacht. Denn was diese Unternehmen gewinnen, sind vor allem Arbeitskräfte, die sich verhalten wie Plankton: Wenn es kritisch wird, sind sie weg. Denn: Generation Z will viel und ist schnell weg.

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Junge Bewerber wirken selbstbewusster als früher

Es tut sich etwas auf dem Arbeitsmarkt. Dass die Zahl der Bewerber insgesamt rückläufig ist, ist ein Problem. Aber es ist eben nicht DAS Problem. Schon seit ein paar Jahren berichten mir Ausbildungsleiter und Personaler, dass sich die jungen Bewerber heute anders verhalten als früher. Selbstbewusster seien sie. Gar nicht selten wirkt es so, als seien die Rollen inzwischen vertauscht. Nicht die Bewerber dienen sich dem Unternehmen an, vielmehr bewerben sich die Unternehmen inzwischen um die Stellensuchenden.

In der Arbeitswelt tobt der Krieg um Talente

In der Arbeitswelt tobt längst der War for Talents, der der Krieg um Talente. „Die Zeit“ hat in ihrer Ausgabe vom 8. Dezember2022 von mehreren Seiten beleuchtet: aus der Sicht von Unternehmen, aber eben auch aus der von jungen Bewerbern. Manche der dort zitierten Aussagen lassen tief blicken – um einiges tiefer als das mitunter nur oberflächliche Selbstbewusstsein junger Menschen vermuten lässt.

Wie Unternehmen junge Talente bei Laune halten

In dem Artikel geht es um einen Schornsteinfeger, der Auszubildenden für jeden Tag, an dem sie pünktlich erscheinen, eine Prämie verspricht. Um Unternehmen, die ihre Belegschaft mit Yoga und Massagen verwöhnen. Um einen Malermeister, der seine Mitarbeiter mit einer Kreuzfahrt bei Laune hält. Und um die beiden Generationen Y und Z, als die Mitte-20- bis Mitte-30-Jährigen sowie die Bis-Mitte-20-Jährigen.

Krieg ums Plankton  - Generation Z ändert die Regeln

Ein Berliner PR-Unternehmer hat für die Generation Z einen Namen, den ich interessant finde: Er nennt sie Generation Plankton. Plankton sind Kleinlebewesen, die im Meer schweben. Sie kommen nahezu ohne eigenen Antrieb voran und betreiben Fotosynthese. Was sie zum Leben brauchen, Wasser und Licht, fällt ihnen buchstäblich in den Schoß.

Ein falsches Wort, und sie sind weg

Der Berliner Unternehmer fasst das so zusammen: Sie „schweben immer oben, müssen niemals angreifen. Aber wehe, es gibt mal ein Nein, ein scharfes Wort, einen scharfen Blick, dann sind sie sofort weg.“ So wie Plankton eben.  Wenn das so stimmt, stellt sich vielen Unternehmen früher oder später die Frage: Wer erledigt dann noch die Arbeit?

Die Ausgangslage

Generation Z will viel und ist schnell weg.
Die Fähigkeit, auch scheinbar negative Gefühle auszuhalten, fehlt vielen jungen Menschen. Foto: pixabay/Alexandra_Koch
  1. Es gibt tatsächlich immer weniger Menschen, die Jobs suchen. Da spielt die Demografie den Bewerbern in die Hände, denn sie wissen längst, dass es ganze Branchen gibt, die beinahe jeden nehmen, der sich bewirbt. Solche Aussagen höre ich unter anderem aus dem Speditions- und aus dem Baugewerbe immer wieder.
  2. Soziale Netzwerke und Recruiter suchen permanent Bewerber und erzählen jedem, der es hören will, wie unglaublich kompetent er sei. Mitunter wohl auch zu oft.
  3. Über soziale Netzwerke wie Linkedin oder Tiktok haben Bewerber deutlich mehr Vergleichsmöglichkeiten als frühere Generationen: Sie wissen um ihren Marktwert und darum, was ihnen in anderen Unternehmen geboten wird.
  4. Das Thema Verdienst steht nicht mehr ganz oben auf der Wunschliste vieler Bewerber. Die meisten legen mehr Wert auf ein „gutes Betriebsklima“. Das ist ein entscheidender Punkt, und es lohnt sich ihn genauer zu betrachten.

Was die Unternehmer sagen

Claudia Triskatis, Personalchefin beim Pharmakonzern Johnson & Johnson, stellt fest: „Alle paar Tage kommt ein Recruiter um die Ecke und erzählt einem, wie großartig man sei. Das höre ich in meinem Umfeld ständig. Es wird einem gespiegelt: Du könntest überall anfangen, du bist begehrt, du musst dir gar nichts bieten lassen.“

Ständige Anerkennung sorgt für hohe Ansprüche

Die ständige Versorgung mit Anerkennung, egal ob gerechtfertigt oder nicht, hat zur Folge, dass viele junge Arbeitnehmer heute sehr selbstbewusst auftreten. Mit wirklichem Selbstbewusstsein hat das nur wenig zu tun. Eher schon mit einer kaum gerechtfertigten Anspruchshaltung. Doch dazu später mehr.

Keine Angst vor Arbeitslosigkeit

Markus Heinen vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY sagt: „Die Angst, als junger Mensch keinen Job zu bekommen, arbeitslos zu sein – die beobachten wir bei denjenigen, die sich uns vorstellen, gar nicht mehr.“ Für die Bewerber mag das angenehm und vorteilhaft sein. Für ihr Verhalten nicht immer: die Motivation, sich anzustrengen, sich von seiner besten Seite zu zeigen, ist nicht mehr vorhanden.

Vorne herum so, hintenrum so

Klaus Hansen, Partner bei der Personalberatungsagentur Odgers Berndtson, hat bemerkt, dass das Thema unterschiedlich bewertet wird: „Auf LinkedIn tun

Generation Z will viel und ist schnell weg
Manchmal nervt das Gerede von der Work-Life-Balance einfach. Foto: pixabay/wal_172619

alle so, als ob sie den Wandel toll finden, das selbstbewusste Auftreten der Jüngeren, das Gerede von der Work-Life-Balance. Insgesamt aber hört man: Ich kann das Gerede nicht mehr hören. Wir mussten doch auch leiden, und die sollen jetzt alles geschenkt bekommen?“ Das sagen mir vor allem ältere Mitarbeiter.

Die Kluft zwischen Alt und Jung wird größer

Die Äußerung von Klaus Hansen ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen deutet sie die sich auftuende Kluft zwischen älteren Mitarbeitern und Vertretern der Generation Plankton an. Zum anderen zeigt sich darin aber auch, dass Unternehmen oft das nötige Selbstbewusstsein fehlt, um angemessen auf den Wandel zu reagieren: Nach außen gibt man sich aufgeschlossen und begrüßt die Veränderung, tatsächlich aber sind viele Unternehmen angesichts der Anspruchshaltung von jungen Mitarbeitern einfach nur genervt.

Die Schattenseiten des Wandels

Schade nur, dass sich nur wenige Unternehmer dieses Genervt-Sein auch zugestehen. Denn tatsächlich hat der Wandel auch seine Schattenseiten, und wer die ignoriert, wird mit ihren Auswirkungen leben müssen. Deshalb mag es zwar stimmen, was Matthias Sutter, Verhaltensökonom am Max-Planck-Institut in Bonn, sagt: „Wer sich schneller anpasst, wird den Kampf um die raren Arbeitskräfte gewinnen.“

Wer nie kämpfen musste, wird einfach gehen

Wer sich den Ansprüchen anpasst, wird allerdings auch mit ihrer Anspruchshaltung leben müssen. Und mit etwas, das sich auf Dauer mindestens ebenso nachteilig auswirken wird: einer gering ausgeprägten Resilienz gegenüber Herausforderung auf allen Ebenen – fachlich ebenso wie emotional. Wer nie kämpfen musste, wird, wenn es hart wird, einfach gehen. Einfach weil es genug Möglichkeiten und wenig Wettbewerber gibt.

Die Zahl der Arbeitnehmer sinkt

Und genau diese Situation wird sich weiter zuspitzen. Im Sommer 2022 gaben bei einer Umfrage des IFO-Instituts 47,9 Prozent der Unternehmen an, sie könnten nur eingeschränkt arbeiten, weil sie zu wenig Fachkräfte fänden. Längst nicht alle Menschen, die demnächst in Rente gehen, werden durch Nachwuchs ersetzt. Die Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland wird in den nächsten zehn Jahren von 47 auf 42 Millionen sinken, sagt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Für Arbeitnehmer ist das eine günstige   Ausgangslage, sagt Enzo Weber vom IAB. Ich würde sagen: Sie ist vor allem bequem.

Was Arbeitgeber so alles erleben

Im Artikel in der „Zeit“ schildern Personaler und Arbeitgeber Situationen, die in vielen Unternehmen inzwischen zum Erfahrungsschatz gehören.

  • Ein 20-jähriger Bewerber, der im Vorstellungsgespräch erst einmal hören will, was das Unternehmen zu bieten habe.
  • Junge Talente, die deutlich mehr Gehalt fordern, einfach weil das der Marktpreis sei, über den sie via LinkedIn genau Bescheid wüssten.
  • Ein Mitarbeiter, der einen Stellplatz vor seiner Wohnung einfordert, weil er viel im Homeoffice arbeiten müsse. Ein Kollege, der aus demselben Grund verlangte, das Kantinenessen solle ihm per Kurier nach Hause geliefert werden.
  • Bewerber, die einfach nicht zum Vorstellungsgespräch erscheinen beziehungsweise eine Woche vor Arbeitsbeginn per E-Mail absagen. Tschüss.

Plankton will immer oben schwimmen

Der Personalberater Heiner Thorborg bemerkt dazu: „Man merkt, dass die heute 21-Jährigen in eine Welt geboren wurden, in denen es ihnen an nichts mangelt.“

So wie Plankton immer oben schwebt wollen viele neue Mitarbeiter gleich einen Platz in der ersten Reihe. Vor allem für ältere Mitarbeiter sei das entsetzlich, sagt der Soziologe Klaus Hurrlemann. Das scheinbar starke Selbstbewusstsein vieler junger Mitarbeiter sei eine Folge ihrer Prägung, sagt er: Viele Jüngere hätten Eltern, die alles interessant fänden, was ihre Kinder tun.

Wenn die Kompetenz fehlt, wird es kritisch

Generation Z will viel und ist schnell weg.
Selbstewusstsein entsteht aus Erfahrungen mit Herausforderungen. Foto: pixabay/Angelo Esslinger

Kritisch würde es, wenn das vermeintliche Selbstvertrauen eben nicht auf Kompetenz basiere, erklärt Hurrlemann: Dann fehle es vielen Jüngeren am Durchhaltewillen, an Biss. Einfach weil sie das nie lernen mussten. Ich finde, genau darin liegt der Unterschied zwischen tatsächlichem Selbstbewusstsein einerseits und hohen Ansprüchen andererseits: Wer wirklich selbstbewusst ist, kann Herausforderungen begegnen. Das lernen Menschen, indem sie Herausforderungen annehmen und daran wachsen. Wer das nie gelernt hat, entwickelt allenfalls hohe Ansprüche und überlässt die Herausforderungen lieber anderen.

Wie sich Haltung auf Verhalten auswirkt

Aus dieser Anspruchshaltung erklären sich folgende Verhaltensweisen:

  • Ein Anfang-20jähriger Angestellter einer großen Beratungsfirma, soll die Vorstandsunterlagen bis zum Abend fertigstellen. Er lehnt ab, weil er lieber zum Sport will.
  • Der junge Mitarbeiter eines großen Unternehmens wird zum Senior-Leader-Meeting in Paris eingeladen. Er lehnt ab, weil er dafür ja bereits am Sonntag anreisen müsste. Und Sonntag ist schließlich arbeitsfrei.

Was junge Arbeitnehmer dazu sagen

  • Lisa Eppel, Kundenbetreuerin in der Werbebranche: „Wenn sich junge Menschen meiner Generation mit ihrem Gehalt weniger Wohlstand aufbauen können, ist es doch klar, dass wir andere Gegenwerte fordern: Selbstverwirklichung, Sinn, Work-Life-Balance.“

Alles gut und richtig, aber die Frage bleibt: Wer macht die Arbeit, wer stellt sich Herausforderungen, die früher oder später unweigerlich kommen werden?

  • Sebastian Becker vom Venture-Capital-Investor Redalpine: „Bezahlung ist in unserer Generation, in der viele niemals Geldnot hatten, nicht ausschlaggebend.“

Generation Z will viel und ist schnell weg

Vielen jungen Menschen ist das Betriebsklima inzwischen wichtiger. Nochmal Lisa Eppel: „Ist das Klima toxisch, bin ich sofort weg.“ Das klingt gesund, denn niemand sollte sich einem giftigen, ungesunden Klima aussetzen. Und es ist gut, wenn Unternehmen auf ihr Betriebsklima achten.

Aber was bedeutet toxisch in diesem Zusammenhang? Ich glaube, gar nicht selten muss die Vokabel einfach für alles herhalten, was Mitarbeiter als unbequem empfinden: Kritik, Herausforderung, Konflikt und andere Dinge, die im Drehbuch des Lebens ihren Platz haben.

Eine Folge: Bedeutung der Soft Skills nimmt zu

Generation Z will viel und ist schnell weg
Soft Skills werden immer wichtiger für Führungskräfte. Manche werden zu soft. Foto: pixabay/Gerd Altmann

Mir stellt sich dennoch immer wieder die eine Frage: Zielen die Maßnahmen in die gewünschte Richtung? In vielen Unternehmen beobachte ich, dass die sogenannten Soft Skills immer mehr an Bedeutung gewinnen. Das ist zunächst einmal großartig, denn soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz werden gerade im Umgang mit immer anspruchsvolleren Mitarbeitern immer wichtiger. Folglich tun Unternehmen gut daran, wenn sie gerade ihre Führungskräfte schulen und trainieren. Oft geht es dabei um Werte wie Respekt, Integrität, Zuverlässigkeit und andere, die viele Leitbilder schmücken.

Noch eine Folge: hilflose Führungskräfte

Mir begegnen immer mehr Führungskräfte und Mitarbeiter, die sich darin trainieren, empathisch zu sein, zuhören und motivieren zu können. Ich finde des großartig. Aber mindestens genauso oft begegnen mir verzweifelte Personaler und Führungskräfte, die sich nicht mehr erlauben, kritisches Feedback zu geben oder Klartext zu reden. Aus Angst davor, dass das Plankton sofort verschwindet.

Klimawandel in Unternehmen - Was es wirklich braucht

Es geht also tatsächlich nicht nur darum, ein angenehmes Betriebsklima zu erschaffen, in dem sich alle immer wohlfühlen. Das ist schlichtweg nicht möglich. Und es wäre auch nicht gut, weil es Mitarbeiter in einer Illusion gefangen hält: einem Leben ohne Herausforderungen. Das ist so nicht vorgesehen. Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, brauchen wetterfeste Mitarbeiter, denn auch im angenehmsten Klima gibt es hin und wieder Unwetter. Und kein Unternehmen kann auf Dauer bestehen, wenn sich seine ach so schwer erkämpften Mitarbeiter schon bei Nieselregen vom Acker machen.

Training macht Mitarbeiter wetterfest

Deshalb sind Trainings wie CARE so wichtig, in denen Mitarbeiter lernen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen ihrem Verhalten einerseits, und ihrer Akzeptanz gegenüber unbequemen Emotionen wie Angst, Ärger oder Trauer, die immer auftauchen,  wen wir Herausforderungen begegnen.

Warnung vor unbequemen Emotionen

Dazu fällt mir die Kolumne des von mir sehr geschätzten Harald Martenstein im Zeit Magazin vom 29. Dezember 2022 ein. Er beschreibt, dass britische Universitäten ihre Studenten inzwischen vor Werken der Weltliteratur warnen, wenn diese sie „emotional triggern“ könnten. Ein Roman über Sklavenhaltung in den Südstaaten der USA etwa sei gefährlich, weil darin Grausamkeiten gegenüber Sklaven geschildert würden. Genau die sind nun mal das Thema des Romans.

Die Studenten wollen nicht mit Gefühlen wie Angst, Ärger oder Traurigkeit konfrontiert werden. Sie machen ihnen Angst.

Herausforderung trainiert Lebensfähigkeit

Aber wie wollen sie dem Leben und seinen Herausforderungen begegnen, wenn Sie Angst, Ärger und Traurigkeit nicht aushalten wollen und können?

Wie wollen sie jemals wetterfest werden, wenn Sie immer nur im emotionalen Wellness-Klima verharren wollen?

Worauf es ankommt - Ambiguität aushalten

Harald Martenstein liegt richtig, wenn er folgert, vielen dieser Menschen werde es an Empathie fehlen. Wer selbst nichts fühlen will, wird sich auch nicht in die emotionale Befindlichkeit seines Gegenübers einfühlen wollen.

Wer nie gelernt hat Ambiguität – Meinungsverschiedenheiten, nicht erfüllte Bedürfnisse, ungelöste Konflikte – auszuhalten, wird immer wollen, dass andere ihm ein angenehmes Klima erschaffen, indem sie alles aus dem Weg schaffen, was stört: Herausforderung, Anstrengung, Verbindlichkeit, Klartext, Kritik, Widerspruch, Unbequemlichkeiten aller Art. Und wenn das nicht geschieht, ist das im Krieg um Talente so mühsam erkämpfte Plankton ganz schnell wieder weg.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2023

Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter

Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter

Viele Unternehmer schauen neidvoll nach Osten. Die Volkswirtschaften dort erscheinen ihnen schlagkräftiger.  Weil das Menschenbild ein anderes ist: Vor allem in Fernost hat das Kollektiv mehr Stellenwert als das Individuum. Mitarbeiter dort, sind eher bereit, sich als Teil eines großen Ganzen zu betrachten, verzichten eher auf Rechte, Freiheiten und Freizeit als ihre Kollegen im Westen. Dagegen erscheinen wir im Westen oft weniger leistungsbereit. Aber ist das wirklich so? Der Westen tut gut daran, sich auf seine Stärken zu besinnen: auf unser Menschenbild, das mehr auf Individualität und auf die speziellen Stärken des Einzelnen setzt. Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter. Das gilt es zu entfalten und zu nutzen.

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Das Potenzial in der Vielfalt erkennen

Nach einem Training hat mir ein Teilnehmer eine interessante Frage gestellt: „Funktioniert dein Training eigentlich in allen Kulturen?“ Ich hätte nur zu gerne mit einem klaren Ja geantwortet, aber ich bin überzeugt davon, dass das nicht stimmen würde.

Das CARE Training bietet Menschen grandiose Möglichkeiten, ihr individuelles Potenzial zu entfalten. Das funktioniert in Trainings mit Teams ebenso wie in Trainings mit vermischten Teilnehmern.  Der Kontext basiert darauf, dass Menschen lernen, sich selbst in ihrer ureigenen Individualität zu akzeptieren. Und nichts ist individueller als Emotionalität. In simplen Worten: CARE trainiert Menschen darin, ihre Emotionalität bewusst wahrzunehmen, sie klar und verantwortlich auszudrücken und – das Wichtigste – die damit verbundenen Qualitäten zu nutzen. Das Potenzial steckt in der Vielfalt.

Wo Gesichtswahrung unverzichtbar ist

Können Sie sich einen Chinesen, Japaner oder Koreaner vorstellen, der daran interessiert ist, seine Emotionen gegenüber Mitarbeitern und Kollegen klar

Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter.
Kollektive beziehen ihre Stärke aus der Gleichheit ihrer Mitglieder. Foto: pixabay/Matthias Wewering

auszudrücken? Ich auch nicht. Die Kultur in Ostasien ist eine andere. Die Menschen dort achten darauf, „ihr Gesicht nicht zu verlieren“. Und sie verstehen sich als Teil eines Kollektivs. Individualität hat in Fernost einen deutlich geringeren Stellenwert als hier bei uns.

Das Menschenbild im Westen ist deutlich mehr von Individualität geprägt. Wir wollen uns nicht einem gleichmacherischen Kollektiv unterordnen. Wir schätzen unsere Individualität als Wert an sich. Wir betonen gerne, dass wir ganz individuelle persönliche Charakterzüge und Vorlieben haben. Und das ist unser Vorteil: Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter.

Weniger Freiheit, mehr Unterordnung

In Ostasien ist vieles anders. Die Bereitschaft, sich im Kollektiv ein-, nötigenfalls sogar unterzuzuordnen ist generell größer. Der Wunsch nach persönlicher Freiheit ist dagegen weniger stark ausgeprägt, die Zahl der Urlaubstage oft deutlich geringer als hier im Westen.

Nicht wenige Menschen haben daher Angst um unseren dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg auf dem globalen Markt. Laufen uns die Ostasiaten mit ihrer Disziplin, ihrem Korpsgeist und ihrer mitunter emotionsfreien Funktionalität am Ende den Rang ab?

Der Unterschied liegt im Menschenbild

Ich denke, genau das werden sie tun, wenn wir uns nicht auf den Kern unserer Kultur besinnen. Das Menschenbild im Westen ist stark geprägt vom Humanismus, also vom Menschenbild der griechisch-römischen Antike. Das Denken und Handeln legt Wert auf die Würde des Einzelnen, auf Menschlichkeit und auf individuelle Potenziale. Und genau darin liegt unsere Stärke. Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter.

Das Potentzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter.
Das Menschenbild im Westen ist geprägt von der Philosophie im antiken Griechenland. Foto: pixabay/timeflies1955

Ungenutzte Stärken nutzen

Diese Stärke nutzen wir leider viel zu selten. Tatsächlich verstehen wir sie oft als Schwäche gegenüber den vermeintlich leistungsstärkeren Kollektiven im Osten.

Das ist ein Fehler.

Wenn Potenziale zusammenwirken

Die Stärke des Ostens speist sich aus der Effizienz der Masse. Die Stärke des Westens liegt in der Vielfalt der individuellen Potenziale und in der Synergie ihres Zusammenwirkens begründet. In einem wahrhaftigen Team trägt jeder Einzelne trägt mit seiner individuellen Kreativität, seinen Impulsen und seiner Persönlichkeit dazu bei, Herausforderungen zu meistern. Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter.

CARE entfaltet individuelle Potenziale

Das funktioniert allerdings nur, wenn wir es uns erlauben, diese Potenziale wahrzunehmen und zu nutzen. Und genau da kommt das CARE Training ins Spiel. Und das funktioniert so:

Susanne hat CARE for Teams gebucht. Das Training dauert zweieinhalb Tage und hilft Teilnehmern dabei, ihr individuelles Potenzial als unverzichtbare Komponente eines Teams zu erkennen und zu entfalten. Sie lernen, sich selbst und gegenseitig mit Akzeptanz zu begegnen. In Susannes Team war genau das zuvor nicht der Fall: „Wir haben so viele unterschwellige Konflikte, die behindern unsere Zusammenarbeit“, hatte sie vor dem Training erklärt, „keiner spricht an, was wirklich Sache ist“.

Emotionen, die keiner ansprechen will

Im Training zeigt sich, dass viel emotionaler Druck im Raum ist. Nur will den niemand ansprechen. Susanne erwartet Leistung, wirkt ungeduldig und ärgerlich, Ute zieht sich zurück, Vanessa ist erkennbar den Tränen nahe, Werner wirkt zunächst unbeteiligt, Maximilian bleibt zynisch und überheblich, und Sven will von Gefühlen gar nichts wissen.

Jeder macht sein Ding, keiner ist begeistert oder mit Leidenschaft bei der Sache, und keiner fühlt sich wirklich wohl in diesem Team, das allenfalls ein Pseudo-Team ist. Im Training erkennen das alle, denn jeder weiß, dass sich keiner zu tun traut, was nötig wäre: aussprechen, was in einem vorgeht. „Wir sind vorne herum freundlich, aber hintenrum zeigen wir uns den Finger“, sagt Susanne.

Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter.
In Pseudo-Teams halten Menschen sich gegenseitig auf Abstand. Foto: pxabay/Arek Socha

Wenn Menschen gar nichts fühlen wollen

Sven stellt klar: „Ich will bei der Arbeit gar nichts fühlen, weil ich diese Gefühle sonst mit nach Hause nehme. Deshalb ist es mir lieber, wenn mir die Leute hier… egal sind.“ Svens letzter Satz hallt im Trainingsraum nach und sorgt für einen kleinen Schock. Vanessa kommt ihren Tränen noch ein Stück näher, aber noch keiner will mitteilen, was er fühlt.

Klar, von uns wird nicht erwartet, dass wir unsere Kollegen heiraten oder lieben. Darum geht es auch nicht. Aber ist es gut für ein Team, wenn wir uns gegenseitig egal sind? Immerhin verbringen wir im Laufe einer Arbeitswoche oft mehr Zeit mit unseren Kollegen als mit unseren Familien.

Sven wirkt nachdenklich.

Werner ist der erste, der sich traut: „Das hier ist genau das, was wir als Team brauchen.“ Das überrascht alle, denn Werner hatte zuvor fast gar nichts gesagt. Sven folgt nach und lässt sich auf eine Übung ein: Susanne stellt sich einen Timer und wird ihn alle 30 Minuten fragen, was er fühlt. Sven wird dabei zwischen den vier Grundgefühlen Ärger, Trauer, Angst und Freude unterscheiden.

Was ein Team bremst und was es in Bewegung bringt

Im weiteren Verlauf des Trainings zeigt sich, welche Dynamik dafür sorgt, dass Susannes Team bislang nur ein Pseudo-Team ist. Aber zuerst kann Vanessa ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. „Alle kommen zu mir, heulen sich aus und schimpfen über die anderen“, schluchzt sie. Vanessa ist der Seelenmülleimer des Teams. Sie hört sich alles an, tröstet alle, die zu ihr kommen, und bleibt doch mit deren unerlösten Emotionen allein.

Warum Retter keine Konflikte lösen

Vanessa hat zunächst kein Interesse daran, ihre Verantwortlichkeit in diesem Drama anzuerkennen. Es dauert ein wenig, bis sie bereit ist. Vanessa ist die

Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter
Die Chance des Westens liegt darin, individuelle Potenziale zu nutzen. Foto: pixabay/Gerd Altmann

Retterin im Team. Sie formuliert es drastischer: „Ich bin der Eimer, in den sich alle auskotzen.“ Aber sie hat auch einen Gewinn daraus: Vanessa wird als „die gute Zuhörerin“ wahrgenommen. Nur  trägt sie eben auch dazu bei, dass das Team nicht zusammenwächst: Sie nimmt ihren Kollegen emotionalen Druck und verhindert so, dass sie ihre Konfliktpartner direkt ansprechen.

Als das klar ist, kommt Bewegung in die Sache.

Positiv denken allein hilft nicht

Vanessa ist ein sehr empathischer Mensch. Sie nimmt Anteil am Seelenschmerz ihrer Kollegen. Und sie macht sich Sorgen um die Zukunft ihres Teams. Im Kontext des CARE Trainings bedeutet das: Vanessa fühlt Angst. Ihre Freude am Job hat sie zuletzt kaum noch gespürt. Positiv denken allein hilft da nichts, Vanessa braucht etwas anderes: ihren Ärger. Allerdings weiß sie zunächst noch nicht wozu.

Abgrenzung ist gefragt

Ihren Ärger will Vanessa gar nicht spüren. Und doch ist es genau dieses Gefühl, das ihr Entscheidendes ermöglicht: Abgrenzung – vom Seelenschmerz ihrer

Kollegen und vor allem von ihrer Rolle als Seelenmülleimer. Sie wird eine gute Zuhörerin bleiben, aber sie wird künftig auch Grenzen setzen.

Werner ist begeistert: „Das brauchen wir alle.“ Der Senior des Teams wünscht sich ein Team ohne unterschwellige Konflikte: eines, in dem Offenheit und Verbundenheit mehr als nur Worte sind; ein vertrauensvolles und krisenfestes Team.

Aus dem Pseudo-Team wird ein Team

Seine Mitteilung bewirkt etwas bei Sven. Zunächst kann er nicht klar beantworten, was ihn Susanne wieder einmal fragt: „Was fühlst Du, Sven?“ Er weiß es nicht. Angst und Ärger schließt er diesmal aus, Freude vielleicht oder doch eher Trauer. Es ist eine Mischung: Sven ist berührt. Er erkennt, welche Veränderung emotionale Bewusstheit und Offenheit mit sich bringen. Das Pseudo-Team bewegt sich in Richtung Team. Sven erkennt, dass es seine alte Entscheidung, auf emotionaler Distanz zu bleiben, ihren Preis hatte: fehlender Zusammenhalt.

Coole Checker bleiben lieber auf Abstand

Sein Kollege Maximilian ist zurückhaltender. Er tarnt seine Angst vor der Nähe mit trockenen Sprüchen und theoretischen Erklärungen. Aber lässt es auch zu, sich dabei ertappen zu lassen. „Du bist mir ein paar Mal richtig auf den Sack gegangen“, wird er am Ende des zweiten Tages zum Trainer sagen, „aber du hast in allem Recht gehabt“. Maximilian hat verstanden, dass er sich nur entwickeln kann, wenn er nicht laufend den coolen Checker markiert.

Warum Nein sagen entscheidend ist

Ute ist eine ganz Liebe. Sie spielte im größten unterschwelligen Konflikt des Teams eine Schlüsselrolle: das Opfer. Abgrenzung und Nein sagen sind nicht ihre Stärken. Sie will auch die praktische Übung dazu nicht machen. Um ein Haar hätte sie gar nicht bemerkt, dass ihr Nein dazu klar und deutlich war: eine eindeutige Grenze. So eine hatte sie zuvor noch nie gezogen.

Warum Führungskräfte Angst haben müssen

Susanne, die Teamleiterin hat kein Problem damit, ihren Ärger zu äußern und zu nutzen. Die Frau spricht Klartext. Manchmal aber fehlt ihr die Angst davor, zu

Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter.
Akzeptanz ist der Schlüssel zur Entfaltung individueller Potenziale im Team. Foto: Great Growing Up

hart zu sein. Angst ist das Gefühl, das sie am wenigsten mag. Im Training erfährt sie, dass Angst, wie alle Grundgefühle, zwei Seiten hat: eine destruktive, die uns lähmen und schwächen kann. Aber auch eine konstruktive, die uns achtsam und tatsächlich auch mutig machen kann.

Bewusst handelnde Menschen entfalten ihr Potenzial

Die Teamleiterin erkennt ihr Team am Ende des Trainings kaum wieder. Alle wollen eine Fortsetzung des Trainings. Susannes Resümee: „Ich sehe aktuell schon, wie die Kollegen die Inhalte umsetzen und ich hoffe, dass es auch langfristig den gewünschten Effekt bringt und wir alle wieder ein bisschen näher zusammenrücken 😊“. Das Potenzial steckt in der Vielfalt der Mitarbeiter. CARE wirkt, weil wahre Teams emotional bewusste Menschen brauchen, die ihr individuelles Potenzial entfalten. Für alles andere reichen funktionale Kollektive.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla, Great Growing Up 2022

Was Mitarbeiter krank macht

Psychische Krankheiten nehmen zu

Karin Weyrich: Also du machst das halt auf deine Art. Das heißt, wenn jetzt eine Firma  zu dir kommt und sagt, bei uns sind immer 40 Prozent krank, dann gehst du nicht zu den Leuten nach Hause ins Krankenzimmer, sondern du sprichst die Verantwortlichen an. Also du sprichst mit den Verantwortlichen, mit dem Gruppenleiter, mit den Abteilungsleitern und instruierst sie erst einmal, wie sie eine Gesprächsführung machen mit den Leuten, dass sie praktisch zuhörend fragen. Du sprichst nicht mit den Leuten, die sich verweigern. Also du gehst dann diesen Weg. Und wenn eine Firma kommt und hat so viel kranke Leute, dann ist ja sehr viel im Argen. Da ist ja viel zu tun, denke ich mir.

Wenn die Kultur nicht stimmt

Psychische Krankheiten sind auf dem Vormarsch. Foto: Małgorzata Tomczak/pixabay

Matthias Stolla: Da gibt es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist da irgendwas physisch ungesund. Dann werden die Leute physisch krank. Aber in der Regel ist es ja nicht so. In der Regel ist es so, dass die Kultur nicht stimmt, die Atmosphäre nicht stimmt, der Umgang mit den anderen nicht. Und das letzte Mittel, das viele Mitarbeiter sehen oder das vorletzte vor der Kündigung, ist wirklich: Ich lasse mich krankschreiben. Und bei vielen ist das auch so: Die sind wirklich krank. Der Anteil der psychischen Erkrankungen an den Fehlzeiten in Unternehmen in Deutschland wächst von Jahr zu Jahr. Schneller als alle physischen Krankheitsbilder. Die Leute sind kaputt, wir erfinden ja auch immer wieder mal neue Worte: Burnout.

Was Menschen ausbrennt

Die Leute sind ausgebrannt. Und nach meiner Beobachtung nicht durch die Arbeit selbst. Sondern weil sie nicht in der Lage sind, für sich zu sorgen. Sei es, indem Sie sagen: "Chef, wie wär's denn auch mal mit ein bisschen Anerkennung?" Da rede ich übrigens nicht von Geld. Ich rede von authentisch, glaubhaft vermittelter Wertschätzung.

Oder: "Chef, sorry, Jetzt ist mal gut. Ich kann das heute nicht auch noch erledigen." Menschen, die das nicht können, landen im Burnout. Das ist das gleiche Bild wie bei Mobbing-Opfern.

Abgrenzung ist gesund

Wenn ich nicht in der Lage bin zu sagen "Jetzt reicht's" - das führt in den Burnout. Und das macht Menschen krank. Genauso wie ein Chef, der sich benimmt wie offene Hose, der einen demütigt oder abblitzen lässt oder seine Missachtung zeigt - das treibt Menschen in die psychische Krankheit.

Persönlichkeitsentwicklung sichert den Erfolg

Karin Weyrich: Das heißt, deine Coachings, deine Arbeit mit den Leuten in der Firma zielt darauf ab, dass die Kommunikation wieder gesund wird. Jeder einzelne wächst daran für sich persönlich. Jeder einzelne Mitarbeiter geht in Richtung Selbstermächtigung. Verstehe ich das so richtig?

Matthias Stolla: Absolut. Es geht um Persönlichkeitsentwicklung. Ich kenne große Unternehmer hier und bei uns in der Region - wir hier im beschaulichen Hohenlohe nennen uns ja die Region der Weltmarktführer, weil wir ganz viele Weltmarktführer unter uns haben etwa in der Befestigungstechnik, Ventilation, Elektromotoren oder Verpackungen. Da gibt es sogenannte Cluster hier.

Ohne geht's auf Dauer nicht

Und ich kenne Unternehmer von diesen Weltmarktführern, die ganz klar sagen: Persönlichkeitsentwicklung ist Teil unseres wirtschaftlichen Erfolges. Weil es ohne dauerhaft nicht funktioniert. Viele Unternehmen, die nicht in den Ballungszentren angesiedelt sind, haben erhebliche Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu rekrutieren.

Auf dem flachen Land - das ist einfach für viele Menschen nicht so attraktiv, vor allem nicht für gut bezahltes Führungspersonal. Wenn du da nicht punkten kannst mit einer top Unternehmenskultur, wo der Mitarbeiter weiß: Wow, da bin ich Minimum acht oder vielleicht auch mal zehn oder 15 Stunden am Tag drin, ich will da Freunde haben, ich will Spaß an meiner Arbeit haben. Ich will morgens gerne zur Arbeit fahren. Was hat ein Unternehmen davon, wenn die Mitarbeiter keinen Bock haben, morgens zur Arbeit zu fahren?

Von der Entwicklung hängt alles ab

Das ist doch kein Gewinn. Das ist doch Geldvernichtung. Es geht darum, eine Kultur zu erschaffen, wo die Leute sagen: Heute wird es wieder cool. Es geht eben nicht nur darum, dass es die Gesamtbilanz ist, dass der Umsatz wächst. Da geht es auch darum, dass ich mich als Mitarbeiter menschlich weiterentwickele. Davon hängt alles ab.

Unterforderung beenden

Karin Weyrich: Es gibt ja in manchen Unternehmen Leute, die sind unterfordert. Er sitzt an seinem Platz und hat Fähigkeiten und Talente, die er nicht einsetzen kann auf dieser Position. Bist du da jemand, der das sieht und erkennt und dann Vorschläge macht, welche Position oder welcher Aufgabenbereich diesen Mitarbeiter mehr erfüllen könnte?

Matthias Stolla: Wenn ich danach gefragt werde vom Führungspersonal, dann tue ich das. Es gibt zwei Richtungen, aus denen sich so das Phänomen, das du beschreibst, beobachten lässt. Einmal aus der Richtung des Mitarbeiters. Es kann sein, dass solche Menschen klein spielen. Dass sie möglicherweise kein allzu ausgeprägtes Selbstwertgefühl haben und sich ihrer eigenen Fähigkeiten, ihres eigenen Potenzials überhaupt nicht bewusst sind. Das beobachte ich leider oft bei jungen Menschen.

Potenzial erkennen

Gerade bei Azubis. Und ich werde immer wieder von meinen Kunden gefragt: Was siehst du denn in dem und dem der? Und bei der sehen wir z.B. echte Führungsqualitäten, siehst du das auch so, Matthias? So etwas geschieht immer wieder. Ich kann mich auch an einem einen Teilnehmer in einem meiner allerersten Trainings erinnern. Da wusste ich am Tag 1 schon, dieser junge Mann könnte mal meinen Job machen. Weil er so anders angesprungen ist auf Training und es mitgetragen hat.

Der hat inzwischen schon Videos mit mir produziert. Er war schon als Praktikant auf Trainings mit dabei und ist in seinem Unternehmen ein hochgeschätzter Mitarbeiter und Sympathieträger.

Die zweite Richtung, aus der man beobachten kann, dass jemand unterfordert ist, ist es aus der des übergeordneten Miteinanders, der Führungsperson.

Und da ist es oft auch ein Problem von mangelndem Selbstwertgefühl. Wenn die Führungskraft ein Problem damit hat, dass jemand anderes unter ihr wachsen könnte, dann könnte auch das die Ursache dafür sein, dass jemand sein Potenzial nicht auslebt.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla, Great Growing Up, 2021

Wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt

Wie schaffe ich es als Führungskraft, Mitarbeiter bei Veränderungen nicht nur mitzunehmen, sondern sie beispielsweise für Fusionen oder für die Einführung neuer Strukturen und Produkte zu begeistern? Grundsätzlich gibt es zwei Wege, mit so einschneidenden Zäsuren, die große Veränderungen mit sich bringen, umzugehen. Beide zeigen, wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt.

Einer davon ist sehr bequem, der andere führt zum Ziel. Ich will versuchen, beide vorzustellen. Karin Weinrich hat mir dazu schlaue Fragen gestellt und ich habe versucht, einigermaßen schlau darauf zu antworten.

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Fusionen machen Angst

Karin Weyrich: Viele Firmen tun sich zusammen, fusionieren. Hattest du so etwas auch schon, dass zwei verschiedene Firmen fusionieren, und es gibt dann ganz viele Ängste bei den Mitarbeitern. Wer fliegt raus? Welche Produktpalette bleibt? Welche wird abgesetzter? Oder welche Dienstleistung? Hattest du so was schon? Ist das ein richtig dynamischer Kram, so eine Fusionierung?

Matthias Stolla: Also eine heiße Fusionierung, wo es um sowas ging, hatte ich noch nicht. Aber ich arbeite mit einem Unternehmen zusammen, das aus einer Fusion entstanden ist. Und das sind Produktionsstandorte in Bayern und in den Niederlanden und in Belgien. Und da geht es schon darum, wie begegnet man sich? Wie begegnen sich die Belgier und die Holländer und die Deutschen? Die sind eher die  Senior-Partner, die Belegschaften in den Benelux-Ländern begreifen sich eher als Juniorpartner.
Das sind sie auch, was die Personalstärke anbelangt. Die wollen natürlich nicht unter die Räder kommen. Da ist es besonders wichtig, zu wissen, wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt

Mentalität macht den Unterschied

Wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt. Great Growing Up.
Veränderungen machen vor allem eines: Angst. Und sie ermöglichen etwas: Mut. Foto: Gerd Altmann/pixabay

Und dann gibt es unterschiedliche Mentalitäten. Die Holländer gehen mit Hierarchie ganz anders um als wir Deutsche. Zu mir hat erst neulich an der Geschäftsführer vom Unternehmenssitz in den Niederlanden gesagt: Für uns Holländer ist Wahrheit wichtiger als Hierarchie.

Da sind wir Deutsche vielleicht noch nicht so weit, weil wir einfach eine andere Tradition, eine andere Geschichte haben. Ich erlebe das schon in Unternehmen, dass viele Menschen, wenn sie in der Hierarchie weiter unten angesiedelt sind, viel schlucken. Viel Ärger schlucken und keine Widerworte machen und ja. Wenn ich jetzt den Mund aufmache,  krieg ich vielleicht noch mehr Ärger. Ich werde wirklich gebucht, um diesen Mitarbeitern den Mund zu öffnen. Weil Unternehmen wissen wollen, wie  man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt.

Umgang mit Hierarchie

Menschen für Veränderung gewinnen. Mit Great Growing Up geht das.
Nicht alle haben den gleichen Umgang mit Hierarchien. Foto: ejaugsburg/pixabay

Bei den den Holländern, den Belgiern und den Deutschen, da geht es einfach auch darum an, dass sie  lernen, gegenseitig in ihren Ängsten mit ihren Ängsten zu begegnen. Aber auch darum, dass die Holländer ein bisschen begreifen, dass man einen deutschen CEO vielleicht nicht gleich mit der schlimmsten Frage zu Beginn konfrontiert.

Die Deutschen wiederum dürfen schon auch von den Holländern ein bisschen lernen, dass nicht alles immer so strikt nach Hackordnung gehen muss. Und es ist sehr spannend, so einen Prozess zu begleiten, Das macht schon sehr viel Spaß, und da lerne ich auch sehr viel.

Struktur und Veränderung

Karin Weyrich: Hattest du auch schon mal, dass eine Firma ein neues Produkt hinzunehmen will? Die Mitarbeiter fürchten sich vor dieser neuen Dienstleistung oder vor dem neuen Produkt. Hattest du so eine Situation schon?

Matthias Stolla: Also nicht direkt ein neues Produkt, aber wenn es um strukturelle Veränderungen geht in Unternehmen. Das erlebe ich schon sehr oft, immer wieder. Wenn zwei Abteilungen zusammengelegt werden, da ist ja die Hölle los. Das ist ja fast noch schlimmer als ein EDV-Update, davor haben ja auch alle Angst. Mit Recht übrigens. Das geht ja auch meistens schief.

Wie ist die Hackordnung?

Das Zusammenlegen von Abteilungen zu begleiten. Das mache ich auch. Das ist auch  ein sehr spannender Prozess, weil da natürlich Menschen aufeinander stoßen, die noch nicht als Abteilung miteinander mehr oder weniger gut funktioniert haben. Da scannt erst einmal jeder jeden ab: Wie ist denn bei denen die Hackordnung, und wo stell ich mich da dazwischen? Wo gehöre ich hin?

Das sind alles Prozesse, die laufen normalerweise eher unbewusst und im Verborgenen. Gerade auch, wenn man nicht weiß, wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt. Mich bucht man, um diese Prozesse bewusst zu gestalten, damit keiner zu kurz kommt, aber damit auch keiner  irgendwo landet in einer Hierarchie, wo er nichts zu suchen hat, wo er nicht hingehört, weil er da nicht hinpasst.

Wenn Arbeit krank macht

Wie man MItarbeiter für Veränderung gewinnt. Mit Great Growing Up.
Wenn die Arbeit krank macht, wird es Zeit etwas zu verändern. Foto: Sam Williams/pixabay

Karin Weyrich: Das hört sich gut an, denn da wissen manche Firmen wirklich nicht, wie sie damit umgehen sollen. Damit nicht alle krank werden, weil sie so viel Angst haben. Es gibt ja auch Firmen, in denen entweder eine hohe Fluktuation herrscht, oder es sind viele Leute krank. Hast du da auch Ansätze,  wenn jetzt viele nie da sind, und die Geschäftsleitung oder die die Verantwortlichen wissen nicht, was sie da machen können? Hast du da Ideen?

Matthias Stolla: Es beginnt und endet immer mit dem Wort Verantwortung. Wenn ein Unternehmen feststellt, wir haben einen überdurchschnittlich hohen Krankenstand, dann gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Eine eher unbewusste oder unverantwortliche. Das wäre dann zu sagen: Naja, das ist halt eine faule Bande, die haben keinen Bock.

Wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt - mit Verantwortung

Oder ich frage mich als Unternehmensleitung: Was ist denn eigentlich mein Anteil an der Geschichte? Diese Frage ist  immer unbequem. Die ist im privaten Kontext, wenn ich einen Konflikt mit der Ehefrau oder mit einem Freund oder mit der Verwandtschaft ist. Dann  ist diese Frage genauso unbequem wie im  Unternehmen. Blöd nur, im Unternehmen kostet sie deutlich mehr Geld in der Regel.

Wenn ich mir diese Frage stelle: Wie kann es denn sein, dass so viele Mitarbeiter krank machen? Überdurchschnittlich viel. Dann wäre es doch mal interessant, mit Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Wenn das aber schon der Fall ist, dieser hohe Krankenstand, dann kann ich nicht einfach davon ausgehen, dass so ein Mitarbeiter auf eine E-Mail offen und ehrlich antwortet. Oder der Chef fragt in der Betriebsversammlung: So Leute, jetzt möchte ich mal wissen, warum seid ihr hier so oft krank. Hallo?

Warum keiner den Mund aufmacht

Wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt. Mit Great Growing Up.
Wenn Mitarbeiter schweigen, heißt das nicht, dass alles in Ordnung ist. Foto: Victoria Borodinova/pixabay

Was werden denn die Mitarbeiter sagen? Weil du dich immer wie ein Arsch verhältst? Das wird kein Mensch sagen. Weil sie hier null Wertschätzung gibt, wird auch keiner sagen. Weil hier eine Mobbing-Kultur herrscht? Oder weil wir hier ausgebeutet werden? Weil es kein Miteinander gibt, sondern nur ein Gegeneinander? Das wird kaum einer sagen. Vielleicht  extrem mutige Ausnahmen,

Das Gros der Mitarbeiter wird sich doch erst dann äußern, wenn es merkt, Hoppla, hier wird mir zugehört und ich kann auch mal sagen, was mir stinkt, ohne dass ich davon ausgehen muss, dass ich es büßen muss. Und dann kommen wir wieder an den Punkt, über den wir grad vorhin schon mal gesprochen haben. Dann sollte so eine Führungsperson erst mal lernen, wie  geht dienendes Zuhören, erwachsenes Zuhören. Nämlich ohne Rechtfertigungen, ohne Erklärungen. Das braucht sie, wenn sie lernen will, wie  man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt

Wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt - mit schlauen Fragen

Wenn ich von meinen Mitarbeitern wirklich wissen will, was fehlt euch denn? Dann gibt es etwas viel schlaueres als zu fragen: Warum seid ihr so oft krank? Viel schlauer wäre es zu sagen: Leute, ich bin echt interessiert. Wie geht es euch? Lasst mich mal wissen, was euch gefällt. Aber vor allem auch, was euch nicht gefällt. Wenn dann der Mitarbeiter sagt Mir stinkt es, dass hier so viel gemobbt wird und das erste, was mir einfällt, ist, das kann ja gar nicht sein. Also da übertreibst du, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Oder sag mir mal, wer das ist, dann gebe dem gleich mal eins auf die Mütze. Dann kann ich es mir schenken. Es geht tatsächlich darum, die Mitarbeiter quatschen zu lassen. Das ist wichtig, um zu lernen, wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt

Mutige Azubis

Ich war mal bei einer Firma bei einem Logistikunternehmen in Nürnberg. Da war irre schlechte Stimmung unter den Azubis. Die Schulung fand statt im Firmengebäude. Das waren alles 15- bis 16-jährige angehende Berufskraftfahrer, Lagerleute, Logistikleute, die ja in der Regel nicht den höchsten Bildungsabschluss haben. Das müssen wir ganz ehrlich sagen, die auch oft nicht die Traute haben zu sagen, so jetzt rede ich hier mal darüber, wie es mir geht.

Wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt. Mit Great Growing Up.
Es braucht Mut, sich zu zeigen und den Mund aufzumachen. Foto: pixabay

Es hat mich viel gekostet und es hat lange gedauert, sie dazu zu bringen, dass sie den Mund aufmachen. Und irgendwann habe ich ihn vorgeschlagen: Also, wir sind hier bei euch in ihren Unternehmen. Wir machen jetzt für eine Viertelstunde Pause. Ich latsche rüber zur Ausbildungsabteilung. Ich hole eure Ausbildungsleiterin. Die setzen wir sie in den Raum an die Stirnseite. Alles, was sie zu tun hat, ist zuzuhören. Und jeder von euch, der den Mut hat, dorthin zu stehen und zu sagen, was ihm stinkt, latscht vor und tut es.

Ängste, die Wachstum blockieren

Heillose Panik im Raum! Oh Gott, nein, das tun wir nicht, das machen wir nicht. Da fliege ich raus! Da verliere ich meinen Job! Ich habe Ihnen hoch und heilig versprochen, dass das nicht passieren wird. ich habe mir die Ausbildungsleiter Regel geholt und habe sie gefragt, ob sie mein Versprechen mit unterschreibt. Und das hat sie getan. Und dann saß die da vorne und du kannst dir nicht vorstellen, wie berührend es war, ich sage es jetzt mal einfach ungeschönt, so einem verschüchterten, schlaksigen, 16-jährigen jungen Kerl zu sehen, wie er heftig atmend da vormarschiert, sich auf diesen Stuhl setzt und sagt: "Ich möchte  etwas sagen, das mir nicht gefällt." Seinen ganzen verdammten Mut zusammennimmt und das tut. Das war wirklich unglaublich. Das zeigt, wie man Mitarbeiter für Veränderung gewinnt.

Mut, der Wachstum ermöglicht

Ein Teil von diesen Azubis schreibt mir heute noch immer wieder mal. Die sagen: "Das  hat so viel für mich verändert. Seither habe ich nicht mehr das Gefühl, ich bin der letzte Arsch, der alles machen muss und jeden Scheiß schlucken muss. Sondern ich bin es wert, für mich hinzustehen. Und ich darf auch sagen: Leute, jetzt es mal genug." Und das darf man.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla, Great Growing Up, 2021

Ärger schafft Klarheit - und Profit. Great Growing Up.

Ärger schafft Klarheit – und Profit

Ärger schafft Klarheit - und Profit. Great Growing Up.
Wer seinen Ärger nutzt, kann sagen, wo es lang geht. Foto: pixabay/truthseeker08

"Für mich sind in diesem Training Entwicklungswunder durch die Nutzung unserer Emotionen geschehen", hat eine Teilnehmerin nach dem Training zu mir gesagt. Tatsächlich gehen Teilnehmer in meinen Trainings erstaunliche Entwicklungsschritte. Zum Beispiel wenn Sie beginnen, das Gefühl Ärger zuzulassen und verantwortlich zu nutzen. Dann erleben sie: Ärger schafft Klarheit - und Profit. Das dient dem Teilnehmer und dem Unternehmen. Karin Weyrich wollte im Interview wissen, wie ich das im Training erreiche.

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Karin Weyrich: Machst Du in deinen Trainings  auch so Rollenspiele?

Matthias Stolla: Ja, das mache ich natürlich. Aber in der Regel erst so nach einem halben bis einem ganzen Tag. Ich investiere schon auch ein Stück weit Zeit darin, das Vertrauen zu gewinnen. Ich brauche das Vertrauen der Menschen, mit denen ich arbeite. Und junge Leute haben genauso wenig Bock drauf, sich zu blamieren wie ältere Menschen. Das wollen die nicht. Die wollen nicht bloßgestellt werden.

Das Vertrauen gewinnen

Und sie wollen sich deshalb auch erst mal nicht zeigen. Die finden es sogar erst einmal nachgerade uncool, wenn sie vielleicht einmal traurig sind und ihnen eine Träne aus dem Auge kullert. Sie finden es noch uncooler, wenn sie einräumen und drüber sprechen, dass ihnen etwas Angst macht. Und viele finden auch Herumschreien und Wütend sein überhaupt nicht cool. Ich arbeite dran, dass ich das Vertrauen der Menschen gewinne und dass sie zueinander immer mehr Vertrauen fassen.

Schritt für Schritt zur Offenheit

Das gelingt, indem ich gezielt Schritt für Schritt kleine Übungen mit ihnen mache und viel inhaltlichen Input liefere. So, dass Sie nach einiger Zeit, spätestens aber am Beginn des zweiten Tages, in der Lage sind, offen und frei darüber zu kommunizieren, was sie freut, was sie ärgert, was ihnen Angst macht und was sie traurig macht. Und sie reden nicht nur drüber. Sie zeigen es. Und da passieren verrückte Sachen, das kann ich dir sagen.

Menschen, die ihren Ärger verdrängen

Karin Weyrich: Das ist wirklich stark. Das schaffst Du nach ein, zwei Tagen?

Matthias Stolla: Es gibt immer Leute in den Trainings, die preschen vor. Solche Teilnehmer erkennen schnell: Das ist was für mich, da krieg ich etwas, das ich nicht nur im Job gut nutzen kann. Es ist auch für Zuhause, für die Beziehung, für den Umgang mit den Eltern gut. Das ist toll. Ich brauche solche Leute im Training. Aber es gibt auch immer wieder welche, die sagen: „Nein, ich sage nicht, wenn ich ärgerlich bin. Das ist uncool. Mache ich nicht. Mich ärgert sowieso gar nichts.“ Für solche Menschen ist es wichtig zu erfahren: Ärger schafft Klarheit – und Profit.

Jobs, die keiner machen will

Ärger schafft Klarheit - und Profit. Great Growing Up.
Wer seinen Ärger verdrängt, wird leicht zum Mobbing-Opfer. Foto: pixabay/Tumisu

Oft sind das die Gleichen, die dann tatsächlich immer die Arbeiten machen müssen, auf die sonst keiner Bock hat. Es sind nicht selten die, die gemobbt werden. Es sind ganz oft die, die immer Ja sagen, obwohl sie eigentlich Nein sagen würden. Und es sind oft die, denen es unglaublich schwerfällt, Entscheidungen zu treffen.

Teilnehmer, die sich verweigern

Ich erinnere mich an eines meiner ersten Trainings. Da gab es einen Teilnehmer, der hieß so wie ich:  Matthias. Der konnte partout nicht klar Ja oder klar Nein sagen. Er hat immer alles relativiert. Und er hat sich dem Training lange verweigert. Es hat es wirklich den ganzen ersten Tag gebraucht und dem Abend, an dem wir zusammen einen Film anschauen und danach noch beieinander sitzen, ein bisschen ratschen.

Plötzlich klare Antworten

Am nächsten Morgen nach der Einführungsrunde frage: „Matthias, möchtest du etwas üben für deinen Ärger?“ Und er steht auf und sagt Ja. Vor allem die Mädels in der Runde fällt die Kinnlade runter. Weil die noch nie erlebt haben, dass ihr Azubikollege Matthias, auf eine Ja-Nein-Frage mit Ja antwortet. Klipp und klar. Und dann machte er ein paar Übungen und war fortan in der Lage zu sagen: Stopp, ich will das so nicht. Oder: Moment, das kann ich so nicht machen, ist zu viel. Und der Witz ist, dass mich Unternehmen buchen, weil sie genau das wollen. Sie sind unsicher, weil sie nicht wissen, trauen sich unsere Azubis auch mal zu sagen, wenn es zu viel ist oder schlucken die einfach alles? Und dann buchen sie mich und das finde ich großartig. Weil sie wissen: Ärger schafft Klarheit – und Profit.

Die Fähigkeit Nein sagen zu können

Karin Weyrich: Faszinierend! Diese neue Unternehmenskultur ist ja doch verbreiteter als ich vermutet habe.

Matthias Stolla: Nun ja, es gibt auch andere Unternehmen. In der Regel merke ich nach zwei Minuten im Gespräch: „Okay, die hören mir zu, aber eigentlich wollen sie weg oder sie wollen, dass ich gehe.“ Aber sie sind nicht in der Lage zu sagen, Herr Stolla, das ist nichts für uns. Witzigerweise ist genau das ein Zeichen dafür, dass das Training doch etwas für Sie wäre. Weil sie nicht in der Lage sind, klar Nein zu sagen. Aber es gibt eben Unternehmen, die haben kein großes Interesse daran.

Potenzielle Kunden und andere...

Ärger schafft Klarheit - und Profit. Great Growing Up trainiert die emotionale Intelligenz von Azubis.
Viele Ausbildungsbettriebe fördern die >Verantwortlichkeit von Azubis. Aber nicht alle. Foto: Gemü

Das hatte ich auch schon. Ich habe ein Unternehmen besucht und wurde durch die Azubi-Werkstatt geführt. Ich gehe da rein und sage, Hallo zusammen. Und alle Azubis schauen nur auf den Boden und murmeln: Hallo… Da wusste ich schon: „Okay, ich glaube das wird nicht mein Kunde.“ Weil die Kultur einfach eine andere ist. Und es tut mir leid um die jungen Leute. Aber ich kann halt nur arbeiten, wenn ich gebucht werde.

Hintergrund Jugendarbeit

Karin Weyrich: Ich kenne einige Azubis, die gar nicht zufrieden waren mit Ihren Jobs. Es ist toll zu wissen, dass Du so etwas machst.

Matthias Stolla: Ich komme ursprünglich aus der Jugendarbeit. Ich sage immer, ich bin ein alter Pfadfinder, und ich habe mit 14 oder 15 hab Jahren meine ersten Gruppen geleitet. Es war mir schon immer wichtig, etwas weiterzugeben, wirksam zu sein. Ich habe klein angefangen mit einer kleinen Pfadfindergruppe mit vielleicht acht Leuten. Und irgendwann waren es halt 70. Mit den Großen von denen bin ich nach Griechenland gezogen oder nach Norwegen. Wir haben uns das Land angeschaut und haben das alles selber organisiert. Da war kein einziger sogenannter Erwachsener dabei. Das war großartig.

Start der Trainer-Karriere

Irgendwann war ich dafür zu alt. Und dann habe ich gedacht: Was mache ich jetzt? Ich will mich noch nicht von dieser Arbeit verabschieden. Dann habe ich meine Nachfolger geschult. Jugendleiter-Schulungen habe ich gemacht. In Oberbayern. Viele Jahre grandiose Arbeit. Und danach bin ich fast übergangslos in die Trainerausbildung gerutscht.

Und bitte auch die Ausbilder...

Im Februar 2016 habe ich mich selbstständig gemacht, und arbeite seither hauptsächlich für Unternehmen. Und das Phantastische ist, dass ich wirklich angetreten bin mit Matthias Stolla, der Azubi Trainer. Ich machte das nur für Azubis, und schon mein zweiter Kunde hat mich kalt erwischt und sagt: „Ja, Herr Stolla, das gefällt uns, was Sie da vorhaben. Das finden wir prima. Aber sollten wir nicht erst einmal die Ausbilder darin schulen?“

Und dann habe ich angefangen, alle Ausbilder in diesem Unternehmen zu schulen und mache das auch weiterhin. Und auch alle Azubis. Das ist eine schöne Arbeit.

Resilienz trainieren

Karin Weyrich: Wie ist das, wenn ein Geschäftsführer zu dir kommt und sagt: Mein Laden der wirft einfach nicht genügend Gewinn ab. Mach da mal, dass der Umsatz sich verdoppelt. Ist das ein Kunde für dich?

Matthias Stolla: Ich glaube nicht, dass jemand mit diesem Ansatz zu mir kommt. Eher schon, dass jemand sagt: „Bein uns läuft es gut, aber wir wollen auch sicherstellen, dass wir gut funktionieren, wenn es mal nicht so gut läuft.“ Also Resilienz, trainieren, Umgang mit Krisen und den damit verbundenen Emotionen. Angst, Ärger, Trauer, Frust.

Arbeit mit Familienunternehmen

Oder es kommt jemand zu mir wie das bereits erwähnte Familienunternehmen. Die sagten: „Es funktioniert hinten und vorne nicht. Wir behindern uns gegenseitig als Geschäftsführung. Und die Mitarbeiter spielen uns gegeneinander aus. Da wird intrigiert und gelästert und manche erheben sich über andere.“ Und so jemand kommt zu mir. Aus der Erkenntnis: „Wenn wir so weitermachen, geht uns das Unternehmen kaputt.“

Und um das zu verhindern, holen Sie mich als Trainer ins Boot. Weil Sie wissen, wir müssen als Menschen miteinander funktionieren, sonst kriegen wir dieses Boot nicht mehr flott.

Berater-Horror

Ich glaube, es gibt andere Trainer oder Unternehmensberater, die gerufen werden, wenn es heißt „Hallo, wir würden gern unseren Umsatz verdoppeln auf Teufel komm raus. Wie machen wir das?“ Das kennt man ja, diese Horrorgeschichten. „Dann müssen wir halt Kosten einsparen und Mitarbeiter entweder triezen oder rausschmeißen.“

Das ist nicht meine Welt. An so etwas glaube ich nicht. Und dafür gebe ich mich auch nicht her. Allerdings bin ich schon auch jemand, der zum Beispiel Führungspersonal darin trainiert, sich von Mitarbeitern nicht auf der Nase herumtanzen zu lassen. Also, um es klar zu definieren: Ich bin nicht der, der Führungskräften beibringt, Mitarbeiter auszuquetschen. Aber ich bin schon der, der Führungskräften beibringt, klare Ansagen zu machen. Und konkrete Konsequenzen anzudrohen, sie dann aber auch umzusetzen, wenn gar nichts anderes hilft. Denn Ärger schafft Klarheit – und Profit.

Ärger schafft Klarheit und Profit - ganz konkret

Ich stehe für Klarheit. Ich möchte, dass ein Chef erleben darf, wenn er zu einem Mitarbeiter sagt „Ich möchte, dass du dieses so und so machst“, dass der das dann auch tut. Und er muss wissen, was er tun kann, wenn der Mitarbeiter sich nicht daran hält.

Mit solchen Situationen werde ich im Training konfrontiert: Eine Ausbilderin sagt: Ich habe da ein Problem, ich komme mit bestimmten Azubis nicht klar. Insbesondere mit Studenten. Und dann stellt sich raus: Die junge Frau hat selbst nicht studiert. Kein Problem, habe ich auch nicht.

Tanz auf der Ausbildernase

Ärger schafft Klarheit - und Profit. Great Growing Up.
Wer klare Grenzen setzen kann, tut sich leichter im Job. Foto: pixabay

Es gibt also immer wieder Studenten im Unternehmen, die das mitkriegen und es sie spüren lassen. Und ihr auf der Nase herumtanzen und sie nicht ernst nehmen. Da gibt's ja wunderbare subtile Methoden. Kleines Lächeln, Augen verdrehen, Seitenblicke. Diese Dinge kann man oft gar nicht so wirklich fassen. Aber sie wirken. Und dann fängt diese Mitarbeiterin im Training an zu weinen.

Das passiert übrigens oft. Sie fängt an zu weinen. Was toll ist, weil sie erlebt, in diesem Training ist niemand, der sie auslacht. Das passiert nicht. Und sie erfährt. Ich darf diesen Schmerz mitteilen. Und es ist ok, diesen Schmerz zu spüren. Wenn sie diese Erfahrung nicht macht, wird sie sich nie wirklich Hilfe holen, weil sie sich immer schämt. Und jetzt ist die Scham weg, weil sie merkt, niemand lacht mich aus.

Erkenntnis im Rollenspiel

Alle sind bei mir, die stehen um mich herum, sind für mich da. Sie unterstützen mich. Und dann kommt das Rollenspiel zum Einsatz. Ich lasse sie auswählen. Wer im Raum könnte denn für die zwei Studenten stehen, die dich immer so abtropfen lassen? Und dann spielen wir diese Situation. Und irgendwann sehe ich an bestimmten Körperbewegungen: Sie ist gar nicht traurig.

Melanie ballt die Fäuste

Ich nenne sie jetzt mal Melanie. Melanie ist gar nicht traurig, denn Melanie ballt immer wieder ihre Fäuste.
Ich frage sie: Melanie, was ist das für ein Gefühl in deinen Händen? Dann erschrickt sie erst einmal, weil sie überhaupt nicht weiß, welches Gefühl ihre Hände kommunizieren. Das sage ich: Such dir eins aus. Ist das Freude?

"Nein."

Ist das Angst?

"Nein."

Bist du traurig?

"Nein."

Was tun mit dem Gefühl Ärger?

Und dann kommt sie drauf, dass es Ärger ist. Also trainiere ich sie darin, was sie mit diesem Ärger tun könnte. Da hat sie erst mal keine Idee, weil sie es nie gelernt hat. Und lange Rede, kurzer Sinn: Am Ende ist in der Lage, Grenzen zu setzen. Sie steht von Ihrem Stuhl auf, schnappt sich im Rollenspiel den Sven und den Rüdiger und stellt klar: „Freunde, mag sein, dass ihr auf der Uni wart. Ich war's nicht. Aber eines kann ich euch sagen: In diesem Unternehmen sagt der Ausbilder, was Sache ist. Und der bin ich. Ihr macht, was ich sage. Und das mit den Seitenblicken ist vorbei.“

Und der ganze Raum steht da, allen fällt die Kinnlade runter und sie klatschen Melanie Beifall. Ärger schafft Klarheit – und Profit.

Entwicklung im Schnelltempo

Und  Mélanie strahlt. Sie steht anders da als vorher: aufrecht. Bei vielen beobachte ich zudem, vor allem bei jungen Frauen, dass sie nach diesem Prozess ihre Dornröschen-Stimmen ablegen. Sie rutschen ein paar Töne tiefer, schauen dich an und du weißt: „Okay, alles klar. Ich habe verstanden und mache, was du sagst.“

Ich bekomme selbst Gänsehaut, wenn ich mich daran erinnere. Und ich freue mich so für diese Menschen, die in der Lage sind, ihr eigenes Potenzial zu nutzen. Sie lassen sich nicht mehr verarschen. Ab diesem Moment sind sie in der Lage, klar Ja und Nein zu sagen und auch mal eine Ansage zu machen. Übrigens ohne auszuflippen, Tobsuchtsanfall, Hysterie oder sich lächerlich zu machen. Sondern mit Klarheit. Denn Ärger schafft Klarheit – und Profit.

Unternehmen wollen wachsen Menschen auch.

Fortsetzung folgt.

© 2021 Matthias Stolla, Great Growing Up

Wer’s letzte Wort hat, muss zuhören können

Wer's letzte Wort hat, muss zuhören können wie ein Profi.
Der Fisch stinkt vom Kopf. Er kann aber auch lecker duften. Foto: pixabay/Ulrike Leone

Great Growing Up ist das Trainingsprogramm für Beziehungskompetenz in Unternehmen. Und Beziehungskompetenz ist die Schlüsselqualifikation für den Umgang mit Menschen schlechthin. Deshalb trainiert Great Growing Up nicht zuletzt Führungskräfte. Denn: Wer's letzte Wort hat, muss zuhören können wie ein Profi. Tut er es nicht, führt er sein Unternehmen am Erfolg vorbei. Karin Weyrich hat Matthias Stolla, dem Gründer von Great Growing Up, zugehört. Sie hat ihm  so richtig auf den Zahn gefühlt und ihm äußerst neugierige Fragen gestellt. Hier folgt der erste Teil dieses großartigen Interviews.

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Karin Weyrich: Du gehst mit Deinem Unternehmen Great Growing Up in Firmen. Landläufig sagt man ja „Der Fisch stinkt vom Kopf“. Ist das eine Metapher, der Du zustimmen kannst?

Matthias Stolla: Das ist eine gute Frage gleich zu Beginn. Und ich würde sagen, grundsätzlich ja. Ich behaupte, und das ist auch meine Erfahrung, die ich immer wieder in Unternehmen mache: Die bestimmenden Kräfte, the Powers that be, heißt es im Englischen, sind immer auch die prägenden.

Wer führt, prägt die Kultur

Sei es, dass sie eine Unternehmenskultur ausformulieren, entwickeln und einen bestimmten Geist in eine Firma bringen: einen in einen Kodex, eine Form des Umgangs. Oder auch, indem sie es nicht tun. Also egal, ob sie was tun oder nicht: Sie prägen immer, weil sie die Leitfiguren sind und vorgeben, welche Art des Miteinanders und des Umgangs in einer Firma gang und gäbe ist. Und je nachdem, was sie da fabrizieren, kann es sein, dass es gut riecht oder auch mal stinkt. Aber dann stinkt es halt vom Kopf.

Damit der Laden wieder läuft

Karin Weyrich: Du gehst in Unternehmen und sorgst da sozusagen für Ordnung, so dass es wieder läuft. Ich stelle mir das so vor: Jemand kommt zu dir und sagt „Bei mir in der Firma ist alles chaotisch. Es machen viele krank, und in der Buchhaltung läuft es überhaupt nicht. Die im Vertrieb haben gar keine Vision und machen etwas ganz anderes. Kommen Sie mal zu uns, damit der Laden wieder läuft und damit wir wieder so Umsätze machen, dass wir uns alle wieder wohlfühlen“. Ist es so?

Matthias Stolla: Die meisten meiner Kunden erleben, bevor sie mich anrufen und buchen, folgendes: Sie stellen fest, die Leute im Unternehmen ziehen vielleicht an einem Strang, aber in unterschiedliche Richtungen. Und das ist schwierig, denn ein Unternehmen verfolgt immer Ziele. Natürlich will ein Unternehmen Umsatz machen, keine Frage. Ich auch. Unternehmen wollen Geld verdienen. Das ist der Sinn und Zweck.

Begeisterung erschaffen

Aber ein Unternehmen hat immer auch eine Mission. Ein Dienstleistungsbetrieb z.B. könnte zur Vision haben „Wir wollen unsere Kunden glücklich machen. Und wir wollen, dass die zufrieden sind, dass sie gerne zu uns kommen. Wir wollen, dass die uns weiterempfehlen, dass sie begeistert sind von uns.“

Dazu muss natürlich erst einmal im Unternehmen eine Art Begeisterung vorherrschen. Wenn das aber nicht stimmt. Also wenn Mitarbeiter in unterschiedliche Richtungen ziehen, beispielsweise weil die eine Abteilung sauer auf den Chef ist und die andere Abteilung ist wiederum sauer auf die nächste Abteilung. Da gibt es Verstimmungen und Konflikte, ungelöste Konflikte.

Wenn die Mission verloren geht

Wer's letzte Wort hat, muss zuhören können wie ein Profi. Great Growing Up.
Alle ziehen an einem Strang. Wie bekommt man das hin? Foto: pixabay/Frank Liebmann

Dann kann es sein, dass in dem Unternehmen der Gedanke an die Mission verloren geht. Und ich bin jetzt nicht der, der kommt und dann sagt „Ich bringe das jetzt hier in Ordnung, indem ich die Tische in Reih und Glied aufstelle, und die Leute stehen morgens da zum Appell.“ Das ist überhaupt nicht meine Welt.

Ich bringe Menschen bei, bewusst wahrzunehmen, was sie stört, vor allem auf emotionale Art und Weise, was sie ärgert, was ihnen Angst macht, was sie verletzt hat und das so zu kommunizieren, dass die Gegenseite das annehmen kann.

Verdrängte Konflikte lösen

Sinn und Zweck ist: Ich hole die ganzen Reibereien, die ganzen Konflikte, die unter den Teppich gekehrt wurden zutage. Das ist erst einmal unbequem. Und dann lernen wir am aktuellen Streitthema. Wie gehen wir damit um? Und; Wie schaffen wir es, das wir hinterher wieder Hand in Hand an der gleichen an der gleichen Mission arbeiten können? Das ist es, was ich tue.

Alle am runden Tisch?

Karin Weyrich: Das hört sich gut an. Wenn eine Firma aus 20 Leuten besteht, bringst Du die alle praktisch an einen runden Tisch?

Matthias Stolla: Das gibt's punktuell. Aber in aller Regel arbeite ich entweder mit den Geschäftsführungen oder mit den Mitarbeitern. Da ist dann oft auch der Abteilungsleiter mit dabei. Oder auch mit Azubis oder mit Ausbildern. Also ist es meistens so, dass ich etwa 15 Leute im Training habe. Meine Kunden haben meistens mehr Mitarbeiter. Die sind im Hunderter- oder auch Tausender-Bereich unterwegs. Und die machen das gerne abteilungsweise.

Probleme im Umgang drücken den Umsatz

Ich habe neulich auch mit dem Geschäftsführerteam eines Familienbetriebs gearbeitet, Das war hochspannend, weil es fünf Menschen waren, die alle nicht nur miteinander arbeiten, sondern auch noch verwandt und verschwägert sind miteinander. Sie hatten erhebliche Probleme im Umgang miteinander und dadurch auch erhebliche Probleme mit der Unternehmensführung sowie mit der Einkommens- und Umsatzentwicklung.

Führungswechsel - Der Fisch stinkt vom Kopf

Karin Weyrich: Manchmal gibt es Probleme, wenn sich in der Führungsriege etwas verändert. Ein neuer Chef kommt und hat andere Vorstellungen. Dann kann es sein, dass das kollidiert. Versuchst Du dann, den neuen Chef auf die alte Linie zu bringen oder die Belegschaft auf die des neuen Chefs? Oder versuchst, du beids zu vernetzen? Wie würdest du das machen?

Wer's letzte Wort hat, muss zuhören können. Great Growing Up trainiert Führungskräfte.
Der neue Chef ist im Haus. das sorgt nicht immer nur für Freude. Foto: pixabay

Matthias Stolla: Also zunächst einmal tue ich in der Tat weder das eine noch das andere. Ich schlage mich nicht auf die Seite des neuen Geschäftsführers, der das Rad neu erfinden will oder der sich als neuen Besen begreift. Ich schlage mich aber auch nicht auf die Seite von Mitarbeitern, die sagen: „Nö, bislang war doch alles okay. Also warum sollen wir jetzt etwas Neues machen? Da hab ich gar kein Bock drauf. Und wohin soll denn das überhaupt führen?“ Das tue ich nicht, weil das in der Regel zu nichts führt, außer dass ich mich zwischen die Stühle setze und dann beide Seiten unglücklich sind.

Veränderung macht Angst

Stattdessen hole ich das nach oben, was in solchen Diskussionen, wo sich alle darum bemühen, sehr sachlich zu sein, leider oft unter den Tisch fällt: die verdrängten Emotionen.

Das von dir erwähnte Beispiel finde ich klasse. Ein neuer Geschäftsführer kommt, will Dinge verändern und das Rad neu erfinden. Was dabei oft übersehen wird: Welche Emotionen löst es bei Mitarbeitern aus? Nicht alle, aber  viele Menschen reagieren auf Veränderungen mit Angst. Manche sind neugierig. Aber viele sind auch eher abwehrend und im Widerstand und wollen das gar nicht.

Wenn alles anders wird

Manche sagen, Mensch ist träge, Mensch will keine Veränderung. Ich sage, Mensch reagiert mit einem Gefühl auf Veränderung. Und das Gefühl, dass die meisten Menschen dann haben, ist Angst.

Wenn jemand kommt und sagt, „So Leute, ich bin jetzt euer neuer Chef, und ab morgen wird alles anders“, dann entsteht Angst. Denn wenn einer kommt und sagt, ab morgen ist alles anders, wissen wir nur, dass es nicht mehr so sein wird, wie es bisher war. Aber wir haben in der Regel keine Ahnung, was tatsächlich auf uns zukommt. Es könnte ja sein, dass vieles schlimmer wird. Oder auch nur, dass wir es als schlimmer empfinden, weil wir uns erst daran gewöhnen müssen. Dieses Gefühl ist Angst.

Angst will ausgedrückt und gehört werden

Wer's letzte Wort hat, muss zuhören können
Wenn ein neuer Chef neue Saiten aufzieht, verändert das den Ton im Unternehmen. Foto: pixabay/Tom

Meine Erfahrung ist, dass solche Veränderungsprozesse unglaublich langwierig und von viel Widerstand geprägt sind. Wenn diesem Gefühl kein Raum gewährt wird und das ist der Grund, warum ich in so einer Situation den Geschäftsführer darin trainieren würde, den Mitarbeitern erst mal zuzuhören und offen zu sein dafür, dass seine neuen Mitarbeiter jetzt erst mal Angst haben.

Diese Angst will ausgedrückt werden. Sie muss gehört werden. Ansonsten wird sie verdrängt und sorgt nur dafür, dass Menschen das tun, was sie immer tun, wenn sie Angst verdrängen: Sie finden unglaublich viele Gründe, warum irgendwas nicht funktionieren kann.

Deshalb achte ich darauf, dass der neue Chef erst mal zuhört, die Mitarbeiter erst mal annimmt und akzeptiert in dem, was sie treibt, nämlich ihre Ängste.

Zuhören wie ein Profi

Karin Weyrich: Das heißt, Du würdest den neuen Geschäftsführer psychologisch-menschlich sensibilisieren, damit er ein aktiver Zuhörer wird und sich um den Gemütszustand seiner Mitarbeiter kümmert. Was bisher so gar nicht üblich war.

Matthias Stolla: Na klar. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie es vielleicht vor 20, 30, 40 Jahren üblich war. Da hätte erstens kein Mitarbeiter auch nur den Mut gehabt zu sagen: „Ich fühle mich da unsicher. Mir macht es Angst, wenn so viel Veränderung auf mich zukommt.“ Wahrscheinlich hätte es auch nur sehr, sehr wenige Chefs gegeben, die das hören wollten. Naja, das ändert sich, Gott sei Dank. Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Unternehmen begreifen, dass Soft Skills wichtig sind.

Soft Skills sind gar nicht soft

Mich persönlich nervt dieser Begriff, weil ich finde, es geht oft nirgendwo härter zu als im Umgang mit Menschen unter sich. Und es ist oft überhaupt gar nicht soft, sondern es braucht ganz konkrete Kenntnisse und Fertigkeiten. Die sind gar nicht soft. Die sind sehr klipp und sehr klar. Was muss ich tun, um jemandem zuzuhören, der tatsächlich mal den Mut hat, mir zu sagen, dass er Angst hat vor dem, was ich vorhabe?

Akzeptanz schlägt Argumente

Wer's letzte Wort hat, muss zuhören können.
Zuhören setzt Interesse voraus. Und Interesse erschafft Beziehung. Foto: pixabay/IlonaF

Das geht sogar über das von dir erwähnte aktive Zuhören hinaus. Da geht es vielmehr darum, dem Zuhörer und dem Mitarbeiter Akzeptanz zu schenken, indem ich zuhöre. Ganz egal, ob ich 100.000 Argumente habe, die die ihm erklären könnten, warum er jetzt gar keine Angst haben müsste. Stattdessen lasse ich ihn erstmal reden. Und ich lasse mich berühren von der Angst. Ich hör einfach mal nur zu, damit der Mitarbeiter oder die Mitarbeiter die die Botschaft kriegen: Da ist einer, der nimmt mich und meinen Gemütszustand ernst.

Menschlich führen

Karin Weyrich: Es gibt einige Unternehmen, die schon im Sine der Menschlichkeit agieren. Ganz bekannt ist das Beispiel DM. Götz Werner hat sein Unternehmen wohl verkauft, aber ich kennen einige Mitarbeiter, die das erlebt haben. Und es ging da wohl sehr, sehr menschlich zu. Gibt es in Deutschland noch mehr Unternehmen in Deutschland, die in dem Sinne geführt werden?

Matthias Stolla: Ja, die gibt es ja auf jeden Fall. Ich arbeite mit Unternehmen in der Würth Gruppe. Ich lebe ja hier. Einen Steinwurf von der wird Konzernzentrale entfernt vom Weltmarktführer in Befestigungstechnik. Würth macht  Milliardenumsätze mit über 70.000 Mitarbeitern weltweit. Hier in der Region, in der ich lebe, sagt man: Jeder kennt mindestens zwei, drei oder vier Leute, die dort arbeiten.

Den Umgang miteinander trainieren

Also das Unternehmen ist hier natürlich stark verwurzelt, und es hat einen guten Ruf. Es gibt aber auch Menschen, die nicht nur Gutes über dieses Unternehmen erzählen. Die sagen, da geht's knallhart zu. Da musst du Leistung bringen. Wenn du da nicht mitzieht, dann bist du ruckzuck weg vom Fenster et cetera et cetera.

Ich kann dazu eines sagen: Ich arbeite schon lange mit der Würth Gruppe. Sie war mein erster großer Kunde. Ja, du musst Leistung bringen, keine Frage. Ein Unternehmen in Baden-Württemberg, hallo, da ist Leistung gefragt. So. Aber ich erlebe auch, dass dieses Unternehmen richtig viel Geld in die Hand nimmt, um Führungskräften und Mitarbeitern beizubringen, wie sie so miteinander umgehen, dass sie Spaß und Freude an dem haben, was sie tun und sich nicht gegenseitig behindern, indem sie beleidigt sind, sich gegenseitig sabotieren, übereinander lästern et cetera et cetera.

In Mitarbeiter investieren

Ich erlebe sogar, dass, wenn ein Azubi, also ein junger Mensch auf der untersten hierarchischen Sprosse, wenn der nicht funktioniert, und das Unternehmen sieht sein Potenzial. Dann nehmen die Geld in die Hand und lassen diesen jungen Menschen von mir coachen. Und das finde ich großartig. Die investieren in Menschen und sagen Der ist es uns wert. Den wollen wir haben, der spinnt halt gerade ein bisschen. Der feiert zu viel am Wochenende und macht dann blau. Geht gar nicht. Und dann kommen die zu mir und sagen: Bringen wir den mal wieder aufs Gleis. Und dann arbeite ich mit dem.

Auszubildende trainieren

Karin Weyrich: Das finde ich klasse. Das heißt Du arbeitest auch mit Menschen auf der untersten hierarchischen Stufe, die noch keine Verantwortung tragen? Dafür kriegst Du Aufträge, damit so ein Mensch sich wieder wohlfühlt in der Firma?

Matthias Stolla: Ja, tatsächlich habe ich so angefangen. Weil ich mir überlegt habe, Mensch, ich möchte das, was ich als Trainer und in meinem Leben gelernt habe, weitergeben. Und ich möchte auch Geld damit verdienen. Da habe ich mir gedacht, ich fange am besten einfach an mit den Azubis an. Denn ich glaube nicht, dass es sowas schon gibt. Also es gibt Benimm-Kurse oder der richtige Umgang mit dem Chef und so. Wie trete ich auf und ich gebe die Hand und wie grüße ich. Und ich muss meinem Gegenüber in die Augen schauen.

Den Umgang mit Emotionen lernen

Great Growing Up.
Kann man lernen: den bewussten Umgang mit Emotionen. Foto: pixabay/Alexas_Fotos

Alles gut, alles wichtig. Das sollen junge Leute auch wissen. Aber ich habe mir gedacht: Kein Mensch, kein Kindergarten, keine Schule und leider auch nur sehr wenige Eltern bringen Menschen bei. Wie gehe ich damit um, wenn ich als Azubi in der Arbeit erlebe, dass mir der Chef auf den Keks geht? Der ärgert mich, der Typ. Was mach ich denn jetzt?

Oder: Ich fühle mich übergangen. Er sieht mich überhaupt nicht. Er hat mich verletzt, weil er mich vielleicht gedemütigt oder bloßgestellt hat vor den anderen. Was mache ich denn jetzt damit? Das bringt niemand diesen jungen Menschen bei. Wie gehe ich damit um, wenn ich einen Vortrag halten soll? Eine Präsentation machen soll, und ich habe die Hosen voll. Was mache ich denn jetzt mit dieser Angst?

Und genau das bringe ich den jungen Leuten bei. Dafür schlägt mein Herz.

Wer erteilt die Aufträge?

Karin Weyrich: Das finde ich klasse. Denn die Azubis waren ja früher die, die das Frühstück holen mussten und alle Arbeiten, die die anderen nicht machen wollten. Bekommst Du die Aufträge von den Eltern oder auch von den Firmen?

Matthias Stolla: Nein, nicht von den Eltern. Wobei, das gibt's ab und zu auch mal, dass Eltern sich einschalten und sagen: „Unser Stefan, der kriegt keinen Fuß auf den Boden. Dann schicken die ihn zu mir. Oder der Onkel und die Tante. Aber das sind Ausnahmen. Die Regel ist eher, dass ein Unternehmen mich bucht und sagt: So Stolla, wir haben hier wieder 15 Azubis am Start im September. Die sind dann im November Dezember mal drei Monate hier.
Kümmere dich mal um die. Mach doch mal ein Zwei-Tage-Training mit denen. Und dann mach ich das.

Training wirkt nachhaltig

Wir fahren in ein Tagungshotel. Das ist in der Regel nichts Teures, kein 5-Sterne-Hotel. Muss es auch nicht sein. Und dann verbringen wir dort zweieinhalb Tage. Und ich sage dir: Die Leute sehen nach dem Training anders aus als vorher.

Unternehmen wollen wachsen Menschen auch.

Fortsetzung folgt.

© 2021 Matthias Stolla, Great Growing Up

Bonus: Einblick ins Training

Was genau passiert in den Trainings von Great Growing Up? Antwort: viel Überraschendes. Denn die Trainings sind immer darauf ausgelegt, den jeweiligen Teilnehmern das zu geben, was sie für ihre persönliche Entwicklung brauchen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich Azubis, Mitarbeiter oder Führungskräfte trainiere.

Wachstum außerhalb der Komfortzone

Eines allerdings ist fast immer gleich: Es geht darum, Verantwortung fürs eigene Verhalten zu übernehmen und neue Möglichkeiten auszuprobieren. Und das geschieht immer außerhalb der persönlichen Komfortzone. In diesem Interview mit Karin Weyrich schildere ich ein konkretes Beispiel.

10. Was ein Team ausmacht

Was macht eine Gruppe von Menschen zu einem Team? Viele Unternehmen sind sehr beeindruckt von dem, was sie in Asien beobachten: Mitarbeiter, die sich kollektiv den Unternehmenszielen unterordnen. Ist das der Weg, den auch Unternehmen hierzulande gehen werden?

Akzeptanz statt Kollektiv

ich glaube das nicht. Die kulturellen Unterschiede zwischen Fernost und dem Westen sind zu groß, als dass sie sich einfach übertragen ließen. Im Westen ist Individualität ein höherer Wert als Kollektivismus. Deshalb wird es hier mehr um gegenseitige Akzeptanz gehen. Darüber spreche in diesem Interview mit Karin Weyrich.

 

9. Wohin die Reise führt

Betriebe wollen agile Mitarbeiter, Hierarchien werden flacher - es tut sich was in vielen Unternehmen. Tatsächlich laden viele Betriebe ihre Mitarbeiter ein, mehr Verantwortung für das Ganze zu übernehmen. Das ist mit Sicherheit der richtige Weg.

Predigen allein reicht nicht

Allerdings reicht es nicht aus, Agilität zu predigen. Unternehmen, die sich so entwickeln wollen, brauchen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter, die damit umgehen können. Wie das geht, erkläre ich in diesem Interview mit Karin Weyrich.

8. Was Führung braucht

Der fachlich Beste wird Chef. Das gilt in vielen Branchen, obwohl das betriebswirtschaftlich völliger Unsinn ist.  Denn wer fachlich kompetent ist, muss noch lange nicht führen können. Führungskräfte brauchen Fertigkeiten, die sehr viel mehr mit ihrer Persönlichkeit zu tun haben als mit fachlicher Kompetenz.

Wer führen will, muss fühlen

Führungskräfte müssen begeistern, delegieren, Klartext sprechen, integrieren, zuhören und vieles mehr. Diese Fertigkeiten haben viel mit ihrer emotionalen Intelligenz zu tun. Wer führen will, muss fühlen. Er braucht ein hohes Maß an emotionaler Bewusstheit. Genau die trainiert Great Growing Up. Und um solche  Fähigkeiten geht es in diesem Interview mit Karin Weyrich.

7. Was Menschen ausbrennt

Psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Seit Jahren seigt ihr Anteil an den Ursachen für Fehlzeiten in Unternehmen kontinuierlich. Konkret: Immer häufiger sind sie Ursache dafür, dass Mitarbeiter krank werden und fehlen. das kostet verdammt viel Geld. Und: Menschen leiden. Tatsächlich aber ist es in der Regel nicht die Arbeit, die Menschen krank macht, sondern etwas ganz  anderes.

Wo Stress und Mobbing herrschen

Was Menschen krank macht sind viel häufiger die Begleitumstände: Überforderung, Stress und Leistungsdruck nehmen vor allem dann Überhand, wenn Menschen nicht gelernt haben sich abzugrenzen und für sich einzustehen. Das gleiche gilt für das Thema Mobbing. Genau deshalb erkennen viele Unternehmen, wie wichtig Persönlichkeitsentwicklung für den unternehmerischen Erfolg ist. Und darum geht es in diesem Interview mit Karin Weyrich.

6. Zuhören wie ein Profi

Wer Fragen stellt, geht immer ein Risiko ein. Es kann ja sein, dass die Antwort gar nicht so ist, wie wir uns das wünschen. Vor allem Führungskräfte tun sich oft schwer damit, sich selbst in Frage stellen zu lassen. Wer aber tatsächlich wissen will, wie es den Mitarbeitern im Unternehmen geht, braucht Mut. Den Mut, sich mitunter unbequemen Antworten zu stellen.

Mut allein reicht nicht, es braucht Disziplin

Aber der Mut allein genügt nicht. Wer ehrliche Antworten will, braucht auch Disziplin und Wissen darüber, wie man als erwachsener Mensch zuhört. Er muss aushalten können, dass der Mitarbeiter die Dinge vielleicht anders und sogar kritischer sieht. Und er muss mit der eigenen Emotion umgehen können. Wer stattdessen korrigiert, rechtfertigt oder gar beleidigt reagiert, kann es sich künftig sparen Fragen zu stellen. Er wird keine ehrliche Antwort mehr bekommen. Wie Profis zuhören, erkläre ich in diesem Interview.

5. Wie Klarheit Profit bringt

Immer wieder begegnen mir Führungskräfte, die ein und dasselbe Problem haben: Sie sagen, was sie wollen, geben Anweisungen, und keiner setzt sie um. "Wie kommt das", fragen sie mich dann, "ich habe doch genau gesagt, was ich will". In aller Regel ist meine Antwort im Training simpel: Die Kommunikation war nicht kongruent. Was bedeutet das? Kongruenz bedeutet Übereinstimmung. Wenn die Kommunikation nicht kongruent ist, kommunizieren die Worte etwas anderes als Stimme und Körper.

Was Körper und Stimme kommunizieren

Die meisten Menschen im Training haben kein Problem damit, die richtigen Worte zu finden. Wenn ihre Kommunikation dennoch nicht gelingt, liegt das daran, dass sie nicht auf Körper und Stimme achten. Denn die drücken Emotion aus. Unser Gegenüber erkennt an ihnen, ob uns etwas wichtig ist, ob Konsequenzen drohen, ob sie uns ernst nehmen müssen. Diese Klarheit trainiert das Training von Great Growing Up.

4. Was im Training passiert

Trainings von Great Growing Up sind vor allem auf zwei Dinge ausgelegt: auf Wirksamkeit und Nachhaltigkeit. Das funktioniert, weil Trainings etwas ganz anderes sind als Seminare. Natürlich geht es darum, im Training aktiv mitzumachen. Aber wie beim Sport geht es auch in diesem Training um weit mehr als das bloße Mitmachen. Vielmehr geht es darum, die Möglichkeiten außerhalb der eigenen Komfortzone zu erkunden. Das macht Spaß, ist aber auch eine Herausforderung. Denn wer weiß schon im Voraus, was außerhalb der Komfortzone geschieht.

Möglichkeiten außerhalb der Komfortzone

Great Growing Up fordert die Teilnehmer - egal, ob es Führungskräfte, Mitarbeiter oder Azubis sind. Die Teilnehmer erleben im Training, dass sie außerhalb ihrer Komfortzone Möglichkeiten finden, die ihnen zuvor gar nicht bewusst waren. Und genau deshalb sind die Trainings wirksam und nachhaltig.

3. Was Mitarbeiter brauchen

Der Mensch steht im Mittelpunkt - so oder so ähnlich steht das in beinahe jedem Leitfaden zur Unternehmenskultur. Tatsächlich aber werden solche Phrasen nicht immer gelebt. In Unternehmen geht es schließlich darum, Leistung zu bringen. Aber wer sagt, dass beides nicht sogar zusammengehört: Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt und akzeptiert fühlen und gerade deshalb bereit sind richtig viel Leistung zu bringen.

Bei der Führung fängt es an

Um es gleich vorweg zu nehmen: Natürlich gehört beides zusammen. Und es gibt Unternehmen, die genau das wollen: Mitarbeiter, die gerne zur Arbeit kommen und Vollgas geben. Dazu gehört allerdings auch, dass Führungskräfte bereit sind, sich und ihr Verhalten in Frage stellen zu lassen. Dann steht nicht die Hierarchie, sondern tatsächlich der Mensch im Mittelpunkt des Unternehmens. Und genau darum geht es in diesem Interview mit Karin Weyrich.

2. Was Menschen ängstigt

Was haben neue Chefs, neue Strukturen und neue Aufgaben gemeinsam? Sie verändern vieles, an das wir uns gewöhnt haben. Sie erschaffen einen Zustand der Unsicherheit, weil wir nicht wissen, ob uns die Veränderungen gefallen werden oder nicht. Menschen reagieren auf solche Situationen mit einem Gefühl, über das viele gar nicht sprechen wollen: Angst.

Für den Mut entscheiden

Das Problem dabei ist gar nicht die Angst, denn Menschen sind durchaus in der Lage, sich Herausforderungen zu stellen, die ihnen Angst machen. Das geht am leichtesten, wenn Sie sich ihrer Angst bewusst sind. Dann haben sie die Möglichkeit, sich für mutiges Verhalten zu entscheiden. Und davon kann ein Unternehmen nur profitieren. Wie das geht, erkläre ich in diesem Interview mit Karin Weyrich.

1. Wie ich als Trainer arbeite

Geizig, schlau, eigensinnig und fleißig - mit diesen Eigenschaften erschuf Anton Schlecker sein Discount-Imperium. Und mit genau denselben Eigenschaften ruinierte er es später und ging sowohl mit seinem Imperium als auch privat pleite.

Ganz anderen Eigenschaften folgt Götz Werner: Er ist großzügig, kreativ, offen und experimentierfreudig. Sein Unternehmen DM schreibt Milliarden-Umsätze und gehört zu den größten Drogeriemarkt-Ketten Europas. Sein Erfolg gründet sich nicht auf Schnäppchenjagd und Masse, sondern auf dem Ziel, bei seinen Kunden und Mitarbeitern die größtmögliche Zufriedenheit zu erreichen.

Der Fisch stinkt vom Kopf - er kann aber auch duften

Der Erfolg von DM hat gezeigt, dass der Fisch nicht nur vom Kopf stinken, sondern eben auch wunderbar duften kann. Die Mitarbeiter werden nicht mit Billig-Löhnen abgespeist, sondern als wichtiger Teil des Unternehmens gesehen, die ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg leisten. Great Growing Up trainiert Ihre Führungskräfte, Mitarbeiter und Azubis darin, sich in dieser Haltung von gegenseitiger Wertschätzung und Verantwortlichkeit für das Unternehmen zu begegnen.

Genau dafür stehe ich.

Mit dem Training von Great Growing Up stellen Unternehmen sicher, dass Ihre Ausrichtung und Kultur auf bewusst gewählten Werten und Haltungen basiert.

Wie ich das mache, erkläre ich in diesem Video.

Probleme in der Ausbildung lösen

Lehrjahre sind keine Herrenjahre... jaja, geschenkt. Dass Ausbildung nicht immer nur Spaß ist, liegt in der Natur der Sache. Das Berufsleben folgt nun mal nicht nur dem Lustprinzip. Und Herausforderungen gehören zum Leben dazu. Probleme in der Ausbildung kann es immer wieder geben. Manche sind gravierend, andere weniger. Viktor Tomm war ein Azubi, der Probleme hatte.  Ihm fehlte etwas, worauf Ausbildungsbetriebe nur ungern verzichten: Zuverlässigkeit. Im Interview erzählt er, wie er es geschafft hat, dieses Problem zu lösen.

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Vom Azubi zum Mitarbeiter

Viktor ist 27 Jahre alt, technischer Produktdesigner bei der Firma Würth, einem waschechten Weltmarktführer, und er h

 

at 2016 das Training von Great Growing Up absolviert, damals noch als Azubi. Hier im Interview schildert er, welche Probleme in der Ausbildung er hatte, welche Schwierigkeiten er seinen Ausbildern bereitete und wie ihm Great Growing Up dabei geholfen hat, sich zu einem verantwortlichen Mitarbeiter zu entwickeln. Die Essenz der Trainingsinhalte gibt es jetzt in einem dreistufigen Onlinekurs mit den Themen

  1. Emotionale Intelligenz
  2. Kongruent Kommunizieren
  3. Verantwortlich Handeln

1. Emotionale Intelligenz

Ich habe Viktor gefragt, was ihn denn am Training am meisten interessiert hat.

Viktor Tomm: Bei uns im Leben geht es ja um Emotionen, wir sind Menschen, wir sind emotionale Wesen. Was ich damals gelernt habe oder was für mich absolut neu war, war zu erkennen, dass es keine guten oder schlechten Emotionen gibt. Jede Emotion hat ihre Quali

Das vollständige Interview gibt es hier  kostenlosen Download.

täten. Und jede Emotion hat ihre Daseinsberechtigung. Oft ist es so, dass wir versuchen, immer nur glücklich zu sein, und suchen diesen Spaß im Leben. Und wenn es um Angst geht, wenn es um Ärger oder Trauer geht, das wollen wir irgendwie nicht fühlen. Da sehen wir als negativ an. Da versuchen sich die Menschen zu distanzieren. Das war für mich eine sehr interessante Erkenntnis, zu begreifen, es gibt nicht gute und schlechte Emotionen, sondern jede Emotion hat ihren Mehrwert.

Selbstbewusst und offener

Great Growing Up: Was war denn konkret der Mehrwert für dich? Was hat sich verändert durch diese neue Sichtweise?

Viktor Tomm: Einiges tatsächlich. Insgesamt würde ich sagen, ich bin viel selbstreflektierter geworden, auch viel selbstsicherer im Leben. Vor allem aber habe ich gelernt, mich mehr mitzuteilen, meine Emotionen und Gefühle auch meinen Mitmenschen mitzuteilen und offener zu sein gegenüber meinen Mitmenschen.

Great Growing Up: Wie ist die Resonanz? Was kommt da zurück, wenn Du dich mehr mitteilst?

Probleme in der Ausbildung? Great Growing Up hilft sie zu lösen.
Viele Azubis wissen zunächst einmal nicht weiter, wenn es Probleme gibt. Foto: Gerd Altmann/pixabay

Viktor Tomm: Eine sehr, sehr gute Frage tatsächlich. Zunächst mal, wenn man es nicht gewohnt ist, so wie es bei mir war, ist das sehr beängstigend. Man weiß nicht, was da passiert. Aber ich merke, dass ich dadurch mehr akzeptiert werde von meinen Mitmenschen. Und ich glaube, und so nehme ich das auch wahr, dass die anderen mich besser verstehen – wer ich bin und warum ich so bin, wie ich bin.

Great Growing Up: Was in dir vorgeht?

Viktor Tomm: Ja, was in mir vorgeht.

Wichtige Entwicklungsschritte

Great Growing Up: Schön, dass hört sich gut an. Bei welchem Gefühl hast Du Deiner Meinung nach die meisten Fortschritte gemacht, wo gab es die größten Entwicklungsschritte?

Viktor Tomm: Für mich war es das Gefühl Ärger. Das Problem bei mir war, wenn mich etwas geärgert hat, habe ich das oft runtergeschluckt. Dieses Gefühl wollte ich nie zulassen, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehe. Und bei diesem Punkt war für mich der größte Entwicklungsschritt, das größte Potenzial. Ich habe einfach gemerkt: Hey, das ist okay, wenn man sich über irgendetwas ärgert, das einfach mal mitzuteilen, mal rauszulassen. Nicht unbedingt in Form eines Wutausbruchs, sondern auf eine erwachsene Art zu sagen: Hey, da ist jetzt mal eine Grenze, das ärgert mich, das passt mir nicht.

Klartext sprechen

Great Growing Up: Klartext.

Probleme in der Ausbildung? Viktor Tomm hhat sie gelöst mit Great Growing Up.
Viktor Tomm hat seine Probleme in der Ausbildung gelöst - mit Great Growing Up.

Viktor Tomm: Klarheit, Ärger sorgt für mehr Klarheit, wenn man es zulässt. Und Ärger hat mir auch geholfen, mehr Entscheidungen im Leben zu treffen. Ärger ist wie Energie. Das ist pure Energie. Wenn man es lernt, den Ärger für sich zu nutzen, dann ist das unglaublich wertvoll für einen. Für mich war es zumindest so.

Great Growing Up: Das klingt fast so, als würdest Du dich gerne ärgern.

Viktor Tomm: (Lacht) Vielleicht mehr als früher.

Mit Gefühlen umgehen

Great Growing Up: Was hast Du denn für einen Tipp für Azubis von heute im Umgang mit ihren Gefühlen?

Viktor Tomm: Okay, ich habe einen Tipp. Aber ich würde sagen, der gilt nicht nur für die Azubis, sondern grundsätzlich für alle Menschen, auch für Ausbilder und alle anderen. Mein Tipp wäre: Hab keine Angst, dich zu zeigen, wie du bist. Sei authentisch, sag ruhig, was in dir vorgeht, teile dich mit. Lass die anderen wissen, was in dir vorgeht. Ich glaube, das macht das Leben einfacher. Und das schafft Klarheit zwischen Menschen. Aber vor allem für viel tiefere und erfüllendere Beziehungen zwischen deinen Kollegen und dir, zwischen Deinem Partner und dir, zwischen deinen Familienangehörigen.

Great Growing Up: Das klingt nach einem erfüllten Leben.

Viktor Tomm: Das klingt nach einem erfüllten Leben, ja.

 

2. Kongruent Kommunizieren

In den Trainings von Great Growing Up geht es immer auch viel um Kommunikation. Mich hat interessiert, wie Viktor die Kommunikation der Menschen um ihn herum in seinem beruflichen Alltag wahrnimmt.

Viktor Tomm: Was ich wahrnehme in der Arbeitswelt, ist, dass die Menschen zwar etwas sagen, aber oft etwas anderes meinen. Beziehungsweise das, was sie sagen, stimmt nicht mit dem überein, welchen Eindruck sie machen, wie sie wirken auf mich. Das stelle ich oft fest. Das heißt, wenn die Menschen sich über irgendetwas ärgern zum Beispiel, dann spürt man es. Man sieht es ihnen an. Sie ärgern sich, und irgendetwas passt ihnen nicht in einem Meeting oder so. Aber sie drücken das nicht aus, sondern versuchen da irgendwie…

Was Körper und Stimme sagen

Probleme in der Ausbildung? Oft liegt es an der Kommunikation.
Verantwortung übernehmen ist tatsächlich gar nicht so schwer. Foto: Anastasia Gepp/pixabay

Great Growing Up: Woran nimmst Du das denn wahr? Wie erkennst Du, dass sich jemand ärgert in so einem Meeting?

Viktor Tomm: Na ja, beim Thema Ärger ist das ganz klar die Körpersprache, die Mimik. Auch die Stimme.

Great Growing Up: Was passiert mit der Stimme?

Viktor Tomm: Man versucht, den Ärger zu unterdrücken. Also, irgendjemand bekommt eine Aufgabe von seinem Chef, und du weißt ganz genau, dem passt das nicht. Die Person sagt dann (zögert)… Darf ich das vormachen?

Gar nicht authentisch

Great Growing Up: Sehr gerne. Herr Tomm, das wäre doch eine Aufgabe für Sie. Erledigen Sie doch das.

Viktor Tomm: (Unwillig) Jaah, sehr gerne.

Great Growing Up: Das kam an, „seeehr gerne.“ Das ist nicht authentisch.

Viktor Tomm: Ist nicht authentisch, genau.

Was man nicht gebrauchen kann

Great Growing Up: Und ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?

Vitkor Tomm: Es kommt darauf an für wen. Ich glaube, der größte Nachteil ist, dadurch hat man einfach keine Klarheit in der Zusammenarbeit und in der Kommunikation miteinander. Man muss immer raten: Hat derjenige das jetzt so gemeint, wie er es gesagt hat oder hat er es anders gemeint? Und vor allem in der Berufswelt, wo es um Projekte und Effizienz geht, kann man so etwas nicht gebrauchen. So was ist einfach nur hinderlich und macht das Leben unnötig schwer.

Great Growing Up: Weil da Unklarheit und Unsicherheit entstehen?

Viktor Tomm: Ja, Unklarheit und Unsicherheit. Das sorgt einfach nur für Verwirrung.

Wissen, was der andere denkt und fühlt

Great Growing Up: Aber für den Chef ist das Ergebnis doch erst einmal positiv: Ich habe die Aufgabe abgedrückt an Herrn Tomm.

Viktor Tomm: Ja, (lacht) zunächst einmal scheint es so. Aber ich denke, viel wichtiger wäre es doch, zu wissen, was die Person tatsächlich denkt und wie sie sich fühlt. Vielleicht kann man dann die Aufgaben so verteilen oder die Menschen so führen, dass sie zufriedener sind.

Effektiver kommunizieren

Great Growing Up: Was hat sich denn für dich konkret verändert in punkto kongruentes Kommunizieren?

Viktor Tomm: Ich habe für mich erkannt, dass authentisch kommunizieren viel, viel effektiver ist und auch für Klarheit sorgt zwischen mir und meinen Kollegen.

Sagen, was mich ärgert

Azubi Upgrade ist der Onlinekurs von Great Growing Up.
Wer klar kommuniziert, löst viele Probleme ganz leicht. Foto: Anastasia Gepp/pixabay

Great Growing Up: Wenn ich als Chef Stolla dir die Aufgabe übertrage und du dich darüber ärgerst, würdest du es mir sagen?

Viktor Tomm: Ich würde es sagen, wobei man da unterscheiden muss. Nicht alle Aufgaben, die man im Berufsleben bekommt, machen Spaß. Manche Dinge müssen einfach getan werden. Aber ich glaube, es gibt irgendwo eine Grenze, und ja, da würde ich mich tatsächlich mitteilen und sagen, wie ich darüber denke und was ich fühle.

Auf Entdeckungsreise

Great Growing Up: Würdest du das auch einem Azubi raten?

Viktor Tomm:  Ja, absolut. Vor allem als Auszubildender in einem Unternehmen ist man ja so ein bisschen auf der Suche nach sich selbst, nach seinen Stärken und nach dem, was einem gefällt und was einem nicht gefällt. Das ist so eine Entdeckungsreise, die man macht. Und ich glaube, dazu ist eine Ausbildung auch da. Und die Ausbilder und Vorgesetzten sind dazu da. Damit sie dich als Auszubildenden in die richtige Richtung lenken können, musst du denen auch mitteilen, was du fühlst und was du über gewisse Dinge denkst, anstatt einfach nur alles in dich aufzunehmen und dann so unter dem Radar zu fahren. Das hat einen Mehrwert für dich als Auszubildender, aber auch für deine Ausbilder und Vorgesetzten.

3. Verantwortlich handeln

Verantwortung ist ein weiterer Schwerpunkt im Training von Great Growing up. Deshalb wollte ich von Viktor wissen, was er in Sachen Verantwortung im Training gelernt hat.

Great Growing Up: Der Azubi Viktor Tomm, wenn du dich an den zurückerinnerst, wo hat der sich denn nicht so verantwortlich verhalten vor dem Training?

Viktor Tomm: Damals, als ich das Training mitgemacht habe, war ich im zweiten Lehrjahr. Und ich erinnere mich noch ganz genau: Ich habe meine Aufgaben immer erledigt, ich war auch neugierig und habe immer versucht dazuzulernen und meine Aufgaben so gut wie möglich zu machen. Wo ich dann ein Problem hatte, war Zuverlässigkeit. Also ganz konkret: Ich habe Termine versäumt, ich habe Dinge nicht rechtzeitig erledigt. Hab auch mal Berufsschule geschwänzt und solche Sachen, ja.

Ärger in der Ausbildung

Great Growing Up: Das gab Ärger?

Viktor Tomm: Das gab Ärger, natürlich bleibt so etwas nicht unbemerkt. Das hat dann auch die Ausbildungsabteilung bemerkt und natürlich meine Abteilung.

In den Azubi investieren

Great Growing Up: Und was konkret hat das Training bewirkt, was hat es verändert?

Viktor Tomm: Ich würde zunächst mal sagen, dass das Besondere in meiner Ausbildung war, dass mein Unternehmen und mein Ausbilder tatsächlich zwar das Problem in mir gesehen haben, sie aber auch gesagt haben: Daran können wir arbeiten. Das heißt, sie waren bereit zu investieren, wofür ich sehr, sehr dankbar bin, weil das überhaupt nicht selbstverständlich ist. Und das war großartig. Und dann habe ich das Training bei dir gemacht. Für mich war sehr, sehr wichtig, was Verantwortung denn überhaupt bedeutet. Und warum es überhaupt wichtig ist, verantwortlich zu sein und zu bleiben.

Was Verantwortung bedeutet

Great Growing Up: Was bedeutet denn Verantwortung ganz konkret für dich?

Viktor Tomm: Gute Frage, denn das Wort Verantwortung wird ja so oft verwendet. Von Azubis wird erwartet, dass sie sich verantwortlich verhalten, von jedem wird irgendwie erwartet, dass er Verantwortung übernimmt. Für mich persönlich heißt das, bei allem, was ich tue, immer nur auf mich zu schauen. Die Schuld nicht bei anderen zu suchen, mich nicht zu rechtfertigen. Egal, in welcher Situation ich bin, ich schaue immer auf mich selbst und frage mich: Okay, wie bin ich jetzt da hingekommen, wo ich bin? Und wie kann ich es in Zukunft besser machen? Der Fokus liegt auf mir, allein auf mir.

Angst vor Verantwortung

Great Growing Up: Ich habe den Eindruck, viele Menschen scheuen sich davor, Verantwortung zu übernehmen. Warum ist das so?

Viktor Tomm: Das ist sehr, sehr interessant. Ich beobachte es in der Arbeit bei mir ganz, ganz häufig, dass Menschen Angst haben vor Verantwortung. Die drücken sich vor Verantwortung. Sie wollen am besten nur das tun, was man ihnen sagt, und nicht mehr. Das machen aber nicht nur die Auszubildenden. Das sieht man auch bei Kollegen, die teilweise schon 20 oder 30 Jahre im Unternehmen sind. Ich glaube, die Menschen haben Angst davor, Verantwortung zu übernehmen, weil sie Angst haben, dass, wenn etwas schiefläuft, alle mit dem Finger auf sie zeigen und sagen: Hey, du bist schuld. Du hast es versaut, du kannst das nicht. Ja, ich glaube das ist die Angst davor. Angst, etwas falsch zu machen, stoppt die Menschen.

Tun, was getan werden muss

Great Growing Up: Diese Angst haben natürlich auch viele Azubis und scheuen sich vermutlich genau deshalb, Verantwortung zu übernehmen. Eine Aufgabe vielleicht auch mal nicht nur bis zu dem Punkt zu machen, der ihnen erklärt wurde. Sondern auch das zu tun, was ihnen auffällt, was noch darüber hinaus getan werden muss. Warum ist es für Azubis dennoch wichtig, Verantwortung zu übernehmen?

Viktor Tomm: Das einzige, was ich sagen kann, ist, warum es für mich wichtig ist. Für mich ist Weiterentwicklung wichtig. Wenn man immer nur Angst hat und keinerlei Verantwortung übernimmt, dann kommt man auch nicht weiter im Leben. Man kann sich nicht weiterentwickeln, wenn man nicht bereit ist Verantwortung zu übernehmen Und darüber hinaus nicht bereit ist, mehr zu tun als verlangt ist. Da findet keine Entwicklung statt.

Vom Risiko Fehler zu machen

Great Growing Up: Auch mit dem Risiko, das man einen Fehler macht?

Viktor Tomm: Auch mit dem Risiko, das man einen Fehler macht. Das ist ein normaler Lernprozess. Aber ich verstehe auch, dass Auszubildende Angst haben vor Verantwortung, weil für sie alles neu ist. Das kann ich ganz gut nachvollziehen. So ging es mir auch auch ganz häufig. Aber wenn man diesen Schritt macht, dann freut es die Ausbilder, die Vorgesetzten. Und selbst wenn es mal falsch war, das ist absolut gar kein Problem. Es geht um die Einstellung, den Willen, die Motivation. Darum geht es.

Great Growing Up: Sehr schön, danke, Viktor

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2016

Ratlos stark durch die Krise – mit emotionaler Klarheit

Ratlos stark durch die Krise?  Sie müssen nicht für alles gleich eine Lösung haben. Aber Sie sollten wissen, wie Sie bewusst mit Ungewissheit umgehen können. Denn darin entscheidet sich, wie Sie der Krise begegnen: mit einer Belegschaft aus lauter Einzelkämpfern, die im Wesentlichen gegeneinander kämpfen. Oder mit einer Belegschaft, die sich als starke Gemeinschaft versteht und Herausforderungen mit Zuversicht und Tatkraft bewältigt. Dieser Beitrag zeigt Ihnen einen Weg, wie Sie und Ihre Mitarbeiter ratlos stark durch die Krise kommen.

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Alle im gleichen Boot

Wenn Sie sich für Variante 1 entscheiden, können Sie sich den Rest des Beitrags sparen. Wenn Sie Variante 2 wollen, sind Sie hier genau richtig. Denn in diesem Beitrag geht es darum, wie Sie die Zusammenarbeit Ihrer Mitarbeiter so gestalten, dass sie nach der langen Phase von Home office und social distancing wieder alle im gleichen Boot sitzen und am besten alle in die gleiche Richtung rudern.

Hier geht es um das Come Together nach dem Lockdown.

Zum Beispiel Corona

Den Frühling 2020 werden wir so schnell nicht vergessen. Das Corona-Virus hat das öffentliche Leben praktisch lahmgelegt. Straßen und Plätze sind beinahe menschenleer, die Menschen sind aufgefordert, Zuhause zu bleiben, und Home Office wird plötzlich auch da zur Selbstverständlichkeit, wo es früher unmöglich schien.

Stillstand selbstgemacht

Das Besondere an der Situation ist, dass nicht das Virus an sich den Stillstand verursacht, sondern wir selbst. Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen sollen verhindern, dass sich Corona zu schnell ausbreitet, und so unser Gesundheitssystem überfordert. Viele Unternehmen haben Kurzarbeit angemeldet, andere sind geschlossen und haben keine Einnahmen mehr – bis auf weiteres.

Das wiederum hat zur Folge, dass die Wirtschaft eine Krise durchlebt. Wie schlimm die wird und wie lange sie dauern wird, weiß ebenfalls niemand. Der Virus treibt eine Welle der Verunsicherung vor sich her.

Emotionaler Stress

Verunsicherung entsteht immer dann, wenn wir nicht wissen, was auf uns zu kommt. Genau das erleben wir gerade. Eine Ausnahmesituation. Sie können davon ausgehen, dass ihre Mitarbeiter emotional gestresst sind. Das gilt übrigens nicht nur für die Corona-Krise, sondern grundsätzlich, wenn Neues auf uns zukommt. Die entscheidende Frage st jetzt, ob Sie einfach nur ratlos oder ratlos stark durch die Krise gehen.

Wie Krisen wirken

Nehmen wir als Beispiel Jörg. Der ist 43 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Jörg galt immer als umgänglicher Abteilungsleiter, ein Sympathieträger mit

Ratlos stark durch die Krise. Great Growing Up.
Krisen verursachen emotionalen Stress. Foto: Steve Buissinne/pixabay

 

hoher Motivationsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Seit einigen Wochen nehmen ihn seine Kollegen aber ganz anders wahr. Jörg wirkt zugeknöpft und leicht reizbar. Sie beobachten, dass die Kollegen auf Abstand zu ihm gehen.

Wenn die Produktivität sinkt

Nach einiger Zeit fällt Ihnen auf, dass die Produktivität von Jörgs Abteilung nachlässt. Ganz vorsichtig beginnen Sie ein Gespräch mit Jörg. Der reagiert genauso, wie sie es befürchtet haben: Er ist gereizt und antwortet ausweichend oder pampig. Seine Kernbotschaft ist die: Ich weiß nicht, was ihr alle wollt, an mir liegt es nicht, ich bin so wie immer. Sie erkennen, dass Sie so nicht weiterkommen. Sie sind ratlos.

Kettenreaktion

Eines allerdings haben Sie bewirkt: Jörg weiß jetzt, dass er etwas unternehmen muss. Und das tut er. Jörg beruft ein Meeting ein und spricht zu seinen Mitarbeitern. Er sagt ihnen im Prinzip, das Gleiche, was Sie ihm zuvor gesagt haben: Die Produktivität der Mannschaft lasse zu wünschen übrig. Eine unschöne Kettenreaktion zeichnet sich ab.

Die Stimmung kippt

Das Ergebnis des Meetings ist alles andere als gut: Jörgs Mitarbeiter fühlen sich angegriffen und reagieren beleidigt. Keiner will schuld sein an der Situation. Jeder sieht den jeweils anderen in der Verantwortung. Die Stimmung in Jörgs Abteilung kippt. Jeder fühlt sich beobachtet und reagiert auf Kritik mit Gegenvorwürfen, Schuldzuweisungen, Trotz oder Rechtfertigung.

Der Teamgeist ist weg

Das hatten Sie sich ganz anders erhofft. Statt einer Mannschaft, die an einem Strang zieht, haben Sie jetzt einen Abteilungskrieg – jeder gegen jeden anstelle von Alle für einen, einer für alle. Der Teamgeist hat sich verflüchtigt.

Veränderung und Reaktion

Der Grund für so eine Entwicklung ist immer der gleiche: Veränderung. Irgendetwas verändert sich, und Menschen reagieren darauf. In aller Regel reagieren wir unbewusst. Und darin liegt das Problem.

Training hilft

Das neue Training Come Together ist aus der Zusammenarbeit mit Trainern, Coaches, Psychologen und Personalern entstanden. Es trainiert Ihre Mitarbeiter darin, mit emotional herausfordernden Situationen bewusst umzugehen. Damit sie ratlos stark durch die Krise kommen. Die Corona-Krise ist so eine Situation. Ihre Mitarbeiter sehen sich mit Fragen konfrontiert, auf die es bislang keine Antworten gibt. Das erzeugt Verunsicherung. Ihre Mitarbeiter fragen sich:

  • Was passiert, wenn das Virus mich und meine Familie infiziert?
  • Ist mein Arbeitsplatz sicher?
  • Wie schlimm werden die wirtschaftlichen Auswirkungen?
  • Wann wird das Leben wieder normal?

Alles andere als normal

Tatsächlich ist das Leben Ihrer Mitarbeiter gerade alles andere als normal. Schulen und Kindergärten sind geschlossen. Das heißt, die Kinder sind Zuhause, wollen

Ratlos stark durch die Krise.
Unsicherheit macht vielen Menschen Angst. Foto: John Hain/pixabay

versorgt und unterhalten werden. Gaststätten, Kinos, Bäder und Theater sind geschlossen. Je nach Größe der Wohnung erlebt so mancher Ihrer Mitarbeiter gerade mehr Familie oder Partnerschaft als er gewohnt – vielleicht sogar mehr als im lieb ist. Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, ob Ihre Mitarbeiter und vor allem Sie ratlos stark durch die Krise  gehen.

Freiräume fehlen

Auch das verursacht Stress in Partnerschaft und Familie. Wir können uns nicht mehr in unsere gewohnten Auszeiten und Freiräume zurückziehen. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes auf uns selbst zurückgeworfen. Konflikte und emotionaler Stress sind die Folge. Wenn Mitarbeiter anders reagieren als Sie es von Ihnen gewohnt sind, kann genau das die Ursache sein: Unsicherheit und Überlastung.

Keine schnelle Erlösung

Viele Menschen können beides eine Zeit lang gut aushalten. Sie haben ein dickes Fell, sagen wir dann. Im konkreten Fall der Corona-Pandemie kommt allerdings ein erschwerender Faktor hinzu: die Aussicht auf eine schnelle Lösung und damit Erlösung fehlt. Auch das dickste Fell ist eben nur ein Fell. Was es braucht ist die Fähigkeit, auch ohne schnelle Lösungen klar zu kommen. Sie können sich und Ihre Mitarbeiter darin trainieren, ratlos stark durch die Krise zu kommen. Nicht nur durch die Corona-Krise.

Wann gibt es Lösungen?

Wir Menschen sind gut darin, Lösungen für Probleme zu finden. Es ist uns zu laut? Wir wechseln den Raum. Uns fällt die Decke auf den Kopf? Wir gehen essen, ins Theater oder ins Kino. Uns fehlen die Einnahmen? Wir werben verstärkt um neue Kunden. Was aber, wenn gar nicht klar ist, wann die Lösungen wieder verfügbar sein werden? Wir sind es nicht gewohnt, ratlos stark durch die Krise zu gehen. Wir wollen lieber die schnelle Er-Lösung.

Umgang mit Ungewissheit

Wenn wir die nicht bekommen, erleben wir Ungewissheit in Reinform. Viele Menschen sind den Umgang mit Unsicherheit nicht mehr gewohnt. Das Leben erschien vielen von uns ziemlich sicher und vorhersehbar. In der Theorie dürfte dennoch den meisten klar gewesen sein: Keiner weiß, wie der nächste Tag sein wird und ob er ihn überhaupt er- oder überleben wird. Viele sind ratlos, aber eben nicht stark genug. Da hilft das Training Come Together.

Wovon wir ausgehen

Im gelebten Alltag hat die Unsicherheit nur wenig Platz. Wir gehen stillschweigend davon aus, dass unser Leben weitgehend so bleiben wird, wie es ist. Gegen vieles, das schief laufen kann haben wir uns versichert. Allein die Formulierung ist ein Witz: Wir können eine Unfallversicherung abschließen, aber sicherer wird unser Leben deshalb nicht. Wir wissen einfach nicht, was es bedeutet, ratlos stark durch die Krise zu gehen.

Wenig Raum für Unsicherheit

Kurzum: Unsicherheit hat nur wenig Raum in unserem Bewusstsein. Das mag früher anders gewesen sein, als beispielsweise der Tod, Krankheit und Hunger noch Teil des alltäglichen Lebens waren. In Kriegs- oder Nachkriegszeiten etwa. Unsere Ausdauer im Umgang mit Unsicherheit und ungewohnten Lebenslagen ist schlecht trainiert.

Stress ist so ansteckend wie Corona

Warum sollte es Ihr Problem sein, wenn Ihre Mitarbeiter nicht mit emotionalem Stress umgehen können? Ganz einfach, weil emotionaler Stress mindestens so ansteckend ist wie Corona. Es genügt ein Mitarbeiter, der mit seinem emotionalen Stress nicht umgehen kann. Vielleicht wirkt er verschlossener als sonst und spricht mit niemandem mehr. Oder er reagiert gereizt. Vielleicht wird er auch einfach krank: physisch oder psychisch.

In allen Fällen wirkt sich das Verhalten dieses Mitarbeiters auf Ihr Betriebsklima aus. Zuerst sinkt die Motivation, dann die Produktivität. All das kostet Ihr Unternehmen Geld.

Das mulmige Gefühl

Ratlos stark in der Krise. Great Growing Up.
Dauerhafte Angst kann in die Depression führen. Foto: Dorothe/pixabay

Große Verunsicherung wie durch die Corona-Krise und den da mit verbundenen Lockdown verursachen Angst. Manche Menschen verwenden lieber andere Begriffe wie Unsicherheit, mulmiges Gefühl, Respekt oder Nervosität. Ich nenne die Dinge lieber beim Namen und sage: Wenn wir nicht wissen, was uns erwartet, fühlen wir Angst. Mal mehr, mal weniger.

Positiv oder negativ?

Je nach Intensität und Dauer der Verunsicherung hat diese Angst Auswirkungen auf die Stimmungslage Ihrer Mitarbeiter. Und natürlich auch auf Ihre eigene. Manchmal empfinden wir Angst sogar als positiv: Etwa wenn wir etwas spannend oder aufregend finden. Ein bisschen Nervenkitzel wirkt durchaus belebend.

Wenn dem nicht so wäre, würde kein Mensch Achterbahn fahren oder spannende Filme ansehen. Schwierig wird es, wenn die Angst groß ist und keine Aussicht auf Erlösung besteht. Dann kann sie zu lähmenden Erschöpfungszuständen führen. Wenn das geschieht, fällt es uns unglaublich schwer, ratlos stark durch die Krise zu gehen.

Verdrängung kostet Kraft

Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass ihr Umgang mit emotionalem Stress sehr anstrengend ist. Für sie selbst. Vor allem wenn Sie das als negativ empfundene Gefühl verdrängen. Zum Beispiel, weil sie nicht als Angsthase oder als Schwächling erkannt werden wollen.

Verdrängung kostet unglaublich viel Kraft. Es ist anstrengend, ein Gefühl zu unterdrücken und eine Rolle zu spielen, die nicht unserer gefühlten Wahrheit entspricht. Das kostet richtig viel Energie. Die Anstrengung kann so groß sein, dass Menschen sich isolieren und in eine Art Lähmung verfallen.

In der Abwärtsspirale

Wenn die Gedanken immer nur darum kreisen, von einer Situation überfordert zu sein, befinden wir uns bereits auf der Abwärtsspirale. In diesem Strudel ist kein Platz für positive Gedanken, für Zuversicht oder Vertrauen. Aus diesen Gedanken kann sich eine depressive Episode bilden. Also eine Depression, die weniger auf Veranlagung, sondern auf einer konkreten Lebenskrise basiert.

Depressive Episoden

Depressive Episoden gibt ins in leichter und in schwerer Form, ihre Symptome sind die gleichen wie bei Depressionen, die auf Veranlagung beruhen: Antriebslosigkeit, fehlende Zuversicht, das Empfinden tiefer Sinnlosigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Angstschweiß, Selbstmordgedanken.

Erstaunlich viele Menschen mit depressiven Episoden landen in der Psychiatrie und fallen in Unternehmen für Wochen und Monate aus.

Mit Angst umgehen

In den meisten Fällen ist gar nicht die Angst an sich das Problem, sondern unser Umgang mit ihr: Viele Menschen verdrängen Ängste so lange, bis sie in einer depressiven Episode landen. Sei es, weil sie sich schämen, weil sie ihren Job gut machen wollen oder weil sie völlig verlernt haben, ihre Emotionalität überhaupt wahrzunehmen.

Emotionale Intelligenz trainieren

Und da kommen Sie ins Spiel. Trainieren Sie die emotionale Intelligenz Ihrer Mitarbeiter. Great Growing Up ist der ideale Partner dafür. Das Training ist so aufgebaut, dass Ihre Mitarbeiter alles lernen, was es im Umgang mit Emotionalität braucht:

  1. Das Wissen darüber, welche Emotionen es gibt
  2. Klarheit über die Wahrnehmung eigener Emotion
  3. Eine wertfreie Sicht auf alle Emotionen
  4. Den verantwortlichen Umgang mit Emotion.

Wissen, was ich fühle

Machen Sie den Test mit sich selbst. Fragen Sie sich: Was fühle ich gerade? Fast immer, wenn ich Teilnehmern diese Frage stelle, bekomme ich solche Antworten:

  • „Ich fühle mich gut/nicht gut.“
  • „Ich fühle mich verarscht/betrogen/blöd etc.“
  • „Ich finde das blöd.“
  • „Gerade ist Folgendes passiert: …“

Den Unterschied kennen

Diesen Antworten haben etwas gemeinsam: Sie beantworten die Frage nicht. Tatsächlich kennen viele Menschen den Unterschied nicht zwischen Wahrnehmen, Interpretieren, Bewerten und eben Fühlen. Die Antwort…

  • „Ich fühle mich gut/nicht gut“ ist eine Bewertung.
  • „Ich fühle mich verarscht/betrogen/blöd etc.“ ist eine Interpretation.
  • „Ich finde das blöd“ ist eine Bewertung.
  • „Gerade ist Folgendes passiert: …“ ist eine Wahrnehmung.

Keine Ahnung, was wir fühlen

Keine dieser Antworten sagt etwas darüber aus, was Sie fühlen. Mir ist klar, dass nur die wenigsten von uns dazu erzogen wurden, über unsere Gefühle zu sprechen. Ich würde mich auch nicht jedem Menschen anvertrauen. Meine Erfahrung ist aber Folgende:  Wir reden nicht nur selten über unsere Emotionen, wir haben oft auch keine Ahnung, was oder auch nur dass wir etwas fühlen.

Mit Klarheit ratlos stark durch die Krise

Sie können Ihre Mitarbeiter auch führen, ohne die Lösung zu wissen. Foto: Gerd Altmann/pixabay

Die meisten Menschen unserer Kultur sind gut trainierte Gefühlsverdränger. In Krisensituationen ist das gefährlich, denn verdrängte Emotionen sind nicht einfach weg, nur weil wir sie nicht fühlen wollen. Sie beeinflussen weiter unser Denken und Handeln.

Klarheit darüber, was sie fühlen, bekommen Sie mit einem ganz simplen Trick: Sie entscheiden sich zwischen vier Möglichkeiten: Ärger, Trauer, Angst, Freude. Mehr brauchen Sie nicht. Am einfachsten geht das, wenn Sie nacheinander ausschließen, was sie gerade nicht fühlen. Was übrig bleibt, ist das, was sie gerade fühlen. Jetzt wissen Sie, welche Gefühle es gibt und wie Sue sich Klarheit darüber verschaffen, was Sie gerade bewegt.

Vier genügt

Natürlich sind das nur Überbegriffe:

Mit Ärger reagieren wir auf Dinge, die uns stören. Die emotionale Bandbreite reicht von leicht irritiert über stinksauer bis zur Weißglut.

Trauer umfasst alles zwischen sentimental, melancholisch, nachdenklich, enttäuscht, niedergeschlagen und tiefer Trauer.

Angst reicht von positiv empfundener Aufregung wie Neugier, Spannung und Nervenkitzel über Nervosität, Unsicherheit, Verlegenheit bis hin zu lähmender Angst und Panik.

Freude beschreibt Emotionen wie Gelassenheit, Ausgeglichenheit, Zufriedenheit bis hin zu purer Glückseligkeit.

Ich fühle, also bin ich

Mindestens eines davon fühlen sie immer, solange Sie am Leben sind. Sobald Sie sich dafür entschieden haben, welche Emotion Sie gerade fühlen, haben Sie emotionale Klarheit. Je öfter Sie das Üben, desto leichter fällt Ihnen das.

Wertfreie Sicht

Es gibt einen Grund dafür, dass wir Gefühle verdrängen. Wir Menschen verdrängen Dinge, die uns nicht gefallen. Die meisten Menschen, die ich kenne, bewerten drei Gefühle negativ und verdrängen Sie genau deshalb:

  • Ärger
  • Trauer
  • Angst

Nur die Freude gilt als positiv. In einer akuten Krisensituation fühlen Menschen allerdings nur selten Freude. Im Beispiel Corona-Krise dürfte die Angst an erster Stelle stehen. Platz drei teilen sich vermutlich Ärger und Trauer.

Hilfe in Krisenzeiten

Tatsächlich haben auch die negativ bewerteten Gefühle Ärger, Trauer und Angst wichtige, positive Seiten, die uns in Krisenzeiten helfen. Die können Sie allerdings nur nutzen, wenn Sie gerade diese Emotionen nicht verdrängen.

Die Angst vor Ansteckung lässt uns vorsichtig werden und auf Abstand zueinander gehen.

Die Trauer ermöglicht uns Empathie und Mitgefühl.

Der Ärger hilft uns Grenzen zu setzen, etwa wenn uns jemand zu nahe kommt.

Sprechen ist Gold

Das beste Mittel, um Verdrängung zu vermeiden, ist Sprechen. In dem Moment, wo Sie sich erlauben, über ein Gefühl zu sprechen, nehmen Sie es bewusst wahr und geben sich selbst die Erlaubnis zu fühlen, was sie fühlen. Das ermöglicht Ihnen eine wertfreie Sicht auf die vier Grundgefühle.

Verantwortlicher Umgang

Der vierte und letzte Schritt ist der entscheidende: Wie gehen Sie mit Ihrer Emotion um? Am besten, indem Sie vorleben, was Authentizität bedeutet: Sie nennen Ihr Gefühl beim Namen und werden so zum Vorbild für emotionale Bewusstheit. Und Sie leben vor, was es bedeutet, ratlos stark durch die Krise zu gehen.

Authentizität schafft Vertrauen

Emotionale Klarheit stärkt den Teamgeist und erhöht die Produktivität. Foto: pixabay

Wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern emotional bewusst kommunizieren, schenken Sie Ihnen Vertrauen. Menschen mögen das. Denn es ermöglicht Ihnen, sich ebenfalls zu öffnen. Tatsächlich haben wir Menschen eine große Sehnsucht: Wir wollen gerne so gesehen und wertgeschätzt werden, wie wir sind.

Psychische Diskrepanzen

Wenn wir uns aber für unsere Emotionen schämen, weil wir sie negativ bewerten, verdrängen wir sie und verstellen uns. So entstehen psychische Diskrepanzen, die neurotisch und am Ende sogar psychotisch werden können.

Ungewissheit aushalten

In einer Krise wie der Corna-Pandemie im Jahr 2020 brauchen wir alle etwas anderes: Menschen, die mit Unsicherheit umgehen können. Das hat nichts mit dem Verdrängen von Angst zu tun. Vielmehr geht es darum, sie aushalten zu können.

Ratlos stark sein

In Krisenzeiten wissen wir nicht, was auf uns zukommt und wie lange es dauert, bis die Krise vorüber ist. Wir sind ratlos. Es liegt an uns, ob wir ratlos schwach sind oder ratlos stark. Wenn Sie stark sein wollen, sollten Sie keinen Kampf gegen das führen, was Sie fühlen. Das kostet Sie nur Kraft und macht sie unauthentisch.

Ihre Mitarbeiter brauchen etwas anderes von Ihnen: Einen Menschen, der ihnen vorlebt, was es bedeutet ratlos stark zu sein. Denn das ermöglicht es ihnen, bewusst zu entscheiden und besonnen zu handeln. Genau darauf kommt es jetzt an.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Das war’s für diese Episode. Ein Transkript gibt es wie immer auf meiner Website www.greatgrowingup.com. Vielen Dank fürs Zuhören und machen Sie’s gut, Ihr Matthias Stolla

© Matthias Stolla 2020

Rollenspiele – unbeliebt, aber effektiv

Willkommen bei Great Growing Up, dem Podcast für Beziehungskompetenz im Business. Heute geht es um die Art und Weise, wie Menschen sich in Great Growing Up Trainings von alten Verhaltensmustern verabschieden und sich auf ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten einlassen. Am einfachsten geht das mit einer durch und durch unbeliebten Methode: Rollenspiele - unbeliebt, aber effektiv.

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Kaum einer mag Rollenspiele

Kaum jemand mag Rollenspiele. Außer vielleicht Trainer und Seminarleiter, die sie anleiten, aber nur ganz selten selbst mitspielen, könnte man einwenden. Wie dem auch sei, Rollenspiele gelten vielen als albern und unrealistisch. Vielen Menschen sind sie ganz und gar nicht behaglich, und viele haben Angst sich zu blamieren.

Gespielt ist halb gewonnen

Tatsache ist aber, dass Rollenspiele eine sehr effektive Lernmethode sind. Das hat damit zu tun, dass unser Gehirn zwar hochentwickelt ist, sich aber immer noch schwer tut, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Doch dazu später mehr. Ich nutze Rollenspiele sehr gerne und habe in meinen Trainings sehr viele Teilnehmer erlebt, die sich zunächst geziert, sich dann aber völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten erschaffen haben.

Ein Beispiel vom Bau

Ein Beispiel aus der Praxis: Stefan ist Polier auf dem Bau. Er führt eine kleine Kol nne und kommt mit seinen Männern ganz gut klar. Der Umgangston ist branchenüblich rau, aber herzlich. Man kennt sich gut, und jeder weiß um die Eigenarten des anderen. Nur mit Paul,kommt Stefan nicht klar.

Schlamper in der Kolonne

Rollenspiele - unbeliebt, aber effektiv
Rollen gibt es nicht nur im Spiel. Foto: pixabay

Stefan ist Teilnehmer des Great Growing Up Kommunikationstrainings für Poliere und schildert sein Problem in der Gruppe. Paul bringt ihn regelmäßig auf die Palme, sagt Stefan. Er ist notorisch unpünktlich und räumt sein Werkzeug so gut wie nie auf. Natürlich habe er ihm schon mehrmals gesagt, was er von ihm erwarte, beteuert Stefan. Aber immer ohne Erfolg. Stefan hat einen Schlamper in seiner Kolonne und weiß nicht mehr weiter.

Resignation

Ich frage Stefan, ob er mutig genug sei, für ein Experiment. Er zögert. Er habe doch schon alles versucht, das bringe doch alles nichts, sagt er und will aufgeben. Stefan ist sich nicht darüber im Klaren, dass er sich gerade genauso verhält, wie im Gespräch mit Paul. Noch nicht.

Zögern

Ich bitte Stefan, einen Teilnehmer auszuwählen, der Pauls Rolle einnehmen könnte. Stefan windet sich, er sucht nach Ausreden, um die Konfrontation zu meiden. Er wolle die Aufgabe eigentlich gar nicht machen, sagt er. Seine Worte „eigentlich nicht“ sind kein klares Nein, also frage ich ihn, ob er die Frage „Magst Du ein Experiment machen?“ mit Ja oder Nein beantworten kann. Das kann Stefan. Er sagt Nein, und wir belassen es dabei. Rollenspiele - unbeliebt, aber effektiv - warum, erkläre ich gleich.

Noch ein Beispiel

Ein anderer Teilnehmer, Christoph, meldet sich zu Wort mit einem ganz ähnlichen Problem. Es geht um zwei Auszubildende, die bei jeder Gelegenheit auf ihre Smartphones starren. Während der Arbeitszeit wohlgemerkt. Ich stelle Christoph vor die gleiche Aufgabe wie Stefan. Er wählt zwei Kollegen aus, die seine beiden Azubis spielen sollen.

Immer am Handy

Rollenspiele - unbeliebt, aber effektiv
Effektives Kommunizieren trainiert sich am besten in der Praxis. Foto: privat

Die beiden gespielten Azubis machen ihren Job gut. Sie spielen mit ihren Handys, anstatt zu arbeiten. Christoph schaut zu. Ich fordere ihn auf, mit den Azubis zu sprechen. Der erste Anlauf geht schief. Christoph redet zwar, aber die beiden Azubis hören ihm nicht zu. Ihre Aufmerksamkeit bleibt bei ihren Handys. Christoph probiert es noch einmal – ohne Erfolg.

Wenn der Kragen platzt

Einem von Christophs Kollegen allerdings platzt der Kragen. Er fühlt, was Christoph verdrängt: Ärger. „Nimm dir beiden richtig zur Brust“, fordert er Christoph auf. Der versucht es, und scheitert wieder. Ich frage Christoph, was er fühlt. Nichts Gutes, antwortet er, weiß aber nicht genau, was er fühlt.

Sagen, was Sache ist

Wir machen es ihm einfach und gehen per Ausschlussverfahren vor: Freude ist es nicht, Angst und Trauer auch nicht. Also bleibt nur Ärger. Ich schlage Christoph vor, seine Azubis gezielt anzusprechen und den Augenkontakt mit ihnen zu halten. Erst dann soll seinen Ärger äußern und sagen, was Sache ist.

Klartext

Christoph atmet tief durch und legt los: Er nennt seine Azubis beim Namen, stellt Blockkontakt her und sagt klipp und klar, was ihn ärgert. Die beiden Azubis sind baff und stecken ihre Smartphones weg. Die umstehenden Teilnehmer applaudieren beeindruckt. Rollenspiele - unbeliebt, aber effektiv.

Zweiter Versuch

Gerade in Branchen mit rauem Umgangston ist bewusstes Kommunizieren wichtig. Foto: privat

Stefan meldet sich jetzt und sagt, er wolle noch einen Versuch unternehmen. Christophs Entwicklung hat ihn ermutigt. Ich bitte ihn, einen Stellvertreter für seinen Mitarbeiter Paul auszuwählen. Aber Stefan kann sich partout nicht entscheiden. Es wird Zeit für einen Umweg. Ich bitte Stefan, stattdessen einen Menschen im Raum auszuwählen, der auf ihn bedrohlich wirkt. Er wählt mich.

Grenzen setzen

Ich erkläre Stefan die Aufgabe: Ich werde auf ihn zu gehen und erst stoppen, wenn sein „Stop!“ so deutlich ist, dass ich impulsiv stehenbleibe. Ich gehe los, nicht besonders flott, aber entschlossen. Stefan reagiert spät. „Bleib bitte dort sehen“, sagt er und blickt auf die Stelle auf dem Fußboden, auf die auch sein rechter Zeigefinger deutet. Noch ehe er seine Bitte beendet, stehe ich direkt vor seiner Nase. Viel zu nah, um angenehm zu sein.

Provokation im Rollenspiel

Stefan spürt seinen Ärger nicht. Ich frage, ob ich anfassen darf. Er ist einverstanden. Ich tippe ihm in schneller Folge mit meinem Zeigefinger auf die Brust. Stefan unternimmt nichts. Ich frage ihn, ob ihm gefällt, was ich tue. Stefan sagt Nein. Ich fordere ihn auf, etwas dagegen zu unternehmen. Urplötzlich packen zwei starke Bauarbeiterhände meine Unterarme.

Handgreiflich

Stefans Griff ist mehr als nur ein starker Impuls. Sein Griff bleibt so fest, dass es beinahe weh tut. Aber er sagt kein Wort. So stehen wir eine Zeit lang voreinander. Ich frage Stefan, was er fühlt. Keine Ahnung, sagt er, aber sein Blick spricht Bände. Ich frage Stefan, ob er sich noch an die zu Beginn des Trainings vorgestellten vier Grundgefühle erinnert.

Alle wissen Bescheid

Klar sagt Stefan und zählt auf: Trauer, Freude, Angst und… und… Das vierte Grundgefühl will ihm partout nicht einfallen. Wie auch, wo er doch so viel dafür tut, um es zu verdrängen. Die umstehenden Teilnehmer wissen längst Bescheid: Stefan ärgert sich. Nur Stefan weiß es nicht.

Wie Verdrängung funktioniert

Rollenspiele - unbeliebt, aber effektivEs dauert ein wenig, bis er den Gedanken zulässt. Das ist oft so: Wenn wir ein Gefühl verdrängen, wollen wir nicht darüber reden. Unsere Verdrängung kann durchaus so wirksam sein, dass uns nicht einmal der Name des betreffenden Gefühls einfallen will. Schließlich ist genau das ja auch Sinn und Zweck von Verdrängung.

Angst vor Kontrollverlust

Stefan weiß jetzt, dass er ärgerlich ist, aber sprechen will er dennoch nicht darüber. „Ich will nicht, dass ich ausraste und dann handgreiflich werde“, sagt er. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass er bereits handgreiflich geworden ist, indem er meine Unterarme gepackt hat. Stefan staunt und lässt los. Rollenspiele - unbeliebt, aber effektiv.

Handgreiflich

Jetzt geht es darum, auszusprechen, was ohnehin offensichtlich ist: den Ärger. Aber Stefan tut sich schwer damit. Er erklärt, dass er mein Verhalten blöd findet. Das gibt mir Gelegenheit, ihm zu erklären, wie wichtig mein ständiges Gestupse mit den Fingern auf seiner Brust ist. Ich will ich darin unterstützen, etwas Wichtiges zu lernen: für sich einzustehen und Grenzen zu setzen, ohne dabei handgreiflich zu werden.

Wie Klarheit wirkt

Stefan schweigt wieder. Also stupse ich weiter auf seiner Brust herum. Irgendwann wird es Stefan dann zu blöd. Er schaut mir in die Augen und sagt: „Matthias, das ärgert mich. Hör auf mich anzustupsen!“ Stefans Blick hält mich fest. Ohne einen bewussten Entschluss zu fassen, höre ich damit auf, ihn zu ärgern.

Entschlossener als zuvor

Die Teilnehmer klatschen Beifall. Ihnen fällt auf, dass sich Stefans Gesichtsausdruck verändert hat. Er wirkt entschlossener als zuvor. Und Stefan ist tatsächlich entschlossener als zuvor: Die Frage, ob er ein weiteres Experiment machen wolle, beantwortet er mit einem klaren Ja. Und ohne zu zögern wählt er seinen Sparringspartner aus.

Klare Ansage im Rollenspiel

Einer seiner Kollegen spielt nun Paul, der oft zu spät kommt und sein Werkzeug nur selten aufräumt. Und Stefan? Der spricht jetzt Klartext: „Paul, wir müssen was besprechen“, sagt er und fährt fort: „Du bist heute erst um 10 nach 7 auf der Baustelle erschienen, obwohl du weißt, dass wir um Punkt 7 beginnen. Das ärgert mich. Ich möchte, dass du ab morgen pünktlich um 7 mit der Arbeit beginnst. Und du machst erst Feierabend, wenn all dein Werkzeug aufgeräumt ist. Hab‘ ich mich klar ausgedrückt?“

Beifall für Stefan

Hat er. Der gespielte Paul ist baff und sagt: „Ja, Chef.“ Mehr nicht. Jetzt kann man einwenden, dass so ein Rollenspiel ja nicht die Realität sei. Tatsächlich höre ich diesen Einwand oft von Menschen, die sich nicht auf ein Rollenspiel einlassen wollen. Tun sie es aber doch, geht es ihnen wie Stefan: Der Polier hat sich auf eine völlig neue Art erlebt: Klar und entschlossen. Wie kam es dazu?

Warum Rollenspiele wirksam sind

Rollenspiele - unbeliebt aber effektiv? Rollenspiele sind zunächst einmal nicht sehr beliebt. Viele Menschen halten sie für albern oder unrealistisch oder beides. Ich glaube dennoch an ihren Nutzen. Ich schätze das liegt daran, dass unser Gehirn nicht zwischen Fiktion und Realität unterscheidet. Unser Bewusstsein kann das, unser Gehirn nicht. Anders wäre kaum zu erklären, warum wir einen Film so spannend finden, dass wir mitfiebern oder einen Albtraum so schrecklich finden dass wir nassgeschwitzt aufwachen.

Vertraute Situation

Bei einem Rollenspiel geschieht im Prinzip das Gleiche: Wir erleben eine vertraute Situation, und unser Gehirn sowie unser Körper reagieren darauf so, als wäre das Rollenspiel Realität. Wir sind zwar wach und bei Bewusstsein, aber das Repertoire unserer Verhaltensmuster bleibt dasselbe.

Fake it until you make it

Was mir daran besonders gefällt, ist, dass das auch in umgekehrter Reihenfolge funktioniert: Immer wenn Teilnehmer einwenden, dass sie ihre neue Verhaltensweise im Rollenspiel nur gespielt sei, ermuntere ich sie, genau das zu tun: Dann spiel sie eben. Für das Gehirn macht das keinen Unterschied, denn der Teilnehmer erlebt sich auf eine neue Art und macht damit kognitiv wie emotional eine neue, wichtige Erfahrung. Rollenspiele - unbeliebt, aber effektiv.

Keiner blamiert sich

Der Vorteil vom Rollenspiel liegt auf der Hand: Die Rückmeldungen der Beobachter liefern uns neue Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist ein Gewinn, für den es sich lohnt, das Risiko peinlichen Scheiterns auf sich zu nehmen. Und: Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand in einem Rollenspiel blamiert.

Tanz auf der Nase beendet

Das Schöne an diesem Setting ist: man kann nichts falsch machen, nur gewinnen. Ich kenne unzählige Teilnehmer, die mir nach dem Training mitgeteilt haben, dass sie jetzt in der Lage sind, Klartext zu reden und Grenzen zu setzen. Keiner tanzt ihnen mehr auf der Nase herum. Und das, ohne handgreiflich zu werden oder auszurasten. Wer Klartext spricht und Grenzen setzt, hat keinen Grund auszurasten.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2020

Psychisch krank im Job? Great Growing Up beugt vor.

Psychisch krank im Job – ein ganz reales Fallbeispiel

Markus hat Angst. Angst um seinen Freund Frank. Seit gut zwei Stunden sitzt Markus nun in dessen Küche und erkennt seinen Freund fast nicht wieder. Markus und Frank sind schon seit ihrer Zeit in der Grundschule befreundet. Markus hat Frank schon immer bewundert: um seinen Mut, Neues zu wagen. Nicht weniger um seine quirlige Lebendigkeit, mit der er Menschen faszinierte. Und um seine Vertrauenswürdigkeit, die es ihm leicht machte, Menschen für sich zu gewinnen. Aber jetzt wirkt Frank, als sei er psychisch krank.

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Im großen Schwarzen Loch

Frank ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Je länger Markus an Franks Küchentisch sitzt, desto unbehaglicher wird ihm. Markus hört lange zu, dann versucht er zu helfen. Er spricht mit Frank, aber all seine Versuche, seinem Freund Mut zu machen, ihm Perspektiven aufzuzeigen, verschwinden wie Materie in einem großen Schwarzen Loch. Frank geht es ganz offensichtlich furchtbar. Er wirkt vollkommen kraftlos. So, als hätte ihm das Leben das Rückgrat gebrochen. Nichts von dem, was Markus ihm sagt, scheint zu verfangen. Frank hat den Glauben daran, dass es ihm je wieder besser gehen wird, komplett verloren. Er sieht keinen Sinn mehr im Leben. Frank ist psychisch krank.

Total erschöpft

Markus‘ Freund kann nicht mehr. Sein Job ist anstrengend. Das war ihm von Anfang an klar, aber das hat ihm in all den Jahren nichts ausgemacht. Frank ging immer gerne zur Arbeit. Früher. Heute weiß er morgens nicht, wo er die Kraft dafür hernehmen soll, und abends nicht, wie er seinen Kopf ausschalten soll. Er geht mit bedrückenden Gedanken ins Bett und wacht damit auf.

Gefährliche Andeutungen

Irgendwann, spät am Abend beginnt Frank, seltsame Andeutungen zu machen. Sie sorgen dafür, dass Markus Gänsehaut bekommt. Er sagt nicht, „Ich denke daran mich zu umzubringen“. Stattdessen spricht er davon, dass es „vielleicht besser ist, wenn ich mich ausknipse“. Markus versteht dennoch und hat Angst. Sein Freund ist psychisch krank. Frank muss ihm hoch und heilig versprechen, dass er sich bis zum Morgen nichts antun wird. Erst danach wagt es Markus, seinen Freund alleine zu lassen. Für diese Nacht.

Diagnose Depression

Am nächsten Morgen fährt Markus mit Frank zum Arzt. Der will Frank zunächst ein Beruhigungsmittel verordnen. Aber Frank stellt klar, dass das nicht reichen wird. Als er von seinen Suizidgedanken spricht, geht alles ganz schnell. Sein Arzt diagnostiziert eine schwere depressive Episode und stellt Frank eine Überweisung aus. Der Arzt geht auf Nummer sicher: Er nimmt Markus das Versprechen ab, Frank noch heute in eine Psychiatrische Klinik zu fahren. Jetzt ist es amtlich: Frank ist nicht einfach nur erschöpft, er ist psychisch krank.

Wie in einem Alptraum

Psychisch krank im Job. Great Growing Up wirkt vorbeugend.
Bei psychischen Erkrankungen führt oft kein Weg an Medikamenten vorbei.                        Foto: pixabay/Reggi Tirtakusumah

Was dann geschieht, sieht Frank wie durch dichten Nebel.  Markus fährt ihn nach Hause. Dort packt Frank seine Sachen für den anstehenden Klinikaufenthalt. Er ist den Tränen nahe. Es fühlt sich an, als würde sein Leben jetzt zu Ende gehen. Die Fahrt zur Klinik erlebt Frank wie in einem bösen Traum: Er sieht sich selbst im Auto, zusammengesunken auf dem Beifahrersitz.

Abschied an der Kliniktür

Mit einer Reisetasche in der Hand verabschiedet Frank sich von seinem Freund Markus. Dann fällt die Tür hinter ihm ins Schloss. Frank ist völlig fertig mit den Nerven. Es fühlt sich an, als käme er ins Gefängnis. Markus ist es sehr schwer gefallen, seinen Freund in der Psychiatrie abzuliefern. Die paar Minuten dort am Empfang haben ihm schon gereicht. Am liebsten hätte er ihn wieder mitgenommen, aber diese Verantwortung konnte er nicht übernehmen.

Psychisch krank in allen Formen

Frank versucht, mit seiner neuen Umgebung klarzukommen. Er erlebt dort Menschen, die ebenfalls psychisch krank sind. Aber anders als er. Manche schleichen teilnahmslos durch die Gänge, andere wirken hyperaktiv, und wieder andere beginnen urplötzlich wie wild zu schreien. Franks Stimmung sinkt noch tiefer. Er will weg. Zum Glück bekommt er ein Zimmer für sich allein und ist dankbar für das Schlafmittel, das ihm der Pfleger verabreicht.

Suizidgedanken

Am nächsten Tag spricht Frank mit der Psychologin und der leitenden Ärztin. Weil er ihnen glaubhaft versichern kann, dass er sich trotz seiner Suizidgedanken nichts antun werde, bekommt er zweimal 15 Minuten Ausgang. Frank sitzt draußen unter einem Baum, telefoniert und weint. Am Nachmittag erhält er eine gute Nachricht: Die Ärzte erlauben ihm den Wechsel in die offene Station. Erleichtert verlässt er die geschlossene.

Die Therapie beginnt

Das erneute Aufnahmeverfahren mit Arztgesprächen und Untersuchungen bestimmt die zweite Tageshälfte. Frank spricht über seine Ängste: davor, zu versagen, seinen Job zu verlieren, sozial abzustürzen. Die Stationsärzte verordnen ihm Antidepressiva sowie Schlafmittel für die Nacht. Frank erfährt, dass er nur befristeten Ausgang bekommt. Und Programm hat er zunächst auch nicht. Es dauert ein paar Tage, bis er in die täglichen Therapieangebote integriert wird. Also verbringt er einige Tage ohne Programm. Davor hat er schrecklich Angst, denn ohne Ablenkung kreisen seine Gedanken ständig um seine Ängste. Aber die Psychopharmaka wirkt. Frank entspannt sich, denn der Wirkstoff stoppt den Abwärtsstrudel in seinem Kopf.

Voreilig optimistisch

In der Chefarztvisite nach dem Wochenende gibt Frank ein deutlich stabileres Bild ab als zuvor. Seine offene und reflektierte Art beeindruckt Ärzte und Pfleger. Der Chefarzt sagt, Frank könne voraussichtlich zu Beginn der kommenden Wochen entlassen werden. Frank reagiert euphorisch. Er sieht sich auf gutem Weg und freut sich auf Zuhause. Vielleicht, so beginnt er zu hoffen, ist er ja doch nicht psychisch krank.

Die Angst kommt zurück

Psychisch krank im Job. Great Growing Up beugt vor.
In den allermeisten Fällen brauchen Betroffene professionelle Hilfe.
Foto: pixabay/LeFox

Im Laufe der Nacht aber verändert sich seine Gefühlslage. In den frühen Morgenstunden, als die Wirkung des Schlafmittels nachlässt, meldet sich die Angst zurück. Während Frank noch im Halbschlaf vor sich hindämmert, ergreift sie Besitz von ihm. Noch ehe er wieder bei Bewusstsein ist, kreisen seine Gedanken wieder um seine Probleme bei der Arbeit. Frank erwacht schweißgebadet. Sein Schlafanzug ist klatschnass und riecht nach Angst.

Schlimmes Morgentief

So geht das ein paar Tage und Nächte. Frank hat heftige Morgentiefs, fühlt sich wie gerädert und ist kaum aus dem Bett zu kriegen. Die Dusche wirkt ein wenig ermunternd, mehr aber auch nicht. Er isst seine Mahlzeiten weitgehend lust- und appetitlos. Die Tage erscheinen ihm öde und lange. Die Nächte aber sind die Hölle. Trotz Schlafmittel liegt er lange wach und bekommt fast jeden der regelmäßigen Kontrollgänge mit, wenn die Pfleger schauen, ob alles in Ordnung ist. Aber egal, wie oft er sich hin und her wälzt, seine Situation bleibt unverändert.

Lustlos in der Sitzung

Die meisten Therapieangebote lässt Frank lustlos über sich ergehen. Die Entspannungsübungen sind angenehm, aber mehr auch nicht. In den Gesprächsrunden erkennt Frank zwei Gruppen: Teilnehmer, die gerne und viel über Belanglosigkeiten sprechen und andere, die kaum etwas sagen. Einzig die Sportangebote und die Ergotherapie scheinen ihm gut zu tun.

Belastungsprobe

Aus der geplanten Entlassung wird nichts. Franks Zustand ist nicht stabil genug. Das darauffolgende Wochenende verbringt Frank dennoch Zuhause - eine sogenannte Belastungsprobe. Er besteht sie nicht. Schon am ersten Abend hat er Angst vor dem Morgentief und ist froh, als er wieder in der Klinik ist.

Schlaflose Nächte

Die folgenden Tage sind einfach nur schrecklich. Frank wacht jeden Morgen nassgeschwitzt auf und sieht nur noch schwarz. Erst am Nachmittag hellt sich seine Stimmung etwas auf. In den Nächten findet Frank kaum Schlaf. Er sucht jetzt oft das Gespräch mit den Ärzten. Diese Gespräche tun ihm gut. Frank erkennt zwar, dass niemand seine Situation verbessern kann, dafür wird ihm nach und nach klar, dass er entscheiden kann, wie er damit umgeht.

Auf dem Weg der Besserung

Ganz langsam kommt in den Therapiegesprächen die Geschichte hinter Franks Zusammenbruch zum Vorschein: Die Arbeit hat ihn krank gemacht. Nicht der Job an sich, aber die personelle Entwicklung in der Abteilung. Schon seit einem guten halben Jahr war dort irgendwie alles ganz anders. Es gab viel Fluktuation in Franks Abteilung. Kollegen verließen das Unternehmen, neue kamen hinzu. Sie mussten eingelernt werden. Frank hat seinen Teil dazu beigetragen, aber mit den neuen Kollegen fühlt er sich nicht mehr so wohl wie früher. Das Klima in der Abteilung begann sich zu verändern.

Angst vor dem Versagen

Zuerst hat Frank das gar nicht wahrgenommen. Er hat einfach seinen Job gemacht, so gewissenhaft und motiviert wie immer. Aber beides ist im abhanden gekommen, die Achtsamkeit ebenso wie die Motivation. Irgendwann wollte Frank  am liebsten nicht mehr zur Arbeit gehen. Aber das ging nicht. Frank wollte kein Versager sein. Er dachte: "Ich kann mir nicht erlauben, psychisch krank im Job zu sein."

Konkurrenz in der Abteilung

Psychisch krank im Job. Kein Tabuthema mehr. Great Growing Up beugt vor.
Motivation und Konzentrationsfähigkeit verabschieden sich schleichend. Foto: pixabay

Vielleicht lag es daran, dass er mit den neuen Kollegen nicht so gut klar kam. Irgendwie war es nicht mehr wie früher. Das Miteinander ist zu einem Gegeneinander geworden. Frank spürte, dass die neuen Kollegen sich beweisen wollten. Konkurrenzdenken prägte den Alltag. Wenig später bekam die Abteilung auch einen neuen Leiter. Der verbrüderte sich schnell mit den ebenfalls neuen Kollegen. Vielleicht weil er generell frischen Wind in die Abteilung blasen wollte.

Schwierigkeiten mit dem Chef

Mit dem neuen Chef kam Frank gar nicht klar. Ständig bemängelte der Franks Leistungen und hatte kein Wort der Anerkennung für ihn übrig. Frank fühlte sich ungerecht behandelt. Anfangs hat ihn das noch geärgert. Aber was hätte er schon tun können? Der neue Chef hatte ja den Rückhalt von oben, dachte Frank und behielt seinen Frust lieber für sich.

Den Ärger geschluckt

Also hat Frank seinen Ärger geschluckt. Es war ihm einfach zu riskant, den Mund aufzumachen und für sich einzustehen. Er hatte Angst, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte. Je mehr Frank darüber nachdachte, desto mehr wurde diese Angst für ihn zu einer Gewissheit.

Psychisch krank, ohne es zu wissen

Nach zwei Monaten fühlte Frank sich nur noch kraftlos. Alles erschien ihm sinnlos. Abends fühlte er sich total ausgelaugt und wollte nur noch schlafen. Kaum lag er im Bett, bekam er kein Auge zu, weil er laufend daran dachte, wie schlimm alles geworden war in der Arbeit. Dann wälzte er sich von einer Seite auf die andere und fand keinen Schlaf. Frank wusste es nicht, aber ist war psychisch krank .

Freudlose Tage und Wochen

Yoga hilft gegen Depression. Great Growing Up beugt vor.
Bewegungstherapien wie Yoga zeigen Wirkung. Foto: pixabay/StockSnap

Erst in den frühen Morgenstunden kam er zur Ruhe, aber da riss ihn der Wecker aus dem Schlaf. Frank lag dann im Bett und grübelte. Seine Lage erschien ihm komplett ausweglos. Alles wirkte düster und bedrückend. Seine Motivation aufzustehen ging gegen Null. Irgendwann bemerkte er dann, dass ihn seine Gedanken immer weiter in die Tiefe zogen. Frank nahm die Reste seiner Kraft zusammen, stand auf und schleppte sich ins Bad. Wieder so ein Tag ohne Freude, dachte er und putzte sich kraftlos die Zähne.

Kein Genuss mehr

Irgendwann bemerkte Frank, dass er Gewicht verlor. Immerhin etwas, dachte er, aber die Freude darüber hielt sich in Grenzen. Denn Frank hatte seit Wochen weder Appetit noch genoss er seine Mahlzeiten. Tatsächlich gab es überhaupt nichts mehr, was ihm Genuss bereiten konnte. Er war schon ewig nicht mehr im Fitnessstudio, er ging kaum noch raus und pflegte seine sozialen Kontakte nicht mehr. Frank ließ sich gehen. Er fühlte sich total erschöpft und konnte sich kaum auf etwas konzentrieren.

Konflikt spitzt sich zu

Dann, an einem Montagmorgen zitierte ihn sein Chef zu sich ins Büro. Der Chef war sauer, weil Frank so lustlos und unmotiviert wirkte. Und außerdem ließe seine Leistung sehr zu wünschen übrig. Er als Chef könne nicht zulassen, dass Frank als alter Hase ein falsches Vorbild für die neuen Kollegen abgebe. Das schade der ganzen Abteilung, sagte der Chef und stellte klar: Frank solle sich zusammenreißen oder sich Gedanken machen, ob er hier noch arbeiten wolle. Dass Frank psychisch krank sein könnte, war kein Thema in diesem Monolog, aus dem kein richtiger Dialog werden wollte. Frank sah keinen Sinn darin zu widersprechen.

Alles erscheint sinnlos

Frank war verzweifelt. Seine Feierabende verbrachte er nur noch Zuhause vor dem Fernseher, ohne das Programm zu beachten. Er starrte ausdruckslos auf die Mattscheibe. Seine Gedanken kreisten um eine Frage: Welchen Sinn hat das alles? Frank suchte und suchte, aber fand keine Antwort. Sein Leben erschien ihm sinnlos. Eigentlich, so dachte er, kann er es dann ja auch gleich beenden.

Erschreckende Gedanken

Dieser letzte Gedanke erschreckte Frank. Sein Leben beenden? So weit ist war es schon gekommen? Irgendwo in seinem Bewusstsein begann ein Alarmglöckchen zu klingeln. Frank wurde klar, dass er seit geraumer Zeit auf der Abwärtsspirale unterwegs war. Er spürte, dass das kein gutes Ende nehmen würde und tat etwas, dass er schon lange nicht mehr getan hatte: Er rief einen Freund Markus an.

Psychisch krank - Akzeptanz ist der Schlüssel

 Sport und frische Luft helfen.
Psychisch krank im Job? Sport und frische Luft tragen mit zur Heilung bei. Foto: pixabay/Markus Distelrath

Jetzt in der Klinik tut es Frank gut, sich die ganze Geschichte von der Seele zu reden. Ihm wird klar, dass er krank ist. Er akzeptiert, dass er Zeit braucht, um wieder gesund zu werden – Zeit und professionelle Hilfe. Von da an geht es aufwärts. Immer wieder ertappt er sich dabei, dass er sich stabil und den Problemen gewachsen fühlt. In der vierten Woche geht es ihm spürbar besser. Die Ärzte reduzieren seine Medikamente.

Dann, an einem Dienstag, erfährt Frank in der Visite, dass er nach Hause darf. Er freut sich sehr darauf. Die Angst vor den Morgentiefs ist noch da, aber die Tiefs selbst scheinen überwunden. Am Nachmittag lässt sich Frank in der Klinik abholen.

Rückschlag

Er ist jetzt seit fast fünf Wochen krank geschrieben. Den Rest der Woche verbringt er noch Zuhause. Frank freut sich auf die feien Tage. Er will sie nutzen, um sich vollständig zu erholen. Frank ist zuversichtlich, hat einen ersten Termin beim Psychologen und fühlt sich wieder richtig stabil.

Am Wochenende aber wird ihm klar, dass er am Montag wieder tun muss, wovor er am meisten Angst hat: zur Arbeit gehen, wo alles noch so sein wird wie zuvor. Franks Gedanken beginnen wieder zu kreisen. Den Samstag übersteht er geradeso, aber als am Sonntag seine Schwester zu Besuch kommt, hört er sich selbst wieder diese gefährlichen Sätze sagen: „Das hat doch alles keinen Sinn mehr.“ Und: „Da kann ich mich ja gleich ausknipsen.“

Zurück in die Klinik

Frank weiß, dass er seiner Schwester keine andere Wahl lässt, als ihn wieder in die Klinik zu bringen. Er hat Angst, als Versager zu gelten, aber er sehnt sich zurück in die Obhut von Pflegern und Ärzten. Sie gibt ihm Sicherheit.

Unbegründete Ängste

Noch am selben Tag steht Frank wieder vor dem Stationszimmer in der Klinik. Seine Befürchtung, er werde dort als Schwächling oder Simulant beschimpft, erweisen sich als das, was sie sind: Ängste ohne realen Grund. Die Pfleger sind einfühlsam, die Ärzte auch. Franks Zimmer ist bereits vergeben. Er bezieht ein anderes und stellt sich auf einen weiteren Aufenthalt in der Klinik ein. Er ist jetzt seit sechs Wochen krankgeschrieben.

Psychisch krank - Was hilft?

So viel zu Frank. Solche Krankheitsverläufe gibt es heute mehr als früher. Betroffene brauchen vor allem zweierlei: professionelle Hilfe und viel Geduld. Anders als früher ist heute mehr Menschen bewusst, dass beispielsweise Depression eine ernst zu nehmende Krankheit ist und kein Zeichen von Schwäche. Sie auszuheilen braucht Zeit und – wie erwähnt – professionelle Hilfe. Betroffene tun gut daran, ihre Krankheit als solche zu akzeptieren und sich helfen zu lassen. Allein schafft das keiner.

Die Folgen

Krankheitsgeschichten wie die von Frank sind nicht nur traurig, sie kosten auch viel Geld. Und das schon bevor der Mitarbeiter sich krankschreiben lässt. Immer noch schleppen sich viele psychisch Kranke länger als gut für sie ist, zur Arbeit. Sie sind dort zwar anwesend, können aber nicht die gewohnte Leistung erbringen. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Und er vervielfacht sich schnell, wenn der psychisch kranke Mitarbeiter über mehrere Wochen lang ausfällt.

Auf dem Vormarsch

Psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Das ist im Grunde keine Neuigkeit, denn das waren sie in den zurückliegenden Jahren auch. Eine Nachricht ist es dennoch, denn die Entwicklung nach oben setzt sich ungehindert fort. Im neusten Gesundheitsreport der Krankenkasse BKK ist von erneut drastischen Zunahme die Rede. Seit 2008 habe sich die Zahl Krankheitstage infolge psychischer Erkrankungen mit 129 Prozent mehr als verdoppelt. Mehr als 90 Prozent der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen sind, so der BKK-Report, den Diagnosen Depression, Angststörungen, Zwangsstörungen und somatoforme Belastungsstörungen zuzuordnen. Die auch bei Frank festestellte „depressive Episode“ (F-32), die bei ist dabei die bedeutendste Einzeldiagnose.

Bin ich psychisch krank?

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Rekord bei den Fehltagen

Im Klartext heißt das: Unternehmen müssen damit klarkommen, dass sich die Fehlzeiten wegen psychisch bedingter Arbeitsunfähigkeit mehr als verdoppelt haben. Und das mit drastischen Folgen, denn psychische Erkrankungen rangieren mit 37 Fehltagen pro Fall auch in dieser Statistik ganz oben, schreibt die BKK.

Jeder sechste Fehltag wegen Arbeitsunfähigkeit ist darauf zurückzuführen, dass ein Mitarbeiter psychisch krank ist. Sie machen inzwischen 15,7 Prozent aller krankheitsbedingten Fehltage aus. In der Hitliste wichtiger Ursachen liegen die psychischen Erkrankungen damit auf dem dritten Platz, nach Atemwegserkrankungen sowie Muskel- und Skeletterkrankungen.

Psychisch krank - kein Tabuthema mehr

Psychische Erkrankungen seien „kein Tabuthema mehr“, sagt der BKK-Vorstand Franz Knieps. Solche Störungen seien früher durch die Diagnose von allgemeinen Störungen wie Kopfschmerzen, Migräne oder Unwohlsein verdeckt worden. „Dahinter lagen aber psychische Erkrankungen“, erklärt der BKK-Chef.

Monotonie macht krank

Was aber schützt davor am Arbeitsplatz psychisch krank zu werden? Holger Pfaff weiß Antworten auf diese Frage, mit der sich immer mehr Unternehmen beschäftigen. Autonomie und selbstbestimmtes Arbeiten seien sehr wichtig, erklärt der Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft an der Universität Köln. Ein höheres Risiko entstehe dagegen durch monotones Arbeiten und geringe Eigenverantwortung.

Positives Klima hilft

Lob und Anerkennung seien zudem ausschlaggebend für den Erhalt der psychischen Gesundheit im Arbeitsleben, sagt Pfaff und meint damit Lob und Anerkennung durch Führungskräfte beziehungsweise den Arbeitgeber. Aber genau dort er ein Defizit: „Es mangelt immer noch an Wertschätzung für die Mitarbeiter in deutschen Unternehmen.“ Auch ein positives Klima unter Kollegen mit gegenseitiger sozialer Unterstützung minimiere das Risiko für psychische Erkrankungen, sagt Pfaff. Und das macht Menschen psychisch krank.

Alarmzeichen

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sieht in den im BKK-Report genannten Zahlen „ein Alarmzeichen“. Sie zeigen nachdrücklich die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen auf, heißt es in einer Pressemitteilung der Fachgesellschaft.

Hilfreiches Portal

Der Vorstand des BKK-Dachverbands Knieps verweist psyGA, ein Portal für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Dort finden Führungskräfte und Mitarbeiter Handlungshilfen, mit denen Sie gezielt die psychische Gesundheit Ihrer Mitarbeiter fördern können.

Beziehungskompetenz beugt vor

Wer Krankschreibungen, lange Fehlzeiten und letztlich auch Frühverrentungen verhindern will, muss Präventionsmaßnahmen stärken und vor allem seine Führungskräfte und Mitarbeiter trainieren. Denn deren Umgang miteinander bestimmt maßgeblich die Qualität des Betriebsklimas. Ein Chef, der seine Mitarbeiter in die Therapie treibt, schadet dem Unternehmen. Ein Mitarbeiter, der sich alles gefallen lässt und sich keine Hilfe holt allerdings auch. Beide müssen lernen, verantwortlich zu handeln. Und das kann man trainieren.

Effektives Training

Und Frank? Der geht inzwischen wieder zur Arbeit und hat Freude an seinem Job. Sein Hausarzt hat ihm Great Growing Up empfohlen. In mehren Trainingseinheiten hat Frank dort gelernt, wie er für sich einstehen kann, wenn seine Leistung nicht honoriert wird. Vor allem aber hat er trainiert, wie er für sich selbst Verantwortung übernehmen kann. Frank weiß jetzt, dass er seiner Angst eine Grenze setzen kann und selbst entscheidet, ob er seinen Befürchtungen glaubt und sich zurückzieht oder ob er für sich und seine Leistung einsteht. Letzteres gefällt ihm besser.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

Employer branding – so funktioniert’s

In diesem Beitrag geht es um Ressourcenknappheit. Tatsächlich wird die für Unternehmen wichtigste Ressource immer knapper: Fachkräfte. Längst tobt der War for talents, der Krieg um Talente. Unternehmen kämpfen um Fachkräfte: mit Events, mit Hochglanzbroschüren, flotten Websites und eindrucksvollen Messeauftritten. Und es geht um Employer branding. Also darum, wie man als Arbeitgeber zur attraktiven Marke wird.

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Weiter unten gibt es die Checkliste für erfolgreiches Employer branding.

Employer branding  damals und heute

Viel Geld wird ausgegeben, um Fachkräfte zu gewinnen. Leider nur zu oft mit wenig Erfolg. Diese Episode wird zeigen, dass es im Krieg um Fachkräfte vor allem auf eines ankommt: zufriedene Mitarbeiter und Führungskräfte. Wer darin nicht investiert, kann sich das Geld für die oben erwähnten Maßnahmen sparen. Sie führen ohnehin am Ziel vorbei.

Wenn der Wind sich dreht

Neulich hat sich eine gute Kundin von mir darüber gewundert, dass es immer noch Unternehmen gibt, die wenig oder nichts ins Betriebsklima investieren. „Die haben noch nicht bemerkt, woher der Wind weht“, sagte die Ausbildungsleiterin und erklärte: Es wird immer schwieriger, gute Azubis und qualifizierte Fachkräfte zu finden.

Gute Zeiten für ungeeignete Bewerber

Ein paar Tage später hörte ich dem Ausbildungsleiter eines großen Unternehmens in der Elektrobranche zu. Er beklagte Ähnliches: „Wir nehmen fast jeden, der sich bei uns als Auszubildender bewirbt. Und da sind immer wieder Leute dabei, die uns Schwierigkeiten machen.“ Längst nicht jeder, der sich bewirbt, ist auch ein geeigneter Azubi. Und gerade letztere werden knapp.

Als Arbeitgeber zur Marke werden

Sibylle Stippler kennt das Problem nur zu gut. Sie arbeitet beim Institut für Wirtschaftsförderung in Köln. Stippler reist kreuz und quer durchs Land, um Unternehmen für Employer Branding zu begeistern. Ihr Ziel: Unternehmen sollen sich als Marke verstehen. Aber nicht einfach nur als Marke, die Produkte oder Dienstleistungen verkauft, sondern als  attraktiver Arbeitgeber.

Rückenwind war gestern

Genau davon seien aber viele Unternehmen weit entfernt, erklärt die Expertin für Employer Branding. Sibylle Stippler hält Vorträge unter dem Titel „Arbeitgeber mit Profil“. Sie sagt: „Bislang gibt es nur wenig Außendarstellung, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden.“ Das bestätigt die Wahrnehmung der oben erwähnten Ausbildungsleiter: Viele Arbeitgeber haben noch nicht bemerkt, dass sie keinen Rückenwind mehr haben. Vielmehr bläst ihnen der Wind jetzt ins Gesicht.

Flächendeckend Mangel

Sibylle Stippler weiß, warum das so ist. „Die Situation ist folgende“, sagt sie, „in Baden-Württemberg herrscht flächendeckend Fachkräftemangel. Für Unternehmen auf dem Land ist es kein Trost, dass davon auch die Ballungsgebiete betroffen sind. In ländlichen Regionen leiden Betriebe in der Regel stärker darunter, dass sie kaum noch geeignete Bewerber finden. Gerade hoch qualifizierte Bewerber seien schwer in ländliche Gegenden zu locken. „Spätestens wenn der Ehepartner einen Blick auf die Landkarte wirft, sind wir ganz schnell wieder aus dem Rennen“, erklärte mir vor einiger Zeit der Personaler eines großen Unternehmens in der Elektrobranche.

Employer branding gelingt mit Great Growing Up.
Messeauftritte sind nur dann sinnvoll, wenn sie kommunizieren, was ein Unternehmen wirklich ausmacht. Foto: Matthias Stolla

Schwierigkeiten auf dem Land

Während Ballungsräume mit guter Infrastruktur, guten Verkehrsanbindungen, Schulen, ärztlicher Versorgung und Kulturangebot locken, tut sich der ländliche Raum schwer. Die Vorzüge des vergleichsweise beschaulichen Landlebens fallen leider kaum ins Gewicht.

Unbesetzte Stellen

Gerade auf dem Land, sind die Auswirkungen des Fachkräftemangels besonders deutlich zu spüren. „Der Arbeitsmarkt dreht sich um“, sagt Sibylle Stippler und verweist auf konkrete Zahlen. Im Jahr 2009 gab es in Baden-Württemberg 17.000 unbesetzte Ausbildungsstellen. Neun Jahre später, 2018, waren es mehr als dreimal so viele: 58.000 Ausbildungsplätze blieben unbesetzt.

Bewerber haben die Wahl

Der Arbeitsmarkt hat sich bereits umgedreht. Nicht mehr die Arbeitgeber haben die Wahl. Stattdessen können sich die Bewerber entscheiden, welchem Unternehmen sie den Vorzug geben. Wenn wir das zu Ende denken, fehlt nicht mehr viel, und Unternehmen müssen sich künftig bei möglichen Mitarbeitern bewerben.

Am Ziel vorbei

So weit ist es noch nicht. Aber Anzeichen dafür lassen sich seit ein paar Jahren erkennen. Viele Unternehmen investieren in ihre Außenwirkung. Sie zeigen sich in Hochglanzprospekten und auf Messen. Unternehmen finanzieren oder veranstalten Sport- und Kultur-Events. Sie engagieren sich im Sozialbereich, laden zu Festen ein. Und: Sie locken mit Laptops, Azubi-Autos und ähnlichen Boni.

Versprechen, die nichts bringen

Das sind alles gute Maßnahmen, aber allzu oft führen Sie am Ziel vorbei, sagt Sibylle Stippler vom Institut für Wirtschaftsförderung in Köln. Das verrät ihr schon der Blick auf die Stellenangebote in den Zeitungen. Allzu viele Unternehmen versprechen Dinge, die nur selten gefragt sind. Zum Beispiel steile Karrieren oder gutes Geld. Das hört sich schön an, hat aber offensichtlich nur wenig mit den Wünschen der Zielgruppe zu tun.

Was Mitarbeiter wollen

Das Stellenportal meinestadt.de hat seine Nutzer gefragt, was sich von einem Job wünschen. Gerade mal 3,4 Prozent der Befragten legen Wert auf gute Aufstiegschancen. Selbst ein überdurchschnittliches Gehalt steht für die meisten Bewerber nicht im Vordergrund: nur 17,6 Prozent ist es wichtig.

„Mitarbeiter tun mehr als sie müssen, wenn sie sich wohlfühlen.“
Sibylle Stippler

Sicherheit und angenehmes Klima

An erster Stelle steht etwas ganz anderes: 56,5 Prozent wünschen sich einen sicheren Arbeitsplatz. Und stolze 49,6 Prozent legen Wert auf ein gutes Arbeitsklima. Für Sibylle Stippler ist daher klar, dass Unternehmen gut daran tun, ihre Kultur und damit auch das Betriebsklima positiv zu gestalten. Gute Führungskräfte sind wichtig, sagt sie, denn die prägen das Klima im Unternehmen.  Und sie haben es in der Hand, wie viel Leistung ihre Untergebenen bringen: „Mitarbeiter tun mehr als sie müssen, wenn sie sich wohlfühlen“, sagt Sibylle Stippler.

Empfehlung wirkt am besten

Ein gutes Betriebsklima ist zudem die Voraussetzung für gute Mund-zu-Mund-Propaganda, erklärt Stippler: „Empfehlung wirkt am besten.“ Keine Werbemaßnahme ist so glaubwürdig wie ein zufriedener Mitarbeiter. In der Außendarstellung, gerade auch in Stellenanzeigen sei es wichtig, das gute und lebendige Miteinander in Bildern darzustellen. Denn, so Sibylle Stippler, „Menschen stehen auf Beziehung“. Und die Beziehung muss stimmen, tut sie aber offensichtlich nur selten. Meinestadt.de schreibt dazu:

Employer branding beginnt mit den Azubis.
Schlaue Unternehmen werben mit außergewöhnlichen Bildungsangeboten.

„Die Mehrheit der deutschen Angestellten fühlt sich nicht wertgeschätzt.“

Und weiter:

„Am wichtigsten ist der Mehrheit der Befragten, ob sie sich in ihrem Arbeitsumfeld wertgeschätzt fühlt. Zwei Drittel sind Lob und Aufmerksamkeit vom Chef mehr wert als gute Verdienstmöglichkeiten.“

Schlechte Stimmung

Ein mieses Betriebsklima ist für viele der ausschlaggebende Grund, weshalb sie über einen Jobwechsel nachdenken, heißt es in einer Veröffentlichung des Stellenportals:  „56 % der zurzeit intensiv Suchenden sind frustriert von der schlechte Stimmung unter Kollegen. Ein weiterer Aspekt, der zu Unmut führt, sind Intrigen zwischen Kollegen, an denen sich 27 % der Befragten stören. Jeder fünfte Arbeitnehmer beklagt sich zudem über unfreundliche Kollegen.“

Und noch einmal wurde in der Studie das Verhalten von Führungskräften kritisiert: „Ein Viertel der Umfrageteilnehmer bemängelt, dass ihr Vorgesetzter keine Entscheidungen trifft.“

Unglückliche Chefs

Allerdings sind die Chefs auch nicht viel glücklicher. 72 Prozent der befragten Führungskräfte stören sich an der Passivität und an fehlender Eigeninitiative ihrer Mitarbeiter. Dazu kommen Unzuverlässigkeit und schlechte Arbeitsmoral. Beinahe die Hälfte der befragten Arbeitgeber definierte zudem unfreundliche Mitarbeiter als größten Frustfaktor. Ein Viertel beklagte die Streitigkeiten unter ihren Mitarbeitern.

Wenn das Betriebsklima und die damit verbundene Motivation ganz oben steht auf der Mängelliste von Mitarbeitern und Führungskräften, erklärt sich ganz von selbst, was zu tun ist: Unternehmen, die engagierte und verantwortlich handelnde Mitarbeiter wollen, müssen entsprechend für sich werben.

Employer branding gibt es schon lange

Die Idee ist gar nicht neu, schreibt die Heilbronner Stimme in ihrer Sonderveröffentlichung „Arbeitgeber in der Region" vom 19. Oktober 2019 auf Seite 2. Sie zitiert Thorsten Krings, Professor für Personal und Führung an der Dualen Hochschule in Heilbronn. Der sagt: „Employer branding gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Es sah damals nur anders aus."

Employer branding mit Great Growing Up.
Hier gibt es den Artikel als pdf.

Events für die Katz

Publikumswirksame Events und schicke Hochglanzbroschüren sollten und sollen immer noch für Unternehmen als attraktive Arbeitgeber werben. Irgendwann bemerkten die Unternehmen allerdings, dass die Wirkung nachließ. Krings wollte wissen, warum dem so ist und befragte Schul- und Hoschchulabsolventen. Dabei stellte er fest: Die ganzen Events sind weitgehend für die Katz, weil die Zielgruppe etwas ganz anderes will.

Auf Hochglanz ist kein Verlass

An erster Stelle stehen klare und prägnante Aussagen. Die gibt es in jeder besseren Unternehmensbroschüre. Aber die Zielgruppe weiß längst, dass nicht alles Gold ist, was auf Hochglanz gedruckt wird. Sie verlässt sich weniger auf austauschbare Phrasen als auf Empfehlungen aus erster Hand: Verwandte, Freude und Bekannte. Oder eben an Job-Bewertungsportalen im Internet.

Als Arbeitgeber zur Marke werden? Hier gibt es die Checkliste um Herunterladen:

Marke muss erlebbar sein

Daraus ergibt sich für Unternehmen eine ganz neue Herausforderung: Wohlklingende Phrasen locken keinen Bewerber mehr. Empfehlungen sind Trumpf. Und die gibt es nur, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte glücklich oder zumindest zufrieden sind mit ihrem Job und mit dem Betriebsklima. „Die Marke muss erlebbar sein“, sagt Professor Krings und ergänzt: „Ich muss den Leuten jeden Tag einen Grund geben zu bleiben.“

Zufriedenheit wirkt nach außen

Erfolgreiches Personalmanagement, erfolgreiches Employer branding, hat demnach viel mit Lebensplanung, Sabbatical- oder Pflegeauszeiten zu tun. Aber eben auch mit dem Übertragen von Verantwortung, Sinnhaftigkeit, Persönlichkeitsbildung sowie dem Coaching neuer Mitarbeiter. Nur zufriedene Mitarbeiter empfehlen ihren Arbeitgeber weiter.

Der Pool wird flacher

Unternehmen tun gut daran, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Der Pool, aus dem sie schöpfen können, wird zunehmend flacher, heißt es in der gleichen Sonderveröffentlichung der Heilbronner Stimme auf Seite 20. Die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Zahl der Erwerbstätigen liegt dagegen auf einem Rekordhoch von 45,1 Millionen Menschen. 60 Prozent von ihnen arbeiten in Unternehmen kleiner und mittlerer Größe. Von denen wiederum haben bereits 78 Prozent Probleme beim Recruiting.

Employe branding gelingt mit Great Growing Up.
Hier gibt es den zweiten Artikel als pdf.

Der Mangel verschärft sich

Das Schweizer Forschungsinstitut Prognos macht wenig Hoffnung auf Besserung. Im Gegenteil: In den nächsten zehn bis 20 Jahren werde sich die Lage vielmehr verschärfen. Und das über alle Branchen hinweg. Prognos prophezeit für das Jahr 2030 einen Mangel von etwa drei Millionen Fachkräften, für 2040 sogar 3,3 Millionen.

Wo der Krieg tobt

Der Krieg um Fachkräfte ist bereits in vollem Gange. Unternehmen mit großem Namen sind dabei im Vorteil gegenüber kleinen und mittleren Betrieben.  Gerade ihnen rät das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Bundeswirtschaftsministerium vor allem eines: das Profil als attraktiver Arbeitgeber schärfen und selbst zu erfolgreichen Marke auf dem regionalen Arbeitskräftemarkt werden. Alleinstellungsmerkmale sind wichtig, rät auch die R+V-Versicherung ihren Unternehmenskunden. Wer erfolgreich für sich als Arbeitgebermarke werben will, muss zeigen, was ihn auszeichnet. Und das auf allen Ebenen: in Stellenanzeigen, im Internet und auf Messen. Je pointierter, desto besser.

Austauschbares verfängt nicht

Weniger ist auch dabei wieder mehr, empfiehlt der BPM, der Bundesverband der Personalmanager: „Lieber nur drei, dafür ganz handfeste Vorteile als zehn austauschbare.“ Interessant finde ich, dass auch hier Punkte wie Weiterbildungsangebote sowie Kommunikation auf Augenhöhe im Vordergrund stehen. Gerade für Letzteres braucht es entsprechend trainierte Führungskräfte und Mitarbeiter.

Die besten Markenbotschafter

Zufriedene Mitarbeiter sind die besten Markenbotschafter, heißt es in dem Artikel. So schließt sich der Kreis zu den vorhin erwähnten Empfehlungen. Nichts verfängt mehr bei potentiellen Bewerbern als Erfahrungen aus erster Hand. Wer heute noch mit Karriere-Chancen oder Aufstiegsmöglichkeiten wirbt, verfehlt seine Zielgruppe. Die interessiert sich mehr für ein angenehmes Betriebsklima und Werte, hinter denen sie stehen kann. Wichtig sei, dass die Unternehmenskultur stimmig ist, erklärt Business Coach Wiebke Schorstein aus Erfurt. Wohlklingende Phrasen, die zwar kommuniziert, aber nicht gelebt werden, entlarven sich schnell als Luftnummer.

Worauf es ankommt

Deshalb ist für Unternehmen, die im Krieg um Fachkräfte, dem War for talents, nicht auf der Strecke bleiben wollen, vor allem eines wichtig:

  1. Die Unternehmenskultur muss sich in einem angenehmen Betriebsklima widerspiegeln.
  2. Die Besonderheiten dieser Kultur müssen kommuniziert werden.

Die Basis muss stimmen

Dazu braucht es trainierte Führungskräfte und Mitarbeiter. Ich werde oft gefragt, was ich in meinen Trainings mache. Tatsächlich lege ich die Grundlage für erfolgreiches Employer branding. Ich trainiere Führungskräfte darin, klar und effektiv zu kommunizieren. Und ich trainiere Mitarbeiter darin, anzusprechen, was ihnen nicht passt, und sich selbst auf die Suche nach Lösungen zu machen.

Emotionalität nutzen

Beides hat viel mit Verantwortlichkeit zu tun. Und damit, die eigene Emotionalität nicht zu verdrängen, sondern sie vielmehr zu nutzen. Egal, ob wir sie als positiv oder negativ bewerten. Ich freue mich, wenn Teilnehmer meiner Trainings erkennen, wie wertvoll ihre Freude, aber auch ihr Ärger, ihre Angst und ihre Trauer sind. Sie alle zu nutzen, erfordert anfangs Mut, aber es lohnt sich.

Wertschätzung zahlt sich aus

Das zeigt sich in den Rückmeldungen, die ich erhalte. Erst vor wenigen Tagen haben mir Teilnehmer eines Great Growing Up Trainings folgendes Feedback gegeben:

"Das war das beste Training in den ganzen 30 Jahren meines bisherigen Arbeitslebens."

„Ich bin noch nie so glücklich und motiviert aus einer Schulung gekommen.“

Mitarbeiter, die erkennen, dass ihr Arbeitgeber ihnen ermöglicht, ihr Potenzial zu entfalten, sind glückliche Mitarbeiter. Denn sie erfahren Wertschätzung. Sie erleben, dass sich ihr Arbeitgeber um sie kümmert. Genau deshalb wird das Training von Great Growing Up auch Care genannt.

Communication
Acceptance
Responsibility
Emotion

Care steht für Arbeitgeber, die sich um ihre Mitarbeiter kümmern.
Aber auch für Mitarbeiter, die verantwortlich für sich selbst sorgen. Weil...

  1. ...es Mitarbeiter darin trainiert, effizient zu kommunizieren.
  2. ...Mitarbeiter im Training gegenseitige Akzeptanz erleben.
  3. ...sie für sich und ihre Aufgabe Verantwortung übernehmen.
  4. ...sie ihre Emotionalität bewusst nutzen, um Lösungen zu erschaffen.

Und zufriedene Mitarbeiter sind die besten Markenbotschafter. So geht Employer branding.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

Freude an der Arbeit mit Great Growing Up.

Freude an der Arbeit – mal ganz grundsätzlich

Willkommen bei Great Growing Up, dem Podcast für Beziehungskompetenz im Business. Heute zum Thema Freude an der Arbeit.

Das Leben, davon bin ich überzeugt, ist zu kurz, um sich nicht so viel wie möglich daran zu erfreuen. Das Arbeitsleben hingegen, daran halte ich ebenfalls fest, ist viel zu lange, um sich dort die Freude am Leben vermiesen zu lassen. Wir verbringen viel Zeit mit unserer Arbeit. Manchem liegt sie mehr, anderen weniger am Herzen. Und doch verbringen die meisten von uns mehr Tage im Jahr mit Arbeit als mit anderem. Außerdem ist es gerade die Freude an der Arbeit, die Menschen dazu motiviert Bestleistung zu bringen. Diesen Gedanken müssen Arbeitnehmer ebenso pflegen wie Arbeitgeber, wenn sie dauerhaft mit hoher Motivation bei der Sache bleiben wollen.

Diesen Beitrag lieber als Podcast hören? Bitteschön!

Jede Menge Tipps im Netz

Vielleicht gibt es deshalb so viele Seiten im Internet mit Tipps, wie wir die Freude an der Arbeit zurückgewinnen können. Denn unbestritten ist: Arbeit macht nicht nur Freude. Es gibt immer wieder Situationen am Arbeitsplatz mit dem Chef oder mit Kollegen, die dafür sorgen, dass wir andere Gefühle empfinden. Darin ähnelt die Arbeit übrigens dem Leben, denn auch das bietet nicht nur Freude, selbst wenn der Chef und die Kollegen dort nur eine untergeordnete Rolle spielen. Doch dazu kommen wir später. Dieser Beitrag hier hat ein ehrgeiziges Ziel. Ich will damit über die gängigen "Zehn Tipps für mehr Freude an der Arbeit" hinausgehen.

Ich glaube selbst an die Wirksamkeit der meisten dieser Tipps. Ändere deine Perspektive. Denk Positiv. Sei initiativ. Gib Wertschätzung etc. Dass diese und andere Tipps geade auch am Arbeitsplatz sowie im Umgang mit Chef und Kollegen Wirkung zeigen, glaube ich tatsächlich. Ich glaube nur nicht an ihre Nachhaltigkeit.

Positiv denken reicht nicht

Wenn es hart auf hart kommt, und die Freude an der Arbeit einfach nicht (mehr) auftauchen will, sind solche Tipps so hilfreich wie ein Freund, der einem rät: "Du könntest einfach deine Einstellung zur Arbeit verändern, dann bist du wieder glücklich." Ein Freund oder Coach, der Happiness allein durch die Kraft positiver Gedanken in Aussicht stellt, verspricht meiner Meinung nach zu viel. Wer seine Tätigkeiten mit Freude verrichten will, braucht etwas anderes: Anerkennung, aus der sich Motivation ergibt, aber eben auch ein Wissen darüber, wie Zufriedenheit und Freude dauerhaft zu pflegen sind.

Begrenzte Wirksamkeit

Alles, was wir über einen längeren Zeitraum tun, verliert entweder seinen Reiz oder konfrontiert uns mit Situationen, die andere Gefühle als Freude verursachen. Das ist mit der Arbeit ebenso wie mit allem im Leben. Wohlmeinende Tipps helfen nicht, um die Freude an der Arbeit grundsätzlich und dauerhaft in unser Leben zu holen. Dazu braucht es ein grundsätzliches Verständnis von der Emotionalität von Menschen. Ein Verständnis davon, welche Gefühle wir bewusst oder unbewusst empfinden und wie wir sie nutzen können. Und es braucht den Mut, die eigene Emotionalität vollständig zu akzeptieren.

Was dem Leben egal ist

Sinn und Zweck dieses Beitages ist es, zu zeigen, dass wir Freude an der Arbeit gerade dann dauerhaft erschaffen, wenn wir auch ganz anderen Gefühlen Raum und Zeit geben. Gefühlen, die viele auf den ersten Blick gar nicht in ihrem Leben haben wollen.

Aber das wiederum ist dem Leben herzlich egal.

Also los!

Wenn die Freude an der Arbeit zu kurz kommt

Freude an der Arbeit braucht emotionale Akzeptanz. Great Growing Up.
Freude bringt Farbe ins graue Alltagseinerlei. Foto: svklimkin/pixabay

Vor einiger Zeit habe ich meine bisherigen Podcast-Episoden gesichtet und auf meiner Homepage in schönen Themenseiten zusammengefasst. Eine zum Thema Beziehungskompetenz, die andere zum Thema Emotionale Intelligenz. Dabei ist mir etwas Bemerkenswertes aufgefallen: Ich habe zu allen vier Grundgefühlen Beiträge erstellt, nur zu einem nicht – die Freude ist in diesem Podcast ein bislang unbeschriebenes Blatt.

Wie kann es geschehen, dass ich in einem Podcast, der sich intensiv mit dem Thema Emotionale Intelligenz auseinandersetzt, ausgerechnet die Freude zu kurz kommt? Dese Frage stellte sich mir ebenso wie dieser hier: Wie kann es sein, dass ich, Matthias Stolla, der sich so gerne freut und so gerne lacht, in meinem Podcast ausgerechnet die Freude übersehe?

Wir freuen uns gar nicht so gerne

Ich habe eine Weile darüber nachgedacht und tatsächlich ein paar Antworten gefunden. Die für mich plausibelste hat damit zu tun, dass wir uns gar nicht so gerne freuen, wie wir glauben. Ich weiß, dass das zunächst einmal ziemlich unsinnig klingt. Schließlich erlebe ich in jedem Training, so unterschiedlich sie auch sein mögen, einen bestimmten Vorgang immer wieder.

Verhängnisvolle Bewertung

Kaum habe ich die vier Grundgefühle vorgestellt, meldet sich jemand und teilt sie in zwei Gruppen ein: Ärger, Trauer und Angst auf der einen Seite, die Freude auf der anderen. Und dann dauert es nicht lange, bis jemand sagt: „Aha, drei negative und ein positives Gefühl.“

So denken wir. Das sind wir gewohnt. Wir sortieren unsere Welt und unsere Gefühle in positiv und schlecht ein; in gut und schlecht. Und die Freude bewerten wir als gut. Wieso um alles in der Welt, sollten wir dann denken, dass wir die Freude an der Arbeit gar nicht so gerne haben, wie wir glauben?

Zwei Antworten auf eine Frage

Freude an der Arbeit. Manchmal bleibt sie aus.
Das Arbeitsleben bietet nicht nur Grund zur Freude. Foto: Gerd Altmann/pixabay

Darauf weiß ich zwei Antworten. Die erste hast damit zu tun, dass wir uns mit dem Einteilen in scheinbar positive und negative Gefühle emotional selbst ein Bein stellen. Die zweite Antwort ist einfacher und plakativer. Ich bin überzeugt davon, dass wir auf einer tieferen Ebene gar keinen Unterschied machen zwischen positiven und negativen Gefühlen. Ich glaube, wir Erwachsenen sind gut darin trainiert, so wenig wie möglich zu zeigen, was - und oft genug sogar, dass - wir überhaupt etwas fühlen. Da machen wir keinen großen Unterschied zwischen scheinbar positiven und negativen Gefühlen.

Positiv und negativ

Aber eines nach dem anderen. Antwort Nummer eins bezieht sich auf das Einteilen in positive und negative Gefühle und die Folgen, die sich daraus ergeben. Dass wir Menschen Umstände bewerten, ist ganz natürlich und erfolgt meist automatisch. Wir erkennen eine Situation, und in Bruchteilen von Sekunden vergleicht sie unser Gehirn mit ähnlichen Geschehnissen aus der Vergangenheit. Und genauso schnell spuckt es eine Mini-Analyse aus: Die Situation ist entweder gefährlich oder ungefährlich für uns. Das alles dient unserem Überleben.

Wichtiger Automatismus

Die Unterscheidung zwischen gut und schlecht erfolgt meist unbewusst und verdammt schnell. Oft genug sichert dieser Automatismus unser Überleben. Wir alle können dafür dankbar sein, finde ich. Im Umgang mit unseren Gefühlen allerdings hat die Unterscheidung zwischen positiv und negativ eine unschöne Folge.

Auch diese unschöne Konsequenz ergibt sich unbewusst und automatisch. Wir Menschen streben nach dem, was wir gut heißen und wehren ab, was wir als schlecht bewerten. Will sagen: Wir meiden und verdrängen Ärger, Trauer und Angst, und wünschen uns stattdessen viel lieber Freude in unserem Leben.

Wie wir uns selbst ein Bein stellen

Freude an der Arbeit kann ansteckend sein.
Mit Freude geht die Arbeit leichter von der Hand. Foto: Robin Higgins/pixabay

Dummerweise stellen wir uns damit tatsächlich selbst ein Bein. Warum? Weil der Weg zu einem freudvollen Leben nicht an den scheinbar negativen Gefühlen vorbei, sondern vielmehr genau durch sie hindurchführt. Ich weiß, dass das wie ein Widerspruch klingt. Aber hey, wer sagt, dass wir Menschen frei von inneren Widersprüchen sind?

Durchs Negative zur Freude an der Arbeit

Also nochmal: Der Weg zu einem freudvollen Leben führt mitten durch die scheinbar negativen Gefühle Ärger, Angst und Trauer. Ich will erklären, warum das so ist. Dazu schauen wir uns die drei Gefühle Ärger, Trauer und Angst etwas genauer an. Alle drei sind eher unbeliebt und werden entsprechend gerne gemieden beziehungsweise verdrängt. Da ist zwar verständlich, aber deswegen noch lange nicht weise. Denn in alle Gefühle sind mit Qualitäten verbunden. Und das, unabhängig davon, ob wir sie als gut oder schlecht bewerten.

Angenehm und unangenehm

Die Freude ist das einzige, der vier Grundgefühle, das wir mit einer angenehmen Situation in Verbindung bringen. Wikipedia beschreibt sie so:

„Freude ist der Gemütszustand oder die primäre Emotion, die als Reaktion auf eine angenehme Situation oder die Erinnerung an eine solche entsteht. Je nach Intensität äußert sie sich als Lächeln, Lachen, Freudenschrei oder in einem Handeln.“

Die anderen drei Grundgefühle bringen wir mit eher unangenehmen Situationen in Verbindung. Und auch das ist nicht mehr als eine unserer Bewertungen. Sie lässt sich leicht ins Gegenteil verkehren.

Den Ärger nutzen

Zum Beispiel der Ärger. Natürlich verbinden wir ihn mit unangenehmen Situationen. Wir ärgern uns, wenn etwas geschieht, das uns nicht passt. Wikipedia schreibt:

„Ärger, auch Verdruss, ist eine spontane, innere, negativ-emotionale Reaktion auf eine unangenehme oder unerwünschte Situation, Person oder Erinnerung. Das, was Ärger hervorruft – das Ärgernis –, kann eine Frustration, etwa eine Kränkung sein.“

Kaum verwunderlich, dass wir Ärger als negativ bezeichnen, wo er doch mit einem auslösenden unangenehmen Geschehen zusammenhängt. Die Frage ist nur, worauf richten wir unseren Fokus: auf die unangenehme Ursache oder auf das, was wir daraus machen?

Sich abgrenzen

Ich arbeite oft mit Menschen, die gemobbt werden. In aller Regel bewerten diese Menschen das Gefühl Ärger ausdrücklich als negativ und verdrängen es. Erst wenn sie erkennen, dass sie sich ihren Ärger erlauben dürfen, haben sie eine Chance ihn zu nutzen: um sich abzugrenzen und dem Mobbing-Täter deutlich zu machen, womit jetzt Schluss ist. Wer seinen Ärger verantwortlich nutzt, ist kein Opfer mehr. Wer Opfer bleibt, wird nur wenig Freude in seinem Leben empfinden.

Entschlossen handeln

Geteilte Freude an der Arbeit ist noch schöner. Foto: rawpixel/pixabay

Ich liebe gut gemachte animierte Filme. Ich mag sie, weil sie Emotionen sehr plakativ zum Ausdruck bringen. Die Minions zum Beispiel, kleine, gelbe Wesen mit ein oder zwei Augen und blauer Latzhose. Es gibt eine Szene, in der Kevin seine depressiv verstimmten Artgenossen mit einer Rede aufrütteln will. Er ist aufgeregt und lässt seine vorbereiteten Moderationskärtchen fallen. Hektisch versucht er, sie neu zu sortieren, aber dann geschieht etwas: sein Gesichtsausdruck verändert sich. Kevin wirkt plötzlich entschlossen, sein Blick verrät: vergiss die Moderationskarten, und er hält seine Rede frei.

Klartext reden

Kevins entschlossener Blick drückt Ärger aus. Kein Wutanfall, eher schon eine kleine Prise Klartext: Ich brauche die Notizen nicht, ich schaffe das auch ohne sie. Ohne seinen Ärger hätte Kevin wohl kaum zum Mut gefunden, seine Rede frei zu halten. Und sein Klartext begeistert seine Artgenossen. Wenn wir Ärger also als negativ abstempeln und verdrängen, geht uns viel Freude verloren.

Trauer nutzen

Die Trauer hat es ebenfalls schwer bei uns Menschen. Wikipedia schreib über sie:

„Der Begriff Trauer bezeichnet eine durch Verlust verursachte Gemütsstimmung und deren Kundgebung nach außen, etwa durch den Verlust nahestehender oder verehrter Personen oder Tiere, durch die Erinnerung an solche Verluste, oder auch zu erwartende Verluste.“

Abschied und Verlust

Die Trauer ist mit Verlust und Abschied verbunden. Ereignisse, die wir nicht mögen. Kein Wunder, dass so viele Menschen ihre Trauer lieber verdrängen. Dabei drückt Trauer etwas aus, auf das wir Menschen nicht verzichten können: Wertschätzung und Liebe. Wir trauern nicht über den Verlust von Menschen, die uns nichts bedeuten. Der Abschied von Menschen, die wir lieben und wertschätzen aber, schmerzt uns sehr. Früher oder später ist das unausweichlich.

Wer diesen Schmerz vermeiden will, wird auch auf Liebe und Wertschätzung verzichten müssen.  Und wie viel Freude kann ein Leben ohne Liebe und Wertschätzung bieten?

Die Angst nutzen

Über ihre Angst verlieren Menschen oft nicht allzu viele Worte. Auch Wikipedia fasst sich kurz und schreibt.

Angst ist ein Grundgefühl, das sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können erwartete Bedrohungen, etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. .“

Zack, das war’s. Mehr nicht. Die Angst gilt als dermaßen negativ, dass wir an ihrer Stelle lieber andere Begriffe verwenden. Vor allem Führungskräfte reden so gut wie nie über Angst, sie haben allenfalls Respekt vor etwas. Ich glaube, wer sich scheut, etwas beim Namen zu nennen, hat Angst davor.

Angst kann lähmen, muss aber nicht

Angst kann tatsächlich von Nachteil sein: Sie kann uns in Panik versetzen oder lähmen, so dass wir handlungsfähig werden. Das muss sie aber nicht. Es fällt ihr allerdings ziemlich leicht, uns zu kontrollieren, wenn wir sie verdrängen. Denn alles, was wir in unser Unterbewusstsein verschieben, gewinnt Macht über uns. Ich nenne meine Angst lieber bei ihrem Namen, mache sie mir damit bewusst und behalte die Macht, selbst zu entscheiden, was ich mutig angeh und was nicht.

Ambivalentes Verhältnis

Tatsächlich ist unser Verhältnis zur Angst ambivalent. Wir verdrängen sie gerne, aber andererseits schauen viele Menschen gerne spannende Filme, manche sogar Horrarfilme, andere suchen den Kick in Abenteuern, Achterbahnen oder riskanten Sportarten. All das finden viele von uns aufregend. Die körperlichen Symptome sind dieselben wie bei Angst: beschleunigte Atmung, hoher Puls, hohe Aufmerksamkeit, nasse Hände. In manchen Situationen lieben wir es, in anderen nicht.

Bewertungen sind relativ

Das sind alles nur Bewertungen, und sie sind relativ. Ich zum Beispiel finde ein Leben ohne Angst, ohne Aufregung und Herausforderung auf Dauer ziemlich langweilig. Ich finde darin nicht viel Freude.

Verdrängen verdrängt auch Freude an der Arbeit

Fazit: Menschen, die zwischen positiven und negativen Gefühlen unterscheiden, werden automatisch verdrängen, was sie nicht wollen: die angeblich negativen Gefühle. Das wiederum beraubt sie wichtiger Qualitäten:

  • der Fähigkeit, sich innerlich und äußerlich abzugrenzen
  • Liebe und Wertschätzung zu geben und zu nehmen
  • Herausforderungen mutig anzugehen

Akzeptanz führt zur Freude

Freude an der Arbeit. Great Growing Up.
Das Arbeitsleben ist bunt. es bietet mehr als nur Freude. Foto: Sharon McCutcheon/pixabay

Damit steht für mich fest: Aus der Ablehnung von Ärger, Trauer und Angst erwächst keine Freude. Aus der Akzeptanz hingegen schon. Jeder Mensch, der diese Akzeptanz vorlebt und seine Gefühle verantwortlich und authentisch äußert, gibt anderen die Erlaubnis, das auch zu tun. Das gilt insbesondere für Vorgesetzte. Deshalb ist es mir so wichtig, die emotionale Intelligenz gerade von Führungskräften und Ausbildern zu trainieren. Denn sie leben vor, welcher Art der Umgang miteinander im Unternehmen ist.

Von wegen beliebt: Freude an der Arbeit

Kommen wir zur zweiten, zur plakativeren Antwort auf die Frage: „Wieso wir die Freude gar nicht so gerne haben, wie wir glauben?“ Es gibt eine ganze Reihe wohlbekannter Sprichwörter, die den Verdacht nahelegen, dass unser Verhältnis zur Freude - zumindest – zwiespältig ist. Hier eine Auswahl:

  • „Freu dich nicht zur früh.“
  • „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.“
  • „Den Vogel, der morgens singt, frisst abends die Katz‘“
  • „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“

Freude ist vergänglich

Diesen Sprichwörtern ist etwas gemeinsam. Sie alle betonen etwas, das im Grunde selbstverständlich ist: Freude ist vergänglich. Das gilt, soweit ich weiß, für alles im Leben. Alles geht früher oder später zu Ende. Aber diese Pseudo-Weisheiten mischen ganz unterschwellig noch etwas Gift in diese Selbstverständlichkeit: Wenn ich mich zu früh freue, verursache ich Misserfolg. Das ist Aberglaube. Und er steckt in vielen von uns, die mit den oben erwähnten Sprichwörtern aufgewachsen sind.

Auf ewig aufgeschoben

Die Folgen sind fatal: Wenn ich nicht riskieren will, mit meiner Vorfreude Misserfolg zu verursachen, warte ich besser ab, ehe ich mich freue. Im schlimmsten Fall bis zum Ende meines Lebens. Auf diese Weise erlaube ich mir Freude ebenso wenig wie Ärger, Trauer und Angst.

Und genauso erlebe ich viele Menschen in der Arbeitswelt: Sie erlauben sich nur sehr wenig Emotion. Die gilt erstens als Privatsache und zweitens als unsachlich. Dagegen kann ich nur wenig sagen. Natürlich sind Emotionen unsachlich. Das lliegt in der Natur der Sache. In der Natur des Menschen liegt auch, dass wir emotionale, also fühlende Wesen sind. Das zu leugnen und uns pure Sachlichkeit abzuverlangen widerspricht unserer Natur.

Störungen haben Vorrang

Unternehmenskulturen, die das berücksichtigen, räumen emotionalen Störungen das ein, was sie brauchen: Zeit und Raum, um darüber zu sprechen. Wer sie verdrängt und pure Sachlichkeit einfordert, arbeitet am Menschen vorbei und vergiftet auf lange Sicht das Klima. Menschen werden nicht sachlich, wenn Sie ihre Emotionen verdrängen. Stattdessen übernehmen die verdrängten Emotionen die Regie und äußern sich in Haltung, Ausdruck und - in der Regel zuletzt – in Worten.

Der Weg zur Freude an der Arbeit

Führungskräfte, die pure Sachlichkeit einfordern, arbeiten am Menschen vorbei. Deshalb trainiert Great Growing Up die emotionale Intelligenz von Führungskräften, Mitarbeitern und Auszubildenden. Denn Menschen, die sich nicht verstellen müssen und sich grundsätzlich mit Akzeptanz begegnen, haben mehr Freude am Leben und bei der Arbeit.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

Zusammenarbeit – Auf das Wie kommt es an

Ich spreche heute darüber, was erfolgreiche Arbeit ausmacht. Ich bin überzeugt davon, dass Menschen immer dann besonders erfolgreich sind, wenn ihre Zusammenarbeit gut ist. Gemeinschaften sind immer erfolgreicher als Ansammlungen von Einzelkämpfern. Gute Zusammenarbeit ist das entscheidende Kriterium für erfolgreiche Arbeit. Es gibt für das Wort Zusammenarbeit eine Reihe von Begriffen. Sie werden wie Synonyme verwendet: Teamarbeit oder Teamwork etwa, Kollaboration, Gruppenarbeit oder Gemeinschaftsarbeit.

All diese Wörter beschreiben eine gemeinsame Anstrengung, die auf ein Ziel ausgerichtet ist.  Für mich beschreibt Zusammenarbeit allerdings etwas Anderes. Etwas, das ich mit Kollaboration, Teamarbeit. Gemeinschaftsarbeit oder Gruppenarbeit nicht so treffend ausdrücken kann: eine gemeinsame Anstrengung, die zugleich von einer Art Partnerschaft geprägt ist. Diese Partnerschaft basiert auf einem Kodex. Und der formt das Handeln und den Umgang der Mitarbeiter miteinander. Das schließt mit ein, dass sich bei guter Zusammenarbeit die Interessen der Teammitglieder bündeln und auf das gemeinsame Ziel auszurichten. Und es umfasst die grundsätzliche Bereitschaft, Mithilfe zu leisten und anzunehmen.

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Kompetenz und Emotionalität

Zusammenarbeit ist ein schönes Wort, weil es mehr als andere, ähnliche Synonyme aus dem Wörterbuch der Arbeitsformen auf den Punkt bringt, worauf es ankommt: Wenn es Mitarbeitern gelingt, ein Miteinander zu erschaffen, dass fachliche Kompetenzen ebenso schätzt wie  Emotionalität, dann sind sie in der Lage, gemeinsam auf Herausforderungen so zu reagieren. So, dass sie sie schon bald positiv betrachten: als reizvollen Antrieb für ihr gemeinsames Handeln zum Wohle des Unternehmens.

Auf diese Weise entstehen immer wieder neue Unternehmen und gewinnen weltweite Bedeutung. Einige davon springen mir immer wieder ins Auge: Apple, Google oder Creative Commons, die aus einer Lizenz für weltweite Urheberrechte eine Geschäftsidee gemacht haben.

Von den Römern lernen

Neulich habe ich eine Dokumentation über die römische Armee und ihre Ausrüstung gesehen. Es ging darum, wie es die Römer es geschafft haben, ihren Herrschaftsbereich bis ins nördliche Britannien und ans Schwarze Meer auszudehnen. Wie haben es die Römer geschafft, sich gegenüber unzähligen Feinden durchzusetzen?

Verblüffende Antwort

Die Antwort der Forscher war verblüffend. Der Grund für die militärische Überlegenheit der Römer war: Der Gladius, das Schwert der römischen Legionäre, war kürzer als das ihrer Gegner. Das klingt verblüffend. Ein kurzes Schwert soll effektiver sein als ein langes mit größerer  Reichweite? Verblüffend oder nicht - es stimmt.

Zusammenarbeit in der Einheit

Zusammenarbeit - davon verstanden die römischen Legionäre etwas.
Die römischen Legionäre waren oft siegreich, weil sie gut zusammenarbeiteten. Foto: Judith Meyer/pixabay

Sie fragen vielleicht, was das mit der Zusammenarbeit in einem Unternehmen zu tun hat. Ganz einfach. Es hat etwas mit Teamarbeit zu tun. Römische Kohorten kämpften in engen Verbänden. Die Männer standen Schulter an Schulter und bildeten mit ihren rechteckigen Schilden einen Panzer um die gesamte Einheit.

Gefährliche Manöver

Wenn ein Legionär angegriffen wird und mit der rechten Hand sein langes Schwert ziehen will, schlägt er gezwungenermaßen seinem rechten Nebenmann den Ellbogen ins Gesicht. Holt er mit einem langen Schwert nach hinten oder zur Seite aus, verletzt oder tötet er seine Kameraden. Gute Zusammenarbeit sieht anders aus.

Die Kameraden schützen

Die Römer waren schlau. Sie verwendeten stattdessen ein Kurzschwert, trugen es an der rechten Hüfte und zogen es mit verdrehter rechter Hand aus der Scheide. Ohne ihre Deckung zu öffnen und ohne ihre Kameraden zu gefährden. Deshalb waren sie siegreich auch gegen Feinde mit  längeren Schwertern. Ihre Zusammenarbeit war effektiver.

Gemeinschaften sind effektiver

Tatsächlich liegt dem eine Sichtweise zugrunde: Die Römer verstanden ihre Armee als einen Organismus, als eine Gemeinschaft. Ihre Feinde agierten als Einzelkämpfer – gut bewaffnet, aber nicht so schlagkräftig wie eine Gemeinschaft, die auf effektive Zusammenarbeit achtet. Gemeinschaften sind immer stärker als Gruppen von Einzelkämpfern. Auch wenn die Gemeinschaft in der Unterzahl ist. Die Art der Zusammenarbeit entscheidet über Erfolg und Scheitern.

Was erfolgreiche Zusammenarbeit ausmacht

Ich soll hier und heute über erfolgreiches Arbeiten sprechen. Ich kann Ihnen nur wenig Sinnvolles darüber sagen, was Sie arbeiten. Über das, was Sie arbeiten, wissen Sie schon jetzt mehr als ich.

Einzelkämpfer oder Gemeinschaft?

Zusammenarbeit erfordert gut trainierte Mitarbeiter. Great Growing Up macht genau das.
Gute Zusammenarbeit sorgt für Erfolg und macht Freude. Foto: rawpixel/pixabay

Mein Fachgebiet ist nicht das Was, sondern das Wie. Mich interessiert Ihre Art der Zusammenarbeit. Denn die Art und Weise, wie Sie zusammenarbeiten, bestimmt, ob sie als Einzelkämpfer oder als Teil einer Gemeinschaft aktiv sind. Natürlich wird von Ihnen erwartet, dass Sie ihren Job gut machen, dass Sie fachlich sattelfest und kompetent sind. Ihr Wissen und ihre Fertigkeiten sind entscheidend für Ihren Erfolg. Mit Wissen und Fertigkeiten allerdings sind Sie erst einmal kaum mehr als ein guter Einzelkämpfer.

Wissen und Fertigkeiten sind wichtig

Ihr Wissen und Ihre Fertigkeiten sind von großer Bedeutung. Ohne sie sind Sie nicht wettbewerbsfähig. Im Grund so wenig, wie ein untrainierter Einzelkämpfer in der Schlacht überlebensfähig ist. Für den Erfolg Ihres Unternehmens ist etwas anderes entscheidend. Ob beispielsweise das Schraubenwerk Gaisbach erfolgreich bleibt, hängt von etwas Anderem ab: davon, ob die Mitarbeiter als einzelner in der Lage sind, Gemeinschaft zu erschaffen.

Jeder ist verantwortlich

Ja, Sie haben richtig gehört: Sie sind dafür verantwortlich, ob Sie Gemeinschaft erschaffen oder nicht. Niemand anderes wird das für Sie tun. Eine Gemeinschaft entsteht, wenn jeder Einzelne Verantwortung dafür übernimmt, wie er mit sich und den anderen umgeht. Jeder, der das nicht tut, schwächt die Gemeinschaft. So wie ein Legionär, der doch lieber ein langes Schwert führt und damit sich und seine Kameraden gefährdet.

Kernbotschaft Nr. 1: Sie entscheiden

Ich kann Sie beruhigen: Von Ihnen wird nicht erwartet, dass sie mit dem Schwert auf Mitbewerber losgehen. Aber von Ihnen wird erwartet, dass Sie Verantwortung dafür übernehmen, wie Sie mit sich, ihren Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten umgehen. Dafür, wie Sie Zusammenarbeit gestalten.

Das ist meine erste Kernbotschaft an Sie: Sie entscheiden darüber, ob Ihr Unternehmen eine Ansammlung von Einzelkämpfern ist oder eine schlagkräftige Gemeinschaft, die Zusammenarbeit praktiziert.

Wie man Verantwortung übernimmt

Jetzt sollten Sie nur noch eines wissen: Wie macht man das? Wie übernimmt man Verantwortung für den eigenen Umgang mit sich und anderen. Dazu braucht es – zum Glück – nur ganz wenig theoretisches Wissen. Dafür aber ein bisschen Mut.

Kommunikation ist alles

Zusammenarbeit erfordert gut trainierte Mitarbeiter. Great Growing Up macht genau das.
Die Art unserer Kommunikation prägt unsere Zusammenarbeit. Foto: rawpixel/pixabay

Zunächst einmal müssen Sie wissen, dass ihr Umgang mit anderen Menschen nichts anderes ist als Kommunikation. Und das seltsame an Kommunikation ist: Sie können nicht nicht kommunizieren. Ob sie reden oder nicht – sie teilen etwas von sich mit. Möglicherweise auch nur, dass Sie gerade nicht reden wollen. Ob Sie ihre Kollegen begrüßen oder nicht, sie teilen etwas von sich mit. Sie können nicht nicht kommunizieren.

Schweigen sagt so viel

Ich kenne Menschen, die glauben, ihr Schweigen habe keine Auswirkung auf andere und sei eine Nicht-Kommunikation. Vergessen Sie das. Schweigen sagt mehr als 1000 Worte und lässt alle möglichen Interpretationen zu. Was denken Sie über mich, wenn ich sie anschweige:

Er...

  • weiß nicht mehr weiter?
  • ist schlecht vorbereitet?
  • will Spannung erzeugen?
  • hat keine Lust mehr zu sprechen?
  • kümmert sich nicht darum, was wir über ihn denken?
  • mag uns nicht?

Schweigen stört die Zusammenarbeit

Was auch immer. Schweigen ist Kommunikation. Einfach weil es Interpretationen erzeugt. Das Dumme ist nur, dass ich als Schweigender kaum Einfluss darauf habe, was bei Ihnen ankommt. Ich kann mich natürlich zurücklehnen und behaupten: „Ich habe nichts gesagt. Für Ihre Interpretationen kann also ich nichts.“ Das ist genau das Gegenteil von Verantwortung übernehmen. Denn Menschen, die schweigen, kommunizieren nicht weniger als Menschen, die reden – nur eben unklar. Schweigen lässt Raum für unendlich viele Interpretationen. Es stört die Zusammenarbeit.

Kernbotschaft Nr. 2: Reden ist Gold

Meine zweite Kernbotschaft an Sie: Reden Sie miteinander.

Zusammenarbeit erfordert gut trainierte Mitarbeiter. Great Growing Up macht genau das.
Manchmal braucht es keine Worte. Aber nur manchmal. Foto: rawpixel/pixabay

Jetzt gibt es aber beim Reden ein großes Problem: Ihre Kommunikation kann immer noch unklar sein. Tatsache ist: Kommunikation ist ein riskantes Geschäft. Die Gefahr missverstanden zu werden ist riesig. Deshalb schweigen viele Menschen, obwohl sie durchaus etwas zu sagen hätten. Besser wird dadurch nichts, schon gar nicht die Gemeinschaft. Schweigende Menschen sind in der Regel Menschen, die alles mit sich selbst ausmachen - Einzelkämpfer. Und Einzelkämpfer verhindern Zusammenarbeit.

Was die Zusammenarbeit stört

Ein Großteil der Missverständnisse im Berufsalltag hat weniger mit dem sachlichen Inhalt unserer Kommunikation zu tun als mit der Art und Weise, wie wir kommunizieren. Anders formuliert: Reibung entsteht in der Regel nicht durch das, was wir sagen, sondern dadurch wie wir es sagen. Das Wie entscheidet über unsere Zusammenarbeit.

Was wir alles kommunizieren

Wir Menschen kommunizieren ständig – egal ob wir den Mund aufmachen oder nicht. In der Theorie gibt es drei Kanäle, auf denen wir uns mitteilen:

  • Verbal
  • Paraverbal
  • Nonverbal

Unsere inhaltliche Botschaft übermitteln wir üblicherweise verbal. Wir benutzen Worte, um zu sagen, was wir zu sagen haben. Etwa so:

„Ich möchte, dass du diese Bestellungen kontrollierst.“

Weil wir aber alle Menschen sind, kommunizieren wir auch auf anderen Kanälen. Etwa so:

Ärgerlich: „Ich möchte, dass du diese Bestellungen kontrollierst.“

Ängstlich: „Ich möchte, dass du diese Bestellungen kontrollierst.“

Fröhlich: „Ich möchte, dass du diese Bestellungen kontrollierst.“

Traurig: „Ich möchte, dass du diese Bestellungen kontrollierst.“

Entscheidend ist, was ankommt

Sie können ein und dieselbe Botschaft auf endlos viele unterschiedliche Arten kommunizieren. Jedesmal wird bei ihrem Gegenüber etwas völlig Anderes ankommen. Es spielt keine Rolle, was wir meinen. Die Reaktion unseres Gegenübers ergibt sich unabhängig davon: aus dem, was bei ihm ankommt. Und das wiederum prägt unsere Form der Zusammenarbeit.

Wir kommunizieren, was wir fühlen

Wir transportieren Botschaften jenseits der inhaltlichen Mitteilung. Diese Botschaften auf den beiden nicht-verbalen Kanälen vermitteln unserem Gegenüber beispielsweise, ob und wie wichtig uns unsere Botschaft ist. Und sie vermitteln noch mehr: unsere derzeitige Emotionalität, was wir fühlen.

Kernbotschaft Nr. 3: Beachten Sie das Wie!

Zusammenarbeit erfordert gut trainierte Mitarbeiter. Great Growing Up macht genau das.
Gemeinschaften sind immer effektiver als Einzelkämpfer. Foto: skeeze/pixabay

Deshalb lautet meine dritte Kernbotschaft: Achten Sie auf Ihr Wie mindestens so sehr wie auf ihr Was.

Und das ist genau der Bereich, in dem Sie ein bisschen mutig sein müssen, wenn Sie verantwortlich kommunizieren wollen. Vielen Menschen fehlt dieser Mut. Sie versuchen, ganz sachlich zu bleiben, verlangen von sich und anderen, ihre Gefühle, ihre Emotionalität zuhause zu lassen. Gefühle sind schließlich Privatsache, sagen sie und wundern sich, warum die Zusammenarbeit nicht funktioniert.

Woran Kommunikation scheitert

Genau an dem Punkt gehen Kommunikation und damit auch die Zusammenarbeit oft schief. Denn Menschen sind nicht blöd. Egal, wie sich unser Gegenüber anstrengt, seine Gefühle zu unterdrücken, wir nehmen wahr, dass etwas nicht passt. Egal wie sorgsam wir unsere Worte wählen, um klar zu stellen, dass wir überhaupt nichts fühlen, unser Gegenüber nimmt wahr, dass irgendetwas nicht passt. Und das – wie erwähnt – auch wenn wir vielsagend schweigen.

Kongruent kommunizieren

Wenn Formen übereinander passen, spricht man von Kongruenz. Sie sind deckungsgleich. Das gehört zu den wenigen Dingen, die mir aus 13 Jahren Mathematik-Unterricht im Gedächtnis geblieben sind. Wenn unsere verbale Mitteilung nicht zu unserem stimmlichen und körperlichen Ausdruck passt, ist unsere Kommunikation inkongruent: Was wir sagen und was unser Körper ausdrückt, ist nicht deckungsgleich.

Die Mehrabian-Regel

An diese Stelle kommt Albert Mehrabian ins Spiel. Der in Kalifornien lehrende iranisch-amerikanische Psychologe und Professor hat folgende Regel über die Gesamtwirkung unserer Kommunikation aufgestellt:

Ob unsere Zuhörer uns als authentisch wahrnehmen, ob wir ihnen sympathisch erscheinen, ob sie uns vertrauen, und auch ob sie tun, was wir wollen, ergibt sich zu

  • 7 % aus unserer verbalen
  • 38 % aus unserer paraverbalen
  • 55 % aus unserer nonverbalen Kommunikation.

Daraus folgt: Wenn wir die Gesamtwirkung unserer Kommunikation betrachten, werden Worte überschätzt. Und das sagt Ihnen ein ehemaliger Journalist! Der Erfolg von Zusammenarbeit ergibt sich nicht aus Worten, sondern aus bewusster und verantwortlicher Kommunikation.

Kognitive Dissonanz stört Zusammenarbeit

Wenn wir nicht-authentisch kommunizieren, hat das Folgen: Unser Zuhörer nimmt diese Inkongruenz wahr. Fachleute sprechen dann von kognitiver Dissonanz. Zwei unterschiedliche Wahrnehmungen sorgen für Disharmonie. Die Worte passen nicht zur restlichen Kommunikation. Unsere Kommunikation klingt schief, und wir wirken nicht-authentisch. Der Grund dafür ist simpel: Menschen, die verbergen wollen, was in ihnen vorgeht, sind nicht-authentisch.

Authentisch kommunizieren

Es gibt Menschen, die mir das nicht glauben. Sie sagen: Menschen ohne Angst seien authentisch. Ich halte das für Unsinn. Für mich sind Menschen, die Angst haben und dazu stehen, authentisch. Und mutig. Sie müssen niemandem etwas vormachen. Davor habe ich Respekt und diesen Menschen schenke ich leicht mein Vertrauen.

Eddie Rickenbackers Erkenntnis

Wer in solchen Klapperkisten Kampfeinsätze flog, brauchte Mut. So wie Eddie Rickenbacker. Foto: Perlinator/pixabay

Ich denke an dieser Stelle gerne an Eddie Rickenbacker. Der war ein Flieger-As im Ersten Weltkrieg. Der US-Amerikaner war ein sogenannter Ritter der Lüfte. Er kämpfte für sein Land in einer klapprigen Holzkiste mit Tragflächen. Viel mehr waren die Jagdflugzeuge damals nicht.

Ohne Angst kein Mut

Eddie Rickenbacker war, wie damals üblich, ohne Fallschirm unterwegs. Wer abgeschossen wurde, kam in der Regel ums Leben. Rickenbacker riskierte mit jedem Einsatz sein Leben. War er ein mutiger Mann? Ohne Zweifel. Hatte er Angst? Ganz sicher, denn er stand zu seiner Angst. Den Beweis dafür liefert seine Definition von Mut:

„Mut bedeutet, Angst vor etwas zu haben und es dennoch zu tun.“

Kernbotschaft Nr. 4: Kommunizieren Sie offen!

Meine vierte und letzte Kernbotschaft lautet: Stehen Sie dazu, was Sie fühlen und kommunizieren Sie es offen.

Ich weiß, das erfordert Mut. Aber mal unter uns: Wenn Ihnen ohnehin klar ist, dass ihr Körper ständig ausplaudert, ob sie gerade Ärger, Trauer, Angst oder Freude spüren, wem wollen Sie dann noch etwas vormachen? Ihre Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzten merken es, wenn Sie inkongruent kommunizieren. Vielleicht nicht bewusst, aber sie bemerken es. Und glauben Sie mir: Das ist kein Vorteil für Sie. Und auch keiner für die Zusammenarbeit im Betrieb.

Hoher volkswirtschaftlicher Schaden

Im Gegenteil: Der Sand im Getriebe des beruflichen Alltags ist inkongruente Kommunikation. Ich bin überzeugt, dass der volkswirtschaftliche Schaden dadurch in die Milliarden geht. Allein die rasant steigende Zahl psychischer Krankheitsfälle in den vergangenen Jahren sollte uns alarmieren. Sie ist eine direkte Folge von inkongruenter Kommunikation und mangelnder Verantwortlichkeit dafür, Gemeinschaften zu bilden. Einzelkämpfer tun sich gegenseitig nicht gut. Sie verhindern erfolgreiche Zusammenarbeit.

Die vier Grundgefühle

Der Ton macht die Musik, sagt der Volksmund. Wir leiten daraus oft den falschen Schluss ab: Sei immer höflich und sachlich. Das führt dazu, dass Menschen sich und ihre Kommunikation verbiegen. So erschaffen wir keine effektive Zusammenarbeit. Ich bin Trainer und Musiker. Musik mag ich, wenn Sie Emotionen ausdrückt. Mal Ärger, mal Angst, mal Trauer, mal Freude. Das macht Musik für mich aus: Sie transportiert Gefühle. Als Trainer ermutige und trainiere ich Menschen darin, das gleiche zu tun: Teile mit, was du fühlst, damit dein Gegenüber eine Chance hat, dich richtig zu verstehen.

Ärger ausdrücken

Es reicht völlig, wenn Sie aus vier Grundgefühlen eines auswählen:

Wenn Sie ärgerlich sind, sagen sie: „Ich bin ärgerlich, weil…“

Ärger fühlen sie, wenn Dinge nicht so laufen, wie sie wollen. Wenn Ihnen der Kragen platzt oder der Geduldsfaden reißt. Sie fühlen Ärger, wenn jemand ihre Grenzen verletzt oder wenn sie Ungerechtigkeit bemerken.

Trauer ausdrücken

Wenn Sie traurig sind, sagen sie: „Ich bin traurig, weil…“

Trauer fühlen Sie, wenn Sie sich von jemanden verabschieden, der Ihnen nahe steht. Sie sind traurig, wenn Sie von jemandem verletzt werden. Oder wenn Sie Mitgefühl für einen anderen Menschen empfinden. Oder einfach nur, wenn Sie berührt sind.

Angst ausdrücken

Wenn Sie vor etwas Angst haben, sagen Sie: „Ich habe Angst, weil…“

Angst fühlen Sie, wenn Sie vor einer Herausforderung stehen, wenn Sie Mut brauchen wie Eddie Rickenbacker. Sie spüren Angst, wenn etwas unsicher ist, wenn sie nervös sind oder aufgeregt oder panisch. Das sind alles Formen von Angst.

Freude ausdrücken

Und wenn Sie etwas freut, machen Sie es genauso: „Ich freue mich, weil…“

Sie freuen sich, wenn Sie Glück haben, wenn Ihnen etwas gelingt. Freude empfinden Sie, wenn sie bemerken, dass es das Leben gut mit Ihnen meint. Und Sie freuen sich, wenn andere sich freuen.

Eines dieser Gefühle ist immer da, glauben Sie mir.

Aus dem Wie entsteht Gemeinschaft

Ich freue mich darüber, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben Und ich freue mich, wenn Sie künftig authentisch kommunizieren. Dann fühle ich keine Angst um Ihr Unternehmen. Alois Wimmer, der Geschäftsführer des Schraubenwerks Gaisbach übersetzt die Abkürzung SWG gerne so: Schraubengemeinschaft Gaisbach. Achten Sie auf Ihr Wie und übernehmen Sie Verantwortung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Damit Ihr Unternehmen eine schlagkräftige Gemeinschaft ist und bleibt.

Das Wie ist so wichtig wie das Was.

Dankeschön.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

 

Mobbing ist Chefsache. Great Growing Up schafft Abhilfe.

Mobbing ist Chefsache – Wenn Führung total versagt

In diesem Beitrag geht es um Mobbing am Arbeitsplatz. Also um die psychische und letztlich physische Zerstörung von Menschen am Arbeitsplatz. Und es geht darum klar zu stellen: Mobbing liegt in der Verantwortung von Führungskräften. Deshalb gilt:  Mobbing ist Chefsache. Wenn in einem Unternehmen jemand gemobbt wird, ist das Chef-Versagen. Auch, wenn der Chef gar nicht aktiv beteiligt ist. Oder vielmehr: genau deshalb.

Mobbing ist mit spannenden Fragen verbunden: Welche besondere Dynamik prägt das Wechselspiel zwischen dem Mobber und den Betroffenen? Warum wehren sich die Betroffenen in diesem Konflikt nur selten gegen die Angriffe der Mobber? Welche Form von psychischer Gewalt ist typisch für Situationen, in denen Menschen gemobbt werden? Tatsächlicher aber ist die wichtigste Frage auch beim Mobbing folgende: Wer ist verantwortlich  für Mobbing?

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Zum Mobbing gehören drei

In diesem Beitrag geht es nicht so sehr um den Mobber und die Betroffenen, die Mobbingopfer am Arbeitsplatz. Vielmehr zeige ich, dass Mobbing grundsätzlich ein Versagen auf der Führungsebene die Ursache ist. Und das  unabhängig von der Situation, in der Menschen Angriffe in Form von vornehmlich psychischer Gewalt erleiden. Mobbing ist Chefsache. Zum Mobbing gehören auf den ersten Blick immer zwei: einer, der mobbt und einer, der sich mobben lässt, ohne sich zu wehren. Tatsächlich gehören zu dieser Form des Konflikts aber drei Parteien: Täter, Oper und Vorgesetzte. Mobbing ist Chefsache.

Mobbing - eine Definition

Was genau ist Mobbing? Eine Definition lautet: Mobbing ist das systematische Zerstören eines Kollegen oder Mitarbeiters. An Mobbing können Vorgesetzte ebenso beteiligt sein wie Kollegen. In aller Regel beginnt Mobbing damit, die Leistungen des betreffenden Mitarbeiters klein zu reden. Das können laut geäußerte Zweifel oder auch klare Beschuldigungen sein. Lästern gehört ebenso zum typischen Verhalten des Mobbers wie Nichtbeachtung und das Verweigern von Möglichkeiten, die dem Mobbingopfer zustehen. Im nächsten Schritt wird der Betroffene durch ständiges Untergraben seiner Glaubwürdigkeit von seinen Kollegen am Arbeitsplatz isoliert.

Schikanen und Bloßstellung

Mobbing (im Englischen „bullying“) ist ein Begriff, der beschreibt, wie Menschen andere Menschen systematisch psychischer Gewalt aussetzen. Manchmal geht es dabei um Schikanen, Bloßstellung und Herabwürdigung. Es gibt aber auch körperliche Formen des Mobbings. Für Betroffene steht am Ende ihres Leidensweges im Unternehmen oft die Kündigung oder der Krankenstand.

Leitlinien und Realität

Eigentlich dürfte es Mobbing gar nicht geben. Das systematische Zerstören von Menschen und ihrer Leistungskraft widerspricht unzähligen Leitlinien und Sinnsprüchen, mit denen sich  Unternehmen heute schmücken. „Der Mensch steht im Mittelpunkt“, heißt es etwa. Das klingt humanistisch-gebildet. Für Mobbing sollte da kein Raum sein. Tatsächlich aber ist die Realität im Arbeitsalltag oft eine andere. „Das Arbeitsleben ist auch geprägt von Angst, Neid und Misstrauen“, schreibt der Psychologe und Management-Berater Louis Lewitan in seinem Artikel „Emotionale Analphabeten“ in der „Zeit“ vom 16. Mai 2019. Aber nur selten spiegelt das Verhalten von Vorgesetzten und Mitarbeitern wider, was in den Leitlinien steht. Vom Mobbing Betroffene leiden darunter. Auch deshalb gilt: Mobbing ist Chefsache.

Mobbing Beispiel Nummer 1

Mobbing ist Chefsache. Great Growing Up schafft Abhilfe.
Mobbing-Opfer fühlen sich psychisch gehetzt. Foto: Fotolia/www_slon_pics

Sabine ist Mitarbeiterin in einem großen Chemie-Unternehmen. Sie ist sehr gewissenhaft bei ihrer Arbeit, Fehler unterlaufen ihr nur selten. Allerdings ist sie auch sehr direkt: Die 50-Jährige sagt, was sie denkt und spricht an, was ihr nicht passt. Stefan, ihr direkter Vorgesetzter mag das nicht. Er mag keine Kritik, weder von oben noch von untergeordneten Mitarbeitern. Und Konflikte mag er auch nicht. Aber Herr Mertens mag Sabine. Der Geschäftsführer hat sie ermutigt, ihren Meister zu machen. Sabine legt sich ins Zeug, merkt aber schon bald, dass sie  mehr Zeit braucht. Sie fragt Stefan nach Möglichkeiten, aber der lässt sie abblitzen. Auch das gehört zum Mobbing.

Sabine ist sauer. Zwei Wochen später spricht Herr Mertens sie an und fragt, wie es ihr geht. Sabine kann nicht lügen und spricht offen über ihre Situation. Herr Mertens sieht kein Problem: „Nehmen Sie doch einfach drei zusätzliche Wochen Urlaub", rät er ihr. Sabine sagt das Ihrem Vorgesetzten Stefan. Der gibt ihr zähneknirschend frei. Wenn er Herrn Mertens begegnet, grüßt er ihn jetzt noch freundlicher als bisher. Das Thema Mobbing ist Chefsache.

Mobbing Beispiel Nummer 2

Paul arbeitet seit knapp 30 Jahren in einem Logistikunternehmen. Bislang hat ihm das immer Spaß gemacht. Seit ein paar Wochen allerdings  spricht sein Teamleiter kaum noch mit ihm. Er wirkt abweisend und schlecht gelaunt. Paul hat keine Idee, was der Grund sein könnte. Bis ihn eines Tages der Abteilungsleiter anspricht. Der fragt, was denn mit ihm los sei. Paul hat das Mobbing nicht bemerkt und fällt aus allen Wolken. Er erfährt, dass seine angeblich mangelnde Leistungsbereitschaft längst Thema in der Führungsrunde ist. Paul entgegnet: Sein Chef und dessen Chef müssten doch wissen: Er war wegen krankheitsbedingter Ausfälle im Betrieb viel als Springer unterwegs. Gerade er hat den Laden am Laufen gehalten.

Paul fühlt Angst. Er mag seinen Job und fürchtet ihn zu verlieren. Aber Paul ist auch sauer. Denn wochenlang hat ihn niemand darauf angesprochen. Paul nutzt seinen Ärger und geht zum Geschäftsführer. Er überspringt ein paar Stufen in der Hierarchie und macht reinen Tisch. Sein Chef hört ihm zu und bestellt die untergeordneten Führungspersonen zum Gespräch ein. Dort stellt er klar, dass er auf Mitarbeiter wie Paul zählt. Das Thema Mobbing ist Chefsache.

Entwicklung und Tendenzen

Überlastung führt zum Kollaps. Great Growing Up trainiert Führungskräfte.
Ständige Überlastung führt zum Kollaps. Foto: Fotolia/Alexas_Fotos

Die Arbeitswelt ist rasantem Wandel unterworfen. Prozesse und Abläufe werden immer weiter digitalisiert, automatisiert, standardisiert. Es klingt schön, wenn vereinzelte Großunternehmer das zum Anlass nehmen, den Menschen als unverzichtbar darzustellen. Denn bei allem, was künstliche Intelligenz zu leisten vermag, habe der Mensch doch wichtige Alleinstellungsmerkmale: Kreativität und Emotionalität etwa. Empathie, die Fähigkeit, Beziehungen zu gestalten. Spontaneität, Konfliktfähigkeit, Verantwortlichkeit. Eben alles, was Menschen und ihre Dynamik im Umgang miteinander  ausmacht.

Emotionale Analphabeten steigen auf

Vom Mainstream scheinen die Vorgesetzte in beiden Mobbing Beispielen damit aber weit entfernt. Denn obwohl im digitalen Zeitalter alles, was Menschen ausmacht, unverzichtbar erscheint, verläuft die Entwicklung in vielen Betrieben genau umgekehrt. „Je mehr die Arbeitsprozesse digitalisiert, standardisiert, automatisiert werden, umso häufiger steigen emotionale Analphabeten ohne Führungsqualitäten in die Führung auf,“ schreibt Louis Lewitan in der „Zeit“. Menschen also, die führen sollen, denen aber alles fehlt, um es zu können.

Fachwissen allein reicht nicht

Mitarbeiter zu befördern, die über viel Fachwissen verfügen, ist prinzipiell nicht falsch. Ich verstehe nur nicht, wie Fachwissen fehlende Führungsqualitäten ersetzen soll. Kann es auch nicht. Die Folgen sind fatal. Auf diese Weise bekommen Menschen Führungsverantwortung, die vor allem an sich selbst und ihre Karriere denken. Sabines direkter Vorgesetzter etwa, der nach unten tritt und nach oben buckelt. Oder Pauls Teamleiter, der nicht auf die Idee kommt, seinen Mitarbeiter direkt anzusprechen. Weil er Angst vor einem möglichen Konflikt hat. Mobbing ist Chefsache.

Ernüchternde Bilanz

Als ich neulich einen Post zum Thema emotionale Analphabeten auf Facebook veröffentlichte, reagierte ein Leser mit folgendem Kommentar:

„Subjektiv betrachtet werden Führungskräfte in meinem Bereich von Generation zu Generation immer unfähiger, was den Umgang mit Menschen betrifft. Empathie Fehlanzeige. Absicherung eigener Pfründe, herablassende Haltung gegenüber dem Mitarbeiter selbst und der Arbeit sowieso. Fehlendes Vertrauen in die Ehrlichkeit und die Fähigkeiten der Mitarbeiter. Gezielte Demotivation durch Hinhalterei und Angstmacherei.“

Mobbing ist Geldverschwendung

Mobbing. Opfer fühlen sich wie im Räderwerk. Great Growing Up hilft.
Wer gemobbt wird, fühlt sich wie im Räderwerk. Foto: Fotolia/MustangJoe

Auch das spricht nicht dafür, dass Unternehmen menschliche Alleinstellungsmerkmale in Zeiten digitaler Optimierung besonders zu schätzen wissen. Schade, denn so werden Menschen zugrunde gerichtet und zudem unglaublich viel Geld verschwendet. Mir ist nicht klar, warum gewinnorientierte Unternehmen Mobbing und damit Zerstörung und Verschwendung dulden.

Mobbing-Dynamik

Tatsächlich fällt mir nur eine Erklärung ein: Totales Versagen auf der Führungsebene. Mobbing ist Chefsache. Um das sehen zu können, braucht es einen Blick auf die spezielle Dynamik zwischen Mobbing-Täter und Mobbing-Opfer. Die beschreibt Louis Lewitan sehr anschaulich in seinem Artikel.

Das Machtgefälle

Zwischen Mobbing-Täter und Mobbing-Opfer besteht ein Machtgefälle. Dieses Machtgefälle kann hierarchisch begründet sein. Es können aber auch Aspekte wie Angst, Hilflosigkeit und die Unfähigkeit sich abzugrenzen eine wichtige Rolle dabei spielen. Je unterwürfiger das Opfer, desto mehr fühlt sich der Täter bestärkt, sein Opfer zu mobben.

Verkehrte Welt

Der Mobbing Täter versteht sich selbst als Opfer. In seiner Wahrnehmung hat er angesichts der Fehlleistung des Opfers überhaupt keine andere Wahl als zu tun, was er tut. Der Täter ist folglich immun gegen Kritik und legitimiert seine Taten selbst. Er sieht sein Verhalten nicht als Mobbing.

Fehlende Kollegialität

Der Täter arbeitet daran, das Opfer sozial zu isolieren und im Kreis seiner Kollegen zu diskreditieren. Wenn ihm das gelingt, ist keiner der Kollegen mehr bereit, sich mit dem Opfer zu solidarisieren. Auf diese Weise beginnt der Täter, sein Opfer seelisch zu zerstören. Nach und nach übernehmen Kollegen nicht nur die Duldung, sondern beteiligen sich auch aktiv am Zugrunderichten des Opfers. Also am direkten Mobbing. Das Wegsehen, Schweigen und Mitwissen der Kollegen versteht der Täter zudem als Legitimation seiner Handlungen. So entsteht ein Mobbing Teufelskreis.

Psychisch gehetzt

Das Opfer erlebt die Duldung des Mobbings und die fehlende Solidarität bewusst. Es fühlt sich psychisch gehetzt. Wie ein Fuchs bei einer Treibjagd. Das geht so lange, bis das Opfer krankheitsbedingt aus dem Arbeitsprozess ausscheidet.

Wo Führung versagt

Mobbing ist Chefsache. Great Growing Up trainiert Führungskräfte, darin Mobbing zu verhindern.
Wer führen kann, wird Mobbing verhindern. Foto: Fotolia/Gerd Altmann

Aber warum ist es das Versagen des Chefs, wenn ein Mitarbeiter den anderen mobbt? Ganz einfach: Wer sollte sonst dafür verantwortlich sein, welche Kultur in der Abteilung beziehungsweise im Unternehmen gelebt wird?  Und wer, wenn nicht der Chef, lebt vor, welche Konventionen gelten? Wer lässt zu, dass Mitarbeiter beziehungsweise Vorgesetzte lästern, intrigieren und mobben? Es sind die Chefs, die Kultur prägen. Egal, ob sie vorleben oder einfach nur wegschauen. Genau deshalb nennen wir sie auch die Verantwortlichen. Mobbing ist Chefsache.

Personalpolitik ist auch Chefsache

Ebenso wie Mobbing ist auch Personalpolitik in der Regel Chefsache. Es sind die Chefs, die Kultur prägen, indem sie entscheiden, wer Führungskraft wird: Beziehungskompetente Menschen mit Kritikfähigkeit und emotionaler Intelligenz, die führen können. Oder die anderen: im günstigsten Fall fachlich versierte Experten. Noch schlimmer sind allerdings karrieregeile Schleimer, die ihrem Vorgesetzten nach dem Mund reden, aber keine Ahnung von Führung haben. Das klingt hart, weil es hart ist. Für allem für jene, die unter inkompetenten Führungskräften leiden. Auch hier gilt: Mobbing ist Chefsache.

Drei Mobbing-Dimensionen

Louis Lewitan bringt das auf eine simple Formel: „Mobbing in Organisationen kann nur stattfinden, wenn Führungskräfte die Fürsorge sträflich vernachlässigen.“

Mobbing ist Chefsache - moralische Dimension

Tatsächlich finde ich keine plausible Antwort auf folgende Frage: Warum werden die für Mobbing tatsächlich Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn unter ihrer Führung Mitarbeiter gemobbt werden. Vielleicht weil Mobbing immer noch als Kavaliersdelikt vernachlässigt wird? Was für ein Unsinn. Ein Unsinn allerdings, der nicht nur viel Geld kostet, sondern auch moralisch untragbar ist.

Mobbing ist Chefsache - juristische Dimension

Moralisch betrachtet hat jeder, der Mobbing beobachtet, die Pflicht einzuschreiten. Wer in einem Unternehmen arbeitet, hat sogar das Recht, vor Diskriminierung und persönlichen Angriffen geschützt zu werden. Das ist keine Frage der Kultur, sondern geltendes Recht. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer als Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt, erfüllt laut Paragraf 223 Strafgesetzbuch den Tatbestand der Körperverletzung. Darauf stehen Geldstrafen und im schlimmsten Fall bis zu fünf Jahre Gefängnis. Mobbing ist Körperverletzung. Punkt. Das Zulassen von Mobbing auch. Ebenfalls Punkt. Mehr Infos zum Strafrecht gibt es hier.

Mobbing ist Chefsache - betriebswirtschaftliche Dimension

Viele Führungskräfte betrachten Mobbing-Opfer als schwach und nicht belastbar. Sie machen es sich zu einfach. Denn selbst wenn sie die moralische und die juristische Dimension ignorieren, bleibt ein Aspekt, den sie nicht missachten dürfen: Mobbing ist betriebswirtschaftlich gesehen eine Katastrophe. Es dauert lange, bis ein Mitarbeiter psychisch zugrunde gerichtet ist. Aber nach und nach schwinden seine Belastungsfähigkeit und seine Leistungskraft. Irgendwann meldet er sich krank und erhält Lohnfortzahlung. Kollegen müssen seine Aufgaben zusätzlich übernehmen.

Mobbing ist Chefsache und kostet Geld

Überstunden fallen an. Die verbleibenden Kollegen erreichen ebenfalls die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Schließlich braucht es Ersatz für den gemobbten Kollegen, aber der muss zunächst eingearbeitet werden. Das alles kostet: Zeit, Nerven, Energie und Geld.  Der volkswirtschaftliche Schaden durch Mobbing ist gigantisch: Die Krankheitskosten für psychische Krankheiten steigen rapide an. 2017 lagen sie bei 44,4 Milliarden Euro. Mobbing ist Chefsache und immer ein Verlustgeschäft.

Psychische Erkrankungen nehmen zu

Der Gesundheitsreport der BKK meldete; Der Anteil psychischer Erkrankungen bei Arbeitsunfähigkeit machte 2018 16,6 Prozent aus. 40 Jahre zuvor waren es noch zwei Prozent. Angesichts dieser Zahlen stellt Louis Lewitan eine wichtige Frage: Wollen Menschen im digitalen Zeitalter wirklich wachsen, sich weiterentwickeln? Er zweifelt daran. Denn gerade in Zeiten rasanten Wandels sei das Bedürfnis nach klaren Strukturen und nach der damit verbundenen Sicherheit besonders ausgeprägt.

Wandel macht Angst

Kurzum: Je schneller die Welt sich dreht, desto eher brauchen Menschen etwas, woran sie sich festhalten können. Dem stimme ich zu. Wandel macht vielen Menschen Angst. Das ist ganz natürlich. Denn keiner weiß, was mit dem Wandel auf ihn zukommt. Diese Unsicherheit ist mit Angst verbunden. Mal mit mehr, mal mit weniger. Die Bandbreite ist groß und schwankt zwischen lebendiger Aufregung und heilloser Panik.

Dennoch bin ich davon überzeugt, dass Menschen tatsächlich wachsen wollen. Ich glaube, dieses Programm ist Teil von uns, so wie es Teil der Evolution ist. Allerdings brauchen wir Menschen ein Umfeld, dass es uns erlaubt, mit und an unserer Angst vor dem ständigen Wandel zu wachsen. Dazu braucht es Führungskräfte, die dieses Umfeld zur Verfügung stellen: Führungskräfte, die

  • emotional intelligent sind.
  • mit Ärger, Trauer, Angst und Freude offen umgehen.
  • Empathie haben.
  • Zuhören.
  • klar kommunizieren.
  • Konflikte angehen und lösen.
  • Kritik annehmen.
  • sich selbst reflektieren und ihr Handeln immer wieder in Frage stellen.
  • aufrichtig, verlässlich und verbindlich sind.
  • die Mobbing unterbinden.

Im Umkehrschluss heißt das:

  • Überehrgeizige
  • Bürokraten
  • Machtmenschen
  • Narzissten

und andere emotionale Analphabeten sind keine Führungspersonen. Wer Ihnen Führungsverantwortung überträgt, leistet Mobbing Vorschub und verletzt somit seine Fürsorgepflicht. Mobbing ist Chefsache und bleibt es.

Blick in die emotionalen Karten

Bleibt die Frage, was Führungskräfte vor allem können müssen, um Mobbing zu verhindern. In erster Linie brauchen sie die Bereitschaft, sich selbst in die emotionalen Karten schauen zu lassen. Das tun Führungskräfte nicht gerne und offenbaren damit unbewusst ihre erste emotionale Karte. Menschen, die nicht über ihre Gefühle sprechen wollen, sagen oft: Das gehe niemanden etwas an. Mag sein. Viel interessanter aber finde ich, was hinter dieser Abwehrhaltung steckt. Nach meiner Erfahrung ist es oft die Sorge, die eigene Position zu schwächen, wenn ich zeige, was ich empfinde. Vielleicht dadurch, dass mein Gegenüber mein Vertrauen missbraucht.

Bewusster Umgang tut Not

Diese Sorge ist mitunter angebracht. Das Gefühl dahinter ist nichts Anderes als Angst. Chefs, die das abstreiten, haben Angst davor, als ängstlich wahrgenommen zu werden. Manche überspielen das mit autoritärem Gehabe, andere mit Arroganz. Authentisch ist beides nicht. Wer sich vom emotionalen Analphabetismus verabschieden will, tut gut daran, seinen bewussten Umgang mit der eigenen Gefühlswelt zu trainieren. Denn unbewusste und verdrängte Anggst ist eine der Hauptursachen für Mobbing: Wer sich seiner eigenen Qualitäten nicht sicher ist, nutzt Mobbing um den eigenen Stellenwert zu erhöhen.

Wer führen will, muss fühlen

Führungspersonen, die Mobbing verhindern wollen, müssen wissen, was sie fühlen. Nur so können sie bewusst und verantwortlich führen. Und nur so haben sie die Möglichkeit, wahrzunehmen, was in ihren Mitarbeitern vorgeht: im Mobbing-Opfer ebenso wie im Mobbing-Täter.

Warum Radfahren nicht hilft

Ich weiß, dass viele Führungskräfte lieber einen anderen Weg wählen: Kraftsport im Fitness-Studio oder Radfahren etwa. Beides ist gut. Es hilft nur auf Dauer nicht. Denn die eigene Emotionalität, etwa der Ärger oder die Angst, lässt sich zwar unterdrücken, aber nicht wegradeln oder wegboxen.  Spätestens wenn wir schlafen, wenn unser Wille sich zur Ruhe legt, kriegt sie uns wieder. Sie treibt uns dann eben unbewusst. Ein Vorteil ist das nicht. Und es hilft nicht gegen Mobbing.

Erkennen, was Menschen bewegt

Louis Lewitan zieht ein ernüchterndes Fazit: „Maschinen lernen konstant dazu, bei Kollegen und Vorgesetzten sind Zweifel angebracht.“ Künstliche Intelligenzen können inzwischen klar und transparent miteinander kommunizieren, Menschen nicht. Ich finde, Maschinen haben es da auch einfacher. Ihre innere Gemengelage basiert auf Daten und Fakten. Menschen sind viel komplexer, weil wir vor allem von unserer Emotionalität bewegt werden. Im Wort Emotion steckt ja nicht ohne Grund die Motion, also die Bewegung. Gefühle bewegen uns.

Steinzeit in der Smart Factory

Die zu kommunizieren fällt vielen Menschen schwer. Gerade auch viele Führungskräfte tun sich schwer damit. Der Grund ist simpel: Sie sind es nicht gewohnt, sich selbst zu reflektieren. Mobbing zu tolerieren oder gar aktiv zu betreiben, ist bequemer. Für Unternehmen ist das fatal. Denn egal, wie smart die Factory auch sein mag, bei ihren Mitarbeitern kochen die Emotionen hoch wie in der Steinzeit, schreibt Lewitan. Was es braucht, sind Führungskräfte, die Verantwortung für ihre eigene Emotionalität übernehmen. Damit ihre Mitarbeiter auch im digitalen Zeitalter gesund und leistungsfähig und ihr Unternehmen erfolgreich bleiben.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

Erwachsen. Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz von Menschen.

Erwachsen werden – die Lebensaufgabe

Ist Erwachsen werden eine Frage des Alters? Welche Merkmale bestimmen unser Erwachsensein? Gibt es ein Synonym das erklärt, was erwachsen bedeutet? Ist man mit 20 erwachsen? Oder schon mit 18? Was gehört dazu, zum Erwachsenwerden. Wie verhalten sich erwachsene Menschen - mal ganz abgesehen von mehr oder weniger weisen Sprüchen, die man im Netz dazu findet? Was bedeutet Reife? Wird ein Mensch überhaupt irgendwann reif? Was hat das alles damit zu tun, dass Jugendliche volljährig werden?

 

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Erwachsen werden verändert

Über den Übergang von der Kindheit über die Pubertät und Jugend ins Erwachsenenalter ist unglaublich viel geschrieben worden. Heerscharen von Forschern und so mancher Professor haben sich mit diesem Prozess beschäftigt und tun es immer noch. Der Prozess verändert den Körper gleichermaßen wie Vorgänge im Gehirn. Erwachsensein ist weit mehr als nur das Ende der Adoleszenz. Wahrscheinlich ist der Übergang von der Jugend ins Erwachsenenalter sogar ein Prozess, der nicht nur viel verändert, sondern vor allem einer, der uns länger begleitet als vielen scheinbar Erwachsenen bewusst ist - egal ob jung oder alt.

Erwachsen sein - ein unerreichbares Ziel?

Es gibt sogar Forscher, die davon ausgehen, dass weder unsere Kindheit noch unsere Adoleszenz jemals vollständig abgeschlossen sind. Demnach nähern wir uns zwar mit jedem Lebensjahr dem Erwachsenenalter, allerdings ohne es jemals vollständig zu erreichen. Wahrscheinlich stimmt das auch, schließlich haben nicht wenige Menschen im Erwachsenenalter immer noch unverstellten Zugang zu dem, was viele das Innere Kind nennen.

Andere hingegen verhalten sich unangemessen wie aufgekratzte Jugendliche oder wirken so, als hätten sie ihre Pubertät nie abgeschlossen. Erwachsen werden erscheint mir daher wie ein nie endender Prozess - mit allen Vor- und Nachteilen.

Erwachsen - eine Definition

Die Internet-Enzyklopädie Wikipeia definiert den Begriff erwachsen so:

"Als erwachsen werden Menschen nach Abschluss der Adoleszenz bezeichnet. Biologisches Synonym ist adult und bezieht sich auf die Geschlechtsreife. Allgemein geht man davon aus, dass der Erwachsene jene notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse erworben hat, die ihn befähigen, die für sein Leben und Fortkommen notwendigen Entscheidungen selbständig und eigenverantwortlich zu treffen. Neben dem Datum der Mündigkeit, als zentrales Abgrenzungsmittel von Kindern und Erwachsenen, stellt auch die Sexualität eine wichtige Demarkationslinie zwischen diesen beiden Lebensphasen dar. Zu den bedeutsamsten Kriterien, mit denen man das Erwachsensein identifiziert, gehört die Reife."

Arbeit mit Erwachsenen

Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz von Menschen.
Great Growing Up trainiert Erwachsene. Und solche, die es werden wollen.

Ich selbst arbeite ja als Trainer im weitesten Sinne im Bereich Erwachsenenbildung. Wird also Zeit, dass ich dem Thema mal einen Beitrag widme. Ich beginne bei mir selbst und meiner Arbeit. Im Rückblick wirkt der Name, den ich meinen Trainings verpasst habe ja ein wenig gewagt: Great Growing Up – Großartiges Erwachsen werden. also. Anfangs hatte ich ja ausschließlich Auszubildende als Zielgruppe im Visier. Das schien gut zu passen. Inzwischen aber trainiere ich auch langjährige Mitarbeiter und sogar noch mehr Führungskräfte. Menschen, die ihre Jugend also längst hinter sch haben. Haben die dennoch Nachholbedarf im Erwachsenwerden?

Das Titelthema der „Zeit“ vom 25. April 2019 legt den Schluss ganz grundsätzlich nahe.

Keiner wird automatisch erwachsen

„Erwachsen werden? Eine Lebensaufgabe!“ steht über der mehrseitigen Artikelsammlung. Offensichtlich gehen auch die „Zeit“-Autoren davon aus, dass kaum jemand automatisch erwachsen wird nur, weil er gerade seinen 18. Geburtstag gefeiert hat.

Mehrere Autoren widmen sich dem Thema und beleuchten es von unterschiedlichen Seiten. Interessant finde ich vor allem, wie die „Zeit“-Redaktion auf das Thema aufmerksam geworden ist: Leser hatten beim „Tag der Zeit“ danach gefragt, was es neben Bildung und Wissen noch brauche, um erwachsen zu werden.

Wie sich Erwachsenen verhalten

Das Thema treibt offensichtlich viele Menschen um. Genau diese Erfahrung mache ich, wenn ich gefragt werde, was genau ich denn beruflich mache. Manchmal antworte ich salopp: „Ich trainiere Mitarbeiter drin, sich wie erwachsene Menschen zu verhalten.“ Die Reaktion darauf ist fast immer die gleiche: „Ja, das wird immer wichtiger.“

Volljährig oder erwachsen?

Es scheint also einen Unterschied zwischen Volljährigkeit und Erwachsensein zu geben, der viele Menschen interessiert. Die „Zeit“-Redaktion widmet sich erst einmal dem Thema Bildung und Wissen und erinnert folgerichtig an die klassischen Reifeprüfungen am Ende der Schulzeit: Abitur bzw. Matura und Mittlere Reife.

Dass es dabei – zumindest früher – nicht nur um Reife durch Wissen, sondern eben auch durch charakterliche Bildung ging, verdeutlicht ein schönes Beispiel. 1956 berichtete die „Zeit“ über Mannheimer Abiturienten, die beim Feiern über die Stränge geschlagen hatten. Der Direktor des Gymnasiums wollte ihnen daraufhin ihr Reifezeugnis verweigern, wegen mangelnder sittlicher Reife.

Am Ende bekamen die jungen Mannheimer ihr Zeugnis dann doch. Wohl auch, weil die charakterliche Reife etwas ganz Anderes ist als die durch Bildung in Schulen vermittelte äußere Reife. Was mich unweigerlich zu einer spannenden Frage bringt: Wer vermittelt denn heute heranwachsenden Menschen diese innere, also die charakterliche Reife?

Angepasst oder rebellisch?

Erwachsen. Great Growing Up trainiert die Beziehungsfähigkeit von Menschen.
Ist Anpassung ein Kriterium fürs Erwachsensein? Foto: Fotolia/Free-Photos

Jens Jessen, Autor des Hauptartikels zum Thema „Erwachsen werden“ in der „Zeit“ spitzt diese Frage auf eine simple, aber dennoch interessante Differenzierung zu: Ist Anpassung an gesellschaftliche Normen ein Zeichen von erwachsen werden oder der Widerstand gegen diese Normen?

Wer also ist erwachsen - der angepasste Spießbürger oder der aufmüpfige Rebell? Die junge, schulstreikende Klima-Aktivistin Greta Thunberg aus Schweden und ihre Anhänger oder die Eltern, Lehrer und Politiker, die auf die Einhaltung der Schulpflicht pochen?

Wer darauf einfache Antworten bietet, verrät viel über seine eigene Haltung zum Thema. Ich bin überzeugt, dass weder das eine noch das andere viel mit Erwachsen sein zu tun hat. Denn egal ob angepasst oder rebellisch – beide Seiten reagieren auf etwas, das bereits vorgegeben ist: Die einen sind dafür, die anderen dagegen.

Beispiel Berufswahl

Das gleiche Phänomen zeigt sich in der Berufswahl. Der Sohn, der Landwirt wird, weil sein Vater und dessen Vater Landwirte waren, reagiert ebenso auf den Ist-Zustand wie sein Bruder, alles werden will, nur nicht Bauer.

Einer geht sozusagen nach Norden, der andere lieber nach Süden. Aber beide orientieren sich am gleichen Bezugspunkt: Papa ist Bauer. Ganz ähnlich verhält sich das mit dem Thema Emotionalität: Wenn Papa zu unkontrolliertem Jähzorn neigte, folgen ihm manche Jugendliche und verlieren ebenfalls die Kontrolle. Andere entscheiden sich komplett gegen das Gefühl Ärger und sind folglich nicht in der Lage, klare Grenzen zu setzen. Erwachsen ist nach meiner Einschätzung beides nicht.

Mögliche Antworten

Aber was ist es dann? Gleich fünf Autoren geben darauf Antworten in der „Zeit“.

Einer nimmt den Faden Bildung auf und formuliert folgende These: Je mehr wir dazu in der Lage sind, die Grenzen der Bildung zu akzeptieren, desto eher sind wir erwachsen. Will heißen: Erwachsen ist, wer damit klar kommt, dass es auf die großen und möglicherweise drängenden Fragen in dieser Welt möglicherweise die eine Antwort geben kann. Ganz im Gegensatz zu Kindern, deren Wissensdurst uns Erwachsene manchmal an unsere emotionalen Grenzen führt.

Strafmündig oder nicht?

Erwachsen. Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz von Menschen.
Oder ist es doch eher der Widerstand gegen Normen? Foto: Fotolia/Rawpixel

Dann gibt es natürlich das Kriterium der Strafmündigkeit. Vor Abschluss des 13. Lebensjahres gibt es die nicht. So hat das der Gesetzgeber festgelegt. Eine wissenschaftliche Basis dafür gibt es nicht. Von 14 bis 18 unterliegen Menschen in Deutschland dem Jugendstrafrecht. Zwischen dem 18. Und 21. Lebensjahr entscheidet der Richter, ob ein Täter nach dem Jugendstrafrecht oder nach dem für Erwachsene verurteilt wird.

Umgang mit Emotionen

Eine der Antworten auf die Frage nach dem Erwachsen sein hat zugleich etwas mit dem menschlichen Gehirn und mit Emotionen zu tun. Viele Forscher, heißt es da, betrachten die Frage, wie ein Mensch Emotionen verarbeitet als konkretesten Anhaltspunkt für die neuronale Volljährigkeit. Will heißen: Die Art und Weise, wie wir mit Emotionen umgehen, entscheidet darüber ob wir erwachsen sind – rein wissenschaftlich gesehen.

In der Praxis bedeutet das Folgendes: Je mehr wir in der Lage sind, unsere emotional bedingten Impulse zu kontrollieren, desto erwachsener sind wir. Dieser Satz ging mir viele Tage lang nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwo ganz weit hinten in meinem Bewusstsein begann ein Alarmglöckchen zu klingeln. Leise zunächst, aber beständig lauter werdend. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sich irgendwo Widerspruch oder eine Erkenntnis ankündigte. Schlagartig wurde mir klar, dass ich mir das Wort „kontrollieren“ genau anschauen musste. Ganz genau. Ich begegne in meinen Trainings oft Menschen, die glauben, sie seien erwachsen, wenn sie ihre Gefühle kontrollieren. Und sie meinen eine bestimmte Form von Kontrolle: das Unterdrücken.

Was Kontrolle bedeutet

Eine junge Frau etwa sprach im Training darüber, dass sie sich oft über ihren Kollegen ärgere. Der rufe sie immer wieder an, um unliebsame Aufgaben an sie abzudrücken. Das ärgere sie maßlos, erzählte die Teilnehmerin und betonte, sie sei sehr wohl in der Lage, diesen Ärger auszudrücken. Ich frage, wie sie das mache. Ihre Antwort: „Ich beende das Gespräch und rege mich dann bei meiner Kollegin wieder ab.“

Viele Teilnehmer äußerten Zustimmung. Das sei erwachsen, hieß es. So mache man das, hieß es. Ich fragte die Teilnehmerin, ob sie die zusätzliche Arbeit von ihrem Kollegen angenommen habe. Sie bestätigte das. Ich fasste zusammen: Im Gespräch mit ihrem männlichen Kollegen hat sie ihren Ärger tatsächlich kontrolliert, indem sie ihn unterdrückt hat. Mit dem Ergebnis ihres Telefongesprächs war sie nicht zufrieden. Kein Wunder, meine ich, denn Kontrollieren bedeutet nicht zwangsläufig unterdrücken.

Wie Erwachsene ihren Ärger nutzen

Erwachsen. Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz von Menschen.
Ich trainiere Menschen darin, ihren Ärger verantwortlich zu nutzen.

Ich frage die junge Frau, ob sie ihren Ärger nutzen möchte. Sie bejaht. Ich erkläre ihr, dass sie ihn dann gegenüber ihrem Kollegen zum Ausdruck bringen muss. Wir spielen die Situation durch, und die ersten drei Versuche gehen schief: Sie macht zickige Kommentare, fragt „Willst du mich veraschen?“ und beginnt zu argumentieren. Das Ergebnis ist immer das gleiche: Der Kollege beantwortet ihre Fragen, wird ebenfalls zickig und findet für jedes ihrer Argumente mindestens ein Gegenargument. Das Ergebnis: Sie hat die Aufgaben ihres Kollegen an der Backe.

Ärger zu nutzen bedeutet nicht, zickig zu sein, Fragen zu stellen oder zu argumentieren. Kontrollierter Umgang mit Ärger ist im Grunde ganz simpel, erkläre ich der jungen Frau: Du sagst, was dich ärgert und setzt eine Grenze. Nach kurzem Zögern setzt sie genau das um und sagt ihrem Kollegen zwei kurze, klare Sätze: „Es ärgert mich, dass du deine Jobs auf mich abdrückst. Ich will, dass das aufhört.“ Im Trainingsraum gibt es erst große Augen, dann Beifall.

Erwachsen Klartext sprechen

Kontrollierter Umgang mit Emotionen bedeutet weder, dass wir sie unterdrücken, noch dass wir hysterisch, panisch oder verrückt agieren. Wir drücken einfach nur aus, was uns bewegt. So simpel ist das, aber zugegebenermaßen nicht immer einfach. Und es erfordert Training. Gar nicht wenige Psychologen sind der Ansicht, dass Menschen in der Regel erst ab einem Alter von 25 Jahren dazu fähig sind. Manchem mag das als früh erscheinen, andere erlangen diese Fähigkeit schon in jungen Jahren.

Nach meinem Verständnis ist ein erwachsener Mensch in der Lage, seine Gefühle verantwortlich zu nutzen. Das bedeutet Kontrolle für mich. Ich gebe mich keinem unkontrollierten Wutanfall hin. Stattdessen sage ich dem Kollegen, was mich ärgert, und nutze meinen Ärger, um Klartext zu sprechen und um ihm eine Grenze zu setzen: „Ich möchte, dass du deine Aufgaben künftig selbst erledigst und mich damit in Ruhe lässt.“

Selbst entscheiden

Manchem mag das unhöflich erscheinen. Es steht jedem frei, die Formulierung zu ändern. Keine Frage. Entscheidend ist nur, dass wir Verantwortung für uns übernehmen. Widerwillig die Aufgaben anderer zu übernehmen und mich darüber bei unbeteiligten Kollegen auskotzen ist weder verantwortlich noch erwachsen.

Stichwort Verantwortung

Apropos verantwortlich. Auf Seite 2 der Themensammlung übers Erwachsen werden bin ich ungeduldig geworden. Ich wartete sehnsüchtig auf ein Wort und konnte einfach nicht verstehen, wie jemand eine Zeitungsseite zum Thema Erwachsen werden füllen kann, ohne dieses Wort zu verwenden: Verantwortung.

Für mich gehören die Begriffe Erwachsen sein und Verantwortung zusammen wie Gitarre und Saiten. Das eine ist ohne das andere unvollständig. Solange wir nicht verantwortlich sind, sind wir nicht erwachsen. Kinder, die von Zuhause ausziehen, sind nach meinem Verständnis erst dann erwachsen, wenn sie für ihre Entscheidungen selbst geradestehen. Solange ihre Eltern das für sie übernehmen, bleiben die jungen Leute Kinder.

Konsequenzen tragen

Erwachsen. Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz von Menschen.
Erwachsene dürfen tun, was sie wollen. Und sie tragen die Konsequenzen. Foto: Fotolia/Pexels

Mir ist das sehr klar geworden, nachdem ich mein Volontariat bei einer Tageszeitung beendet hatte. Von einem Tag auf den anderen durfte ich Artikel veröffentlichen, ohne sie von einem Redakteur absegnen zu lassen. Ich war selbst Redakteur und damit auch verantwortlich für meine Texte. Wenn ich Mist baute, musste ich dafür geradestehen. Das ist erwachsen.

Gegen Ende von Seite 2 taucht der Begriff Verantwortung endlich auf. Der Psychologe Werner Greve erklärt ihn so: Kinder sehnen sich danach, endlich erwachsen zu werden, weil sie die Spielräume der Großen wittern. Sie wollen die Freiheit, tun und lassen zu können, was sie wollen. Je mehr sie sich diesem Ziel nähern, desto klarer wird ihnen aber, dass alles seinen Preis hat: mehr Verantwortung und weniger Freiheit.

Von der Freiheit erwachsen zu sein

Ich sehe das ein wenig anders. Im Erwachsen sein sehe ich tatsächlich die Freiheit. Ich kann, im Rahmen geltender Gesetze und Normen, tun und lassen, was ich will. Es ist meine Entscheidung, ob ich arbeite oder nicht. Und ich bin es, der die Konsequenzen meiner Entscheidungen zu tragen hat. Wer denn sonst? Mama und Papa? Die Gesellschaft? Ich verstehe Freiheit so: Ich entscheide, und ich bin verantwortlich. Für einen Erwachsenen geht das eine nicht ohne das andere.

Beispiel aus dem Training

Ein Beispiel: In einem meiner Trainings ging es um den Umgang mit introvertierten Auszubildenden. Die Teilnehmer, allesamt Ausbilder, wollten wissen, wie sie verschlossene, junge Menschen dazu bringen, sich mitzuteilen. Also zu sagen, wenn ihnen etwas nicht passt, was ihnen gefällt, wenn es ihnen zu viel oder zu langweilig wird.

Wie macht man das? Ich kenne nur einen Weg: Verantwortung übernehmen. Das bedeutet, ich suche nach Antworten bei mir. Etwa so: Wie Trage ich dazu bei, dass mein Azubi so verschlossen ist? Daraus können sich jede Menge Antworten ergeben: Vielleicht höre ich nicht wirklich zu? Möglicherweise wirke ich abweisend oder mich meinem Azubi Angst? Vielleicht bin ich in genau diesem Punkt einfach nur ein schlechtes Vorbild, weil ich mich selbst kaum oder nie mitteile.

Wie Erwachsene sich mitteilen

Ich lud die Teilnehmer ein, genau das zu üben: von sich selbst zu sprechen. Also begannen wir alle, darüber zu reden, was uns ärgert, was uns Angst macht, was uns freut. Manche beteiligten sich mehr andere weniger. Das ist völlig in Ordnung. Nicht jeder Mensch hat das gleiche Mitteilungsbedürfnis. In der letzten Runde aber ging es um das Gefühl Trauer. Und da war für drei Teilnehmer Schluss.

Auch das ist in Ordnung. Viele Menschen sind es nicht gewohnt, anderen mitzuteilen, was sie traurig macht. Selbst wenn es um allgemeine Themen wie den Krieg oder das Elend in der Welt geht. Viele Menschen tun sich schwer damit, gerade auch vor Kollegen oder gar Vorgesetzten. Niemand muss das tun. Jeder ist frei zu entscheiden, ob und wie er sich mitteilt.

Antworten suchen

Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz von Menschen.
Nicht immer ist so leicht zu erkennen, wer der Erwachsene ist. Foto: pixabay/skalekar1992

Zum Erwachsen sein gehört aber auch dazu, die Konsequenzen der eigenen Entscheidung zu tragen. Das kann so aussehen: Wenn ich als Ausbilder ein Problem damit habe, mich gegenüber Kollegen zu öffnen, vermittle ich dann meinem Azubi tatsächlich, dass es in Ordnung ist, sich offen mitzuteilen? Ich glaube, die Antwort auf diese Frage zu kennen. Für die Teilnehmer ist das aber irrelevant. Meine Erkenntnis muss nicht ihre sein. Eines aber halte ich für wichtig: dass sie sich selbst fragen, was sie ihren Azubis vorleben und dann nach einer ehrlichen Antwort suchen.

Ich weiß, dass sich das für viele Menschen, wie eine Bürde anfühlt. Nach einer Last: Immer muss ich verantwortlich sein, ständig muss ich die verdammten Antworten bei mir suchen. Mir geht es mitunter auch so. manchmal will ich einfach, dass andere verantwortlich dafür sind, dass irgendetwas in meinem Leben nicht so läuft, wie ich das will.

Niemand muss erwachsen sein

Auch das ist völlig in Ordnung. Niemand muss Verantwortung übernehmen. Jeder ist frei, das zu entscheiden. Ich meine das ernst. Mich bewusst gegen meine Verantwortlichkeit zu entscheiden, ist tatsächlich auch ein verantwortlicher Akt. Dann sind eben andere Menschen für mein Leid verantwortlich. Diese Entscheidung ist verantwortlich, weil ich eine Konsequenz tragen muss: Ich bin komplett davon abhängig, dass  andere Menschen sich oder ihr Verhalten ändern. Dann bleibt mir nur eines: Ich muss abwarten und habe keinerlei Möglichkeiten selbst etwas zu tun.

Umgang mit Freiheit lernen

Das klingt für mich nicht nach Freiheit. Ich bin davon überzeugt, dass es nur eine Freiheit gibt: jene, die sich aus der Bereitschaft ergibt, die Antworten auf meine Fragen in mir selbst zu suchen und die Konsequenzen zu tragen. Aus der Verantwortung für mich selbst. Das zu lernen, daran zu scheitern und mich immer wieder daran zu erinnern, das bedeutet für mich Erwachsen werden.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

Stolla Training - wie wirksam ist

Warum das Stolla Training so erfolgreich ist

Würth Elektronik eiSos macht keine halben Sachen. Die äußerst erfolgreiche Würth-Konzern-Tochter im hohenlohischen Waldenburg nutzt Great Growing Up in vollem Umfang: Jeder Auszubildende und jeder Student durchläuft das Training ebenso wie jeder Ausbilder. Im internen Sprachgebrauch des Unternehmens ist allerdings fast immer schlicht vom Stolla Training die Rede. Maria Böcker, die Ausbildungsleiterin von Würth Elektronik eiSos, hat schon zahlreiche Trainings miterlebt. Sie ist verantwortlich dafür dass dem Unternehmen authentische Menschen zur Verfügung stehen, die offen ansprechen, was sie freut, aber auch was sie ärgert, was sie ängstigt und was sie traurig macht. Was das mit dem wirtschaftlichen Erfolg von Würth Elektronik eiSos zu tun hat, erklärt sie hier im Interview.

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Vom Umgang mit jungen Talenten

Stolla: Hallo Maria.

Würth Elektronik eiSos setzt auf das Stolla Training.
Würth Elektronik eiSos in Waldenburg setzt auf Great Growing Up.

Böcker: Hallo Matthias.

Stolla: Schön, dass wir hier sind. Maria ist die Ausbildungsleiterin von Würth Elektronik eiSos, einem großen Unternehmen mit wie vielen Mitarbeitern derzeit?

Böcker: Etwas über 8.000 Mitarbeiter.

Sitz in Waldenburg

Stolla: Gute Güte. Firmensitz im Hohenlohischen Waldenburg und Maria ist die Leiterin der Ausbildungsabteilung. Wie viele Studenten und Azubis, bei euch heißen die ja anders, die heißen Young Talents, wie viele Young Talents hast du denn unter deinen Fittichen, Maria?

Böcker: Mit den Frühjahresabsolventen waren wir 68, jetzt sind natürlich ein paar fertig und jetzt sind wir nur noch 61.

Stolla: 61 insgesamt?

Böcker: Ja.

15 Jahre Ausbildungsleiterin

Stolla: Und du machst diesen Job nicht seit gestern, sondern…?

Stolla Training - wie wirksam ist
Maria Böcker ist Ausbildungsleiterin bei Würth Elektronik eiSos.

Böcker: Den Job mache ich sei 2005 und ich bin aber mittlerweile seit 20 Jahren in der Firma. Und eben die letzten 15 Jahre bin ich Ausbildungsleiterin.

Stolla: Ok. Ich vermute, da erlebt man so Einiges.

Böcker: Oh ja!

Was man als Ausbildungsleiterin erlebt

Stolla: Und vielleicht kannst du ein bisschen drüber sprechen was dir auffällt, wohin entwickelt sich der berufliche Nachwuchs? Was fällt dir auf, wenn du die jungen Leute anschaust, die du von Jahr zu Jahr einstellst?

Böcker: Also vor 15 Jahren waren die jungen Leute anders, als ich sie jetzt erlebe. Damit müssen wir umgehen und das ist auch ein ganz normaler Zeitfluss, wie sich junge Menschen entwickeln. Was ich erlebe, ist im Moment, dass die Generation mehr Sicherheit von uns als Unternehmen, von uns als Ausbilder, von uns als Ausbildungsleitung einfordert. Und wir die jungen Leute mehr begleiten und unterstützen müssen als noch vor 15 Jahren.

Das Sicherheitsbedürfnis

Stolla: Was für eine Art Sicherheit fordern sie denn ein?

Böcker: Ganz profan gesagt: Wo ist mein Arbeitsplatz? Was habe ich für technisches Equipment? Wie heißt mein Tutor? Wie sind meine Arbeitszeiten? Was kriege ich für Unterlagen? Wo finde ich alles digital im Netz oder bei uns in der Firmensoftware? Und das hatten wir so vorher nicht erlebt. Früher dachte man: „Das wird mir schon jemand zeigen, da werde ich schon irgendwie klarkommen.“ Heute sagt man: „Zeig mir erstmal wo alles ist, dann kann ich mich gut fühlen.“

Was in Schulen zu kurz kommt

Stolla: Ah ok, dahinter steckt vielleicht die Sorge oder die Angst davor - wenn ich selber etwas anfange, mache ich womöglich etwas falsch.

Das Stolla Training setzt Maßstäbe.
Ob Stolla Training oder Great Growing Up - die Wirksamkeit ist erstaunlich.

Böcker: Ja, das kann ein Grund sein. Ich vermute aber auch, weil es so in den Schulen und in den Elternhäusern vermittelt wird. Ich bekomme schon ein Fundament geboten, wo ich die Sicherheit habe. Und die Jugendlichen meinen, dass es in Unternehmen auch so ist. Ausprobieren, Fehler machen, aus den Fehlern lernen, nochmal ausprobieren, nochmal einen Fehler machen, war früher eher der Fall. Heute fordert man eher so: „Sag mir erstmal wie es richtig geht, zeig mir das nochmal.“ - um dann loszulegen.

Stolla: Und dann mache ich’s nach…

Böcker: …Und dann mache ich’s nach. Und wenn ich zuerst diese Sicherheit habe, dann werde ich erst kreativ.

Digital Natives in der analogen Arbeitswelt

Stolla: Verstehe. Und was glaubst du, was könnte die Ursache für diese Entwicklung sein?

Böcker: Einmal sehe ich den Grund in der digitalen Welt, in der sie aufwachsen. Ich sehe es darin, dass die jungen Menschen die Möglichkeit haben im digitalen Netz prinzipiell alles zu finden, was sie wollen. Und jetzt kommen sie in ein Umfeld, in dem sie nicht alles sofort finden können und wo es ja auch um Menschen geht und wo es ja auch um Beziehungen geht. Und wo ich auch darauf achten muss, wie tickt der und wie tickt der andere. Ist es männlich, ist es weiblich, ist es keins von beiden? Ist er alt, ist er jung, ist es ein Kollege oder mir möglicherweise höher gestellt? Und das kann man eben nicht sehr schnell googeln. Das muss man erleben, erfahren und selbst daran mitwirken.

Stolla: Offensichtlich machen die jungen Leute diese Erfahrung nicht, eher sie im Ausbildungsbetrieb landen.

Böcker: Ja, den Eindruck habe ich auch. Das ist kein Schulwissen, das vermittelt wird.

 

Das komplette Interview mit
Maria Böcker hier als Video:

Was der ideale Azubi braucht

Stolla: Wenn du dir einen idealen Young Talent vorstellst, egal ob Student oder Azubi, was muss der oder die für Eigenschaften mitbringen?

Böcker: Neugier. Die Neugier auf die Welt an sich, sowie die Neugier auf die Welt des Anderen. Also von meinem Gegenüber. Da geht es wieder um Beziehungen und Menschen. Außerdem Spaß und Freude an der Arbeit, die mir beigebracht wird. Auch wenn es mal langweilig wird, trotzdem weiter zu machen, also auch hartnäckig zu bleiben und zu sagen: „Ok, da muss ich durch!“ Und natürlich auch eine Offenheit selbst so zu sein wie ich bin. Das auch zu leben und sagen: „Doch, ich finde mich selber gut.“

Stolla: Ein gesundes Selbstbewusstsein?

Böcker: Genau, ein gesundes Selbstbewusstsein. Die kommunikativen Fähigkeiten, also freundlich und hilfsbereit zu sein, das setze ich sowieso voraus.

Stolla: Die Basics.

Der Mut, Neues zu wagen

Böcker: Ja, die Basics setze ich sowieso voraus. Aber gerade diesen Elan: „Ich probiere jetzt etwas Neues aus.“ Oder: „Oh das ist bestimmt interessant, gib mir das! Da habe ich zwar eine Portion Angst davor, aber ich denke, wenn ich die richtigen Leute frage, dann kriege ich das auch hin.“

Die Angst, Fehler zu machen

Stolla: Ich habe in den letzten Wochen immer wieder mal gelesen, dass genau das ein Merkmal der jetzigen Generation der jungen Leute, den Post-Millennials, ist: Die mangelnde Bereitschaft sich auf das Risiko des Scheiterns einzulassen. Ist es das, was du auch beobachtest?

Böcker: Vermehrt. Wir haben bei uns im Unternehmen eine schöne, gute und auch nachvollziehbare Fehlerkultur. Und trotzdem ist die Zurückhaltung in den

Alle haben das Stolla Training absolviert: das Ausbildungsgremium von Würth Elektronik eiSos.
Alle haben das Stolla Training absolviert: das Ausbildungsgremium von Würth Elektronik eiSos.

letzten zwei Jahren von unseren Young Talents größer, als in den Jahren davor. Es scheint schon so zu sein, dass die Fehler in den Köpfen der jungen Menschen nicht mehr erlaubt sind. Wobei sie bei uns mit der Haltung begleitet werden: „Natürlich musst du Fehler machen! Erst wenn du Fehler machst, merkst du woran du arbeiten musst.“ Und merkst auch bei dir selbst: „Oh da bin ich nicht so gut. Ok, was muss ich tun, um da besser zu werden? Was war mein Beitrag, der zu dem Fehler führte? Und es gibt natürlich auch Sachen, bei denen jeder für sich feststellt: „Das ist ja überhaupt nicht meine Stärke!“ Aber dann werden wir eben das finden, was seine Stärke ist.

Mehr als ein Lippenbekenntnis

Stolla: Ist diese Ermutigung bei euch im Unternehmen: Hey riskiere was Neues zu machen, riskiere Fehler zu machen und lerne daraus – ist es nur ein Lippenbekenntnis oder meint ihr das ernst?

Böcker: Das meinen wir total ernst. So ist unsere ganze Ausbildung aufgebaut. Weil das Ziel ist natürlich, erstens, die Fachkräfte der Zukunft für unser Unternehmen zu sichern. Das ist mein Auftrag und dem muss ich auch gerecht werden. Aber auch, dass ich junge Menschen habe, die hinterher gute Fachkräfte sind, bis hin zu Teamleiter, Spezialisten, die hinterher auch richtig Karriere bei uns machen. Was ja auch ein Standbein für unser Unternehmen ist. In zehn oder sogar vielleicht schon in fünf Jahren. Und die werden bei uns durch das ganze Konzept der Ausbildung so hingeleitet, dass ich mit gutem Gewissen sagen kann: „Während deiner Ausbildung, egal ob 2,5, 3 oder 5 Jahre, habe ich dir Meilensteine mitgegeben, sodass ich als Ausbildungsunternehmen an deiner Entwicklung wirklich teilgenommen habe.

Der Mensch im Vordergrund

Böcker: Das dokumentieren wir natürlich auch. Zum Beispiel durch unsere regelmäßigen Feedbackgespräche, die auch gerade die sozialen und

Stolla Training - wie wirksam ist
Im Training mit Tutoren (Ausbildern) von Würth Elektronik eiSos.

persönlichen Kompetenzen in den Vordergrund stellen. Die fachlichen und methodischen setzen wir quasi schon voraus. Wobei die auch beurteilt werden. Die Philosophie bei uns in der Ausbildung heißt: Der Mensch steht im Vordergrund. Es bedeutet den Menschen zu kennen, zu wissen, wie er tickt und ihn durch das regelmäßige, konstruktive Feedback weiterzuentwickeln. Das ist ein Geben und Nehmen: Ich beobachte das so und mache das daran fest. Dann gehe ich in die Vorleistung und erzähle von mir und das gleiche erwarte ich vom Young Talent. Und dadurch haben wir schon während der Ausbildung sehr gefestigte jungen Menschen, die wir mit gutem Gewissen in die normale Mitarbeitertätigkeit übergeben können.

Erfahrungen mit dem Stolla Training

Stolla: Ein Teil der Ausbildungsstrategie von Würth Elektronik eiSos ist die Zusammenarbeit mit Great Growing Up seit 2016. Da trainiert Great Growing Up sowohl eure Tutoren, die bei anderen Ausbilder heißen, als auch eure Young Talents, sprich eure Auszubildenden und die Studenten. Es gab schon einige Trainings, es sind mehrere im Jahr und seit einiger Zeit bist du als Ausbildungsleiterin immer dabei. Bis auf ganz wenige Ausnahmen. Bist du kein Störfaktor, wenn junge Leute oder auch Ausbilder an ihrer Persönlichkeit arbeiten und die Chefin der Ausbildungsabteilung mit im Raum sitzt?

Böcker: Ich fühle mich nicht als Störfaktor. Nach den Rückmeldungen empfinden die Tutoren und die Young Talents es auch nicht, wobei ich in manchen Situationen im Stolla Training schon denke: „Boah, ihr seid schon mutig, ihr Young Talents und Tutoren, so offen zu sprechen, wenn ich dabei bin.“

Alles bleibt vertraulich

Stolla: Haben die was zu befürchten?

Böcker: Nie im Leben. Das bleibt alles vertraulich. Ich bin auch in dem Moment, wenn ich als bei den Stolla Trainings als Co-Trainerin fungiere, nicht unbedingt in der Rolle der Ausbildungsleiterin – Ich muss dich nicht überprüfen, ich muss dich nicht kontrollieren, ich muss dich nicht bewerten, ich muss dich nicht benoten und ich muss dir nachher kein supertolles Zeugnis schreiben. In der Rolle bin ich nicht unterwegs. Ich bin in der Rolle unterwegs, in der ich sage: „Ich will so sehr an deiner Entwicklung teilhaben und mich interessiert es einfach, dass du mit diesem Training, bei dem es darum geht dich selbst einzuschätzen – in welcher Gefühlslage bin ich gerade? – dass ich dir diesen Weg mitgebe und von dich noch besser kennen lerne. Sodass ich deine Ausbildung abrunde und dich als Mensch noch viel, viel mehr wahrnehmen kann, als vorher.“ Was mir in der Firma so nicht oft gelingt. Hier lerne die Menschen in den 2,5 Tagen von einer Seite kennen, die ich im Unternehmen voraussichtlich so nie gesehen hätte.

Wie das Stolla Training wirkt

Stolla: Hast du Beispiele dafür, wo du sagst: „Wow, da habe ich von jemandem wirklich etwas kennengelernt, da wäre mir im Unternehmen so nie gelungen?“ Was für Erlebnisse hattest du in den vielen Trainings, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Profitieren vom Stolla-Training: Young Talents von Würth Elektronik eiSos.
Profitieren vom Stolla-Training: Young Talents von Würth Elektronik eiSos.

Böcker: Eins ist mir im Gedächtnis geblieben: Ein richtig gestandener Young Talent, der das Stolla Training mit uns durchlaufen hat und wir über unsere Gefühle gesprochen haben – ich sage wenn ich Angst habe, ich sage wenn ich Ärger habe etc. – am Tag nach dem Training kam er in mein Büro und sagte: „Hallo Maria, ich will dir nur eins sagen, ich habe mich gestern richtig geärgert, dass wir…“ Und dann habe ich gedacht, super! Das finde ich jetzt gut, dass du wirklich das Wort Ärger benutzt hast und ich deine Gefühlslage absolut nachvollziehen konnte. Das war so einer, der direkt nach dem Training zu mir kam.

Eine, die sich über Ärger freut

Stolla: Also wir halten mal fest: Du freust dich, wenn ein Young Talent, ein Student oder ein Azubi, zu dir sagt: „Mensch Maria, mich hat es gestern geärgert, dass du dies oder jenes gemacht hast?“

Böcker: Ja, da freue ich mich drüber. Wenn ich es wirklich nachvollziehen konnte.

Authentische Azubis

Stolla: Warum denn?

Böcker: Ich freue mich einfach, wenn jemand ehrlich und authentisch zu mir sagt wie er sich fühlt. Dann kann ich mit dem Wortlaut umgehen

Stolla Training - wie wirksam ist
Trainierte Tutoren (Ausbilder) von Würth Elektronik eiSos.

und weiß wie es ihm gerade geht. Und allein diese Ausdrücke: Ich bin schon nervös – aber was steckt hinter der Nervosität? Das ist reine Angst. Zu sagen: „Das macht mir schon Angst, dass ich morgen in die Prüfung gehe“, oder ob man sagt: „Ich bin schon nervös vor der Prüfung“ – das ist ein Unterschied. Wenn jemand Angst wahrnimmt und es mir mitteilt, kann ich das besser nachvollziehen und mitfühlen oder ihn stärken und sagen: „Dir kann doch nichts passieren, wir haben zusammen geübt, du hast viel geübt. Aber das ist ganz normal, dass du Angst hast. Das ist sogar gut, dass du Angst hast, dann bist du vorsichtig und passt besser auf und bereitest dich vielleicht heute Abend noch eine Stunde vor.“ Sodass er morgen mit einem guten Gewissen seine Prüfung machen kann.

Der Mehrwert für den Kunden

Stolla: Jedes Young Talent, jeder Azubi und jeder Student, jede Tutorin, jeder Tutor besucht dieses Training. Was ist denn der Mehrwert für euer Unternehmen? Was bringt denn das Ganze?

Böcker: Wir bekommen durch das Stolla Training authentische Menschen. Wir bekommen Menschen, die wissen wie sie sich selbst einschätzen können. Die dann in der Lage sind mit dem Gegenüber so zu sprechen, dass es normal ist zu sagen wie die eigene Gefühlslage gerade ist. Das heißt ja nicht, dass wir alle in der Firma rumrennen und sagen: „Ich glaube heute geht es mir nicht so gut, ich glaube ich habe Angst.“ Oder: „Mit der Person möchte ich gerade nicht sprechen, weil ich mich gestern über sie geärgert habe!“ So sprechen wir nicht. Uns ist es besonders wichtig, dass die Reflekxon beim Menschen selber stattfindet. Ich weiß es jetzt einzuschätzen in welcher Gefühlslage ich gerade bin und kann darauf reagieren. Diese Selbstreflexion ist uns besonders wichtig. Die passt absolut zu unseren Feedbackbögen, passt absolut zu unseren Bögen vom Personalgespräch, passt absolut zu unserem eiSos-Spirit, den wir auch leben und in die Mannschaft bringen. Das ist einfach noch ein i-Tüpfelchen oben drauf.

Trainierte Tutoren

Böcker: Und ich bin der Meinung, diese jungen Leute, die wir in der Ausbildung haben, sind natürlich noch formbarer, weil sie noch kein anderes Unternehmen kennen. Als ein Mitarbeiter, der schon 10 oder 15 Jahre im Unternehmen ist. Wenn ich den Tutor mit dem Stolla Training konfrontiere und er mitmacht und das einsieht, weiß er, ob er die gleiche Sprache wie der Young Talent spricht. Und darum ist es uns wichtig, dass beide mitmachen und das bringt unser Unternehmen weiter voran. In der Beziehung. Denn die Beziehung ist das A und O, auch im Geschäftsleben.

Kein Stolla Training ist wie das andere

Stolla: Wenn du so zurückblickst auf die Trainings, ich weiß gar nicht mehr wie viele du schon erlebt hast, wird’s dir nicht langweilig?

Böcker: Ne! (lacht) Da gibt es immer verschiedene Menschen.

Stolla: Ja, aber sind immer die gleichen Themen?

Nach dem Training: Young Talents mit Matthias Stolla und Maria Böcker.

Böcker: Es ist noch kein Stolla Training so gewesen wie das andere. Wir haben andere Fälle, wir haben andere Situationen. Wir haben ganz andere Typen, ganz andere Charaktere. Mir ist bisher in keinem Training langweilig gewesen. Und es ist immer überraschend, wie sich so ein Training entwickelt. Es fängt am Montagmorgen an und hört am Dienstagabend auf. Und am Montagmorgen habe ich ganz andere Menschen vor mir stehen, als am Dienstagabend. Das ist ja auch eine Entwicklung, die so wahnsinnig schnell von statten geht. Und wenn ich an diese wertschätzenden Feedbacks denke, die sind einfach phänomenal und lassen und alle mit stolzgeschwellter Brust nach Hause fahren. Was so ein Training beim Menschen alles bewirken kann. Auch wenn es nur eine Sache ist!

Andere Haltung nach dem Stolla Training

Stolla: Was gibt’s denn noch für Beispiele für Unterschiede, wenn du sagst: „Ich erlebe einen Teilnehmer am Dienstagabend, also nach dem Training, anders als am Montag. Was sind denn das für signifikante Unterschiede, die du bisher feststellen konntest, bei den Tutoren und den Young Talents?

Böcker: Signifikant ist die Körperhaltung. Also ich sehe das an der Körperhaltung. Die stehen anders, die schauen mich nach dem Stolla Training  anders an. Die Menschen laufen anders im Raum herum. Die sitzen auch anders. Sie sind offener, mutiger und verantwortungsbewusster und auch ehrlicher sich selbst gegenüber. Das liegt daran, weil es in diesen 2,5 Tagen viel darum geht zu erkennen, was mich gerade so berührt. So in der Richtung. Also, welches Gefühl ist das? Wenn es die Freude ist, ist es wunderbar, das berührt einen auch, wenn da freudige und glückliche Menschen dasitzen! Das hatten wir auch schon oft.

Stolla: Ja, das stimmt! Maria, vielen Dank für die Einblicke in das Trainigsgeschehen und deine Erfahrungen.

Böcker: Gerne, Matthias.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Wichtiges zum Thema Stolla, das niemand lesen muss

Der hier folgende Abschnitt ist für das Thema des Beitrags, Stolla,  vollkommen irrelevant. Ich veröffentliche ihn hier nur, um meiner Website bzw. deren Ranking bei den gängigen Suchmaschinen etwas Gutes zu tun. Ich rate also ausdrücklich davon ab, ihn zu lesen, denn es geht hier nur darum ein paar Begriffe zu platzieren, die Suchmaschinen erwarten, wenn eine Seite mit dem Suchwort Stolla verknüpft ist. So wie diese hier.
Das ist sogar ein bisschen witzig, denn die Suchmaschinen erwarten dann beispielsweise Worte wie Stola, Seidenschal oder Halstuch. Alles nur, weil als Suchwort mein werter Nachname  Stolla angeben ist. Und da scheint es völlig egal zu sein, dass man Stola mit einem "l", mich aber mit deren zwei schreibt. Stolla eben.

Alles nur wegen der Suchmaschinen

Und dass die Trainings von Great Growing Up vor allem eine Industriedienstleistung sind, spielt dabei wohl auch keine Rolle. Stattdessen wollen die Suchmaschinen tatsächlich, dass ich, Matthias Stolla,  Begriffe wie Schal, Seide und Nella-Mode verwende. Alles nur, weil ich Stolla heiße und im Grunde eine Industriedienstleistung anbiete, zu der auch Coaching gehört. Immerhin Coaching wird als Wort ebenfalls erwartet. So wie auch Inustriedienstleistung. Und natürlich Stolla. Wegen der Häufigkeit des Suchworts.
Darüber hinaus auch Begriffe wie Heidenheim an der Brenz, Ich gebe zu: Es würde mich schon interessieren warum. Auf der Begriffe-Wunschliste stehen zum Suchwort Stolla zudem Majo, Luju, Weiss und Paisley. Ich trage tatsächlich gerne Hemden mit buntem Paisley Muster, aber weiß das die Suchmaschine? Wer weiß? Oder weiss? Auch diese Schreibweise ist bim Suchwort Stolla gefordert.

 Stolla und die Suchmaschinen

Und weiter geht's mit Begriffen, die nichts mit dem Thema Stolla Training zu tun haben: hg, Zweigstelle, Bericht, Tonmeistertagung. Plochingen ist ebenso gefordert wie die Erwähnung klassischer Musikaufnahmen. Der Tonmeister darf ebenso wenig fehlen wie 502, 27fax, 1818fax, Heidelberg, Gerontologie, übermittelt und die Musikwissenschaft.

Avenella, Worms, Folklore und Russia darf ich auch nicht vergessen, wenn ich den Begriff Stolla für Suchmaschinen optimieren will. 6241, 7153 und 929 sowie die Begriffe Institut, modernem, amazon.de,Chiffon und Personalleasing auch nicht. Ebenso wenig Abendkleid, russisch und Tracht und Uni. Das hat alles nichts mit meiner Arbeit als Trainer zu tun. Aber das ist bei Tuch, Seidenschal, Fransen und Seide sowie bei Industriendienstleistung-stolla.de und Chiffon auch nicht anders. Auch nicht bei ganz feiner.

Je feiner, desto besser

Ja genau, feiner soll auch im Text vorkommen. Und Gehälter ebenso wie Gehalt-Suche, indeed sowie junges, beschriebenen und gespeichert. Jetzt soll ich noch je einmal die Begriffe, Fransen, Tuch, Nella-Mode und Schal erwähnen, dann müsste sich das im Ranking bemerkbar machen. Geschafft! Und ich hoffe, Sie haben das hier nicht bis zum Ende gelesen. Ich hatte Sie ja davor gewarnt...

© Matthias Stolla 2019

Zickenkrieg im Team und im Job beenden

Als Mann über das Thema Zickenkrieg im Team zu schreiben, erfordert Mut. Öffentlich über Zickenkrieg im Job oder auch nur über Unterschiede zwischen eher männlichen und eher weiblichen Verhaltensweisen zu schreiben, ist ein Risiko. Allein der Versuch, den Diskurs zu wagen, gilt vielen als rückständig, altmodisch oder gar reaktionär.

Unterschiede im Verhalten

Ich tue es trotzdem. Schon allein, weil es auch Wissenschaftlerinnen(!) gibt, die mich in meiner Wahrnehmung bestätigen. Und natürlich auch weil ich Unterschiede im Verhalten von Frauen und Männern in meinen Trainings immer wieder erlebe und darin nichts Schlechtes erkenne.

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Zickenkrieg unterhält Leser

Zickenkrieg ist ein beliebtes Thema. Das zeigt allein die Verwendung des Begriffs in der einschlägigen Presse. Wenn eine Herzogin des britischen Königshauses (Kate) Streit hat mit ihrer Amtskollegin (Meghan), dann ist diese Situation ein gefundenes Fressen für die Autoren: Zickenkrieg bei den Royals. Es gibt auch Fernsehsendungen, die sich dem Klischee  widmen: "Auf Streife" etwa zu sehen bei sat.1.

Bissige Stuten

Und dann gibt es noch Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand. Die bietet im Netz tatsächlich Kräutermischungen für bissige Stuten an, die helfen sollen, den Zickenkrieg unter Pferden zu beenden. So viel zur Stutenbissigkeit.

Menschen wollen gut dastehen

Apropos Stutenbissigkeit: Menschen sind natürlich keine Pferde. Und es gibt natürlich auch jede Menge Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich nicht auf das eine oder andere Geschlecht festlegen lassen. Ein Beispiel: Egal, ob es sich um ein Team mit männlichen oder weiblichen Kollegen handelt, in beiden gibt es hin und wieder Streit um den Status. Menschen wollen eben gerne gut dastehen.

Wechselnde Bündnisse

Aber: Psychologen um Joyce Benenson vom Emmanuel College in Boston haben Bemerkenswertes herausgefunden: Wenn Frauen eine Situation erleben, in der sie ihren Status in einer Gruppe einbüßen könnten, schmieden sie rasch Allianzen, um andere auszuschließen. Laut Benenson greifen Frauen, wenn sie Konkurrenz erleben, eher auf dieses Mittel zurück als Männer. Stutenbissigkeit und Zickenkrieg unter Frauen sind offenbar nicht ohne Grund zum Klischee geworden.

Heute Freundin, morgen Feindin

Wenn Frauen Konkurrenz erleben, kämpfen sie offenbar mit anderen Mitteln als Männer. Sie wechseln ihre Verbündeten und bilden neue Allianzen. Die Freundin von heute kann morgen eine Feindin sein - freundschaftliche Beziehung beendet. Das hört man als Mama oder Papa schon von Kleinkindern,  oft von Mädchen. Von Jungs hingegen eher weniger. Kleiner Trost: Die Trennung von der Freundin hält oft nicht lange an.

Selbstbild Frau

Ich höre in Trainings und Gesprächen oft Äußerungen von weiblichen Teilnehmern, die viel über ihr Selbstbild als Frau verraten:

  • "Lieber einen Chef als eine Chefin."
  • "Bloß keine weiblichen Kollegen mehr im Team."
  • "Ihr Männer seid viel unkomplizierter."
  • "Frauen sind eben Zicken."

Hartnäckiges Klischee

Zickenkrieg im team beenden mit Great Growing Up.
Stutenbissigkeit? Dagegen scheint ein Kraut gewachsen. Foto: pixabay

Ich will mich weder über das Thema Zickenkrieg lustig machen, noch behaupten, das Weibliche sei schlecht, das Männliche gut. Dazu kenne ich mich als Mann zu gut und die Frauen zu wenig. Eher schon fasziniert mich die Frage, wieso sich das Klischee vom typisch weiblichen Zickenkrieg so hartnäckig hält. Zumal ich der Meinung bin, dass doch gerade Frauen Beziehung gestalten. Mehr als wir Männer zumindest.

Und ich will eine Geschichte erzählen. Von einem Auftrag, der viel gefährlicher war, als das Schreiben eines Artikels über Männer und Frauen.

Allein unter Frauen

Meine Frau kennt sich aus mit Frauen. Sie ist selbst eine und weiß, wie Frauen ticken. Ich bin ihr Mann und in diesem Punkt im Nachteil. Deshalb hat sie mich davor gewarnt, ein Training nur mit Frauen zu leiten. Zickenkrieg im Team sei gefährlich, hat sie gesagt, vor allem für Männer. Aber erstens war genau das der Wunsch meines Kunden, und zweitens bin ich Manns genug, um die Warnungen meiner Frau hin und wieder in den Wind zu schlagen, um mich neuen Herausforderungen zu stellen.

Zickenkrieg im Team kostet Nerven

Außerdem war mein Kunde in Not. Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens hatte die Nase voll. Eine rein weiblich besetzte Abteilung raubte ihm den letzten  Nerv. „Da herrscht der totale Zickenkrieg“, erzählte er mir, „die Frauen haben jede Menge Konflikte untereinander, aber keine spricht sie offen an“. In der Folge sei die Atmosphäre vor allem von unterschwelliger Feindseligkeit geprägt, der Umgang untereinander sei boshaft und giftig, der Ruf der Abteilung innerhalb des Unternehmens katastrophal. Mobbing untereinander sei die Regel. Mein Auftrag: den Zickenkrieg im Team beenden.

Schlechtes Klima, hoher Krankenstand

Das alles könnte einem Unternehmer ja komplett egal sein, solange die Zahlen stimmen. Genau das taten sie aber nicht, der Krankenstand war so hoch, wie die Zuverlässigkeit der Damen niedrig war. Der Geschäftsführer hatte von der Situation die Nase voll und stellte den Frauen ein Ultimatum:  Entweder sie lassen sich auf das Training mit mir ein oder er sehe sich gezwungen, Konsequenzen zu ergreifen. Denn Zickenkrieg im Team kostet nicht nur Nerven, sondern auch Geld.

Großartige Voraussetzungen für ein Training in entspannter und vertrauensvoller Atmosphäre also. *Ironie beendet*

Training mit schwierigem Start

Die erste von insgesamt fünf Trainingseinheiten à zwei Stunden begann dann auch just mit einer Gardinenpredigt des Geschäftsführers. Die Stimmung im Raum war entsprechend gedrückt.  Von Vertrauen in den Trainer keine Spur. Woher auch? Schließlich hatte mich der Geschäftsführer gebucht, ich arbeitete in seinem Auftrag. Willkommen im Zickenkrieg im Team!

Der Trainingskontext

Zickenkrieg im Team beenden mit Great Growing Up.
Ein rein weibliches Team? Kann natürlich funktionieren, dennoch sind viele Frauen da skeptisch. Foto: pixabay/Aldo Marques

Und doch geschah in dieser ersten Trainingseinheit ein Wunder. Ich stelle mich vor, erzähle von mir und meinem verschlungenen Umweg zum Trainerberuf, von meinen bodenlosen Ängsten während der Ausbildung einerseits und von meiner Leidenschaft dafür, Menschen in ihrer Wahrhaftigkeit und Beziehungskomptenz zu trainieren andererseits.

Angeblich negative Gefühle

Ich präsentiere meinen Trainingskontext, der viel mit dem bewussten Wahrnehmen und Äußern von Emotionen zu tun hat und spreche von den vier Grundgefühlen Freude, Ärger, Trauer und Angst. Und natürlich sind die fünf Frauen vor mir überzeugt, dass es nur ein positives Grundgefühl gebe: die Freude. Ärger, Trauer und Angst seien Scheiße sagen sie in bemerkenswerter Einigkeit und meiden sie deshalb wie die Pest. Und genau das ist ihr Problem. Gudrun, die dienstälteste Mitarbeiterin in der Abteilung, gilt vielen schlicht als „böse“, Olga aus Griechenland sei hinterfotzig, heißt es, die Spätaussiedlerin Irene sei die schlimmste Zicke des ganzen Unternehmens, während Meike und Sonja als unauffällig und still wahrgenommen werden.

Vermeidung führt in den Zickenkrieg

Es kostet mich einige Anstrengung, mein Frauenkränzchen im Zickenkrieg für mich und meinen Trainingskontext zu gewinnen. Dass gerade in den angeblich negativen Gefühlen Ärger, Trauer und Angst Qualitäten stecken sollen, das wollen sie nicht so einfach schlucken. Vor allem Irene macht dicht. Ihre Schale ist besonders hart und erstmal nicht zu knacken.

Uralte Verletzungen brechen auf

Bei Gudrun passiert genau das ganz automatisch. Je mehr wir über das Gefühl Trauer reden, über emotionale Verletzungen und den damit verbundenen Schmerz, desto unruhiger wird sie. Und ihre Augen beginnen zu glänzen. Nach einigen Minuten angestrengter Beherrschung gibt sie den Kampf gegen ihr Gefühl auf und sie beginnt, sich mitzuteilen. Gudrun ist seit fast 20 Jahren im Betrieb, und die Liste der Verletzungen, die sie erleiden musste, reicht zurück bis zu ihrem ersten Tag im Betrieb.

Wie Mitgefühl entsteht

Gudrun spricht über Spott und Ausgrenzung, die sie erlebt hat, weil sie nicht aus der Region stammt. Und sie erzählt nicht nur, sie teilt sich mit. Das heißt, sie drückt aus, was sie fühlt: Schmerz. Tränen fließen. Nicht nur bei Gudrun, sondern auch bei Sonja und Meike, auch Olga wirkt berührt, Irene scheint am liebsten aus dem Raum stürmen zu wollen.

Der erste mutige Schritt

Zickenkrieg im Team beenden mit Great Growing Up.
Eine Frau als Chef? So manche Frau bevorzugt männliche Vorgesetzte. Warum eigentlich? Foto: pixabay/Gerd Altmann

Gudrun spricht über ihre Verspannungen im Genick, über schlaflose Nächte, darüber, dass sie Menschen aus dem Weg geht und dass Menschen ihr aus dem Weg gehen. Weil sie als übellaunige, böse Frau wahrgenommen wird. Gudrun weint. Das ist ihr peinlich, aber sie lässt sich dafür gewinnen, weiter zu sprechen. Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren. Ihr Mut beeindruckt mich zutiefst. Hin und wieder schimpft sie mit mir – mit einer rührenden Mischung aus mütterlicher Autorität und aufrichtiger Dankbarkeit.  Sie fühlt sich von einer tonnenschweren Last befreit.

Klimawandel im Team

Die Atmosphäre hat sich drastisch verändert, seit Gudrun begonnen hat, sich mitzuteilen. Das Misstrauen ist dem Mitgefühl gewichen. Die Box mit den Papiertaschentüchern ist nahezu leer. Ich frage die Frauen, wie sie ihre Gruppe jetzt im Unterschied zu vorher erleben. Ich muss nicht lange warten, bis die Antworten kommen: „Wir sind jetzt viel näher einander“, sagt Olga. „Jetzt ist es viel schöner hier“, sagt Meike, und Sonja pflichtet ihr bei. Kaum noch Zickenkrieg im Team. Irene sagt gar nichts, und Gudrun schnieft. „Ich mag dich gar nicht“, sagt sie zu mir, und ich weiß genau, dass sie das nicht ernst meint.

Nähe statt Distanz

Ich frage die Gruppe, welches Gefühl diese neue Atmosphäre im Raum erzeugt hat. Gudruns Traurigkeit, erkennen sie und sind um eine Erkenntnis reicher. Verdrängte Trauer erschafft Einsamkeit., Distanz und damit Zickenkrieg. Mitgeteilte Trauer erschafft Nähe und Verbundenheit.

Die erste Trainingseinheit endet damit, dass sich die Frauen ganz ohne Aufforderung zum Abschied umarmen. Und ihr Trainer auch. Ich hoffe, dass sie mein nassgeschwitztes Hemd unterm Sakko nicht bemerken. Meine Frau hatte mich gewarnt.

Grenzen setzen

Die zweite Trainingseinheit – das war meine feste Absicht – brauchte ein anderes Thema. Die Frauen hatten an unserem ersten Nachmittag erlebt, wie Trauer Mitgefühl und Verbundenheit erschafft, aber sie mussten auch lernen, sich und ihre persönlichen Grenzen vor Verletzungen zu schützen. Es gibt eine simple körperliche Übung, die deutlich zeigt, wie gut jemand Grenzen setzen kann. Der Teilnehmer hat folgende Aufgabe: Er sieht einen anderen Teilnehmer auf sich zugehen und soll in so stoppen, dass der Abstand für ihn angenehm ist.  Dabei gibt es immer wieder Interessantes zu beobachten. So auch in Trainingseinheit Nummer zwei.

Am Anfang scheitern alle

Zickenkrieg im Team beenden mit Great Growing Up.
Kolleginnen gehen mit Konkurrenz anders um als Kollegen, sagt die Wissenschaft. Foto: pixabay/Marybettiniblank

Meike schafft es überhaupt nicht, ihr Lächeln aus dem Gesicht zu verbannen. Sonja bittet ihr Gegenüber höflich stehen zu bleiben, Gudrun hebt mahnend den Zeigefinger und sagt gar nichts. Olga zeigt auf die Stelle auf dem Fußboden, wo ihre Grenze ist. Und Irene ist gar nicht im Raum; sie hat es vorgezogen krank zu werden. Keine der Frauen schafft es, eine klare Grenze zu setzen, denn ihr Sparringspartner hat den Auftrag, nur anzuhalten, wenn die Grenze zu 100 Prozent klar ist. Und natürlich argumentieren die Frauen, das sei ja nur eine Laborsituation, die nichts mit ihrer Realität zu tun habe. Wir beginnen zu argumentieren, wer denn nur Recht habe. Und wieder herrscht Zickenkrieg im Team. Ich muss aufpassen, dass ich nicht mitkämpfe.

Geschützte Umgebung nutzen

Ich lade sie ein, mir hier in der geschützten Umgebung des Trainings, wo sie niemanden verletzen können, zu zeigen, wie sie Grenzen setzen. Und sie scheitern. Wie alle Menschen, die sich nicht erlauben, ihren Ärger verantwortlich zu nutzen.

Hilfsmittel gegen Zickenkrieg im Team

Also sprechen wir an diesem Nachmittag über Ärger. Über seine Nachteile und über seine Vorteile. Ärger kann verletzen, wirkt oft aggressiv, ist laut und manchmal unhöflich. Aber Ärger schafft auch Klarheit, hilft Entscheidungen zu treffen und Grenzen zu setzen. Erstklassige Hilfsmittel, die helfen Zickenkrieg im Team zu vermeiden. Und in Ärger steckt eine Menge Energie.  Nicht ohne Grund nehmen wir entschlossen handelnde, energische Menschen oft auch als ärgerlich wahr. Sie sind voller Energie und tun, was ansteht.

Hier gibt es die Checkliste, die zeigt, wofür es sich lohnt, Emotionalität mitzuteilen.Beziehungskompetenz ist der Schlüssel. Die Great Growing Up Checkliste.

Krämpfe lösen sich

Das zeigt sich auch im Raum. Die vier Frauen sind wie elektrisiert. Sie üben Grenzen setzen, haben Spaß dabei und wirken deutlich selbstbewusster als zuvor. Gudrun geht ein Kronleuchter auf: Sie hat so viel Verletzungen kommentarlos in sich hinein gefressen, dass ihre Halsmuskulatur permanent verkrampft ist. Die Schmerzen verändern ihre Haltung, ihren Gesichtsausdruck und zusammen mit ihren schlaflosen Nächten auf Dauer ihre Stimmung: „Kein Wunder, dass die Menschen mich für böse halten“, erkennt sie.

Grenzen schaffen Klarheit

Olga hat einen Heidenspaß am Grenzen setzen und will gar nicht mehr aufhören. Meike muss immer noch lächeln, wenn Sie eine Grenze setzt, aber Sonja beginnt ihre Ärger-Energie zu lieben. Ihre Grenze ist so klar, dass jeder Sparringspartner steht wie angewurzelt. Trainingseinheit Nummer zwei endet mit der Erkenntnis, dass Ärger verdammt wichtig ist, wenn es darum geht Klartext zu reden und Grenzen zu setzen.  Und mit herzlichen Umarmungen für alle. Und Gudrun stellt nochmal klar, dass sie mich gar nicht mag. Ist klar…

Veränderungen werden bemerkt

Zickenkrieg im Team beenden mit Great Growing Up.
Dass viele Frauen Konflikte lieber heimlich austragen ist ein Klischee. Aber warum eigntlich? Foto: pixabay/Alessa Abramov

Zur dritten Trainingseinheit erscheinen die Frauen wieder vollzählig. Olga, Gudrun, Meike und Sonja haben viel zu erzählen. Sie hatten die Übung, jeden Tag mindestens einmal eine Grenze zu setzen. Das war – natürlich – mit viel Angst verbunden. Angst davor, als unhöflich oder „komisch“ wahrgenommen zu werden, etwas falsch zu machen. Wie immer, wenn wir Neues wagen. Die vier Frauen haben aber auch bemerkt, dass die Angst eine positive Qualität hat: „Es war unglaublich aufregend, das zu tun“, erzählt Sonja. „Ich war sehr stolz auf mich, dass ich das getan habe“, sagt Olga. „Am dritten Tag habe ich mich schon darauf gefreut, wann die erste Gelegenheit auftauchen würde“, sagt Meike und lächelt natürlich. Egal, sie hat es getan, und das zählt. Gudrun ist hin und weg. Ihre gesamte Verwandtschaft bemerke eine Veränderung an ihr: Sie wirke viel freundlicher und offener, außerdem habe sich ihr Genick deutlich entspannt.

Irene im Widerstand

Die vier Frauen, die so fleißig das Grenzen setzen geübt haben, versuchen ihre Kollegin, die in der vorigen Trainingseinheit gefehlt hat, für das Thema zu begeistern. Aber Irene blockt ab. Sie kommuniziert auf allen Ebenen: Arme und Beine verschränkt sitzt sie auf ihrem Stuhl, bleibt scheinbar sachlich und weicht allen Fragen nach ihrem Befinden aus. Und sie weiß es besser, erklärt sie: All das Grenzen setzen funktioniere nur in der Theorie. In der Praxis, etwa gegenüber Samantha, bringe das alles gar nichts.

Von der Theorie zur Praxis

Samantha ist eine Kollegin aus einen anderen Bereich, die sich, so erfahre ich, gerne als Vorgesetzte aufspielt und kommandiert. An der pralle das alles ab, sagt Irene, deshalb versuche sie es erst gar nicht. Ich frage Irene, ob Sie Grenzen setzen üben will. Sie will es natürlich nicht, das ist deutlich zu sehen. Aber sie ist auch nicht in der Lage, ein klares Nein auszusprechen. Ich lasse nicht locker. Entweder sie setzt mir und meinem Drängen eine klare Grenze oder sie macht die Übung.

Irene macht die Übung, aber natürlich widerwillig. Und sie setzt der Frau, die auf sie zugeht keine Grenze. Irene weicht aus. Früher, in ihrer alten Heimat habe sie ihre Grenzen mit Schlägen gesetzt. Hier in Deutschland wolle sie das nicht. Ich will das auch nicht. Aber ich will auch, dass sich Irene Konflikten stellt und Position bezieht. Zwischen Ausweichen und Zuschlagen gibt es Spielraum für weitere Möglichkeiten.

Zwischen Ausweichen und Zuschlagen

Zickenkrieg im Team beenden mit Great Growing Up.
Nicht jeder freundliche Blick ist auch freundlich gemeint. Foto: pixabay/Sue Styles

Die anderen Frauen, inzwischen begeisterte Grenzen-Setzerinnen, feuern Eine an. Und siehe da: nach einigen Fehlversuchen gelingt ihr das Kunststück: Mit fester, lauter Stimme, mit deutlicher Gestik und Körperspannung und vor allem mit einem klaren, entschlossenen Blick stoppt sie die Frau, die ihre Grenze verletzen will. Wie eine wahrhaftige Kriegerin. Und Kriegerinnen führen keinen Zickenkrieg im Team. Sie beenden ihn. Irene ist an Bord. Vorerst. Auch die dritte Trainingseinheit endet mit herzlichen Umarmungen du dem Wunsch, das Training fortzusetzen.

Was hinter Überheblichkeit  steckt

Der vierte Trainingsnachmittag verläuft sehr einvernehmlich, fast schon harmonisch. Es geht noch ein paar Mal um Samantha, die sich zum Running Gag entwickelt hat. Irgendwie scheint sie einen Großteil ihres Schreckens verloren zu haben. Die fünf Frauen nehmen die überhebliche Art ihrer Kollegin nicht mehr persönlich. Sie haben erkannt, dass Arroganz mehr über den aussagt, der sie zur Schau trägt, als über die, die darunter leiden: Arroganz ist nur eine Tarnung für die eigene, angenommene Unzulänglichkeit.

Der vierte Nachmittag endet mit den inzwischen üblichen, herzlichen Umarmungen und dem Versprechen Gudruns, für die Abschlussrunde in 14 Tagen einen Kuchen zu backen.

Heftiger Schlussakkord

Für den fünften und letzten Nachmittag hatte ich zwei Absichten. Erstens war mir wichtig, die Frauen darin zu unterstützen, ihren neuen Umgang nachhaltig zu pflegen. Zweitens wollte ich auf alle Fälle einen sehr wertschätzenden Abschluss bieten. Lange sah es so aus, als würde vor allem die zweite Absicht nicht mehr bleiben als ein frommer Wunsch.

Alte Muster, neue Muster

Trainingseinheit Nummer fünf beginnt harmlos. Es geht zunächst um den Umgang mit Trauer und Angst, ums Wahrnehmen und Benennen von Gefühlen. Wiederholung. Durchaus sinnvoll zum Abschluss. Wir reden über Verhaltensmuster und darüber, dass es neue Muster immer schwer haben, sich gegen alte Muster durchzusetzen. Auch das ist sinnvoll am Ende unserer Trainingseinheit. Mir ist es aber viel wichtiger, nochmals emotionale Tiefe zu erreichen, damit die Frauen zum Abschluss nochmal erleben, wie sie verantwortlich und bewusst durch Konflikte gehen können. Dabei lerne ich etwas, dass mir so bislang nicht bewusst war. Und ich torpediere um ein Haar meine Absicht, einen wertschätzenden Schlusspunkt zu setzen.

Angst vor der Tiefe

Aber der Reihe nach: Nach der ersten Stunde fordere ich die Frauen auf, sich gegenseitig mitzuteilen: Jede sagt, was sie freut, was sie traurig macht, was sie ärgert und was ihr Angst macht. Einmal zu jeder Frau. Das hätte ich auch gleich zu Beginn der letzten Einheit machen können, aber ich hatte ein wenig Angst vor diesem Schritt. Wenig später wusste ich auch warum.

Vorwürfe und Rechtfertigungen

Olga macht den Anfang. Sie entscheidet sich dafür, mit dem Gefühl Ärger zu beginnen. Schon nach wenigen Sekunden geht uns die Gesprächsdisziplin über Bord. Alle reden durcheinander, es hagelt Vorwürfe und Rechtfertigungen. Und immer wieder dieselbe Frage: „Warum hast du das getan?“

Überraschende Vehemenz

Die Vehemenz überrascht mich. Ich hatte zuvor erlebt, wie Gudrun, Olga, Irene, Meike und Sonja Ärger, Trauer und Angst ausdrückten. Ich hatte erlebt, wie sie sich beschuldigten, auf ihr recht beharrten, sich rechtfertigten und wie sie grollten. Und ich hatte erlebt, welchen Unterschied sie erschaffen, wenn sie aus dem Drama ausstiegen und verantwortlich sagten, was sie brauchen, Grenzen setzten, Ja bzw. Nein sagten und ihre Gefühle ausdrückten.

Irrtum erkannt

Ich hatte mich darauf verlassen, die Tiefe unterhalb ihrer oberflächlichen Pseudo-harmonie zu kennen. Das war ein Irrtum. Nach meiner Erfahrung gibt es da einen Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Bewusstsein. Viele Männer, die ich erlebe, kennen zwei Stockwerke: das oberflächliche Erdgeschoss und das Untergeschoss mit all ihren emotionalen Befindlichkeiten.

Verborgene Kellergeschosse

Mein Fehler war, dass ich glaubte, die tiefe meiner fünf Teilnehmerinnen bereits zu kennen. Schließlich hatte ich sie bereits dort unten erlebt. Dass es dort mehrere Kellergeschosse gab, hatte ich nicht erwartet. Das war es, wovor mich meine Frau gewarnt hatte.

Raus aus dem Zickenkrieg im Team

Im Trainingsraum rast die Zeit, und die Frauen hauen sich Vorwürfe und Beschuldigungen um die Ohren. Immer wieder muss ich eingreifen und sie daran erinnern, aus dem Zickenkrieg im Team auszusteigen und ihre Aufgabe zu erledigen: Drücke aus, was du fühlst. Ein ums andere Mal muss ich laut werden, um sie zu stoppen. Richtig laut. Mehrfach habe ich Angst, dass mir die Runde um die Ohren fliegt.

Irenes Rückfall

Irene hat einen Rückfall. Sie verschließt sich wieder und erklärt, sie werde Konflikte nicht ansprechen. Sie habe so viel Verletzungen erlebt, dass sie darauf keine Lust mehr habe. Irene macht zu. Die anderen kennen das und erkennen ihre Kommunikation als das, was es ist: ein „Fuck you!“. Sonja und Olga sind in der Zwischenzeit offensichtlich die gegenseitigen Vorwürfe ausgegangen, sie beginnen tatsächlich, über ihre gegenseitigen Verletzungen zu sprechen. Tränen fließen. Es wird leiser.

Chaos ohne Ausweg

Etwa zehn Minuten vor Trainingsende kratzen wir die Kurve. Olga und Sonja schauen sich an. Ich frage Sonja, ob sie einen Impuls spürt. Ja, sagt sie und ich bitte sie, ihm zu folgen. „Ich mag dich“, sagt sie zu Olga und umarmt sie. Der Raum schmilzt, ich atme auf – ganz leise und innerlich.  Ich habe das schon so oft erlebt: Der Zickenkrieg im Team wird so heftig und chaotisch, dass es alles zu verschlucken scheint, keine Lösung, kein Ausweg in Sicht. Und dann geschieht, was geschehen soll. Ein bisschen wie ein Wunder. Aber eines, auf das ich mich verlassen kann.

Gegenseitige Verpflichtung

Der Rest ist nur noch schön. Die Frauen geben sich gegenseitig wertschätzende Rückmeldung und verpflichten sich dazu, Konflikte künftig zeitnah anzusprechen, ehe sie wieder zickige Distanz zueinander aufbauen.

Der Wunsch nach mehr

Danach genießen wir Gudruns leckeren Kuchen. Und ausgerechnet Irene fragt, ob wir mit dieser Trainingseinheit weitermachen können. Ich bin sehr berührt. Das ist Chefsache, sage ich, aber ihr könnt etwas tun, um ihm die Entscheidung dafür leicht zu machen: Löst eure Konflikte bewusst und verantwortlich. Zeigt ihm, dass diese Arbeit gute Wirkung zeigt!

In Verantwortung genommen

Am Tag danach ruft mich der Chef an. Das Training sei wohl sehr heftig, aber eben auch wirkungsvoll gewesen, habe er gehört bzw. bemerkt. Ihm gefällt, dass ich die Frauen in die Verantwortung genommen habe. Im Unternehmen gebe es andere Abteilungen, denen das auch gut täte, sagt er. Und: „Im Herbst machen wir mit dem Training weiter.“

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

Schlechte Stimmung im Team? Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz. Ihrer Mitarbeiter und Führungskröfte.

Schlechte Stimmung im Team – Emotionen nutzen

Niemand mag schlechte Stimmung im Team. Völlig egal, ob sich um Führungsteams, Abteilungen, Projektteams oder um die Kollegen am Nachbartisch handelt. Wir wollen angenehme Gespräche, ein harmonisches, konfliktfreies Miteinander, ein Arbeitsklima, das sachliche Effizienz ermöglicht - störungsfreies Arbeiten. Mit den Kollegen, mit dem Chef oder den Chefs wollen wir am liebsten gut auskommen. Gute Laune am Arbeitsplatz erhöht die Motivation und ist gut fürs Geschäft.

Diesen Beitrag lieber als Podcast hören? Bitteschön.

Wie das Betriebsklima herrscht

Wenn in der Abteilung oder im Betrieb schlechte Stimmung herrscht, wird es schwierig. Im Wortsinne. Vielen Mitarbeitern fällt es schwer, hohe Leistung zu erbringen, wenn das Betriebsklima schwächelt. Denn gerade am Arbeitsplatz zeigt die Art, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen schnell Wirkung: Wir sind entweder motiviert oder frustriert der irgendwo dazwischen. Unser Verhalten wird davon geprägt, wie angenehm oder unangenehm wir unsere Umgebung wahrnehmen. Mitarbeiter registrieren etwaige Veränderungen im Betriebsklima meist unbewusst, aber sie reagieren darauf.

Gute Laune um jeden Preis

Das Betriebsklima ist wichtiger denn je, es darf auf keinen Fall schlecht sein. Da sind sich alle einig: der Chef, die Führungskräfte, der Kollege am Nachbartisch, die übrigen Kollegen in der Abteilung. Alle sollen sich so verhalten, dass produktives Arbeiten bei guter Laune jeder Situation sichergestellt ist.

Situationen statt Probleme

Ein gutes Betriebsklima ist in der Tat wichtig. Vielen Chefs ist es so wichtig, dass sie beginnen, die Sprache im Betrieb darauf auszurichten. Ich kenne Unternehmen, in denen das Wort Problem auf dem Index steht. Es darf in keinem Gespräch vorkommen. Stattdessen sind die Arbeitnehmer aufgefordert, das Wort "Situation" zu verwenden. Es gibt dort auch keine Konflikte zwischen Kollegen, sondern eben nur Situationen. Dahinter steckt der beinahe verzweifelte Wunsch, das Betriebsklima dürfe auf keinen Fall schlecht sein.

Soviel zum Wunsch.

Die Realität sieht anders aus.

1. Wo es Menschen gibt, gibt es Konflikte und damit Emotionen.

2. Wir teilen unsere Emotionen in zwei Gruppen ein: eine positive und eine negative. Genau das ist das Problem und sorgt permanent für schlechte Stimmung im Team.

Menschen verstellen sich

Ein guter Chef weiß, dass sinnlos ist, Konflikte und Probleme mit anderen Worten zu kaschieren. Eine Müllhalde beinhaltet Müll, auch wenn wir sie im politisch korrekten Gespräch lieber Entsorgungspark nennen. Daraus ergibt sich kein Vorteil, auch nicht  am Arbeitsplatz. Im Gegenteil:  Situationen lassen sich zudem nicht lösen. Probleme und Konflikte hingegen schon. Ein gutes Arbeitsklima ist im Wesentlichen nichts anderes als eine gute Paarbeziehung: nicht frei von Problemen und Konflikten, sondern stabil genug, um ihnen Zeit und Raum zu gewähren. Arbeitnehmern, die sich stets so veralten müssen, als gäbe es weder Konflikte noch Probleme, bleibt nur eine Option: Sie müssen sich verstellen und darauf warten, dass der Kollege nebenan sein Verhalten ändert und damit das Problem lösen wird. Mit Verantwortung hat das nichts zu tun. Und mit gutem Betriebsklima auch nicht.

Kommunikation transportiert Emotion

Schlechte Stimmung im Team? Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz. Ihrer Mitarbeiter und Führungskröfte.
Kommunikation ist immer das Management von Emotionen. Foto: pixabay / www_slon_pics

Dieser Beitrag wird zeigen, dass gerade die als negativ verdammten Emotionen Ärger, Angst und Trauer von unschätzbarem Wert sind, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter lernen sollen, sie verantwortlich zu nutzen. Solange sie das nicht können, werden sie sie verdrängen. Egal, ob sie Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sind. Weil aber kaum ein Mensch seine Kommunikation zu 100 Prozent frei von Emotionen steuern kann, tun wir so, als wäre alles in Ordnung. Während wir innerlich vor Ärger kochen, vor Angst zittern oder einfach nur traurig oder verletzt sind. Genau das erschafft Schlechte Stimmung im Team.

Tricks helfen nicht weiter

Führungskräfte und Mitarbeiter, die Emotionen verdrängen, sind nicht nur leistungs- und entscheidungsschwach, sie kommunizieren vor allem unglaubwürdig. Stimme, Tonfall, Blick,  Gestik und Körperhaltung passen nicht zu ihren Worten. Ihre Kommunikation ist unglaubwürdig. Das erzeugt Misstrauen und sorgt für latent schlechte Stimmung im Team. "Drei Tricks wir Sie schlechte Stimmung im Team vermeiden" und ähnliche Patentrezepte helfen da nicht weiter. Ein verantwortlicher und glaubwürdiger Umgang mit Emotion hingegen schon.

13 traurige Poliere

Ich weiß noch, dass ich anfangs ein wenig sauer war auf Holger. Das ist natürlich nicht sein richtiger Name, ich habe ihn erfunden. Die Geschichte allerdings ist wahr. Es ist gar nicht so lange her, da habe ich Holger in einem Training kennengelernt. Zusammen mit zwölf seiner Kollegen. Poliere eines großen Bauunternehmens. Warum war ich sauer auf Holger? Holger saß rechts neben mir und hat sehr skeptisch reagiert, als ich die Runde aufforderte, jeder möge doch einen Aspekt nennen, der ihn traurig macht. Irgendeine Sache im Leben, wo sie wissen, da reagieren sie mit dem Gefühl Trauer.

Emotionen gelten als Privatsache

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Wenn Emotionen unter Verschluss bleiben, wird es frostig im Betrieb. Foto: pixabay / Free-Photos

Holgers spontane und sehr skeptische Reaktion war: „Das ist doch Privatsache!“ Und ich glaube die meisten Menschen, die ich kenne, würden ihm zustimmen. Eine Emotion ist für sie eine Privatangelegenheit, etwas Intimes. Dass Holger trotzdem mitgemacht hat, sogar als Erster, rechne ich ihm hoch an. Er hat, wenn ich mich recht erinnere, kurz darüber gesprochen, dass er Trauer empfindet, wenn ihm nahe stehende Menschen sterben.

Ungewohnte Übung

Viele in der Runde haben ähnliches genannt: Abschied von Menschen, die Sie lieben, der Tod von Menschen, die sie lieben, eben solche Dinge, die Menschen mit Trauer erfüllen. Und ja, die meisten waren nicht gewohnt, in dieser Runde von 13 Teilnehmern, die in der Regel nur sehr wenig miteinander zu tun haben, so offen darüber zu sprechen. Menschen tun das in der Regel nicht.

Kaum einer spricht über Trauriges

Die wenigsten Menschen, die ich kenne sprechen im Job offen darüber, was sie traurig macht,  was sie ärgert oder ihnen Angst macht. Ich erlebe, dass Menschen anders mit ihren Gefühlen umgehen. Ich würde sogar sagen, Menschen verschwenden unglaublich viel Zeit und Energie damit, ihre Gefühle eben nicht zu äußern. Vielleicht weil sie Sorge haben, sie könnten so für schlechte Stimmung im Team sorgen.

Drei Gefühle, die wir gerne meiden

Wir tun sehr viel, um sicherzustellen, dass unser Gegenüber nicht bemerkt wie es uns gerade geht. Vor allem wenn es um verletzliche Emotionen geht wie Trauer oder Angst oder auch um Emotionen, die im Business-Kontext nicht gerade beliebt sind, zum Beispiel Ärger. Ich glaube unser Umgang mit dem Gefühl Freude ist etwas entspannter, aber nur ein wenig.

Positiv und negativ – der Anfang vom Übel

Die meisten Menschen, mit denen ich arbeite, teilen diese vier Grundgefühle in zwei Gruppen auf. Eine positive, eine negative. In der negativen Gruppe sind Ärger, Trauer, Angst versammelt, in der positiven findet sich allein die Freude. Ein Hauptgrund, warum ich überhaupt als Trainer arbeite, ist, Menschen eine Idee davon zu geben, dass diese Trennung in zwei Gruppen völliger Nonsens ist und eben nicht dazu führt, dass sie mehr Freude in ihrem Leben haben. Im Gegenteil: Sie ist der Hauptgrund für schlechte Stimmung im Team. Warum bin ich davon überzeugt?

Verdrängung schafft schlechte Stimmung im Team

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Gefühle in positiv und negativ zu unterteilen, ist nicht sinnvoll. Foto: Pixabay/Gerd Altmann

Erstens gibt es eine simple mathematische Erklärung: Ich kenne niemanden, dessen Leben zu 100 Prozent aus Freude besteht. Aber ich kenne ausschließlich Menschen, die immer wieder Dinge erleben, die Ihnen Angst bereiten, die Sie mit Trauer erfüllen oder die sie schlicht und ergreifend ärgern. Einfach weil das Leben so ist. Und ich sehe wenig Sinn darin, drei dieser Grundgefühle zu stigmatisieren, sie zu negativ zu erklären und dann zu versuchen sie zu verdrängen. Während wir alle dem Gefühl Freude hinterherhecheln und uns dann wundern, wenn wir es doch nicht erreichen. Zum Beispiel weil wir schlechte Stimmung im Team erleben.

Fatale Folgen

Die zweite Erklärung ist, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass gerade im Berufsleben das Verdrängen der angeblich negativen Gefühle Ärger, Trauer und Angst, fatale Folgen hat.  Warum glaube ich das?  Ich erlebe sehr viele Mitarbeiter, Führungskräfte und Auszubildende, die in Unternehmen mit gut entwickelten Unternehmenskulturen arbeiten. Unternehmen mit gut entwickelten Kulturen sind schneller bereit einen Trainer wie mich zu buchen als Unternehmen, die noch vor sich hin wursteln wie in den 50er, 60er oder 70er Jahren.

Die Kultur des emotionsfreien Umgangs

Ich mag das schon mal sehr, wenn Unternehmen sich Gedanken machen, über den Umgang miteinander, über die Kultur der Mitarbeiter, über die Kultur des Umgangs zwischen der Führungskraft und Unternehmen. Dennoch stelle ich fest, dass ein Gefühl in vielen Branchen auf dem Index steht: und das ist der Ärger.

Ärger scheint nicht mehr gestattet

Es scheint heute in vielen Unternehmen nicht mehr gestattet, dieses Gefühl in irgendeiner Form zum Ausdruck zu bringen. Das hat nicht nur positive Folgen. Natürlich achten die Menschen in solchen Unternehmenskulturen darauf, dass sie nett, freundlich und zuvorkommend miteinander umgehen. Meine Frage ist aber: Was tun sie, wenn sie sich ärgern,  was tut eine Führungskraft oder Ausbilder, wenn ein Mitarbeiter oder ein Azubi Regeln bricht, Vereinbarungen einfach nicht einhält und ich als Führungskraft feststelle: Das ärgert mich? Was tue ich, wenn es mir nicht erlaubt ist, diesen Ärger zu äußern?

So tun als ob nichts wäre

Antwort: Ich tue das gleiche wie in meinem privaten Umfeld, wo ich das Gleiche erlebe. Denn Ärger gilt als unschick, Ärger gilt als uncool, als unbeherrscht, als aggressiv, als verletzend, einfach als negativ. Mir bleibt dann nur eins damit zu tun. Ich versuche so zu tun, als wäre ich nicht ärgerlich. Das hat Folgen. Zum Beispiel verbringen Menschen gut bezahlte Zeit in Unternehmen damit sich zu ärgern, aber so zu tun, als würden sie es eben nicht. Ein verlässliches Mittel gegen schlechte Stimmung im Team? Sicher nicht.

Wie im Kindergarten

Eine junge Frau hat mit erzählt, was sie gerade in ihrem Unternehmen erlebt hat. Eine Führungskraft streitet sich mit einem Mitarbeiter. Der Mitarbeiter ist irgendwann genervt und fragt die Vorgesetzte: „Sagen Sie mal, was ist denn eigentlich Ihr Problem?“ Die Vorgesetzte antwortet mit einer kräftigen Aussage: „Ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“

Wer hat das Problem?

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Streit darum, wer das Problem hat, führt zu nichts. Foto: pixabay/Open Clipart-Vectors

Daraufhin der Mitarbeiter: „Ne, ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“ Die Führungskraft: „Nein, ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“ Er: „Nein, ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“ Sie: „Nein, Sie haben ein Problem, ich habe kein Problem!“ das ganze endete damit, dass die Führungskraft ein letztes Mal betonte: „Ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“, und den Raum verließ. Es hätte noch gefehlt, dass der Mitarbeiter so etwas gesagt hätte wie: „Doch, Sie haben ein Problem, immer einmal mehr!“ Und die übrigen Mitarbeiter im Raum spürten vor allem eines: die schlechte Stimmung im Team

Kampf ums Recht haben

Ich zweifle manchmal an mir selbst wenn ich solche und ähnliche Beispiel in Trainings verwende, weil ich denke, das sei zu konstruiert, zu plakativ, das ist einfach nicht real. Aber der Blick in den Arbeitsalltag zeigt, dass gerade solche Beispiele eher häufiger als selten Menschen beschäftigen. Menschen, die Geld verdienen. Menschen, die etwas andere tun sollten als darum zu kämpfen, wer denn jetzt ein Problem hat und wer nicht. Als darüber zu kämpfen, wer sich darüber ärgert und wer nicht. Als gerade darum zu kämpfen, wer gerade emotional wird und wer nicht. 

Keiner will negative Gefühle

Nach meiner Erfahrung gibt es einen Grund warum viele Menschen glauben, die Emotion sei ihre Privatsache. Der Grund ist: Wir wollen nicht in uns hineinschauen lassen. Denn gerade Gefühle wie Trauer oder Angst machen uns verletzlich. Und alle drei angeblich negativen Gefühle, Ärger, Trauer und Angst sind eben als negativ, als Schwäche belegt. Keiner hat Lust als Schwächlich dazustehen.

Emotion lässt sich nicht gänzlich verdrängen

Ich wäre sogar bereit Menschen zuzugestehen, dass sie ihre Emotionen gänzlich unter dem Deckmantel Privatangelegenheit verbergen dürfen. Unter einer Voraussetzung. Und die Voraussetzung wäre: sie müssen es können. Ich kenne allerdings niemanden, dem es gelingt Emotionen gänzlich zu verbergen. Wir tun zwar so, aber abgesehen von Worten, die wir benutzen, klingt die Emotion durch in unserer Stimme, in unserem Tonfall, in der Lautstärke. Die ist sichtbar in unseren Augen, in unseren Mundwinkeln, in unserer Haltung, in unserer Körperhaltung, in unserer Gestik.

Worte sind nicht alles

Wir Menschen sind nicht sonderlich trainiert darin, Emotion gänzlich zu verbergen. Wir benutzen gerne Worte, die das Gegenteil ausdrücken. Unser Körper spricht aber eine andere Sprache. Er spricht die wahrhaftige Sprache. Unser Körper drückt aus, wenn uns etwas bedrückt. Egal mit welchen Worten wir unser Gegenüber davon zu überzeugen versuchen.

Der Körper sagt mehr als 1000 Worte

Schlechte Stimmung im Team? Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz Ihrer Mitarbeiter und Führungskräfte.
Wie wirkt Emotion? Die Mehrabian-Regel als Handout.

Unser Körper zeigt, wenn wir uns ärgern, unsere Stimme zeigt es. Unser Körper zeigt uns, wenn wir traurig sind, weil zuhause etwas passiert ist und unsere Stimme zeigt es. Unser Körper zeigt, wenn wir ängstlich an Fingernägeln knabbern oder an der Hosennaht rumzupfen. Unsere Stimme zeigt es. Sie wird hoch und schnell. Unser Puls beschleunigt sich, manche Menschen atmen schneller bei Angst. Welchen Sinn hat es so zu tun, als wäre nichts? Nur um die angebliche Privatsache zu tarnen?

Die Angst vor der Emotion

Ich glaube, außer der Angst davor als Mensch ertappt zu werden, gibt es keinen. Menschen tun, wie gesagt, unglaublich viel, um ihre Emotion zu tarnen. Ich finde das unglaublich bedauerlich, denn abgesehen von solchen Schlagabtauschen wie im Kindergarten, wie ich es gerade eben geschildert habe, bleibt Menschen, die Trauer Ärger und Angst verdrängen wollen, gar nichts anderes übrig, als auch auf ihre Qualitäten zu verzichten.

Qualitäten nutzen

Wie bitte? Hat er gerade Qualitäten gesagt? Qualitäten von Ärger, Trauer und Angst? Ja. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese Qualitäten vorhanden sind. Ich bin überzeugt davon, dass Ärger, Trauer und Angst immense Qualitäten in sich bergen, die wir gerade im Unternehmensalltag nutzen müssen, wenn wir auf der Gewinnerstraße bleiben wollen.

Grund 1 für schlechte Stimmung im Team: verdrängte Trauer

Ein Beispiel: Meine 13 Teilnehmer im eingangs erwähnten Training waren mutig genug davon zu sprechen, was sie traurig macht. Und da ist etwas Interessantes passiert. Erstens war sichtbar, dass nach den ersten zwei Meldungen Empathie entsteht. Nicht nur dadurch, dass der eine Teilnehmer wiederholt hat, was auch der andere sagte. Das kam nicht immer vor. Sondern vor allem dadurch, dass sich die Atmosphäre im Raum veränderte.

Nähe und Verbundenheit

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Mitarbeiter, die Emotionen mitteilen, erschaffen Nähe und Verbundenheit. Foto: Matthias Stolla

Es wurde stiller, es wurde ein bisschen nachdenklicher.  Und dadurch, dass Mitarbeiter A erzählt hat, was ihn traurig macht, hat Mitarbeiter B wahrgenommen: „Oh, das kenne ich. Das macht mich auch traurig.“ Mitgefühl, Empathie war plötzlich im Raum. Trauer wird oft verdrängt, weil wir gerade die Trauer als negatives Gefühl empfinden. Trauer ist das ideale Gefühl, um das Mitgefühl zu erzeugen und damit Nähe und Gemeinschaft zu erschaffen.

Wenn Menschen einander zuhören

Wann immer ich in Trainings mit Belegschaften arbeite, mit Mitarbeitern oder mit Führungskräften, ist die Trauer das Gefühl, das dafür sorgt, dass Menschen einander zuzuhören beginnen, anstatt sich vorzuwerfen, wer denn jetzt ein Problem habe und wer eben nicht.

Verletzlichkeit erfordert Mut

Trauer ist Gefühl, das Menschen miteinander in Verbindung bringt. Und Trauer ist das Gefühl, das Menschen dazu bringt, sich verletzlich zu zeigen. Diese Eigenschaft ist immens wichtig, sie erfordert Mut. Aber sie ist deshalb wichtig, weil gerade die Bereitschaft sich verletzlich zu zeigen die Voraussetzung ist, einander zuzuhören. Zuhören ist das wichtigste Instrument in der Kommunikation.

Grund 2 für schlechte Stimmung im Team: verdrängte Angst

Anschließend habe ich die 13 Teilnehmer gebeten darüber zu sprechen, was ihnen Angst macht. Und auch dabei ist wieder Mitgefühl und eine ganz bestimmte Atmosphäre im Raum entstanden. Denn alle waren von sich selber beeindruckt. Noch nie haben sie darüber gesprochen was ihnen Angst macht. Ey, ich rede von Mitarbeitern einer Baufirma, ja? Von Männer vom Bau. Wenn sie anfangen darüber zu reden, was ihnen Angst macht, dann passiert etwas. Aber was passiert?

Jeder Mensch hat Angst

Was passierte, ist, dass die Mitarbeiter sich wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt wahrhaftig und authentisch wahrgenommen haben. Denn jeder Mensch hat vor irgendetwas Angst. Manche nennen es Sorge, manche nennen es Nervosität, mache nennen es Respekt. Jeder Mensch hat irgendwann mal Angst. Und das ist verdammt gut so. Denn die Angst macht uns vorsichtig. Die Angst ist das Gefühl, den Mitarbeiter einer Firma davon abhält, an eine Stromleitung zu fassen, weil er nicht weiß ob die zuständigen Kollegen dafür gesorgt haben, dass die Spannung abgeschaltet ist.

Qualitäten der Angst

Die Angst ist das Gefühl, das einen Mitarbeiter antreiben kann, wenn er Sorge hat den Zeitplan nicht einzuhalten. Die Angst ist das Gefühl, das einen Mitarbeiter dazu bringt, nie zuvor da gewesene Lösungen zu finden, wenn er vor einem Problem steht, wo keiner eine Lösung weiß. Angst ist Antrieb, Angst macht vorsichtig und achtsam. Angst kann unglaubliche kreative Energien freisetzen.

Verletzliche Gefühle nutzen

Es wäre also nicht schlau, auf die beiden verletzlichen Gefühle Angst oder Trauer zu verzichten. Sie zu verdrängen führt nicht dazu, dass Teams zusammenwachsen. Sie zu verdrängen führt dazu, dass Menschen sich gegenseitig etwas vormachen. So wie das Kindergartenbeispiel. Du hast ein Problem. Nein, du hast ein Problem. Nein, du hast ein Problem. Und so weiter und sofort.

Grund 3 für schlechte Stimmung im Team: verdrängter Ärger

Ich habe die 13 Teilnehmer gebeten darüber zu sprechen, was sie ärgert. Und das war geradezu eine Offenbarung für sie. Weil selbst in der Baubranche scheint es nicht mehr en vogue zu sein über das gefährliche Gefühl Ärger zu sprechen. Mit der Konsequenz, dass Menschen nicht mehr bereit sind Klartext miteinander zu reden. Grenzen zu setzen, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen. Denn das alles braucht eine mehr oder weniger große Portion von dem Gefühl Ärger. Warum ist das so?

Grenzen setzen

Schlechte Stimmung im Team? Great Growing Up trainiert die Beziehungskompetenz. Ihrer Mitarbeiter und Führungskröfte.
Wer keine Grenzen setzen kann, hat ein Problem. Foto: pixabay/Bernd Marczak

Bei Grenzen setzen ist es relativ leicht zu erklären. Wenn ich nicht in der Lage bin meinen Ärger wahrzunehmen, lasse ich mir ziemlich viel gefallen. Das beobachte ich immer wieder, wenn ich Teilnehmer in Trainings dazu auffordere einfach mal gespielt eine Grenze zu setzen. Jemand läuft auf den anderen zu und der andere hat die Aufgabe ihn so zu stoppen, dass der Abstand für ihn OK ist. In der Regel reagieren die Teilnehmer, wenn sie überhaupt reagieren, viel zu spät und der andere Teilnehmer steht ihnen Nase an Nase. Niemand will gegenüber fremden Menschen so nahe stehen. Niemand will den Atem eines anderen riechen, niemand will beim Sprechen angespuckt werden.

Wer keine Grenzen setzt, wird gemobbt

Ärger ist inzwischen in unserer allgemeinen Kultur so verdrängt, dass Menschen sich nicht mehr erlauben sich abzugrenzen. Darin liegt der Grund für die Mobbingproblematik. Menschen, die ausstrahlen: „Hey, ich bin in der Lage für mich zu sorgen und STOP zu sagen!“, werden nach meiner Erfahrung nicht gemobbt. Menschen, die aber ausstrahlen: „Ich lasse mir alles gefallen, ich wehre mich nicht“ – die werden gemobbt. Was hat Ärger damit zutun Entscheidungen zu treffen?

Entscheiden heißt Grenzen setzen

Im Grunde ist eine Entscheidung nicht anderes als eine Grenze. Nicht so sehr vor einem Menschen, der mir zu nahekommen will, sondern viel mehr zwischen zwei Alternativen. Wenn ich eine Entscheidung treffe, ob ich nach links oder nach rechts gehe, braucht es eine Grenze gegenüber der Option, die ich nicht will. Wenn ich mich dafür entscheide nach links zu gehen, muss ich nein sagen zur Option „Ich gehe nach rechts“. Wenn ich mich entscheide, ob ich Pizza oder Pasta will, muss ich mich entscheiden welcher Option ich ein NEIN entgegensetze.

Nein sagen und entscheiden

Dafür brauche ich eine kleine Portion Ärger. Ich weiß, dass das nicht so überzeugend klingt, wie ich es gerne hätte, aber ich lade sie gerade ein, darauf zu achten, wie ihnen Menschen begegnen, denen es schwer fällt Entscheidung für sich selbst zu treffen. Beobachten Sie mal, wie diese Menschen in der Lage sind, sich abzugrenzen, eine Grenze zu setzen, zu jemandem NEIN zu sagen. Ich behaupte, sie werden feststellen, dass es diesen Zusammenhang gibt.

Zu einem Team zusammenwachsen

Menschen, die keinen Ärger haben, grenzen sich nicht ab. Menschen die sich nicht abgrenzen sind nicht in der Lage Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Die 13 Teilnehmer im anfangs erwähnten Training sind zu einem Team zusammengewachsen, in der jedem klar war, dass er es nicht nötig hat irgendjemanden vorzumachen er habe kein Problem, er sei nie traurig, er habe nie Angst, er sein auch nie ärgerlich.

Mehr Freude im Team

Die 13 Teilnehmer, wie viele andere Teilnehmer in meinen Trainings, sind sich inzwischen im Klaren darüber, dass es wichtig ist, verdammt wichtig ist, gerade die Qualitäten, der angeblich negativen Gefühle zu nutzen. Weil sie eben nicht mehr negativ und nicht weniger positiv sind als die allseits geschätzte Freude. Dafür mach ich meinen Job und dafür bringe ich Menschen dazu darüber zu sprechen, was sie traurig macht, was ihnen Angst macht und was sie verärgert. Damit sie mehr Freude und mehr Klarheit in Ihrem Job haben. Für den Erfolg von Unternehmen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

 

Angst vor der Angst? Great Growing Up trainiert die emotionale Intelligenz von Menschen.

Angst vor der Angst – eine Gegenrede

„Wie herrscht Angst?“ fragt ein sehr interessanter Artikel in der „Zeit“ vom 10. Januar 2019. In Form eines Interviews unterhält sich die Redaktion mit der 1947 in New York geborenen Martha Nussbaum. Sie lehrt als Professorin in Chicago du gilt als eine der angesehensten Philosophinnen der Welt. Die Frage allein ist bereits Teil des Problems: Denn wer sagt, das Angst überhaupt herrscht? Diese Episode stellt klar, warum keine Demokratie Angst vor der Angst haben muss.

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Ein Streitgespräch über die Angst

Das Interview ist kein wirkliches Interview, eher ein Streitgespräch, denn die Redaktion nimmt nicht einfach nur alles hin, was die Philosophin sagt. Stattdessen hinterfragt sie fleißig und bezieht hin und wieder eine Gegenposition. Und genau das gefällt mir sehr gut. Wenn auch beide Seiten letztlich nicht zum Kern der Dinge vorstoßen und die im Titel selbst gestellte Frage unbeantwortet: Wie herrscht Angst?

Einfach nur ein Gefühl

Dass sie die Antwort schuldig bleiben, ist sehr schade, denn in ihr findet sich der Schlüssel zur Lösung des Problems. Die Angst allein kann gar nicht herrschen. Sie wird einfach nur gefühlt. Entscheidend ist allein, welche Schlüsse wir Menschen ziehen, wenn wir vor etwas Angst haben. Vor Krieg und Umweltzerstörung etwa, vor autokratischen Potentaten und populistischen Parteien, vor Überfremdung und Globalisierung, vor Unsicherheit und letztlich vor dem Tod. Aber der Reihe nach.

Gewagte Behauptung

Schon in der Unterzeile des Titels begegnet mir eine gewagte Behauptung: Unter allen menschlichen Emotionen sei Angst die machtvollste, steht dort zu lesen. Warum eigentlich? Warum sollte Angst machtvoller sein als Ärger, Trauer und Freude? Weil Angst geeignet ist, Menschen zu unterdrücken? Das mag sein, aber ist sie deshalb machtvoller als die aus dem  Ärger gespeiste Aggression, mit der ein Diktator seine Untergebenen bedroht? Ist die Angst machtvoller als die Trauer, die Menschen berühren und verbinden kann? Ist sie stärker als die Freude, die begeistern und mitreißen kann?

Vergleich bringt keinen Vorteil

Ansichtssache würde ich sagen. Und: Meiner Meinung nach bringt uns ein Ranking der Gefühle keinen Vorteil. Im Gegenteil: Vergleich sorgt immer dafür, dass irgendetwas schlechter ist als etwas anderes. Und genau da beginnt das Problem. Die Angst hat einen schlechten Ruf. Den hatte sie offensichtlich schon in der Antike. Martha Nussbaum zitiert ihren Kollegen von einst, den guten alten Aristoteles. Der dachte:

"Angst ist das Leid, das einen angesichts eines anscheinend bevorstehenden Übels packt, verbunden mit einem Gefühl der Machtlosigkeit, das Übel nicht aus eigener Macht abwenden zu können."

Gefühle sind keine Gedanken

Ich will weder einem Genie wie Aristoteles noch einer der angesehensten Philosophinnen des Planeten an den Karren fahren, aber eines muss ich klar stellen: Beide bringen da etwas durcheinander, das nicht zusammengehört.  Mit einem Beispiel gehe ich jetzt Schritt für Schritt durch Aristoteles Definition und zeige dabei, warum Angst nicht herrschen kann.

Beispiel Klimawandel

Great Growing up trainiert die emotionale Intelligenz von Menschen.
Der Klimawandel und seine Folgen machen Menschen Angst. Foto: Hermann Traub/pixabay

Der Klimawandel macht mir Angst. Ich bin mir sicher, dass er unser aller Leben beeinträchtigen wird, und die Prognosen schauen nicht gut aus. Die Folgen des Klimawandels sind das anscheinend bevorstehende Übel. Das Gefühl, das sie in mir auslösen, ist Angst. Soweit sind Aristoteles, Frau Nussbaum und ich uns einig.

Machtlosigkeit ist kein Gefühl

Dann meint Aristoteles, diese Angst sei verbunden mit einem Gefühl der Machtlosigkeit, das Übel aus eigener Kraft nicht abwenden zu können. Martha Nussbaum findet diese Definition ziemlich gut. Ich halte sie für grob verfälschend. Warum? Machtlosigkeit ist kein Gefühl, Machtlosigkeit kann ich nicht fühlen wie Angst, Ärger, Trauer oder Freude. Sie ist vielmehr ein Zustand, der wiederum Gefühle auslösen kann – Angst, Trauer oder Ärger, Freude wohl eher selten. Ob ich tatsächlich machtlos bin, weiß ich gar nicht. Tatsächlich kommt es darauf an, wofür ich mich entscheide.

Macht beruht auf Entscheidung

Ich kann zum Beispiel angesichts des Klimawandels und seiner möglichen Folgen resignieren, weil ich denke, ich sei machtlos. Das ist ein Gedanke, kein Gefühl. Und dieser Gedanke beruht auf einer Entscheidung, die ich aufgrund der Informationen treffe, die ich nutze.

Die Angst entscheidet nicht

Angst vor der Angst? Great Growing Up trainiert den Umgang mit Emotionen.
Menschen entscheiden selbst, ob sie sich von ihrer Angst überrollen lassen oder nicht. Foto: Kanenori/pixabay

Ich kann mich auch ganz anders entscheiden und mein Leben verändern: aufs Auto, auf Plastik und auf Fleisch verzichten, einen Verein gründen, im Internet in Erscheinung treten, in die Politik gehen, die Welt retten. All das wären Entscheidungen, die auf ein und demselben Gefühl basieren: auf der Angst. Entscheidend ist nicht die Angst, sondern, was ich mit ihr anstelle. Nicht die Angst herrscht, sondern wir selbst entscheiden, ob wir resignieren und uns beherrschen lassen oder ob wir etwas unternehmen gegen das, was uns Angst macht. Damit erklärt sich, warum Angst nicht herrschen kann.

Das Prinzip Verantwortung

Das simple Prinzip dahinter ist mit einem Wort beschrieben, dass mich seit meiner Zeit als Teenager begleitet: Verantwortung. In dem besagten Streitgespräch in der Zeit kommt diese Wort nicht einmal vor. Leider. Denn Verantwortung ist die Antwort auf die Frage, warum Angst nicht herrschen kann.

Feind der Demokratie?

Great Growing Up trainiert den Umgang mit Emotionen.
Die Angst als Feind der Demokratie? Das ist Unsinn. Foto: John Hain/pixabay

Immerhin stellt die "Zeit"-Redaktion die wichtige Frage, ob Angst zu haben nicht einfach eine menschliche Tatsache sei und will wissen, warum wir sie überhaupt fürchten müssen. Weil sie die Demokratie bedrohe, antwortet Martha Nussbaum, und ich bin einigermaßen fassungslos. Angst bedroht die Demokratie? Ich weiß, das klingt zunächst schlüssig. Schließlich haben es Feinde der Demokratie immer dann besonders leicht, wenn besonders viele Menschen Angst vor der Zukunft haben. Das hat den Nationalsozialisten ebenso den Weg an die Macht geebnet wie allen anderen Potentaten, die heute für Schlagzeilen, Kopfschütteln und Abscheu sorgen.

Angst als Triebfeder

Aber nicht die Angst ist das Problem. Ich habe auch Angst. Etwa vor rechtsextremen Populisten, die unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung den Garaus machen wollen. Schadet diese Angst der Demokratie? Wohl kaum. Zumal sie Triebfeder für diese Podcast-Episode ist. Ich arbeite in meinen Trainings ganz gezielt daran, dass Menschen ihre Gefühle als neutral betrachten: die Freude, aber eben auch die Angst, die Trauer und den Ärger.

Angst als Problem

Alle vier Gefühle haben in gleichem Maße positive wie negative Seiten. Davon bin ich überzeugt. Die Frage ist allein, welche ich nutze. Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Ich hatte früher ein großes Problem mit Angst. Das Gefühl war für mich verknüpft mit einer Information, die besagte: Wenn ich vor etwas Angst habe, lass ich es bleiben. Dieser Entscheidung bin ich jahrelang gefolgt. Ich habe Herausforderungen gemieden so gut es eben ging. Trainings vor Gruppen fremder Menschen geben? Bloß nicht!

Angst als Chance nutzen

Angst vor der Angst? Great Growing Up trainiert den Umgang mit Emotionen.
Wer Angst akzeptiert, ist frei, neue Chancen zu nutzen. Foto: Svklimkin/pixabay

Man könnte daraus folgern, dass die Angst der Feind meiner persönlichen Entwicklung war. Analog zu Martha Nussbaums Folgerung, dass Angst ein Feind der Demokratie sei. Zu meinem großen Glück meint es das Leben gut mit mir, und ich durfte etwas anderes lernen: nicht meine Angst entscheidet, was ich tue, sondern ich. Da war ein heftiger, emotionaler Prozess, der sich für mich gelohnt hat. Wenn ich Angst vor einer Herausforderung habe, weiß ich dass in ihr eine Chance zur Entwicklung verborgen ist. Und ich alleine entscheide, ob ich sie nutze oder nicht.

Die Angst bleibt - na und?

Ich fühle immer noch Angst. Vor jedem Training. Schließlich weiß ich nie welche Menschen in welcher Stimmung mich dort erwarten. Andere mögen das Gefühl Aufregung nennen. Da widerspreche ich nicht. Aufregung ist für mich nur ein anderes Wort für Angst. Ich habe keine Angst davor, das Gefühl beim Namen zu nennen.

Einen Unterschied machen

Die Angst als negativ oder bestimmte Formen von Angst gar toxisch zu verteufeln, dient der Sache nicht. Je mehr Menschen begreifen, dass Angst das Gefühl ist, mit dem Mensch und Tier auf Bedrohung und Ungewissheit reagieren, desto sicherer wird unsere Demokratie. Es macht einen großen Unterschied, ob ich mit meiner Angst, sagen wir vor Überfremdung, verantwortungsvoll auseinandersetze und mich breit und unvoreingenommen über Tatsachen und Entwicklungen informiere, oder ob ich einfach nur vermeintlichen einen starken Mann sucht, der mir erzählt, was ich hören will, um meine Angst nicht mehr zu fühlen.

Der Mensch entscheidet

Nicht die Angst herrscht. Jeder Mensch entscheidet selbst, ob er sich beherrschen lässt. Das gilt in der Demokratie ebenso wie im Arbeitsleben und in der Familie. Das ist Verantwortung.

Soziale Sicherheit

Angst vor der Angst? Great Growing Up trainiert den Umgang mit Emotionen.
Unsicherheit macht Angst, auch soziale Unsicherheit. Foto: Stefan Keller/pixabay

Was mir gefällt, ist Martha Nussbaums Verweis auf den US-Präsidenten Theodore Roosevelt, der aus dem Elend der Großen Depression einen wichtigen Schluss zog: soziale Recht wie das auf ein auskömmliches Einkommen, auf ein würdiges Zuhause, auf gesundheitliche Vorsorge schützen die Demokratie. Natürlich lassen sich so ganz konkrete Zukunftsängste verhindern oder gar vermeiden, entscheidend ist aber, dass sie zuvor etwas schaffen, das angst eindämmt: Sicherheit. Im Umkehrschluss bedeutet das: nicht die Angst ist der Feind der Demokratie, sondern soziale Unsicherheit, man könnte auch sagen soziale Ungerechtigkeit.

Ursache des Übels

Martha Nussbaum sagt, sie interessiere sich für die Ursachen, die dafür sorgen, das Angst uns beherrschen kann. Für mich war es eine simple Entscheidung: Angst gleich Rückzug. Damit hatte ich der Angst die Macht gegeben, mich zu beherrschen. Aber woher kam diese Entscheidung? Was war die Ursache?

Das seltene Geschenk

Die Angst ist nicht das Problem. Jeder Säugling kann mit ihr umgehen. Genauso wie mit den anderen Gefühlen Ärger, Trauer und Freude: indem er sie äußert. Das geschieht manchmal lautstark, manchmal nur mit Blicken, Schluchzen oder Glucksen. Hat der Säugling großes Glück, wird er dabei von einem Erwachsenen gehalten, der ihm etwas schenkt, das selten geworden ist: Akzeptanz. Anders ausgedrückt: Der Erwachsenen vermittelt ihm, dass er nachvollziehen kann, was der oder die Kleine fühlt. Das genügt. Nach kurzer Zeit ist der Ausbruch in der Regel vorbei.

Trainierte Verleugnung

Die Realität verläuft leider meist weniger glücklich. Vor allem wenn es um Angst geht, fällt Erwachsenen die Akzeptanz schwer. Wie fast jedes Kind hörte ich immer wieder den gleichen Satz: "Du musst doch keine Angst haben." Unabhängig davon, dass er stets mit guter Absicht ausgesprochen wird - dieser Satz ist die Ursache. Er trainiert uns darin, unsere Angst zu verleugnen und zu verdammen. Anstatt sie zu nutzen, um vorsichtig oder mutig zu sein - je nach Entscheidung.  Stattdessen lernen wir, Angst vor Angst zu haben und wollen sie loswerden, sobald wir sie fühlen. Das ist das Problem.

Die Angst entmachten

Die gute Nachricht ist folgende: So verhängnisvoll die alte Entscheidung auch war, ich kann sie korrigieren. Tatsächlich aber war und bin ich immer der Souverän meiner selbst geblieben. Schließlich war ich es gewesen, der die Angst ermächtigt hatte. Diese Erkenntnis war Gold wert, denn sie öffnete mir den Weg zu einer neuen Entscheidung: Wenn ich meine Angst ermächtigen kann, kann ich sie auch wieder entmachten. Und genau das habe ich getan. Gott sei Dank!

Ohne Angst kein Mut

Neulich habe ich einen Science Fiction mit Tom Cruise in der Hauptrolle gesehen. "Edge of tomorrow"- eine düstere Zukunftsvision, in der sich Menschen gegen grausige Aliens zur Wehr setzen. Der Offizier von Tom Cruises Truppe schärft seinen Soldaten ein, dass es okay sei, Angst zu spüren. Denn ohne sie gäbe es keinen Grund mutig zu sein. Dass so eine Haltung Eingang in eine Hollywood-Produktion findet und sogar von einem Offizier geäußert wird, gefällt mir. Das macht mir Mut.

Für den Mut entscheiden

Ich wünsche mir, dass immer mehr Mitarbeiter, Wähler, einfach immer mehr Menschen, sich ihrer Verantwortung und Macht bewusst werden. Sich von der Angst lähmen und beherrschen zu lassen, setzt eine Entscheidung voraus. Sie erfolgt meist unbewusst. Wer sich auf die Suche nach ihr begibt, kann sie finden und - ganz bewusst - eine neue Entscheidung treffen. Es lohnt sich. Für Demokratie ebenso wie für Unternehmen. Jedes Unternehmen, das wirtschaftlich erfolgreich sein und bleiben will, braucht Menschen, die ihre Angst wahrnehmen und sich für den Mut entscheiden.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2019

Lächeln im Logo: die Gemü-Zentrale in Ingelfingen-Criesbach. (Foto: Mattias Stolla

Werte im Unternehmen – Interview mit Gemü-Chef Stephan Müller – Teil 2

Willkommen bei Great Growing Up – dem Podcast für Beziehungskompetenz im Business. Heute mit Stephan Müller, Geschäftsführer der GEMÜ Gruppe im Hohenlohischen Ingelfingen-Criesbach. Hier folgt der zweite und letzte Teil des Interviews mit dem Themenschwerpunkt "Werte im Unternehmen". Teil 1 gibt es hier.

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Immer schön lächeln

Matthias Stolla: Ich fahre ja öfters mal an dem Firmengebäude vorbei, weil ich ja gar nicht weit davon entfernt wohne. Wenn ich mir das GEMÜ-Logo so anschaue, das Logo lächelt mich immer an, weil das Ü so gestaltet ist wie ein Smiley. Steckt da eine Absicht dahinter?

Stephan Müller: Gott sei Dank haben Sie das erkannt! Da steckt in der Tat eine Absicht dahinter. Ich glaube, dass sich sogar eine professionelle Agentur damit beschäftigt hat.

Begeisterung nach außen tragen

MS: So sieht’s aus.

SM: Das war natürlich eine pfiffige Idee aus dem Marketingbereich. Die Frage war: Was können wir denn tun, um diesem Lächeln, das dem Gerd Müller sehr wichtig ist, einen Ausdruck zu finden? Gerd Müller betont ja immer wieder das Thema Familienunternehmen und da gehört auch dazu, damit die Leute hier mit einer gewissen Begeisterung arbeiten und diese Begeisterung auch nach außen tragen, in ihr Familienkreis, in ihr Freundeskreis. Und dafür einen Ausdruck zu finden, den ich ganz clever fand, war dieses Ü wie ein Smiley zu gestalten.

Freude an der Arbeit

MS: So bisschen ein sonniges Gemüt vermittelnd.

Werte im Unternehmen. Gemü-Chef Stephan Müller im Interview mit Great Growing Up.
Lächeln im Logo: die Gemü-Zentrale in Ingelfingen-Criesbach. (Foto: Mattias Stolla

SM: Ja, einfach Spaß und Freude bei der Arbeit, aber auch die Freude bei GEMÜ zu arbeiten soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden. Ich denke schon, dass es uns als Unternehmen auch ausmacht. Ich meine, es ist wie überall auch, man sieht hier im Haus auch nicht immer nur vor Freude strahlende Gesichter. Da gibt es auch mal harte Entscheidungen, da gibt es auch mal Niederlagen. Das ist ja überall so. Aber ich denke einfach, mit einer positiven Grundeinstellung an die Sache ran zu gehen, das ist schon sehr wichtig. Auch von Seite der Geschäftsführung und der Eigentümer, die diese Einstellung im Unternehmen fest verankern möchten.

Leben ohne Feierabend

MS: Das heißt aber, wenn ich Ihre Andeutung richtig verstehe, dass die Geschäftsführer nicht immer lächeln?

SM: Nee, mit Sicherheit nicht (lacht). Vielleicht lächeln sie sogar noch weniger als der durchschnittliche Mitarbeiter. Weil ich glaube, dass wir nicht anders als andere Unternehmen sind. Viele Herausforderungen oder auch Probleme, die landen bei dem Geschäftsführer auf dem Tisch, sodass er noch öfters grübelt und nachdenkt, als ein anderer Mitarbeiter, der mal um Viere heimgehen und sagen kann: Die Arbeit ist getan und jetzt habe ich Feierabend. Ich denke mal, Gerd Müller hat als geschäftsführender Gesellschafter nie Feierabend. Er trägt das Unternehmen immer mit sich rum.

MS: Dann immer zu lächeln, das wird wahrscheinlich nicht immer funktionieren. Da sind wir realistisch.

SM: Dafür lächelt er relativ häufig (lacht). Das passt dann ganz gut.

Wichtige Werte im Unternehmen

MS: Sie haben gerade vorhin Werte angesprochen. Welche Werte sind Ihnen denn als Geschäftsführer wichtig, was den Umgang von Mitarbeitern anbelangt?

SM: Also was mir persönlich wichtig ist, nicht nur im Umgang mit den Mitarbeitern, sondern ganz generell im Leben, ist die Ehrlichkeit. Das ist ein ganz wichtiger Wert. Dass man ehrlich miteinander umgeht, dass man nicht lügt. Da gehört auch das Thema Aufrichtigkeit sicherlich dazu. Auch das Thema Verlässlichkeit. Wenn ich sage: „Ich mach das“ oder, „ich kümmere mich darum“, dann sollte das auch passieren. Also solche Dinge. Auch die Berechenbarkeit ist sicherlich für uns als Vorgesetzte und Führungskräfte wichtig. Damit unsere Mitarbeiter wissen wie der Vorgesetzte tickt. Damit er nicht morgens einmal so und mittags einmal so gelaunt ist. Ich glaube solche Themen sind auch wichtig. Die Werte Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, die sind für mich schon elementar.

Mitarbeiter fürs Unternehmen gewinnen

MS: Sie haben anfangs kurz mal das Thema Mitarbeitergewinnung angedeutet. Ich vermute jetzt mal, weil ich sehr oft Transparente sehe wie „Azubitag“ oder „Azubiaktion“, dass viele Unternehmen förmlich um die Azubis, um beruflichen Nachwuchs werben. Tut man sich da schwer, ist das ein schwieriges Geschäft, ein schwieriges Unterfangen?

SM: Auf der einen Seite haben wir ja eine gewisse Bevölkerungsdichte hier in Hohenlohe…

MS: Also keine allzu große.

SM: Die steigt zwar ein bisschen, aber letzten Endes fischen wir ja alle im gleichen Teich. Und die Anzahl der Fische ist beschränkt.

Im Wettbewerb um Bewerber

MS: Aber es gibt doch große und zahlreiche Fischer?

SM: Und die Unternehmen wachsen typischerweise überdurchschnittlich. Also zumindest deutlich schneller als das Bevölkerungswachstum. Von daher sind natürlich schon erhöhte Anforderungen notwendig, um die jungen Leute tatsächlich für das Unternehmen zu gewinnen. Ich gebe zu, da tut sich ein Industrieunternehmen deutlich leichter, als ein Handwerker. Von daher bekommen wir bis heute die Leute, die wir suchen.

Fehlende Qualifikationen

Lächeln im Logo: die Gemü-Zentrale in Ingelfingen-Criesbach. (Foto: Mattias Stolla
Stephan Müller (rechts) mit Matthias Stolla. Foto: privat

Beim zweiten Punkt geht es auch darum, ob die Leute dementsprechend qualifiziert sind oder nicht. Klar, dieses Thema ist auch nicht erst seit einem oder zwei Jahren akut, sondern das gibt es schon ein paar Jahre länger. Welche Qualifikationen bringen denn die Leute mit, wenn Sie aus der Schule kommen? Können sie alle richtig lesen, können sie alle richtig schreiben? Also wenn ich mich da mit unseren Ausbildungsleitern und Ausbildungsmeistern unterhalte, dann müssen die manchmal Dinge nachholen, die es früher so nicht gab. Das ist dann halt einfach so.

Nachholbedarf im Ausbildungsbetrieb

MS: OK. Und das leistet man dann auch im Unternehmen?

SM: Muss man ja. Was soll man denn tun? Also wenn einer, sag ich mal, in Mathe in der Hauptschule oder in der Realschule nicht so pfiffig war, aber das für seinen Job braucht, dann muss ich schauen, wie ich ihm das beibringe. Hoffentlich bringt er dann die Offenheit mit, das auch lernen zu wollen.

Offenheit erschafft Chancen

MS: Und diese Offenheit, sehen Sie die heute mehr oder weniger als früher?

SM: Das ist eine schwierige Frage. Ich sehe viele Beispiele, wo die Leute diese Offenheit wirklich auch zeigen, wenn sie sehen, dass es für sie dadurch eine Chance ergibt. Leider gibt es aber auch andere Beispiele, wo Leute meinen, das müsste jemand anders für sie tun. Das ist kein Anspruch, den sie an sich selber stellen. Sondern sie fragen sich: „Warum eigentlich? Das muss ich nicht tun.“ Ich kann schlecht sagen, ob das früher in diesem Maße auch so gab. Die Leute haben sich wahrscheinlich nicht so viel geändert. Aber ich denke, vielleicht konnten es sich die Leute früher nicht erlauben, es einfach so an den Tag zu legen. Weil sie vielleicht aufgrund von wirtschaftlichen Verhältnissen sonst gar keine andere Chance gehabt hätten. Oder weil der klassische Druck vom Elternhaus einfach da war. Ich glaube, da sind die Leute heute freier.

Mitarbeiter mit Ansprüchen

MS: Allgemein sagt man ja, dass das Anspruchsdenken etwas zugenommen hat.

SM: Ich glaube auch, dass das Anspruchsdenken zugenommen hat. Die Frage ist: Wo kommt das her? Wird das durch die Medien suggeriert, oder sind es einfach die vielen Möglichkeiten, die wir um uns herum, haben? Da gibt es sicherlich unterschiedliche Ursachen.

Möglichkeiten nutzen

MS: Das glaube ich auch. Der Punkt „Mehr Möglichkeiten“ spielt sicher auch eine Rolle. Ich glaube Menschen sehen grundsätzlich mehr Möglichkeiten als früher. Klassisches Beispiel: Als Ihr Onkel dieses Unternehmen aufgebaut hat, war Hohenlohe noch eher landwirtschaftlich geprägt und die Möglichkeit etwas anderes zu machen, in einem großen Unternehmen unterzukommen, die war, behaupte ich jetzt mal, in den sechziger Jahren in Hohenlohe nicht so ausgeprägt wie heute.

Lächeln im Logo: die Gemü-Zentrale in Ingelfingen-Criesbach. (Foto: Mattias Stolla
Außenwirkung ist wichtig für Unternehmen, die gute Bewerber wollen. Foto: Matthias Stolla

SM: Das glaube ich auch. Das merke ich, wenn ich zum Beispiel mit meiner Mutter diskutiere. Sie ist jetzt 80 Jahre alt. Sie sagt dann: „Mensch, die Dinge, die ihr heute macht, das hatten wir früher nicht.“ Ob das im beruflichen oder im privaten Bereich ist. Heute fährt man mit den Kindern am Wochenende mal dahin, oder man fährt mit ihnen wo anders hin. Oder sie bekommen dies oder jenes Spielzeug, das hatten wir früher so nicht. Da ist sicherlich was dran. Und da kommt mit Sicherheit auch das Thema Medienkonsum dazu. Man muss gar nicht lange zurückgehen. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo es weder Handy gab noch…

Analog aufgewachsen

MS: …wir sind analog aufgewachsen…

SM: Ja, man ist analog aufgewachsen. Das ist aber heute nicht mehr so. Und da entstehen sicherlich Möglichkeiten für die jungen Leute. Gleichzeitig ist es aber auch eine Herausforderung damit klarzukommen. Ich glaube sogar, wir hatten es damals einfacher, als wir diese Herausforderung gar nicht hatten.

MS: Wir hatten dafür andere Herausforderungen. Wir waren öfters mit der Freiheit konfrontiert: „Was mache ich denn jetzt mit meiner Zeit?“

SM: Ja, wobei mein jüngster Sohn, der sieben Jahre alt ist, hockt manchmal Sonntagmittag auch noch daheim und sagt: „Oh Gott, ist mir langweilig!“ Ich bin ja froh drum, aber er hat noch kein Smartphone und keinen eigenen Computer.

MS: Oh! Er ist also auch noch analog.

SM: Ja, er ist analog unterwegs und er muss irgendeine Möglichkeit finden, wie er mit seinem LEGO-Spielzeug die Zeit vertreibt. Und er schafft das noch.

MS: So wie wir. Sehr schön!

Digitale Herausforderungen

SM: Sobald die Kinder etwas älter werden ist es natürlich anders. Wenn ich heute meine Tochter anschaue, sie ist jetzt in der siebenten Klasse, da ist es gang und gäbe, dass jeder ein Smartphone und alles was dazu gehört, besitzt. Das hat natürlich sowohl positive, als auch negative Seiten. Ohne dass ich das jetzt aus eigener Erfahrung belegen könnte, aber es gibt viele Geschichten, die man aus der Schule hört. Zum Beispiel über Mobbing in den elektronischen Medien. Da tun mir die jungen Leute manchmal Leid, wenn sie mit solchen Sachen konfrontiert werden.

MS: Ja, weil manche recht arglos damit umgehen und sich der Folge gar nicht bewusst sind.

SM: Klar, so ein Kommentar in WhatsApp oder in Facebook ist schnell mal getippt und gepostet, ohne sich über die Folgen bewusst zu werden. Man muss auch nicht mehr dem anderen gegenüberstehen und ihm das persönlich ins Gesicht sagen. Sondern man bleibt ganz anonym.

Umgang mit digitalen Medien

MS:  Was passiert denn einem GEMÜ-Azubi, wenn er während der Arbeit zu viel mit dem Handy rumfuhrwerkt?

SM: Also das nicht betrieblich nutzt?

MS: Ja, vor allem, Herr Müller (lacht).

SM: Also keine WhatsApp Nachrichten mit Kunden austauscht, was mittlerweile auch schon gang und gäbe ist? Leider ist da die Datenschutzgrundverordnung leider wieder ein Hemmschuh geworden. Das ist übrigens auch eine interessante Frage: Was macht eigentlich die Politik bei der Thema Digitalisierung? Aber ich will jetzt nicht von Ihrer Frage ablenken. Man wird das demjenigen klipp und klar sagen, dass das nicht funktioniert.

Als Hidden Boss unterwegs

Hier ein Beispiel: Ich war vor zwei Wochen bei unserer Tochtergesellschaft in den USA. Und dort bin ich dann unter anderem durch die Produktion gelaufen, wo mich nicht jeder kannte. Ich lief an einem Montagemitarbeiter vorbei, der seine Kopfhörer aufhatte. In der einen Hand hielt er ein Ventil, in das er etwas reinschraubte und auf der anderen Seite lag sein Smartphone, auf dem er ein Video anschaute. Und das war sicherlich kein Video, in welchem erklärt wurde wie das Ventil zu montieren ist. Das sind dann natürlich auch schon Dinge, bei denen ich mich frage: Geht’s noch? Was erwarten die Leute eigentlich von ihrem Beruf? Ich bin 100-prozentig davon überzeugt, dass man das bei uns so nicht sehen wird. Das ist ein klares Thema, bei dem der Meister oder der Vorgesetzte dafür sorgen muss, dass so etwas nicht vorkommt. Ich bin vielleicht altmodisch, ich weiß es nicht.

Andere Länder, andere Mediennutzung

MS: Wie haben Sie als Hidden-Boss reagiert, in dieser konkreten Situation?

SM: Ich habe mit dem Vorgesetzten ein Gespräch gesucht und habe ihn gefragt ob das normal sei, oder ob der Mitarbeiter vielleicht zu dem Zeitpunkt in seiner Pause war. Man kommt dadurch ins Gespräch und stellt fest, in anderen Ländern sind auch andere Dinge üblich. Zum Beispiel das Musikhören mit Kopfhörern, das scheint wohl in den USA üblich zu sein. Dass der Mitarbeiter auf seinem Smartphone ein Video nebenher schaut, das jedoch sicherlich nicht. Solche Sachen sind bei uns hier in Deutschland nicht üblich. Leute, die Kopfhörer tragen und nebenher Musik hören.

Begrenzte Aufmerksamkeit

MS: Es gibt ja die Theorie, dass das Konzentrationsvermögen endlich ist. Oder glauben Sie an ein unbegrenztes Konzentrationsvermögen?

SM: Ich bin ja kein Neurowissenschaftler, aber aus persönlicher Erfahrung gesprochen, war das bei uns früher ja auch so. Die einen haben mit leiser Musik besser gelernt, die anderen hingegen brauchten Ruhe. Ich war eher derjenige, der Ruhe brauchte. Wenn ich mich konzentrieren muss, dann tut es mir nicht gut, wenn der Fernseher nebenher läuft. Von daher glaube ich schon, dass das Konzentrationsvermögen begrenzt ist und man sich nicht auf vier, fünf Sachen gleichzeitig konzentrieren kann.

Was Unternehmen attraktiv macht

MS: Herr Müller, nochmal zum Thema Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterpflege. Was muss ein Unternehmen bieten, um attraktiv für die Mitarbeiter zu sein und attraktiv zu bleiben?

Lächeln im Logo: die Gemü-Zentrale in Ingelfingen-Criesbach. (Foto: Mattias Stolla
Alle ziehen an einem Strang: Teamwork bei Gemü. Foto: Gemü

SM: Ich denke, an den Grundwerten haben sich nach wie vor wenige Dinge verändert. Vielleicht ist es nur bei uns im ländlichen Raum so, aber die Leute suchen einen sicheren Arbeitsplatz. Die wollen natürlich ein anständiges Geld verdienen, aber da gehe ich davon aus, dass das in den allermeisten Firmen heute so ist. Es wird überall vernünftig bezahlt. Da drüber hinaus wollen die Leute ein angenehmes Arbeitsumfeld haben. Das hat sich sicherlich weiterentwickelt. Wenn ich mir heute unsere Produktionshalle in unserem Logistikzentrum anschaue, ob das die Logistikhalle oder die Montagehalle nebenan ist, dann sind die heute klimatisiert, haben eine angenehme Beleuchtung und auch die Sicht ins Freie. Wir haben dort überall Glaswände nach draußen. Ich glaube die Arbeitsumgebung, das Arbeitsumfeld hat sich da deutlich weiterentwickelt. Und das gilt auch für den einzelnen Arbeitsplatz, wo heute Hebevorrichtungen und ergonomisch ausgestattete Arbeitsplätze vorhanden sind.

Konzentriertes Arbeiten

Das zieht sich in den Bürobereichen fort. Leute, die heute in einer Büroumgebung arbeiten, wollen, dass das Büro auf der einen Seite ein konzentriertes Arbeiten erlaubt, aber auf der anderen Seite auch ein Arbeiten in Teams ermöglicht. Spontane Besprechungen müssen in diesen Räumlichkeiten ebenfalls stattfinden können. Diese Dinge laufen ja heute ganz anders ab. Diese klassischen 1er, 2er, 3er oder 4er Büros, das wird sich sicherlich in den nächsten Jahren verändern. Da müssen wir uns darauf einstellen, weil sich die Arbeitswelt in diesen Bereichen auch verändern wird.

Klimapolitik im Betrieb

MS: Wenn sie von den klimatischen Bedingungen sprechen, sind wir ja nicht weit vom Betriebsklima entfernt. Was braucht es, damit der Umgang, beispielsweise von Führungskraft zum Mitarbeiter, so ist, dass der Mitarbeiter sich hier wohl fühlt und sagt: Mensch, bei GEMÜ, da will ich arbeiten, da bleibe ich?

SM: Hier kommt es zum Tragen, was wir schon vorhin angesprochen haben, nämlich die Werte im Unternehmen. Die Werte der Mitarbeiter müssen mit den Werten der Führungskräfte deckungsgleich sein. Sonst wirkt das ganze so aufgesetzt. Man könnte dann alle Werte an die Wand hängen, so wie das Plakat, das hinter uns hängt. Aber wenn diese Werte von den Führungskräften nicht gelebt werden, dann kommen die Mitarbeiter ja schnell dahinter. Und dann wird die Arbeit ihnen keinen Spaß mehr machen. Von daher ist dieses Thema ganz, ganz wichtig. Da drüber hinaus gibt es sicherlich Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen. Es gibt sicherlich Unterschiede zwischen einem familiengeführten Unternehmen und einem Konzern. Da gibt es Leute, die sich in einem Umfeld wohler fühlen als im anderen. Das kann ich mir schon vorstellen.

Teamfähigkeit war immer gefragt

MS: Braucht es heute von den Mitarbeitern mehr Teamfähigkeit als früher?

SM: Ich glaube die Teamfähigkeit war schon immer gefordert. Klar, es gibt Leute, die alleine vor sich hinarbeiten, also die Einzelkämpfer sind. Das hängt auch ein Stück weit von der Position des Mitarbeiters ab. Aber in bestimmten Bereichen war auch früher schon diese Teamarbeit gefragt. Was heute eher gefordert ist, sind schnelle Veränderung und ein schnelleres Austauschen innerhalb der Teams. Auch die Bildung von interkulturellen Teams, mit Mitarbeitern unterschiedlicher Nationalitäten, gehört da dazu. Die Hierarchien müssen außerdem mehr aufweicht und andere Führungsmechanismen angewendet werden. Solche Themen spielen eher eine Rolle.

MS: Herr Müller, vielen Dank für Ihre interessanten Antworten und für den lockeren Plausch, den wir über, so manch‘ vielleicht doch ein heikles Thema, führen durften. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und nochmals Dankeschön.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2018

Mit Angst zum Erfolg. Great Growing Up.

Mit Angst zum Erfolg – Ein Kommentar

„Du darfst keine Angst haben.“

Mit Angst zum Erfolg. Great Growing Up.
Kommentar zum Thema Angst im Job in der Wirtschaftsstimme. Foto: Matthias Stolla

„Du musst deine Angst bekämpfen.“

„In fünf Schritten zum angstfreien Leben.“

Solches und Ähnliches höre und lese ich immer wieder. Schön, dass die Wirtschaftsredaktion der Heilbronner Stimme/Hohenloher Zeitung einen Kommentar von mir wollte, der das Thema aus meiner Sicht beleuchtet. Am 27. November 2018 wurde er in der Wirtschaftsstimme veröffentlicht.

Hier der Text:

Mit Angst zum Erfolg

Von Matthias Stolla
Es gibt ein Gefühl, für das ich viel Mitgefühl empfinde. Die Angst. Sie muss für vieles herhalten, was in Unternehmen schiefläuft. Ständig wird darüber geschrieben, warum es wichtig sei, sie zu besiegen oder abzuschaffen. Ich habe noch keinen gefunden, der glaubhaft beschreibt, wie das gehen soll: Angst besiegen oder abschaffen. Dafür gibt es einen Grund: Ein Gefühl lässt sich nicht besiegen oder abschaffen.

Ich kenne nur wenige Manager, die mutig genug sind, um über ihre Ängste zu sprechen. Allerdings kenne ich Unternehmen, in denen Vorgesetzte „mit Angst regieren“. Ihre Mitarbeiter gehen auf Tauchstation und behalten ihre Ideen für sich. Das behindert den wirtschaftlichen Erfolg und schadet den Menschen.

Es hilft Mitarbeitern, die sich von Angst lähmen lassen, gar nichts, wenn ich fordere, sie müssten ihre Angst besiegen. Das führt nur dazu, dass sie ihre Angst verdrängen. Was es braucht, sind Führungskräfte und Mitarbeiter, die sich für den Mut entscheiden, Dinge zu tun, die ihnen Angst machen: Ideen entwickeln, Vorschläge machen, Missstände ansprechen, Feedback geben und nehmen, Neues wagen. Das ist riskant, keine Frage. Wer mit Angst erfolgreich sein will, braucht Mut zum Scheitern. Und Achtsamkeit. Die Abwesenheit von Angst ist nicht Mut, sondern Fahrlässigkeit.

Menschen sind sehr wohl in der Lage, aus und mit Angst Großtaten zu vollbringen.  Wenn sie ihre Angst akzeptieren. Das eröffnet ihnen eine Möglichkeit. Sie können sich eine simple Frage stellen: Entscheide ich oder entscheidet die Angst? Diese Möglichkeit fehlt mir, wenn ich meine Angst verdränge. Dann entscheidet sie und führt mich in Blockade, Blackout, Burnout.

Liebe Angstleugner: Lasst mir meine Angst! Ich habe sie schätzen gelernt und nutze sie so oft ich kann. Ich bin lieber mit Angst erfolgreich als ohne fahrlässig.

Matthias Stolla, Trainer und Dozent, Forchtenberg, www.greatgrowingup.com

Angst vor Veränderung? Gemü-Chef Stephan Müller im Interview.

Digital herausgefordert – Interview mit Gemü-Chef Stephan Müller – Teil 1

Willkommen bei Great Growing Up – dem Podcast für Beziehungskompetenz im Business. Heute mit Stephan Müller, Geschäftsführer der GEMÜ Gruppe im Hohenlohischen Ingelfingen-Criesbach. Hier folgt der erste Teil des Interviews, in der Müller erklärt, was es bedeutet, digital herausgefordert zu sein. Teil 2 ist folgt im Dezember.

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Verwandt und verschwägert im Familienunternehmen

Matthias Stolla: Hallo, Herr Müller.

Stephan Müller: Guten Morgen, Herr Stolla.

Digital herausgefordert - Gemü-Chef Stephan Müller im Interview.
Stephan Müller (rechts) im Gespräch mit Matthias Stolla. Foto: privat

MS: Herr Müller, Sie sind der Geschäftsführer von GEMÜ, einem wahrhaftigen Familienunternehmen. Wenn ich es recht weiß, ist ja die gesamte Führungsspitze irgendwie miteinander verwandt und verschwägert. Wären Sie so nett und würden das mir und den Zuhörern erklären?

SM: Es ist in der Tat ein Familienunternehmen und mittlerweile sogar in der zweiten Generation. Der Gründer des Unternehmens, der Fritz Müller hat das Unternehmen an seine Kinder übergeben. Und sein Sohn, der Gerd Müller, der als geschäftsführender Gesellschafter hier im Unternehmen tätig ist, führt die Unternehmensgruppe. Ich bin der Geschäftsführer für die Bereiche Verwaltung, Operations, also Fertigung, Produktion und Logistik. Genau um diese Bereiche kümmere ich mich. Und da drunter gibt es natürlich eine Führungsebene von Bereichsleitern, die nicht alle miteinander verwandt sind (lacht).

Weltweit 1800 Mitarbeiter

MS: Wenn wir schon dabei sind, Herr Müller, wie viele Mitarbeiter gibt es denn in der GEMÜ Gruppe?

SM: Am Ende des letzten Jahres waren wir hier in Deutschland ca. 1.100 und weltweit ca. 1.800 Mitarbeiter. Bei uns werden die Mitarbeiterzahlen erst am Jahresabschluss aktualisiert. Und wir stellen jedes Jahr hier in Deutschland zwischen 60 und 100 Personen ein. Das ist auch davon abhängig, wie man die Leute bekommt. Über das Thema Mitarbeitergewinnung können wir vielleicht nachher noch sprechen. Und so verteilen sich die Mitarbeiter ca. 50 - 50 weltweit und in Deutschland.

Weltmarktführer mit Ventilen

MS: OK, jetzt müssen wir dem Zuhörer vielleicht noch erklären, was stellt denn die GEMÜ Gruppe her? Ich weiß, das hat viel mit Ventilen zutun, aber nicht mit Fahrradventilen oder Reifenventilen. Als Endverbraucher finde ich so gut wie nirgends GEMÜ-Produkte, aber mit ziemlicher Sicherheit habe ich Geräte in meinem Haus, in denen vielleicht was von GEMÜ drin sein könnte. Stimmt das?

Digital herausgefordert - Interview mit Gemü-Chef Stephan Müller.
Was hat Orangensaft mit Gemü zu tun? Mehr als mancher glaubt. Foto: Matthias Stolla

SM: Vermutlich haben Sie das. Im besten Fall haben Sie ein Orangensaft getrunken, der mit Hilfe eines GEMÜ-Ventils abgefüllt wurde. Im weniger schönen Fall haben Sie vielleicht ein Medikament nehmen müssen, das mit Hilfe eines GEMÜ-Ventils hergestellt wurde. Und es gibt natürlich viele, viele andere Applikationen. Wir stellen die Ventile für den industriellen Bereich her, typischerweise nicht für den Haushaltsbereich oder für den Privatbereich. Gemü macht aber auch andere Dinge. Wir haben uns vor zwei Jahren eine andere Organisationsstruktur gegeben. Zudem sind wir sind in verschiedene Business-Units unterteilt. Dazu gehören natürlich die klassischen Business-Units, wie Pharma und Industrie, wir sind aber auch im Halbleiterbereich zuhause. Wir haben auch eine neue Business-Unit, die sich mit Medical beschäftigt. Und ein ganz kleines Pflänzchen, das sich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. Also das sind nicht immer nur Ventile.

Angst vor Veränderung - digital herausgefordert

MS: Da sind wir schon bei unserem Stichwort, das wir uns für diese Episode aufgegeben haben: DIGITALISIERUNG. Großes Schlagwort in der Industrie und in der Wirtschaft. Was bedeutet denn für Sie, für den Stephan Müller persönlich, Digitalisierung? Was verstehen Sie drunter?

SM: Ich beziehe mich hier mehr auf die Bereiche, für den ich verantwortlich bin, also für das Thema Verwaltung und Produktion. Jetzt weniger auf den Vertrieb und die Marktsicht. Für uns ist die Digitalisierung ja nichts Neues. Eine Ausgangsrechnung, die man in Papier ausdruckt, faltet, in ein Kuvert reinsteckt und eine Briefmarke drauf klebt, das hat ja schon vor einigen Jahren aufgehört. Heute wird es elektronisch versandt, die Kopien kommen in ein elektronisches Archiv und sind dort verfügbar. Typischerweise ist auch die Rechnungseingangsbuchung ein elektronischer Vorgang. Die Rechnung wird entweder gescannt oder per Datensatz übergeben. Also von daher, das Thema Digitalisierung ist nichts Neues. Wir arbeiten seit vielen, vielen Jahren mit E-Mails und stöhnen natürlich auch mal darüber…

MS: …hin und wieder…

In der Produktion angekommen

SM: …da gibt das Thema Digitalisierung auch mal neue Chancen. Und in der Produktion ist das Thema auch heute definitiv angekommen. Der elektronische Datenaustausch zwischen den Produktionseinrichtungen ist heute gang und gäbe. Aber klar, wir arbeiten natürlich auch an Lösungen, die heute unter dem Stichwort Industrie 4.0 zusammengefasst werden. Ob das jetzt Augmented Reality ist, oder…

Blick durch die Datenbrille

MS: Was bedeutet denn Augmented Reality?

Digital herausgefordert - Gemü-Chef Stephan Müller im Interview mit Great Growing Up.
Die Gemü-Zentrale in Ingelfingen-Criesbach. Foto: Matthias stolla

SM: Das bedeutet, dass ich als Mitarbeiter eine Datenbrille aufhabe, mit der ich sowohl die reale Welt sehe, aber auch digitale Inhalte eingeblendet bekomme. Hier ist ein ganz einfaches Beispiel: Ein Mitarbeiter in der Wareneingangskontrolle bekommt eingeblendet, wie viele Teile er für eine Stichprobenkontrolle aus einem Los entnehmen muss. Oder ein Mitarbeiter in der Montage bekommt wichtige Informationen eingeblendet, die für seine aktuellen Arbeitsschritte relevant sind. Er muss die Informationen nicht mehr auf dem Papier suchen, wo er sie vielleicht erst gar nicht findet…

MS: …und muss auch nicht den Kollegen oder den Vorgesetzten fragen…

Noch fehlt die Hardware

SM: …sondern er hat diese Informationen, wenn er sie tatsächlich braucht. Das sind Themen, an denen wir heute arbeiten. Das haben wir im Haus allerdings noch nicht, dazu fehlt eventuell noch die richtige Hardware. Eine Datenbrille, die auch an einem Acht-Stunden-Tag angenehm zu tragen ist und eine dementsprechende Akkukapazität hat. Das sind natürlich Themen, die uns beschäftigen.

MS: Und das wird kommen?

SM: Ich bin überzeugt davon, dass es kommen wird.

Was nicht aufzuhalten ist

MS: Ich glaube es gibt niemanden, der dran zweifelt, oder behauptet, das ließe sich in irgendeiner Form aufhalten.

SM: Es geht ja auch nicht darum, dass wir es aufhalten wollen. So wie ein ERP-System, das heute die Fertigung und den Vertrieb steuert. Und das nicht nur bei uns in GEMÜ Deutschland, wir arbeiten ja weltweit mit dem einheitlichen System. Wenn ein Kollege im Innendienst in China einen Auftrag in den Produktionsprozess gibt, dann wird daraus im Idealfalls ein direkter Werksauftrag bei uns im Logistikzentrum. Das sind digitale Abläufe, die mittlerweile seit Jahren etabliert sind. Da haben wir ja auch aktiv drauf hingearbeitet, weil das eine Verbesserung bedeutet. Von daher geht es gar nicht darum, es irgendwie aufhalten zu wollen.

Den Nutzen erkennen

MS: Verstehe, sondern es zu nutzen.

SM: Eine sinnvolle Nutzung, genau. Letztendlich ist das natürlich ein Mitteleinsatz. Ich muss mir überlegen: Was bringt mir das? Ich mach das ja nicht nur, weil das irgendwie schick ist, oder weil irgendjemand sagt, wir müssen jetzt Digitalisierung machen. Sondern wir sind ein Industrieunternehmen, wie wollen Geld verdienen und da muss dabei etwas raus kommen.

Digital herausgefordert - die Mitarbeiter

MS: In Baden-Württemberg sagt man: S‘koscht ja auch was.

SM: S‘koscht ja auch was (lacht). Natürlich muss man auf der anderen Seite auch die Mitarbeiterkomponente im Auge behalten. Bestimmte Generationen vor uns haben es sich schwer getan mit dem ERP-System zu arbeiten. Die waren es einfach noch gewohnt mit einer Laufkarte oder mit Papier zu arbeiten. Heute hat jeder zwei oder drei Bildschirme vor sich, es gibt überhaupt kein Papier mehr, oder nur ganz, ganz wenig. Genauso wird es der heutigen Generation schwerfallen mit dem einen oder dem anderen Digitalisierungsschritt mitzumachen.

Was Mitarbeiter brauchen

MS: Was braucht denn die heutige Generation an Mitarbeitern um da mithalten zu können, in diesem Prozess der Digitalisierung? Welche Anforderungen sehen Sie?

Digital herausgefordert - Gemü-Chef Stephan Müller im Interview mit Great Growing Up.
Mitarbeiter gewinnen ist ein zentrales Thema für Gemü. Foto: Gemü

SM: Ich glaube es sind weniger irgendwelche Skills, die man an einer Universität lernt. Zum Beispiel sowas wie ein Programmierkurs. Ich glaube das ist eher eine Offenheit diesem Thema gegenüber. Man muss da auf jeden Fall aufgeschlossen sein. Menschen müssen auch in der Lage sein, bestehende Prozesse in Frage zu stellen oder vielleicht auch anders machen. Solche Dinge erleben wir ja heute, wo Prozesse typischerweise über die Abteilungsgrenzen hinaus organisiert werden. Dieses abteilungsbezogene Denken von früher wird heute immer wieder durchbrochen. Und da kommt es viel mehr drauf an, dass sich jemand darauf einlässt. Und auch eine Hierarchie danach ausgerichtet wird. Die Bereitschaft die alten Abteilungshierarchien zu durchbrechen, so wie man sie früher kannte, so etwas braucht die heutige Generation an Mitarbeitern.

Offenheit und Vertrauen

MS: Was braucht es denn für Eigenschaften, um diese Bereitschaft tatsächlich auch leben zu können?

SM: So wie ich bereits sagte, eine gewisse Offenheit, das Vertrauen und keine Angst vor Veränderungen. Das Thema Sicherheit macht den Leuten heute ein Stück weit Angst. Man liest es ja immer wieder in den Medien, wie viele Arbeitsplätze durch die Digitalisierung wegfallen. Es geht darum den Leuten die Angst wegzunehmen und zu sagen, dass es nicht darum geht ihren Job wegzurationalisieren oder die Abteilung aufzulösen. Die Leute müssen sich mit der Digitalisierung beschäftigen, ohne sich Sorgen machen zu müssen. Das schafft Sicherheit und Offenheit bei den Mitarbeitern.

Umgang mit digitaler Herausforderung

MS: Würden Sie Leuten mit dieser Angst, dass genau das passiert, was Sie gerade beschrieben haben, würden Sie denen sagen: Nein ihr müsst euch da keine Sorgen machen, die Digitalisierung wird keine Jobs vernichten, sie wird andere Jobs schaffen?

SM: Jetzt wird es kompliziert. Bei uns, bei GEMÜ, hat die Digitalisierung noch keine Jobs vernichtet, sodass wir tatsächlich Mitarbeiter entlassen mussten. Klar, es hat Arbeitsfelder verändert.

Beispiel Briefumschlag

Ich gehe mal auf das Beispiel von vorhin zurück. Früher hat bei uns tatsächlich jemand ein Briefkuvert genommen und da eine Rechnung eingetütet. Diese Tätigkeit gibt es heute so nicht mehr. Dieser Mitarbeiter macht heute etwas Anderes. Die Tätigkeit ist zwar verloren gegangen, aber sein Job ist nicht verloren gegangen. Heute hat der Mitarbeiter eine andere Tätigkeit.

Jobs, die verloren gehen

Wenn ich das ganze Thema allerdings losgelöst von GEMÜ auf die gesamte Industrie, auf Deutschland und auf Europa beziehe, bin ich mir nicht so sicher, ob die Jobs im gleichen Maße geschaffen werden als die Jobs, die verloren gehen. Man muss das vielleicht auch immer noch vor dem Hintergrund sehen: Sind die Menschen denn auch geeignet, dementsprechend ausgebildet und bereit diese neuen Jobs zu übernehmen? Vielleicht wollen sie das ja gar nicht? Oder sie können es auch gar nicht. Es sind Fragen, die man heutzutage gar nicht so richtig beantworten kann. Ich bin da etwas skeptisch. Man sagt, früher hat der Webstuhl auch mehr Jobs gebracht als vernichtet. Ob das bei der Digitalisierung auch so ist? Ich weiß es nicht.

Warum Schüler das Falsche lernen

MS: Wer will‘s denn jetzt schon wissen? Ich habe neulich eine Aufzeichnung von einer Fragerunde mit Jack Ma gesehen, dem chinesischen Unternehmer, Mäzen, dem Gründer der Alibaba Group. Und er hat klipp und klar gesagt: Unsere Schulen vermitteln derzeit noch das Falsche. Nämlich viel, viel Wissen, das in spätestens 30 Jahren gar nicht mehr gebraucht werde, weil es alles in Maschinen stecken wird. Sondern es müssten eigentlich ganz andere Dinge vermittelt werden, wie Umgang miteinander, Empathie, Kreativität, also der Umgang mit Künsten wie Malerei oder Musik etc. Würden Sie dem zustimmen?

SM: Bedingt. Ich glaube es ist insbesondere für jungen Menschen wichtig sich mit diesen Themen, die Sie gerade angesprochen haben, ob das jetzt im zwischenmenschlichen Bereich ist, oder die Beschäftigung mit Kunst, Literatur usw., zu beschäftigen. Da bin ich 100-prozentig davon überzeugt.

Warum Wissen wichtig ist

Aber, dass die anderen Themen, diese Wissensvermittlung deshalb weniger wichtig ist, dem würde ich nicht zustimmen. Zum einen, wir sind jetzt auch schon ein paar Jahre über unsere Schulzeit hinaus, haben wir ja auch Wissensvermittlung genossen. Und ich denke viel von dem Wissen, das wir damals in uns reingetrichtert haben, wissen wir heute zwar nicht mehr oder wir brauchen es nicht mehr, weil es überholt ist. Aber trotzdem haben wir ja etwas dabei gelernt! Es gibt ja heute auch noch den Kunstunterricht und Musikunterricht in den Schulen. Es ist ja nicht so, dass es nicht unterrichtet wird. Das Thema Empathie und Werte, das sind vielleicht Dinge, die zur unserer Zeit vielleicht noch eher im familiären Umfeld oder im Vereinsumfeld vermittelt wurden. So wie bei mir, ich bin ja auf dem Land groß geworden.

Was heute fehlt

MS: Also im privaten Bereich außerhalb der Schule?

SM: Sie wurden im privaten Bereich oder in der Universität vermittelt. Es könnte durchaus sein, dass es heute in diesem Maße nicht mehr stattfindet. Und da muss man sich überlegen, ob sowas in der Schule oder sogar schon im Kindergarten vermittelt werden muss.

MS: Beobachten Sie eine Veränderung bei den Berufsanfängern? Ist der Nachwuchs anders als vor 20, 30 Jahren?

SM: Ich glaube schon, dass die Leute anders sind. Aber ich glaube nicht, dass sie schlechter sind.

Work-Life-Balance

MS: Ich habe nur gefragt, ob sie anders sind.

SM: Ich hatte letzte Woche diese Diskussion mit unserem Hausjuristen. Und er sagte auch, dass seine Eltern meinten, die Jugend sei früher nichts. Er selber sagt, die Jugend heute tauge nichts und wahrscheinlich wird die Jugend von heute das gleiche über die nachfolgende Generation sagen. Das zieht sich wahrscheinlich über die Generationen hinfort. Deshalb denke ich, dass jede Generation anders ist und auch andere Werte hat. Heute spielt die Work-Life Balance eine wichtige Rolle. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wo es vielleicht früher eine klarere Trennung gab. Zwischen den verschiedenen Rollen, die die Leute angenommen und auch ein Leben lang durchgezogen haben. Ich glaube, das ist heute alles deutlich flexibler.

Der Blick in die Glaskugel

MS: Verwobener und flexibler. Es gibt ein Zitat von Sokrates, es ist gute 2600 Jahre alt. Wo der gute Mann über die Jugend schimpft. Wenn man es liest, liest es sich wie heute, das stützt Ihre Theorie, dass sich Jugend immer verändert. Auch abgrenzt gegenüber der Generation davor, aber von den „Alten“ gerne als schlechter bezeichnet wird, obwohl das wahrscheinlich gar nicht stimmt.

SM: Das denke ich auch. Klar, wir können nicht in die Glaskugel schauen, wir wissen auch nicht, was in 20 Jahren passieren wird. Welche Herausforderungen die Jugend von heute eines Tages auf dem Tisch haben wird. Vielleicht hatten wir es auch etwas einfacher. Vor 20, 30 Jahren war die Welt noch irgendwie viel geordneter, da konnte man noch relativ sicher sein, dass das Leben in eine bestimmte Richtung läuft. Das weiß man heute vielleicht nicht mehr.

Mehr Bewegung drin

MS: Das ist sehr interessant. Sie hat sich auf jeden Fall sicherer angefüllt. Das ist auch meine Wahrnehmung. Es ist mehr Bewegung drin. Stimmt das, kann man das so sagen?

SM: Ja, ich glaube schon, definitiv.

Begeisterung für Technik wecken

MS: Herr Müller, Sie haben gerade angesprochen, dass manches nicht mehr so transportiert wird außerhalb der Schule und Kindergarten. Was würden Sie sich da wünschen? Was sollte da mehr transportiert oder vermittelt werden?

Digital herausgefordert - Gemü-Chef Stephan Müller im Interview mit Great Growing Up.
Begeisterung für alles Technische ist wichtig für Mitarbeiter bei Gemü. Foto: Gemü

SM: Ein Thema, das bei uns als Industriebetrieb sehr, sehr wichtig ist, ist die Technik-Affinität. Da sind wir bei uns in der Region natürlich in der glücklichen Lage, weil es in diesem Bereich viel getan wird. Ob das die Innovationsregion insgesamt ist oder unsere Azubis, die im Rahmen von MINT-Projekten versuchen, schon an den Schulen und Kindergärten bei den jungen Leuten, diese Begeisterung für die Technik zu wecken. Oder speziell auf Mädchen bezogene Veranstaltungen, wie Girlsday oder ähnliche Aktivitäten. In diese Richtung müssen wir die Menschen abholen, sensibilisieren und begeistern. Es geht nicht nur um das Konsumieren und Verwalten von Dingen.

MS: Irgendjemand sollte auch etwas entwickeln und herstellen, richtig?

SM: Genau. Es geht um Forschung, es geht um die Produktion, also um alle diese Themen. Sie sind natürlich insbesondere für uns, da bin ich jetzt natürlich egoistisch, als Industrieunternehmen sehr wichtig.

Auf Leidenschaft kommt es an

MS: Das dürfen Sie auch. Ich glaube, das ist auch Ihre Leidenschaft, stimmt’s?

MS: Ja, das ist die Leidenschaft, die mich persönlich antreibt. Obwohl ich hauptsächlich im kaufmännischen Bereich zu Hause bin. Vor allem ist das etwas, das uns als Unternehmen antreibt und elementar wichtig ist. Und ganz generell, diese Begeisterungsfähigkeit und die Fähigkeit sich mit einer Aufgabe zu identifizieren und gemeinsam mit anderen Menschen etwas erreichen zu wollen, das ist ja im Vertrieb genauso. Wir brauchen jemanden, der offen auf den Kunden zugeht, versucht herauszufinden, was für den Kunden wichtig ist, was der Kunde braucht, auch was für eine Sprache er spricht. Heute gibt es nicht nur Leute, die hier um den Turm herumsitzen, sondern wir sind mittlerweile alle weltweit aktiv unterwegs. Solche Fähigkeiten müssen die jungen Menschen mitbringen. Das müssen auch wir mitbringen. Wenn wir es bis heute nicht gelernt haben, dann werden wir es wahrscheinlich in den nächsten 15 oder 20 Jahren unserer Tätigkeit noch dringend lernen müssen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2018

Erfolg mit Angst. Great Growing Up.

Mit Angst erfolgreich – Plädoyer für ein Gefühl

Es gibt da ein Gefühl, für das ich sehr viel Mitgefühl empfinde. Die Angst. Sie muss für vieles herhalten, was in Unternehmen schief läuft. Unzählige Artikel wurden darüber geschrieben, warum es so wichtig sei, die Angst zu besiegen, zu überwinden oder abzuschaffen. Ich habe noch keinen gefunden, der glaubhaft beschreibt, wie das gehen soll: die Angst besiegen, sie überwinden oder sie gar abzuschaffen. Und dafür gibt es einen simplen Grund:  Wir können ein Gefühl nicht einfach besiegen, überwinden oder abschaffen. Aber wir können lernen, es zu akzeptieren, seine Qualitäten zu nutzen und mit Angst erfolgreich zu werden.

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Angst ist allgemein unbeliebt

Anne M. Schüller schreibt im Internet-Netzwerk linkedin über Angst. Die Managementdenkerin, Keynote-Speaker in und Autorin erntet viel Zuspruch für ihren Artikel. Das ist kaum verwunderlich, denn Angst ist allgemein unbeliebt. Vor allem in der Business-Welt. Und vor dort allem in den oberen Etagen. Ich kenne nur wenige Manager, die mutig und offen genug sind, um über ihre Ängste zu sprechen. Und noch weniger, die wissen, wie sie mit Angst erfolgreich sein können.

Die Angst muss verschwinden?

Anne M. Schüller schreibt, die Angst müsse aus den Unternehmen verschwinden, weil sie allzu oft Innovationen verhindere. Warum? Weil Angst das Denken blockiere, Kreativität verhindere und Menschen letztlich dumm mache. Das klingt zunächst sehr einleuchtend. Ich kenne genug Unternehmen, in denen Vorgesetzte „mit Angst regieren“, in denen Mitarbeiter auf Tauchstation gehen und ihre Ideen, sofern sie sich erlauben, welche zu entwickeln lieber für sich behalten.

In die Sackgasse manövriert

Ich stimme Anne M. Schüller zu, wenn sie sagt, all das behindere den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und schade gleichzeitig den dort arbeitenden Menschen. Nur dass die Angst daran schuld sein soll, ist meines Erachtens eine gedankliche Verknüpfung, die in eine Sackgasse führt. Sie hilft mir rein gar nichts, solange ich nicht weiß, wie ich Angst besiegen, überwinden oder gar abschaffen soll. Die Kunst ist, nicht ohne, sondern mit Angst erfolgreich zu sein.

Angst lässt sich nicht ausknipsen

Wie also knipse ich sie aus, die Angst? Die Antwort auf diese Frage bleibt Anne M. Schüller in ihrem interessanten Artikel schuldig. Und auch dafür gibt es einen Grund: Sie kann nicht wissen, wie man Angst ausknipst, weil das schlicht und ergreifend nicht möglich ist. Aber wir können lernen, was wir mit ihr anstellen und mit Angst erfolgreich werden.

Wie Angst missbraucht wird

„Angst wird sehr gerne verbreitet, denn ängstliche Menschen lassen sich leichter beherrschen. Angst betoniert das Gestrige, beutet aus, spinnt Lügengewebe und hält rüde Obrigkeiten an der Macht. Sie macht die Menschen für Populisten und Bauernfänger empfänglich“, schreibt Anne M. Schüller. Auch da stimme ich zu, allerdings mit einer Einschränkung: Angst lässt sich nur missbrauchen, wenn Menschen

  • Ihre Angst verdrängen und sich ihrer nicht bewusst sind
  • überzeugt sind, dass Angst negativ sei und
  • keinen anderen Umgang mit Angst kennen, als den von Anne M. Schüller beschriebenen Weg: mich lähmen zulassen, das logische Denken auszuschalten, mich klein zu machen etc.

Mit Angst erfolgreich mutig werden

Mit Angst erfolgreich. Great Growing Up.
Wer seine Angst verdrängt, landet noch lange nicht bei Mut, Zuversicht & Co. Foto: Gerd Altmann/pixabay

Es hilft unterdrückten Mitarbeitern, die sich von Angst lähmen lassen, rein gar nichts, wenn ich ihnen sage, sie müssten ihre Angst - auf welche Weise auch immer - verschwinden lassen. Das führt allenfalls dazu, dass sie ihre Angst verdrängen. Was es in Unternehmen dagegen braucht, sind Führungskräfte und Mitarbeiter, die sich für den Mut entscheiden, Dinge zu tun, die ihnen Angst machen: Vorschläge machen, Ideen entwickeln, Missstände ansprechen, Feedback geben und nehmen, Neues wagen. Das alles ist riskant, keine Frage. Wer mit Angst erfolgreich sein will, braucht Mut zum Scheitern.

Wie Angst Innovation beflügelt

Solange ich keinen anderen Umgang mit Angst kenne, als den von Anne M. Schüller  beschriebenen, stimmt die Aussage „Angst ist der größte Killer von Leistung und Fortschritt“. Aber nur dann. Die Aussage stimmt nur innerhalb des vorgegebenen Denksystems und ist leicht zu widerlegen. Zum Beispiel mit Archimedes von Syrakus.

Beispiel 1: Archimedes

Mit Angst erfolgreich: der geniale Archimedes.
Hat sich von seiner Angst nicht bremsen lassen: Archimedes. Foto: Garik Barseghyan/pixabay

Der unbestritten geniale Mathematiker und Ingenieur hat in seiner damals griechischen Heimatstadt Syrakus auf Sizilien völlig neue Wurfmaschinen entwickelt. Warum? Weil die Römer im Anmarsch waren. Was hat der gute Archimedes wohl gefühlt, bei dem Gedanken, dass die bis an die Zähne bewaffnete römische Armee auf seine Heimatstadt zu segelte? Ich würde sagen, er hat sich zumindest Sorgen gemacht. Und ich bin überzeugt, dass ihn die Angst vor den Römern ganz schön beflügelt hat beim Tüfteln.

Archimedes hat sich ganz sicher nicht von seiner Angst bremsen lassen, keine Frage. Aber er hat sie verantwortlich und erwachsen genutzt, um das zu tun, was anstand: seine Heimat zu verteidigen. Beim Entwickeln seiner Waffen, war Archimedes mit Angst erfolgreich.

Beispiel 2: Ein Wissenschaftler

Anderes Beispiel: Nehmen wir einen Wissenschaftler, der einen Impfstoff entwickeln will. Was treibt ihn an? Die Sorge um die vielen Menschenleben, die er damit vor Krankheit und Tod bewahren kann? Vielleicht sogar die Sorge um seine Liebsten? Was, wenn nicht die Angst? Und wenn eben dieser Wissenschaftler, seinen neu entwickelten Impfstoff an sich selbst testen will? Dann hoffe ich für ihn, dass er Angst genug hat, um sehr vorsichtig zu sein. Denn wenn er seinen Impfstoff angstfrei zusammenmischt und dosiert, fehlt ihm die nötige Achtsamkeit, um sich vor einem möglicherweise qualvollen Tod zu schützen. Mit Angst erfolgreich zu arbeiten, kann durchaus lebenswichtig sein.

Beispiel 3: Kolumbus & Co.

Erfolgreich mit Angst. Great Growing Up.
Niemand im Krähennest? Das ist nicht mutig, sondern fahrlässig? Foto: Dean Moriarty/pixabay

Viele Menschen bewundern die großen Entdecker von einst. Ich auch. Wie Christoph Kolumbus einfach nach Westen zu segeln, ohne zu wissen, ob und wo er jemals ankommen wird - das ist mutig. Soweit ich weiß, wollte weder der mutige Kolumbus noch sonst irgendein Seefahrer je auf den Mann im Ausguck verzichten. Warum wohl? Weil kein Kapitän will, dass sein Schiff mit Mann und Maus über den - damals vermuteten - Rand der Welt stürzt oder von gefährliche Klippen aufgerissen wird. Die Abwesenheit von Angst ist nicht Mut, sondern Fahrlässigkeit.

Mit Angst erfolgreich Großes tun

Kurzum: Menschen sind sehr wohl in der Lage, unter Druck bzw. mit Angst Großtaten zu vollbringen. Sie können durchaus mit Angst erfolgreich sein. Wenn sie in der Lage sind, ihre Angst zu akzeptieren und nicht versuchen, sie zu verdrängen. Denn genau das eröffnet mir eine Möglichkeit, die ich sonst nicht habe. Ich kann mir eine simple Frage stellen: Entscheide ich selbst oder entscheidet die Angst für mich? Diese Möglichkeit fehlt mir, wenn ich meine Angst ins Unbewusste verdränge. Dann entscheidet die Angst für mich und führt mich möglicherweise in genau jene Zustände, die Anne M. Schüller so treffend beschreibt: Aggression, Blockade, Blackout.

Ich nutze meine Angst

Dieses Phänomen als Automatismus zu beschreiben, halte ich für gut gemeint, aber in der Wirkung für fahrlässig. Die Behauptung, Angst sei negativ und vermeidbar negiert die Möglichkeit, einen bewussten Umgang mit ihr zu trainieren: Akzeptanz und bewusste Entscheidung. Liebe NLP’ler und sonstige Angstleugner: Lasst mir meine Angst! Ich habe sie schätzen gelernt und nutze sie so oft ich kann. Ich bin lieber mit Angst erfolgreich als ohne leichtsinnig und fahrlässig.

Angst macht kreativ und spontan

Zum Beispiel in der Musik. Ich bin selbst Musiker und liebe mein Lampenfieber. Die Aufregung, sprich: meine Angst vor dem Auftritt, macht mich lebendig, achtsam und sehr kreativ. Ich weiß nicht, ob der Auftritt ein Erfolg wird, ob mein oft improvisiertes Gitarrenspiel mich und andere Menschen mitreißen wird. Diese Unsicherheit macht mir Angst, und ich genieße sie. Gewissheit wäre langweilig und Routine. Die Ungewissheit und der Mut, mich ihr und der Angst zu stellen, führt mich hin und wieder in Zustände spontaner Kreativität, die mich selbst überraschen. Routine kann das nicht.

Mick Jaggers Lampenfieber

Mit Angst erfolgreich. Mich Jagger. Rolling Stones. Great Growing Up.
Mich Jagger spricht im Interview mit der Daily Mail über Lampenfieber.

Mick Jagger hat in einem Interview im Mai 2018 erklärt, dass er vor zumindest vor dem ersten Auftritt einer Tournee Angst hat. Immer noch. Nach mehr als einem halben Jahrhundert Bühnenerfahrung. Und er sprach über seine Rituale, die ihm dabei helfen, mit seiner Angst so umzugehen, dass Mich Jagger auf der Bühne so agiert, wie es das Publikum von ihm gewohnt ist. Bravo, Mick! Ohne deine Angst wären die Auftritte der Stones nicht halb so gut. Angst verhindert Kreativität? Das ist Quatsch. Sie ist eine Voraussetzung dafür, mutig und kreativ zu sein.

Mit Angst erfolgreich in der Arbeit

In meiner Arbeit als Trainer geht es mir nicht anders. Vor jedem Training fühle ich Angst. Ich könnte sie auch als Lampenfieber, Aufregung oder Respekt bezeichnen. Ich nenne sie lieber beim Namen: Angst. Schließlich weiß ich vorher nie, wie meine Teilnehmer auf mich und meine Inhalte reagieren. Jedes Training kann schiefgehen. Bislang ist das aber nur ein einziges Mal geschehen: als ich mich auf Routine verließ und folglich keine Angst spürte.

Angst ist für mich ein gewaltiges Stimulans. Sie macht mich lebendig, achtsam, vorsichtig, spontan, manchmal auch witzig und immens kreativ. Weil ich mich dafür entscheide, dem Neuen, der Innovation, dem Ungewissen mit Mut zu begegnen. Und: Wer daran zweifelt, dass Angst sogar Spaß machen kann, sollte Menschen in Achterbahnen beobachten.

Warum gute Manager Angst fühlen

Managern geht es oft nicht anders. Schlaue Unternehmen trainieren sie darin, auf plötzlich eintretende Herausforderungen intuitiv und spontan zu reagieren. Mit der nötigen Achtsamkeit, die sich aus der Angst ergibt. Aber auch mit dem Mut, Fehler zu riskieren. Situationen, die schnelles Reagieren erfordern, gab es nicht nur in der Urzeit. Sie werden gerade in der sich immer schneller drehenden Wirtschaftswelt immer häufiger. Alles was es braucht, ist Mut, um mit Angst erfolgreich zu sein.

Dumm? So ein Unfug

Und das Angst dumm macht, ist – pardon – schlichtweg Unfug. Ich habe zum Beispiel Angst davor, dass Artikel, die Angst dämonisieren, Menschen dazu bringen, ihre Ängste noch mehr zu leugnen. Genau diese Angst führt mich zum Schreiben und lässt meine Finger über die Tasten fliegen. Ich spüre keine geminderte Kreativität, sondern Adrenalin in meinem Körper. Dass das meine Synapsen verkleben soll, ist mir ganz neu. Ich bin beim Schreiben kaum zu bremsen.

Ohne Angst kein Mut

Wenn ich länger drüber nachdenke, erkenne ich in der Behauptung „Angst macht dumm“ sogar eine Beleidigung. Liebe Anne M. Schüller, Menschen, die ihre Angst fühlen, sind alles andere als dumm. Mein fünfjähriger Enkel weiß das. Er nennt seine Angst beim Namen und kennt bislang keinen Grund, warum er verleugnen sollte, was er fühlt. Er liebt es mutig zu sein, und er weiß, dass es ohne Angst keinen Mut gibt. Ich wünsche ihm von Herzen, dass das so bleibt. Er darf mit Angst erfolgreich sein.

Vom Opfer zur Verantwortung

Wir Menschen sind fühlende Wesen. Unser Leben ist voll von Anlässen, die körperliche Regungen auslösen: Gefühle wie Freude, Ärger, Trauer und eben Angst. Daran ist nichts schlecht. Es ist einfach nur natürlich. Ob und wie wir damit umgehen, liegt in unserer Hand. Das Bewusstsein darüber unterscheidet Opfer im Sinne der Transaktionsanalyse von verantwortlich handelnden Menschen.

Wie Angst entsteht

Erfolgreich mit Angst. Great Growing Up.
Wer so entspannt, hat hoffentlich genug Angst, um vorsichtig zu sein. Foto: Alexandra/pixabay

Angst entsteht, wenn unsere Sinne einen Reiz wahrnehmen, den unser System als gefährlich einstuft. Dann werden in der Tat Botenstoffe ausgesandt, die uns hellwach, aufmerksam und nötigenfalls abwehrbereit machen. Ich kann darin keinen Nachteil erkennen. Angst ist großartig. Ob wir Menschen Großartiges leisten – in der Wirtschaft, in der Kunst oder im Umgang mit anderen Menschen – entscheidet sich daran, ob wir bereit sind, bewusst und verantwortlich mit unserer Angst umzugehen.

Die Mär von der Sicherheit

Das Leben ist per se unsicher. Daran ändert unser Streben nach Sicherheit rein gar nichts. Wer das weiß und die damit verbundene Angst akzeptiert, ist nur sehr schwer zu kontrollieren. Das einzig sichere im Leben ist ohnehin, dass wir alle sterben werden. Irgendwann. Davor darf man Angst haben. Das lähmt kein bisschen. Vielmehr hilft es dabei, das Leben zu schätzen und einen Beitrag dafür zu leisten, dass es besser wird. Und das gilt insbesondere auch für Führungskräfte und Mitarbeiter.

Danke dafür, liebe Angst.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2018

Schuld und Ventwortung. Will Smith und Great Growing Up.

Vom Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung

 In diesem Beitrag geht es darum, welchen Unterschied es macht, ob ich mich schuldig oder verantwortlich fühle. Um den wichtigen Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung. Es geht auch darum, dass der Begriff „fühlen“ in dem Zusammenhang nicht korrekt ist. Ich kann mich nicht schuldig oder verantwortlich fühlen. Ich kann allenfalls denken, dass ich eines von beiden bin. Daraus entstehen dann möglicherweise Gefühle: ich kann traurig sein, oder mich ärgern. Oder mich schämen. Zuerst gibt es einen Gedanken, dann resultiert daraus ein Gefühl. Daraus wiederum ergibt sich die Art und Weise meines folgenden Verhaltens oder Handelns.

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Schuld kann man nicht fühlen

Der Begriff Schuldgefühle ist also irreführend. Dieser Beitrag beschreibt, wie wir unsre Wirklichkeit gestalten, wenn wir auf eine Situation als Opfer reagieren, das sich vorrangig mit Schuld und seinem schlechten Gewissen beschäftigt. Und er beschreibt, welchen Unterschied es macht, wenn wir uns für Verantwortlichkeit statt Schuld entscheiden.

Schuld schafft Schwere

Tatsächlich hat dieses Thema auch eine moralische, sogar eine spirituelle Dimension. Schuldige, die an einen urteilenden und strafenden Gott glauben, erleben oft eine gewisse Schwere. Es fällt ihnen schwer Verantwortung zu tragen. Menschen, die Verantwortung dagegen als Freiheit zu gestalten begreifen, haben es leichter. Ich bin überzeugt davon, dass es keinen Sinn hat, sich mit der eigenen Schuld zu befassen, wenn es darum geht, die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten. Im Grunde geht mir das sogar auf den Geist. Schuldzuweisungen befassen sich immer mit der Vergangenheit. Wer nach vorne schauen will und Wirklichkeit gestalten will, ist mit Verantwortung besser bedient.

Wer zieht den Schwarzen Peter?

In diesem Beitrag geht es um den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung. Der ist gerade im Arbeitsleben von enormer Bedeutung. Ich weiß gar nicht wie viele Besprechungen ich erleben durfte, in denen unglaublich viel Zeit und Energie darauf verwendet wurden, den Schuldigen zu finden, wenn irgendetwas schief gelaufen war. Der Außendienst beschuldigt die Verwaltung, die sieht den Fehler in der IT, und die IT gibt den Schwarzen Peter weiter an die Technik. So geht das eine Weile hin und her, bis die Luft raus ist. Danach steht im Sitzungsprotokoll ein Satz wie der hier: „Phänomen muss beobachtet werden.“

Schuldsucher bleiben passiv

Das wirklich Verräterische an dieser Formulierung ist die Verwendung des Passivs: „… muss beobachtet werden.“ Von wem, bitteschön? Ein klarer Hinweis darauf, was in der Debatte gefehlt hat: einer, der aktiv Verantwortung übernimmt. Alle waren viel zu sehr damit beschäftigt, die Schuld dem jeweils anderen zuzuschieben. Das Ergebnis: Alles bleibt, wie es war. Mit einem Unterschied: Es muss beobachtet werden. Solange aber keiner Verantwortung übernimmt, wird noch nicht einmal das geschehen. Auch in der Sprache zeigt sich der Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung.

Verantwortung verleiht Kraft

Schuld und Verantwortung. Pranger. Great Growing Up.
Wer andere an den Pranger stellt, meidet Verantwortung. Foto: Sabine van Erp/Fotolia

Wir machen in unserem Sprachgebrauch nur sehr selten einen Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung. Häufig verwenden wir sie sogar so, als würden beide das gleiche bedeuten. Weise ist das nicht. Und es hat Folgen, wenn wir so tun, als wären Schuld und Verantwortung dasselbe. Denn wenn wir diese beiden Begriffe miteinander vermischen, schwächen wir uns selbst erheblich. Wir verlieren die Kraft, Wirklichkeit zu gestalten. In dieser Episode werde ich zeigen, warum das so ist. Und was noch viel wichtiger ist: Ich werde zeigen, welche Kraft daraus entsteht, wenn wir den einen, entscheidenden Satz sagen, vor dem so viele Menschen zurückschrecken: Ich übernehme Verantwortung. Dieser eine Satz verändert alles. Das funktioniert allerdings nur, wenn uns der Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung  bewusst ist.

Was Will Smith über Schuld und Verantwortung weiß

Ich werde das nicht alleine tun. Ich habe mir diesmal prominente Hilfe besorgt. Kein anderer als Will Smith wird erklären, warum Schuld und Verantwortung rein gar nichts miteinander zu tun haben. Der US-Schauspieler hat das kürzlich in einem  in einem Videoclip  auf Youtube so deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich mir erlaubt habe, Will’s Klartext für diese Episode im Originalton zu verwenden.

Aber bevor Will hier über den der Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung spricht, will ich auf einen Widerspruch im Zusammenhang mit Verantwortung aufmerksam machen. Wann immer auf Facebook gefragt wird, „Was ist dein höchster Wert?“, dauert es nicht lange, bis jemand damit anfängt, über Freiheit zu schreiben.

Wer trägt die Konsequenzen?

Freiheit ist ein schöner Wert. Die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ich will; die Freiheit, zu sagen, was ich will; die Freiheit, zu leben, wie ich will, wo ich will, mit wem ich will… alles großartig. Die Frage, die mir dabei immer schnell in den Sinn kommt, ist: Bin ich bereit, die Konsequenzen zu tragen? Äh nein, natürlich nicht, denn ich vergaß zu erwähnen, dass ich auch gerne frei von Konsequenzen wäre.

Keine Freiheit ohne Verantwortung

Und da sind wir schon am Kern. Alles, was ich tue oder nicht tue, hat früher oder später Konsequenzen. Aus der Frage „Bin ich bereit, die Konsequenzen zu tragen?“ ergibt sich damit die Frage nach der Verantwortung. Es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung. Für manche mag das wie eine schlechte Nachricht klingen.

Tatsächlich verbirgt sich darin eine Nachricht, die ich als sehr, sehr positiv verstehe: Verantwortung ist Freiheit. Wenn ich bereit bin, die Konsequenzen zu tragen, bin ich frei zu tun, was ich will. So wird ein Schuh draus.

Schuld und Verantwortung

Hier gibt es die Checkliste als kostenlosen Download

Warum wir Verantwortung meiden

Dummerweise gibt es jede Menge Menschen, die davon nichts wissen wollen. Die große Politik etwa liefert jede Menge Beispiele dafür, wie es ist keine Verantwortung zu übernehmen. Wir sind es längst gewohnt, dass Menschen Verantwortung meiden wie der Teufel das Weihwasser. Stattdessen leugnen sie den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung

Schuld erschafft Drama

Woher das kommt? Ich denke, weil keiner Schuld sein will. Und da sind wir wieder beim Thema: Wir verstehen unter Verantwortung das gleiche wie unter Schuld. Die beiden Begriffe werden ständig in einen Topf gerührt und vermischt. Das ist nicht weise, denn daraus entsteht nur Drama. Viel Drama. Und das schmeckt nicht gut.

Moralische Schwere

In meinen Ohren klingt Schuld immer auch nach Strafe. Das sorgt für eine gewisse Schwere, die ich als lähmend empfinde. Schuld hat oft eine moralische, manchmal sogar eine religiöse Dimension: Von der Schuld ist es nicht weit zur Sühne und zum strafenden Gott. Und der richtet den, der etwas falsch gemacht hat. In diesem Sinne hat Schuld eine fatale Auswirkung auf unser Verhalten. Sie bindet uns an die Norm "Hier richtig, da falsch" und führt dazu, dass wir uns selbst Vorwürfe machen. Damit ist nichts gewonnen, aber viel verloren.

Schuld verhindert Verantwortung

Solange ich mich damit beschäftige, was ich falsch gemacht habe, drehe ich mich um mich selbst. Wenn ich ständig darüber nachdenke, wo ich nicht der Norm oder den gängigen moralischen Wertvorstellungen entsprochen habe, bin ich nicht frei, das zu tun, was ansteht. Etwa ein Problem zu lösen oder eine Situation zu verbessern. In diesem Zusammenhang, hindert mich die Schuld daran, Verantwortung zu übernehmen.

Will Smith spricht Klartext

Ich kenne niemanden, der den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung so gut erklärt, wie Will Smith. Tatsächlich hätte ich ihn gerne mal als Co-Trainer an meiner Seite. Deshalb teile ich hier den Clip meines "Kollegen" und empfehle zur weiteren Vertiefung des Themas seinen grandiosen Film "Das Streben nach Glück".

"Ich hatte eine Diskussion mit einer Freundin. Und wir waren uns uneinig über den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung. Sie sprach immer wieder von der Schuld von irgendjemanden. Und ich meinte: Es ist nicht wichtig, wer Schuld daran hat, dass irgendetwas kaputt ist, wenn es deine Verantwortung ist, es wieder zu reparieren.“

Wo die Schuldfrage wichtig ist

Mir gefällt die Art, wie Will Smith Unterscheidungen trifft: Die Schuldfrage ist nicht wichtig, wenn es deine Verantwortung ist, den Schaden zu beheben. Das bedeutet nicht, dass die Schuldfrage prinzipiell unwichtig sei.  Wenn es etwa um Schadenersatzansprüche geht oder um rechtliche Fragen, dann ist es in der Regel sehr wichtig herauszufinden, wer Schuld an etwas trägt.

Was meine Verantwortung bleibt

Und es gibt eine zweite, nicht minder wichtige Komponente: Es ist gut zu wissen, wer schuld war, damit ich weiß, auf wen ich ärgerlich bin. Ein Beispiel: Wenn ein Besucher, das Werkzeug, das ich mir von meinem Nachbarn geliehen habe, beschädigt, ist das seine Schuld. Ich darf mich natürlich über ihn und seine Unachtsamkeit ärgern. Aber es ist nicht seine Verantwortung, dem Nachbarn den Schaden zu ersetzen. Das ist meine. Auch das gehört zum Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung

Vom Umgang mit Erlebnissen

Will Smith geht in seinen Beispielen sogar noch weiter.

„Zum Beispiel ist es nicht die Schuld von irgendjemandem, wenn sein Vater ein missbräuchlicher Alkoholiker ist. Aber es ist verdammt noch mal ganz sicher seine Verantwortung, herauszufinden, wie er mit diesen traumatischen Erlebnissen umgehen und daraus ein richtiges Leben machen kann.“

Ich mag die Art, wie Will Smith Klartext redet. Jedes Wort sitzt, keines ist zu viel. Ein heikles Thema, das noch heikler wird, wenn es beispielsweise um sexuellen Missbrauch geht. Niemand ist schuld daran, wenn er sexuell missbraucht wird. Kinder schon gar nicht. Die Täter sind schuld. Niemand sonst.

Nach vorne denken

Schuld und Verantwortung. Great Growing Up.
Kurz und knapp: Wie Verantwortung funktioniert. Foto: Matthias Stolla

Die Schuldfrage ist grundsätzlich nach hinten gerichtet:  in die Vergangenheit. Sie will klären, wer den Fehler gemacht hat, wer der Täter war. Im Grunde ist das nicht anders als vor Gericht. es geht darum herauszufinden, wer zu bestrafen ist. Die Frage nach der Verantwortung ist dagegen allein auf die Zukunft gerichtet. Das ist ein fundamentaler Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung.

Konsequenz statt Ursache

Verantwortung hat überhaupt nichts damit zu tun, wer die Scheibe zerschlagen hat. Sie will nicht herausfinden, wer der Täter war. Ihr geht es gar nicht um die Ursache, sondern vielmehr um die Konsequenzen und um den Umgang mit dem, was nun mal geschehen ist. Verantwortung will einzig und allein klären, wer den Scherbenhaufen beseitigt, damit sich niemand daran verletzt.

Es ist auch nicht deine Schuld, wenn dein Partner dich betrügt und deine Ehe ruiniert. Aber es ist verdammt noch mal ganz sicher deine Verantwortung, wie du diesen Schmerz annimmst, mit ihm umgehst und ein glückliches Leben für dich erschaffst.“

Verantwortung erschafft Möglichkeiten

Die Frage nach der Verantwortung zielt auf die Zukunft. Sie hat nichts mit Fehlern zu tun, die in der Vergangenheit liegen. Sie will etwas Anderes klären: Bist du bereit, mit dem, was passiert ist, so umzugehen, damit du ein glückliches Leben führen wirst? Verantwortung richtet den Blick in die Zukunft und erschafft Möglichkeiten.

Schuld und Verantwortung haben nichts miteinander zu tun. Das nervt, aber sie haben nichts miteinander zu tun.“

Es gibt Gründe dafür, warum das nervt.

Warum wir uns selbst beschuldigen

Ich glaube, dass die Schuldfrage sehr wichtig ist. Sie ist eng damit verknüpft, wie wir mit unseren Emotionen umgehen. Viele Kinder und Erwachsene, die Missbrauch erleiden, geben nicht dem Täter die Schuld, sondern sich selbst. Warum ist das so? Weil ihnen die Erlaubnis und die Gelegenheit fehlen, die damit verbundenen Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

Wenn Emotion zu gefährlich ist

Schuld und Verantwortung. Great Growing Up.
Solange Menschen sich beschuldigen, arbeitet keiner an einer Lösung. Foto: Tumisu/Fotolia

Für eine Tochter oder einen Sohn ist es viel zu bedrohlich, die unbändige Wut gegenüber einem Eltern- oder Stiefelternteil zum Ausdruck zu bringen. Ich habe unzählige Menschen in Trainings erlebt, die das erst nach vielen Jahren in geschütztem Rahmen konnten. Dann wurde es in der Regel sehr laut im Training. Dann war aber auch klar, dass nicht sie selbst, sondern der Täter schuld sind, an dem, was er seinem Kind angetan hat.

Die Schuldfrage klärt, an wen sich unser Ärger bzw. unsere Trauer richtet. Die Antwort darauf, erlaubt uns die mit dem Erlebten verbundene Emotionalität zu äußern.

Schuld will Strafe und Leiden

Dieser Schritt ist wichtig und unverzichtbar. Ohne ihn lässt sich der nächste Schritt gar nicht gehen: die Frage nach der Verantwortung.

Wenn jemand Schuld an etwas ist, wollen wir, dass er leidet. Wir wollen dass er bestraft wird. Wir wollen, dass er dafür bezahlt. Wir wollen, dass es seine Verantwortung ist, den Schaden wiedergutzumachen.“

Im Grunde wollen wir sogar noch etwas Größeres: Wir wollen, dass der Schuldige leidet, dass er bestraft wird. Aber auch, dass er seine Tat ungeschehen macht. Dass das, was geschehen ist, nie passiert ist. Dass genau das nicht möglich ist, hindert uns nicht daran, es zu wollen. Der Schuldige soll seine Tat aus unserer Vergangenheit tilgen. So, dass sie keine Rolle mehr in unserer Gegenwart bzw. in unserer Zukunft mehr spielen kann.

Vergangenheit lässt sich nicht ändern

Schuld und Verantwortung. Great Growing Up.
Dass der Kaffee verschüttet ist, lässt sich nicht rückgängig machen. Foto: Steve Buisinne/Fotolia

Es wäre so einfach, wenn der, der uns etwas angetan hat, auch dafür sorgen würde, dass wir dennoch ein glückliches Leben führen. Die vermeintlich schlechte Nachricht ist: Er wird es nicht tun. Einfach weil er es nicht kann. Es liegt nicht in seiner Macht das zu tun. Niemand kann in der Vergangenheit Geschehenes  wieder ungeschehen machen. Darauf zu hoffen ist Unsinn. Der Wunsch basiert einzig und allein auf Nicht-Akzeptanz. Wir wollen nicht wahrhaben, dass passiert ist, was passiert ist. Und manchmal ist der Mensch, der Schuld an unserem zerstörten Leben trägt, schon längst gestorben. Wie soll er also dafür sorgen, dass es uns besser geht?  Er kann es nicht. Welchen Sinn hat es also, darauf zu hoffen, dass er es dennoch tut? Ich kann keinen darin erkennen.

Aber so funktioniert das nicht. Schon gar nicht, wenn es um dein Herz geht. Dein Herz, dein Leben, dein Glück sind deine Verantwortung, ganz und allein deine.“

Brutale Wahrheit über Schuld und Verantwortung

Die Schuldfrage blickt auf die Vergangenheit. Sie zu klären, ist wichtig. Aber sie hat nichts mit Verantwortung für meine Gegenwart und meine Zukunft zu tun. Wie wir mit unseren Erfahrungen und Emotionen umgehen, entscheiden einzig und allein wir selbst.

Daraus ergibt sich eine brutale Wahrheit: Niemand kann dein Leben zerstören. Menschen können dich verletzen, dir Schaden zufügen. Wie du aber mit dem Schmerz umgehst und ob du dir davon dein Leben zerstören lässt, ist ganz allein deine Entscheidung – deine Verantwortung. Auch das ist ein wichtiger  Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung: Verantwortung ermöglicht wahre Freiheit.

Schuld führt in den Opfer-Modus

Wenn du dich weigerst Verantwortung  anzunehmen, schwächst du dich, denn du hast keine Möglichkeit, etwas zu verändern. Du wartest darauf, dass ein anderer das für dich übernimmt. Das ist eine extrem schwache Position, die dir keine Handlungsmöglichkeiten bietet. Du wartest und wirst älter. Mehr passiert da nicht.

Solange wir mit dem Finger auf jemanden zeigen und darauf beharren, wessen Schuld das ist, sind wir gefangen im Opfer-Modus. Wenn du in Opfer-Modus gefangen bist, steckst du im Leiden fest. Der Weg zur Kraft führt durch das Annehmen von Verantwortung.

Warum Menschen gerne Opfer sind

Das hört sich nicht sehr sinnvoll an: im Leiden feststecken. Dass es dennoch so viele Menschen immer wieder tun hat, hat mehr als nur einen Grund.

  1. Wir sind es nicht gewohnt, Verantwortung zu übernehmen. Wir beschuldigen stattdessen andere.
  2. Verantwortung abzulehnen ist bequem. Ich kann keine Fehler machen.
  3. Ich leide zwar, aber alles bleibt so, wie ich es kenne.
  4. Ich erfahre Mitleid.

Das sind Vorteile, für die viele Menschen ihr altbekanntes Leid gerne in Kauf nehmen. Sie ändern dadurch nichts und haben unbewusst längst eine Entscheidung getroffen: ich lasse zu, dass das, was mir passiert ist, mein Leben zerstört. Mit Verantwortung hat das nichts zu tun.

Verantwortung sucht Antwort

Mir ist vor Jahren mal aufgefallen, dass im Wort Verantwortung das Wort Antwort steckt. Das gilt nicht nur fürs Deutsche, sondern auch für alle romanischen Sprachen sowie fürs Englische. Das fand ich interessant. Was hat Verantwortung mit Antwort zu tun? Sehr viel finde ich. Verantwortung sucht Antworten auf zwei Fragen:

  1. Was war mein Beitrag zu dem, was geschehen ist?

Und

  1. Was tue ich, damit ich ein glückliches Leben führe?

Die Antwort auf Frage 1 kann beispielsweise so lauten: „Ich habe zu sehr vertraut.“ Oder „Ich war nicht in der Lage Grenzen zu setzen.“ Das hat nichts mit Schuld zu tun, sondern hilft dabei, Frage 2 zu beantworten.

Die Antwort auf Frage 2 liefert Möglichkeiten dafür, das eigene Leben verantwortlich zu gestalten.

Dein Herz, dein Leben, dein Glück sind deine Verantwortung, ganz und allein deine."

Und das wiederum ist nichts Anderes als Freiheit.

Es gibt keine Schuldgefühle

Ich finde es darüber hinaus sehr interessant, wie oft Menschen sagen "Ich fühle mich schuldig." Nach meinem Verständnis gibt es gar keine Schuldgefühle, weil Schuld allenfalls ein Urteil, kaum aber ein Gefühl ist. Ich kann denken, dass ich schuldig bin, aber ich kann es nicht fühlen. Gedanken sind aber keine Gefühle. Genauso wenig kann ich mich verantwortlich fühlen. Verantwortlichkeit ist für mich vielmehr eine Haltung, die auf einer Entscheidung beruht: auf der, etwas ändern oder gar verbessern zu wollen.

Schuld macht passiv

Beides, Schuld und Verantwortung, beeinflusst mein Handeln. Die sogenannte Schuldgefühle, die nach meinem Verständnis vielmehr Schuld-Gedanken sind, sorgen dafür, dass ich in der aktuellen Situation verharre. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob ich mich oder einen anderen menschen beschuldige. Egal ob ich mich oder andere beschuldige und damit "schlecht" mache, ich bleibe passiv, bin allenfalls mit (Selbst-)Vorwürfen beschäftigt.

Gedanken beeinflussen unser Handeln

Verantwortlichkeit dagegen zeichnet sich durch die Absicht aus, eine neue Wirklichkeit zu gestalten. In dem Sinne, dass ich einen Beitrag dazu leiste, ein Problem zu lösen, eine Krise zu bewältigen oder einen Konflikt verantwortlich auszutragen. Das wiederum unterscheidet einen verantwortlichen Erwachsenen von einem Opfer. Die Gedanken - ob an Schuld oder an Verantwortung - beeinflussen maßgeblich unser Verhalten und Handeln.

Ein schlechtes Gewissen bringt gar nichts

Der Unterschied ist übrigens leicht zu bemerken: Wer Verantwortung übernimmt, verschwendet weder Zeit noch Energie damit, sich mit einem schlechten Gewissen zu plagen. Ein Opfer hingegen ist nicht selten auch ein Opfer von seinem schlechten Gewissen. Und das wiederum ist kein sinnvoller Beitrag zur Veränderung irgendeiner Situation.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Vielen Dank, Will Smith, für diese großartige Inspiration.

© Matthias Stolla 2018

Wie ein Team zusammenwächst. Trauer-Power. Great Growing Up.

Trauer-Power – Wie ein Team zusammenwächst

In dieser Episode geht es um etwas, das kaum einer haben will. Ein Gefühl, das so unbeliebt ist, dass die meisten Menschen lieber so tun, als würden sie etwas Anderes fühlen: Ärger zum Beispiel. Oder Freude. Oder am besten gar nichts.  Alles nur nicht Trauer. Dabei ist der Umgang mit diesem zu Unrecht unbeliebten Gefühl entscheidend dafür, ob und wie ein Team zusammenwächst.

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Warum Trauer wichtig für den Erfolg ist

Weise ist das nicht, denn in der Trauer stecken Qualitäten, die für den Erfolg eines Unternehmens unverzichtbar sind.  Diese Epsiode wird zeigen, dass es ohne Trauer keine Verbundenheit, keine Nähe und Tiefe, keine Akzeptanz und keine Empathie gibt. Wer heute Menschen erfolgreich führen will, kommt an seiner Trauer nicht vorbei. Der Umgang mit ihr entscheidet maßgeblich darüber, ob und wie ein Team zusammenwächst. Ironischerweise gibt es ohne Trauer auch keine wahrhaftige Freude, allenfalls oberflächlichen Spaß. Doch dazu später mehr.

Umgang mit Trauer

Die gute Nachricht ist: Keiner muss zum ewig flennenden Trauerkloß werden oder nur noch schlecht gelaunt durch die Gänge schleichen. Mit erwachsen ausgedrückter Trauer hat das ohnehin rein gar nichts zu tun.

Möglichkeit 1: Verdrängen

Wie ein Team zusammenwächst. Trauer-Power. Great Growing Up.
Ob im Job oder privat - es gibt genügend Gründe, um hin und wieder traurig zu sein. Foto: Gerd Altmann/Fotolia

Es gibt eine Goldene Regel, die sich in Trainings- und Coaching-Situationen immer wieder bestätigt: Wenn ich wissen möchte, welches der vier Grundgefühle mein Gegenüber überhaupt nicht mag, lass ich ihn die vier Grundgefühle aufzählen. Das Gefühl, das ihm als letztes oder auch überhaupt nicht einfallen will, ist es. Das klappt so gut wie immer. Wir Menschen sind gut im Verdrängen. Wenn es aber darum geht, ob und wie ein Team zusammenwächst, ist Verdrängen keine empfehlenswerte Option.

Das vernachlässigte Gefühl

Bei mir ist es die Trauer. Das ist mir neulich wieder klargeworden, als ich meine Podcast- und Blogepisoden durchgesehen habe. Seit mehr als zwei Jahren veröffentliche ich regelmäßig Beiträge über emotionale Intelligenz und Beziehungskompetenz. 27 Beiträge sind so zusammengekommen, gleich mehrere davon über die Qualitäten von Ärger und Angst, aber kein einziger über Trauer.

Warum ich Trauer verdränge

Was sagt das über mich aus? Ertappt. Trauer ist nicht mein Lieblingsgefühl. Ich freue mich gerne, ich liebe die Klarheit und die Kraft meines Ärgers, die prickelnde Lebendigkeit meiner Angst, aber um meine Trauer mache ich gerne einen Bogen.

Jeder Mensch, den ich kenne, hat mindestens ein Gefühl, mit dem er auf Kriegsfuß steht. Eines, das er lieber verdrängt. Bei mir ist es eben die Trauer, und soweit ich mich erinnern kann, war das schon immer so.

Gut gelaunt kommt besser an

Als Jugendlicher oder junger Erwachsener habe ich so gut wie nie geweint. Ich wollte nicht als trauriger Mensch gesehen werden. Mir war das unangenehm und peinlich. Der gut gelaunte und entspannte Matthias war das Bild, das ich meiner Umwelt vermitteln wollte. Und das möglichst immer. Sunnyboy forever!

Möglichkeit 2: Ventile nutzen

Lang Zeit hat das erstaunlich gut funktioniert. Natürlich gab es immer wieder Anlass zu Traurigkeit, aber ich hatte einen Weg gefunden, sie auszudrücken, ohne mich ihr stellen zu müssen: als Musiker in einer Band. Ich schrieb Songs mit überwiegend nachdenklichen und traurigen Texten und garnierte sie mit ausdrucksstarken Soli auf meiner E-Gitarre. Was ich mit diesen oft improvisierten Soli ausdrückte, war mir nicht bewusst, bis es mir eine befreundete Trainerin nach einem unserer Konzerte auf den Kopf zu sagte: meine Trauer.

Es gibt mehr als genug Gründe für Trauer

Das hat mich nachdenklich gemacht. Mir war gar nicht klar, dass so viel Trauer in mir war. Über gescheiterte Liebesbeziehungen, über meinen tödlich verunglückten besten Freund, über zu viele verstorbene Katzen, über befreundete Paare, die sich trennen, über Ignoranz, Hass und Elend in der Welt. Es gibt unendlich viele Gründe für Trauer. Im Business-Kontext ist Musik allerdings weniger geeignet, um Trauer ausdrücken. dafür gibt es eine andere Methode, die mehr Klarheit und Bewusstheit vermittelt.

Trauer passt nicht zum Spaß

Es gibt jede Menge Menschen, die Trauer meiden wie die Pest. Sie passt nicht zu dem Spaß, dem wir alle nachjagen, weil wir lieber glücklich als traurig sein wollen. Unsere Konsumgesellschaft basiert darauf, dass uns Unternehmen Spaß verkaufen wollen. Ich kenne kein einziges Produkt, dass mit Trauer auf sich aufmerksam macht. Trauer verkauft sich schlecht.

Tschüß, Blues!

Wie ein Team zusammenwächst. Trauer-Power. Great Growing Up.
Ohne Trauer wäre unsere Musik um viele gute Songs ärmer. Foto: Patrim/Fotolia

Ich kenne Menschen, die Musik danach beurteilen, ob sie gute Laune verbreitet oder Trauer. Party-Schlager sind demnach gut, alles, was traurig oder nachdenklich klingt, nicht. Tschüß, Blues und Balladen, das war’s dann für euch. Doch wie arm wäre unsere Musik ohne Lieder über Trauer?

Oberfläche statt Tiefe

Tatsächlich ist das mit dem Leben genauso. Ohne Trauer wäre es arm und oberflächlich wie so mancher Party-Schlager.

Keine Sorge: Ich mag Fröhlichkeit und Ausgelassenheit. Ohne sie wäre das Leben kaum zu ertragen. Ich bin gerne glücklich vor allem in Gemeinschaft mit Menschen, die mir etwas bedeuten.

Möglichkeit 3: Trauer nutzen

Wie ein Team zusammenwächst. Trauer-Power. Great Growing Up.
Trauer ist ein zu Unrecht verschmähtes Gefühl. Foto: PDPics/Fotolia

In diesen Tagen steht ein weiteres Zwei-Tage-Training mit Studenten und Auszubildenden eines großen Unternehmens an. Wie üblich habe ich die Teilnehmer gebeten, vorab einen Fragebogen auszufüllen. Unter anderem ging es darum, dass sie ihre Gedanken zu den vier Grundgefühlen aufschreiben sollten. Und diesmal gab es eine Überraschung: Nahezu alle Teilnehmer durchbrachen das übliche Schema, indem sie auf die übliche Unterscheidung zwischen dem einen angeblich positiven Gefühl Freude und den drei angeblich negativen Gefühlen Ärger, Angst und Trauer verzichteten.

Die Qualität sehen

Was mich zugleich verblüffte und erfreute, war, dass gar nicht wenige in der Trauer sogar eine Qualität sahen. Ein Teilnehmer schrieb kurz und knapp, Trauer sei „Sehr wichtig“.

Wie ein Team zusammenwächst: durch Trauer

Ich bin sehr gespannt darauf, warum er Trauer für wichtig hält. Für mich ist Trauer das entscheidende Gefühl in Beziehungen. Wenn es darum geht, Nähe und Verbundenheit zu erschaffen, steht Trauer an erster Stelle. Das gilt für Beziehungen im Kollegenkreis nicht weniger als für die klassische Liebesbeziehung. Die Trauer ist mit Beziehung und Liebe verbunden.

Warum wir uns verschließen

Für viele Menschen klingt das wie ein Widerspruch. Schließlich wollen wir doch gerade in unseren Beziehungen glücklich sein. Dagegen spricht rein gar nichts. Glücklich sein in Beziehungen ist klasse und beflügelt Menschen ungemein. Allein: Es funktioniert nicht, wenn wir uns der Trauer verschließen.  Warum eigentlich?

Tabuthema Endlichkeit

Ein Teilnehmer schrieb im Fragebogen:

„Trauer ist kein schönes Gefühl
und steht für mich größtenteils in Verbindung mit dem Tod.“

Stimmt. Tod und Abschied sind mit Trauer verbunden. Der Tod ist nichts anderes als ein ultimativer Abschied. Es macht uns traurig, wenn Menschen, die uns wichtig sind, sterben. Auch der Gedanke, dass wir selbst sterben und geliebte Menschen zurücklassen, kann uns traurig machen. Weil der Tod aber ein Tabuthema in unserer Gesellschaft ist, meiden wir die Begegnung mit ihm ebenso wie die mit unserer Trauer. Wir bewerten Sie als nicht schön.

Warum Menschen Trauer meiden

Teilnehmer:

„Trauer, ist der Beweis das etwas gut war und die beklemmende Erkenntnis das alles endlich ist.“

Trauer ist der Beweis, dass etwas gut war, das gefällt mir. Wir trauern, wenn Dinge, die wir gut empfunden haben, zu Ende gehen. Die Erkenntnis allerdings, dass alles irgendwann zu Ende geht, empfinden wir als beklemmend. Jetzt wird es Zeit für eine revolutionäre Frage: warum eigentlich?

Akzeptanz, die schwerfällt

Wie ein Team zusammenwächst. Trauer-Power. Great Growing Up.
Tod und Sterben sind Tabu-Themen. Und das, obwohl nichts im Leben so sicher ist wie sie. Foto: Matthias Stolla

Warum empfinden wir das Wissen darum, dass alles irgendwann ein Ende hat, als beklemmend? Jeder Tag geht zu Ende, jede Woche, jedes Jahr, zumindest so lange unsere Welt existiert. Und selbst deren Ende ist sicher, sagt die Wissenschaft. Das Leben ist endlich.

Wir alle werden sterben. Das ist die einzige wirklich garantierte Sicherheit in unserem Leben. Ich meine, wir empfinden sie aus einem ganz bestimmten Grund als beklemmend: weil wir uns weigern, sie als Tatsache zu akzeptieren.

Der Weg führt durch den Schmerz

Teilnehmerin:

„Trauer kann befreiend wirken.“

Tatsächlich ist es so, dass es uns erst gelingt, unliebsame Tatsachen zu akzeptieren, wenn wir uns erlauben, den damit verbundenen Schmerz zu fühlen. Das ist in der Tat befreiend.

Vorher ist alles Bemühen nur Verdrängung. Weil wir aber den mit der Endlichkeit verbundenen Schmerz nicht fühlen wollen, scheitern wir in der Akzeptanz dessen, was sicher ist: der Endlichkeit allen Lebens.

Akzeptanz führt zur Freude

Und als wäre das nicht genug, gibt es einen bitteren Nebeneffekt: Die Nicht-Akzeptanz von Trauer mindert unsere Freude am Leben. Denn es ist schwierig bis unmöglich, Lebensfreude in vollem Umfang zu empfinden, wenn ich die Tatsache der Endlichkeit leugne. Menschen, die den Tod als sicher akzeptieren, wissen jeden Tag, den sie erleben, eher zu schätzen als andere. Weil er eben nicht selbstverständlich ist.

Trauer drückt Wertschätzung aus

Ein anderer Teilnehmer äußert seine Gedanken dazu so:

„Trauer wird verdrängt; sie entsteht nur bei Dingen und Menschen, die uns wichtig sind.“

Aha, das ist interessant. Wir trauern vor allem, wenn wir Menschen verlieren, die uns etwas bedeuten. Je enger die Beziehung, desto größer die Trauer. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn ich Trauer vermeiden will, muss ich Menschen auf Distanz zu mir halten.

Ohne Trauer kein Vertrauen

Wie ein Team zusammenwächst. Trauer-Power. Great Growing Up.
Die Stärke eines Teams ergibt sich aus der Akzeptanz dessen, was Menschen ausmacht: Emotion. Foto: Analogicus/Fotolia

Viele Menschen tun das aus genau diesem Grund: Weil sie den Schmerz der Trauer möglichst vermeiden wollen. In der Liebesbeziehung ebenso wie im Kreis der Kollegen. Teams, die der Trauer ihrer Mitglieder keinen Raum bieten, können durchaus produktiv arbeiten. Aber es fehlt ihnen die Tiefe und Vertrautheit, mit der sie emotional belastende Situationen gemeinsam meistern können. Sie bleiben an der sprichwörtlich unverbindlichen Oberfläche.

Wie ein Team zusammenwächst - durch Trauer

Teilnehmerin:

„Trauer kann man nicht vermeiden, man sollte aber wissen.
wie man damit am besten umgehen kann.“

Da stimme ich der Teilnehmerin unumwunden zu. Es gibt kein Leben ohne Trauer. Genauso wenig wie es ein Leben ohne Angst und Ärger gibt. Allerdings kann ich mir sehr wohl ein freudloses Leben vorstellen: eines ohne Tiefe und Nähe, ohne Klarheit und Kraft, ohne aufregende Abenteuer und Herausforderungen.

Was Unternehmen einfordern

Interessanterweise sind aber genau das Qualitäten, die Unternehmen heute einfordern: emotionale Verbundenheit zum Team und zum Unternehmen, Entscheidungsfreude und Selbstantrieb sowie Freude an der Herausforderung und den Mut, kreative Lösungen zu suchen. Das alles gibt es nicht ohne die Bereitschaft, den damit verbundenen, vermeintlich negativen Gefühlen Raum und Zeit zu bieten.

Wie tiefe und enge Verbundenheit entsteht

Es lohnt sich, den Gedanken zuzulassen, dass Ärger, Angst und Trauer ebenso ihre Qualitäten haben wie die Freude.

Denn Tiefe und Nähe, Klarheit und Kraft, Abenteuer und Herausforderungen erlebe ich nur, wenn ich mich auf die damit verbundenen Gefühle einlasse: auf Trauer, Ärger und Angst. Ich kann die Anlässe, die ihnen vorrausgehen so wenig verhindern, wie ich den Tod besiegen kann. Wohl aber kann ich die sich daraus ergebenden Gefühle verdrängen – wenn ich bereit bin, den Preis dafür zu bezahlen.

Im Falle der Trauer sind das – wie bereits erwähnt - Nähe und Tiefe in Beziehungen.

Mit Trauer verantwortlich umgehen

Hier kommt der zweite Halbsatz der gerade erwähnten Antwort ins Spiel:

„...man sollte aber wissen wie man damit am besten umgehen kann.“

Erwachsener Umgang mit Trauer hat nichts mit einem endlosen Tränenstrom oder gar Selbstmitleid zu tun. Ich erlebe in meinen Trainings immer wieder, was geschieht, wenn ein Teilnehmer seiner Trauer Ausdruck gibt. Mal mit, mal ohne Tränen. Trauer äußert sich vor allem in der Stimme.

Der Trauer Worte geben

Ich trainiere Menschen darin, ihrer Trauer Worte zu geben. Sie sprechen darüber, was sie traurig macht, was sie verletzt hat und ihnen Schmerz bereitet. Wenn das passiert, verändert sich die Atmosphäre im Raum. Es wird still und die Teilnehmer rücken unwillkürlich enger zusammen. Es entsteht eine Nähe zueinander, die vorher nicht da war. Verbundenheit.

Was eine Abteilung zum Team macht: Trauer-Power

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Abteilung und einem Team ist folgender: In einer Abteilung verstellen sich Menschen und funktionieren.  In einem Team zeigen sie sich, wie sie sind und erfahren dafür Akzeptanz.

Übrigens bringt die ganze Verdrängerei meiner Meinung nach keinerlei Zeitgewinn. Verdrängte Trauer beeinflusst Menschen sogar deutlich länger als Trauer, die Akzeptanz erfährt. Das gilt sowohl für den, der sie spürt, als auch für alle anderen im Raum.

Umgang mit Trauer in der Praxis

Ich erinnere mich an eine Mitarbeiterin, die mich in meiner Zeit als Führungskraft oft sehr gefordert hat. Ihre launenhafte Zickigkeit war im Team berüchtigt. Sie galt als zeitweilig unerträglich. Was die Mitarbeiterin brauchte, war jemand, der ihr zuhörte. Genau das wollten aber verständlicherweise die genervten Kolleginnen und Kollegen nicht.

Der Aufwand lohnt sich

Also musste der Chef ran. Logisch. Ich setzte mich mit der Mitarbeiterin ins Besprechungszimmer und ließ sie erzählen, was los war. Nach spätestens zehn Minuten flossen ihre Tränen. Sie war einsam, frustriert und unglücklich. Nach einer halben Stunde ging sie zurück an ihren Arbeitsplatz und war wie verwandelt. Die halbe Stunde hatte sich gelohnt.

Trauer ist der Schlüssel zur Empathie

Wie ein Team zusammenwächst. Trauer-Power. Great Growing Up.
Eine Gruppe, die der Emotionalität ihrer Mitglieder mit Akzeptanz begegnet, ist ein Team. Foto: Rawpixel/Fotolia

Das Beispiel zeigt zudem, wie wichtig, die Fähigkeit Trauer zu fühlen, gerade für Führungskräfte ist. Das oberflächlich Verhalten der Mitarbeiterin hat nicht nur ihre Kolleginnen und Kollegen genervt, sondern auch mich. Ohne Zugang zu meiner Trauer, hätte mich die Vermutung, dass hinter ihrer Zickigkeit tatsächlich verdrängte Traurigkeit steckt, nicht im Mindesten berührt. Ohne die Fähigkeit, Trauer zu empfinden, bleibt emotionale Intelligenz eine theoretische Idee ohne Nutzen.

Teilnehmer:

„Trauer muss ausgelebt werden, um nicht verdrängt zu werden.“

Der Blick unter die Oberfläche

Die mit Trauer verbundene Qualität heißt Einfühlungsvermögen – Empathie. Sie gewährleistet, dass Führungskräfte bereit sind, sich selbst und ihre im Alltag mitunter oberflächliche Wahrnehmung zu hinterfragen und den tieferen Ursachen auf den Grund zu gehen. Und das lohnt sich allemal.

Auf den ersten Blick mag es die einfachere Lösung sein, einfach dem eigenen Ärger zu folgen und die Kollegin aus dem Team zu entfernen. Danach hätte ich nur eine Nachfolgerin finden müssen, die weniger emotional ist. Eine, die keinen Ärger macht, sondern einfach nur ihren Job.

Wie ein Team zusammenwächst: durch den Mut zur Trauer

Das kann man machen. Ein wirkliches Team mit emotionaler Verbundenheit untereinander und nicht zuletzt zum Unternehmen erschaffe ich damit nicht. Dafür braucht es etwas Anderes: Führungskräfte und Mitarbeiter, die mutig genug sind, dem was ohnehin da ist, Raum und Zeit zu geben. Damit Unausgesprochenes und Verdrängtes nicht weiterhin die Arbeit stört. Damit alle so schnell wie möglich und so leistungsbereit wie möglich wieder ihren Job machen können.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Mehr dazu finden sie auf meiner Website www.greatgrowingup.com.

© Matthias Stolla 2018

 

 

Alois Wimmer. Great Growing Up

Teamentwicklung im Unternehmen

Kann es sein, dass der Geschäftsführer eines großen Unternehmens seine Führungskräfte davor warnt, sich nur auf schnelles Wachstum zu konzentrieren? Noch dazu in einem Unternehmen der stark wachstumsorientierten Würth Gruppe? Es kann.  Alois Wimmer ist Geschäftsführer des Schraubenwerks Gaisbach (SWG), eine der rund 400 Gesellschaften der Würth Gruppe. Er ist ein Urgestein im Konzern ist und hat zum Thema Beziehungskompetenz und Teamentwicklung im Unternehmen Einiges zu sagen. Etwa, dass es Unsinn ist, Menschen an Managementsysteme oder an Entwicklungen wie die Digitalisierung anpassen zu wollen. Andersrum wird eine Schraube - pardon - ein Schuh daraus, erklärt Wimmer und erklärt in diesem Interview sein Verständnis von Teamentwicklung im Unternehmen.

Teamentwicklung im Unternehmen mit Great Growing Up.
Alois Wimmer. Foto: Schraubenwerk Gaisbach

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Verbindungen sind von Vorteil

MS: Herr Wimmer, schön dass wir heute ein bisschen über Teamentwicklung im Unternehmen plaudern. Sie sorgen dafür, dass der Schraubenhändler Würth auch etwas zum Verkaufen hat. Was ist den das Schöne am Schraubengeschäft?

AW: Das Schraubengeschäft hat keine spezifischen Schönheiten. Das Schöne ist, dass wir mit Menschen zusammenarbeiten. Es geht nicht darum, ob ich eine Schraube mache oder ob ich eventuell Plastikdosen fertige. Wir haben den großen Vorteil, dass das, was wir machen, einen Sinn ergibt. Wir können nämlich Dinge miteinander verbinden.

Menschen verbinden

MS: Gut. Ich vermute, Sie meinen jetzt nicht nur Werkstoffe?

AW: Ja, Sie können Werkstoffe miteinander verbinden, aber bei mir ist das Wort Verbindung auch anders geprägt, weil auch Menschen

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So eine Schraube verbindet nicht nur Werkstoffe, sondern indirekt auch Menschen miteinander. Foto: Steve Johnson

miteinander verbunden werden. Zum Beispiel in den Transaktionen, die stattfinden: Wir sind die Produzenten, das Ganze geht dann zu einem Händler, dieser geht dann zu einem Endkunden, der Endkunde kann das Produkt wiederum nutzen, um Ihnen z. B. einen Carport zu bauen. Ich hoffe Sie haben schon einen mit unseren Schrauben. Wenn nicht, dann sollten wir das Gespräch in diese Richtung lenken.

Karriere im Unternehmen

MS: Ok, darüber können wir gerne abseits der Aufnahme sprechen, Herr Wimmer. Wenn ich kurz indiskret sein dürfte, wie alt sind Sie und seit wann arbeiten Sie bei Würth?

AW: Ich habe das 60. Lebensjahr vollendet und bin seit meinem 32. Lebensjahr bei Würth. Dann können Sie schnell ausrechnen, dass ich 28 Jahre bei Würth bzw. bei SWG bin.

MS: Dann ist der Begriff Urgestein keine Übertreibung?

AW: Man könnte auch sagen: bemoostes Haupt.

Menschen verändern sich nicht

Wenn von Teamentwicklung im Unternehmen die Rede ist, geht es früher oder später um die Frage, wie sich der typische Mitarbeiter in den vergangenen Jahren verändert hat. Alois Wimmer hat darauf eine klar Antwort: gar nicht, denn Teamentwicklung im Unternehmen funktioniert genau andersherum.

MS: Herr Wimmer, Sie waren so viele Jahre bei Würth bzw. bei SWG. In all der Zeit haben Sie sicher viele Menschen kommen und gehen gesehen. Was macht denn den Unterschied aus, zwischen den Mitarbeitern damals und Mitarbeitern heute? Hat sich da was verändert?

AW: Herr Stolla, Sie fragen jetzt etwas, was ich nicht nur mit einem Satz beantworten kann.

MS: Tun Sie sich keinen Zwang an.

Was sich tatsächlich geändert hat

AW: Die Problematik ist, dass es oft in einem viel zu kurzen Zeitraum gedacht wird. Der Mensch hat sich gar nicht verändert. Ich bin der Überzeugung, dass wir alle auf Emotionen ansprechen und dass wir alle gewisse Regungen haben, die in uns determiniert sind, also innewohnen. Und da hat sich überhaupt nichts verändert. Der Mensch will fair und ordentlich behandelt werden. Der Mensch will wahrhaftig wahrgenommen werden. Und von daher haben sich nicht die Menschen geändert, sondern die Managementsysteme. Und meiner Meinung nach ist das wiederum ein großer Trugschluss.

Fehler im System

MS: Der Trugschluss, Herr Wimmer, ist genau welcher?

AW: Der Trugschluss ist, dass wir fleißige, pflichtbewusste Menschen haben und wenn wir ehrlich mit denen umgehen, müssen wir nicht irgendwelche Managementsysteme permanent ändern. Sondern wir müssen eben in dieser Wahrhaftigkeit und in der Wahrheit bleiben, dass eine gewisse Leistung erbracht werden muss. Diese Leistung sollte dementsprechend aber auch honoriert werden. Jeder sollte seinen gerechten Anteil bekommen.

Teamentwicklung = Menschen wahrnehmen

Teamentwicklung im Unternehmen hat viel damit zu tun, Menschen darin zu unterstützen, authentisch, also wahrhaftig zu kommunizieren.

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Der Geschäftsführer des Schraubenwerks Gaisbach versteht sein Unternehmen als Gemeinschaft. Foto: Schraubenwerk Gaisbach

Damit beschäftigen sich viele. Nicht alle sind sich darüber im Klaren, was Authentizität tatsächlich bedeutet.

MS: Was bedeutet denn das Wort, dass Sie gerade benutzt haben, das Wort „Wahrhaftigkeit“, in diesem Zusammenhang?

AW:  Wahrhaftig den Mitarbeiter wahrnehmen, also als das, was er ist. Als Mensch in seinem ganzheitlichen Mensch-sein und in seiner Leistungserbringung. Ihn nicht nur über seinen Vertrag zu definieren, sondern darüber hinaus in seiner ganzen Persönlichkeit wahrzunehmen, mit all seinen Ängsten. Natürlich sind Ängste bei jedem Mitarbeiter da, z. B. die Existenzängste. Wenn ich solche Themen in die Menschenführung einfließen lasse, wenn ich dem Menschen in seinem vollumfänglichen Sein wahrnehme, dann bekomme ich eine Basis, auf der wir zu einer Werkgemeinschaft werden können.

Was Gemeinschaft ausmacht

SWG steht seit mehr als 50 Jahren für Schraubenwerk Gaisbach. Alois Wimmer übersetzt die Abkürzung gerne etwas anders und bringt damit sein Verständnis von Teamentwicklung im Unternehmen zum Ausdruck.

MS: Und das ist ein Begriff, den Sie gerne verwenden. Sie übersetzen ja das Firmenkürzel SWG auch gerne mal mit Schraubenwerk Gemeinschaft. Was genau bedeutet denn Gemeinschaft für Sie?

AW: Der gesamte Leistungsbogen. Wenn Sie eine Schraube produzieren, fangen Sie mit einem Drahtkolben an. Diesen Drahtkolben muss irgendjemand abladen. Jetzt sagen Sie, das macht doch der Stapler. Nein, das macht nicht der Stapler, das macht der Mann, der auf dem Stapler sitzt. Und aus diesem Drahtkolben entsteht nach mehreren Fertigungsstufen das Produkt, dass wir bei Würth verkaufen: die Assy Schraube. Es sein erwähnt, sie ist die beste Spannplattenschraube, die es gibt. Die Werbung ist ja in diesem Format zugelassen…

MS: Ich habe kein Problem damit.

Keiner ist austauschbar

AW: Diese Schraube geht durch viele Hände. Diese Hände sind miteinander verbunden. In dieser Wertschöpfungskette trägt jeder einen Teil

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Gesichtslose, austauschbare Mitarbeiter? Aus ihnen entsteht kein Team, das Erfolge schafft. Foto: Adi Goldstein

zum Gesamtwerk bei. Genauso wie der Steinmetz, der an einem Dom arbeitet: Er beschlägt nicht nur einen Stein, er baut einen Dom. Und wenn sich unsere Mitarbeiter als Werkgemeinschaft wahrgenommen fühlen, dann bauen sie an einem Gesamtwerk und nicht nur an einer Schraube, oder an einem Schraubenkopf oder an einem Gewinde. Dieser Bogen muss aufrecht erhalten bleiben. Dies verhindert die Sinnentleerung der Arbeitswelt, die in heutzutage häufig stattfindet. Sie macht den Mitarbeiter vermeintlich austauschbar. Unsere Mitarbeiter sind nicht austauschbar, weil Sie als Menschen in der Gesamtheit angestellt sind.

Mit Emotionen umgehen

Dass der Mensch ein emotionales Wesen ist, hat sich längst auch in der Businesswelt herumgesprochen. Häufig allerdings eher in Form abstrakter und theoretischer Debatten. Die simple Wahrheit dahinter ist: Der Mensch fühlt. Wenn Teamentwicklung im Unternehmen gelingen soll, muss sie das in Betracht ziehen.

MS: Den Menschen in seiner Gesamtheit annehmen, dazu gehört auch, das haben Sie gerade eben erwähnt, die Emotionalität des Mitarbeiters. Etwa seine Ängste, z. B. die Existenzangst, die Sie angesprochen haben. Zur Emotionalität gehören aber auch andere Gefühle, wie Ärger und Trauer. Was bedeutet denn das für Ihr Verständnis von Management? Wie gehen Sie damit um, wenn Ihnen ein Mitarbeiter seinen Ärger kundtut?

AW: Den nehme ich sehr, sehr ernst. Denn ein Mensch, der sich ärgert und seine Emotionen raus lässt, ist sehr ehrlich. Und diese Ehrlichkeit, die muss ich dankbar aufnehmen, wenn er mir mitteilt, was in seinen Augen alles nicht in Ordnung ist und wie er sich schlecht behandelt fühlt. Und daraus können wir dann dementsprechend eine Iterationsschleife ziehen und uns fragen: Wo können wir besser werden? Wo sollen wir uns anders verhalten? Aber es gibt natürlich auch den Punkt, an dem ich dem Mitarbeiter sagen muss: „ Mein lieber Freund, hier hast du dich granatenmäßig vertan, hier hast du dich in die falsche Richtung entwickelt!“ Das hat auch etwas mit Vernünftigkeit zutun. Es geht nicht um Heidschi-Bumbeidschi-Wahrhaftigkeit, sondern es geht um ehrliche Beziehungspflege und eine Wahrhaftigkeit in beide Richtungen.

Hören, was keine Freude bereitet

MS: Das schließt aber auch ein, dass Sie sich als Geschäftsführer Dinge sagen lassen, die Sie gar nicht gerne hören…

AW: Natürlich, ich bin ja ein Teil dieser Werkgemeinschaft und muss mich auch dieser Fragestellung aussetzten. Und wenn ich das tue, dann habe ich keine Normierung mehr. Ich unterliege der gleichen Normierung wie alle anderen auch und das muss ich akzeptieren. Und wenn das nicht mehr von mir gelebt wird, dann bin ich für die Tätigkeit ungeeignet.

Was Wimmer auf die Palme bringt

MS: Ok, was bringt denn den Alois Wimmer auf die Palme, was ärgert Sie?

AW: Meine eigenen Fehler.

MS: Und was ärgert Sie an Ihren Mitarbeitern?

AW: Wenn sie unehrlich sind. Wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind die Realität zu reflektieren oder die Realität zu akzeptieren. Da gehe ich nur schwer damit um. Aber auch solche Menschen muss ich verstehen und ertragen. Ich will hier nicht über Toleranz sprechen, was im Grunde genommen, nichts anderes heißt als ertragen. Aber ich muss mich mit ihm auseinandersetzen. Ich kann nicht dran vorbei gehen, sondern ich muss mich mit dieser Situation auseinandersetzen und nach der Befindlichkeit des Mitarbeiters fragen.

Traurige Blödheit und Angst vor Extremen

MS: Was macht Sie traurig?

AW: Blödheit.

MS: (Lacht) Das sagen Sie mit einem Schmunzeln…

AW: Ja…

MS: Was macht Ihnen Angst?

AW: Alle Dinge, die von Fanatikern betrieben werden. Alles was extremistisch ist, alles was nicht einer humanistischen Einstellung entspricht.

Teamentwicklung im Unternehmen mit Great Growing Up
Teamentwicklung im Unternehmen bedeutet auch, die Unterschiedlichkeit von Mitarbeitern zu akzeptieren. Foto: Benny Jackson.

Das macht mir Bedenken. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Ich würde nicht von Angst sprechen, ich würde von Bedenken sprechen. Diese ganze fanatische Formen und die Intoleranz treiben mich gedanklich dorthin, wo ich schon sehr starke Bedenken äußere. Sehen Sie, wir haben jetzt 70 Jahre Israel. Israel ist so ein Thema, das ja sehr schräg dargestellt wird. Wie ist Israel entstanden? Was sind die Hintergründe? Wie gehen wir mit unserer Vergangenheit um? Das sind alles Themen, die auch in einer Firma stattfinden. Wir haben im Unternehmen verschiedene Kulturen, wir haben verschiedene Religionen, verschiedene Ansichten und politische Meinungen. Und das alles ist eine Gemengelage, die wir wahrnehmen müssen. Das hat nichts mit Angst zu tun, das hat etwas mit aufnehmen damit umgehen zu tun.

Potenzial entfalten

Teamentwicklung im Unternehmen ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen etwas wagen, das sie sonst nicht tun: ihren Impulsen folgen, Ideen spontan aussprechen, Kritik üben, unverstellt in Erscheinung treten. Wenn sie das tun, kommt nach und nach ihr gesamtes Potenzial zur Entfaltung.

MS: In den Leitlinien von SWG steht unter anderem: Die Mitarbeiter bestimmen Erfolg unseres Unternehmens. Wichtig ist, dass jeder einzelne seine Fähigkeiten und Neigungen im Sinne des Unternehmens einbringt und weiterentwickelt. Da klingt das Stichwort Potenzial entfalten an. Wie unterstützt SWG die Mitarbeiter darin?

AW: Vielleicht darf ich noch auf den Eingangssatz, den Sie gerade zitiert haben, eingehen. Die Mitarbeiter sind der Erfolg. Die Mitarbeiter im Unternehmen sind keine Maschinen und keine Gebäude. Arbeitnehmer sind Menschen. Und Menschen sind das Feuer des Unternehmertums. Und wenn ich in jedem einzelnen Mitarbeiter dieses Unternehmertum wecke, sodass er sich als Teil des Gesamtunternehmens betrachtet und sich in dieses Werk einbringt, dann haben wir das volle Potenzial ausgeschöpft. Jeder, der Zuhause einer Familie vorsteht, hat eine Finanzbuchhaltung, eine Reservebildung und weitere Aufgaben, alle diese Rollen werden besetzt. Aber wenn wir den Mitarbeiter in der Firma haben, dann darf er nur noch die Schrauben von links nach rechts setzen. Welch ein Unsinn! Der Mitarbeiter ist wesentlich kreativer, wenn wir ihm die Freiräume schaffen. Wobei wir immer noch sagen müssen, „Kollege, wir können über alles sprechen, aber du kannst nicht von selber neue Themen kreieren, sondern das müssen wir in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit tun.“

MS: Das muss also in den Kontext passen…

AW: Das muss in den Kontext passen, jawohl!

Schlagworte in Leitlinien

Leitbilder und Leitlinien gibt es in vielen Unternehmen. Solange sie aber nur hübsch gerahmt an der Wand hängen, passiert nicht viel. Was sich hinter diesen Worten verbirgt, sagt etwas darüber aus, wie Teamentwicklung im Unternehmen in Realität verwandelt wird.

MS: Auch in den Leitlinien von SWG finden sich sieben Schlagworte, sieben Werte. Und die würde ich mir mal mit Ihnen Punkt für Punkt durchgehen. Was verstehen Sie denn unter Respekt?

AW: Dass ich an meinem Gegenüber die Persönlichkeit wahrnehme, und nicht nur einen Arbeitsvertrag.

MS: Was bedeutet Wertschätzung?

AW: Wenn ich den Menschen gegenüber als das was er ist, ein Mitgeschöpf, sehe. Ich will hier nicht in die religiöse Schiene abgleiten, aber wir sind alle Geschöpfe. Und in dem anderen lebt die Unsterblichkeit genauso.

Mitarbeiter einbeziehen

MS: Und, was sehen Sie in Transparenz?

AW: Ehrliches Miteinander-Umgehen, keine unnötigen Geheimnisse. Es gibt natürlich Dinge, die wir nicht an die große Glocke hängen dürfen und hängen können. In dem Umfang, wie es möglich ist, den Mitarbeiter in die Transaktionen, in Geschäfte einbeziehen.

MS: Offenheit?

AW: Ehrlicher Umgang miteinander. Themen nicht hinter der Hand diskutieren und den anderen deformieren.

MS: Das heißt, Sie wollen keine Mitarbeiter, die sich verstellen.

AW: Nein, auf keinen Fall. Ich möchte ehrliche Leute, die mit hellen und wachen Augen in die Firma kommen.

Ansprechen, was stört

MS: Die dann auch den Mut haben Dinge zu sagen, die vielleicht nicht gehört werden wollen?

AW: Es ist für den Podcast ein wenig hart, aber es gibt ja Menschen, die die Fähigkeit haben etwas sehr Schlechtes permanent als Sch.. (Teigige, pastöse, übelriechende Masse) zu bezeichnen. Das hat keine Sinnhaftigkeit. Wenn etwas in den Augen desjenigen, der es betrachtet, schlecht ist, dann muss er es auch aussprechen.

MS: Und damit ist der Punkt Ehrlichkeit, glaub ich, auch schon genannt.

AW: Richtig.

Ausreden mindern Zuverlässigkeit

MS: Zuverlässigkeit?

AW: Zuverlässigkeit ist ein sehr hohes Gut. Und das geht leider immer mehr und mehr verloren. Man hat so schnell eine Ausrede, wenn irgendetwas nicht funktionierte. Dieses Jahr haben wir im Würth Konzern den Slogan von Reinhold Würth „Hundert sind Hundert“ ausgerufen. Man sollte nicht mit der Erklärung starten, warum 98 auch schon 100 sind.

MS: Fast ist eben auch nur fast.

AW: Genau das ist das Thema. Und halb vorbei ist auch vorbei. Es gibt natürlich Situationen, in denen 100 nicht erreicht werden können, aber dann muss ich mich nicht entschuldigen, sondern sauber und ordentlich darlegen warum es so ist, wie es ist. Und dann ist die Welt in Ordnung. Denn 98 sind nicht 100.

MS: Ist denn Unzuverlässigkeit etwas, das Sie ärgert?

AW: Ja.

Wie man Vertrauen erschafft

MS: Klare Antwort. Letztes Stichwort: Vertrauen. Wie ermöglichen Sie das, wie erschaffen Sie Vertrauen?

Teamentwicklung in Unternehmen. Mit Great Growing Up.
Bei der Arbeit: Training mit Führungskräften des Schraubenwerks Gaisbach. Foto: SWG

 

AW:  Vertrauen ist ein Geschenk. Bei der Eheschließung wird ja oft von Sich-Trauen gesprochen. Was grundlegend falsch ist. Es geht nicht darum sich zu trauen zu heiraten, sondern es geht darum dem anderen zu vertrauen. Weil man miteinander einen gemeinsamen Lebensabschnitt, und heutzutage leider Gottes einen viel zu kurzen, beginnt. So ist es ja auch wenn Sie in die Firma kommen. Sie müssen der Firma vertrauen, dass sie Ihnen eine Arbeitsstelle bietet. Und wir müssen dem Mitarbeiter vertrauen, dass er sich mit seinen Fähigkeiten in die Firma einbringt und nicht als Trittbrettfahrer die Leistungen erschleicht. Auf der anderen Seite darf auch das Management die Fähigkeiten des Mitarbeiters nicht missbrauchen und sich damit selber bereichern. Diese Wechselwirkung, das ist das Vertrauen, das zwischen dem Unternehmen und dem Mitarbeiter stattfinden muss.

Die Gemeinschaft im Auge behalten

Wachstum funktioniert auch ohne Teamentwicklung im Unternehmen. Aber eben  nicht langfristig.

MS: Ok. Neulich habe ich mal gehört wie Sie Ihrem Führungsteam gesagt haben: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überdrehen.“ Das fand ich bemerkenswert, nicht so sehr, weil Sie Schrauben herstellen, die sich irgendwann hinein drehen, sondern weil ich das von einem Geschäftsführer in einem leistungsorientierten Unternehmen eher selten höre. Was haben Sie denn damit gemeint: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überdrehen“?

AW: Sehen Sie, wir schwimmen momentan auf einer Welle des Erfolgs. Und dieser Erfolg hat ja bekannterweise viele Väter. Es sei zunächst dahin gestellt woher dieser Erfolg kommt. Wenn man jedoch trunken vor lauter Erfolg nicht mehr weiter sieht und den Gesamtbetrieb auf diese Erfolgsreise nicht mehr mitnimmt, dann geht das zu Lasten einiger. Zum Vorteil mancher und zu Lasten einiger. Das meinte ich damit. Wir müssen immer in der Gesamtheit denken und dürfen nicht in irgendeiner Art und Weise extremistisch werden. Dazu passt dieses schöne Sprichwort, das sogar zu einem Buchtitel wurde: Gier frisst Hirn. Wir müssen uns immer wieder selbst besinnen und darüber nachdenken. Daraus schöpfen wir nämlich die Kraft das Unternehmen weiter vorwärts zu treiben.

Warum Digitalisierung Menschen braucht

MS: Stichwort Digitalisierung. Die betrifft Würth und auch SWG. Wird es denn in Zukunft ein Schraubenwerk ohne Mitarbeiter geben?

AW: Also, ich bin der festen Überzeugung, dass die Digitalisierung ein wichtiges Thema ist, und dass wir Digitalisierung nicht verschlafen dürfen, wenn wir uns mit diesen Themen auseinandersetzen. Aber Digitalisierung heißt nicht, dass keine Menschen mehr da sein werden. Sondern das heißt, dass es Hilfsmittel geben wird, die den Menschen das Arbeiten einfacher machen werden. Und eine gewisse Produktivitätssteigerung schaffen werden. Was wir momentan aber auch wissen, ist, dass das Internet, das vor 25 Jahren entstand, für uns heute eher ein Zeitdieb ist als Unterstützer. Das Internet ist ein Produktivitäts-Vernichter und nicht ein Produktivitäts-Schaffer. Und wenn wir heute mit der Industrie 4.0 nicht vorsichtig umgehen und Mitarbeiter in diese Entwicklung nicht miteinbeziehen, dann werden wir daraus nicht die volle Produktivität schöpfen können. Genauso wenig wie die Unternehmen, in denen von Computern alles durchorganisiert ist. Sie machen keine zweistelligen Sprünge an Produktivitätszuwachs mehr. Die Einzigen, die reich geworden sind, das sind Google, HP und meinetwegen noch Microsoft…

MS: …die Datensammler…

Was uns ärmer macht

AW: …die Datensammler sind reich geworden. Wir sind eigentlich ärmer geworden, weil wir uns aufgrund der Technologie beim Sprechen nicht mehr in die Augen sehen. Was ist das für ein trauriges Leben, wenn ich meinem Mitarbeiter nicht mehr in die Augen sehen kann? Wenn ich kein persönliches Gespräch mehr suche, sondern nur noch über E-Mail kommuniziere?

Nicht der Mensch muss sich anpassen

Teamentwicklung im Unternehmen kann auch bedeuten, die Menschen an laufende Prozesse anzupassen. Das ist ein Irrweg, sagt Alois Wimmer.

MS: Ein trauriges Leben in der Tat. Was wird den vom Mitarbeiter speziell gefordert sein? Was muss der Mensch mit sich bringen, um in der Digitalisierung bestehen zu können?

AW: Sehen Sie, Herr Stolla, ich will Ihnen ja nicht widersprechen, aber die Frage „Was muss der Mensch mitbringen, damit er in der Digitalisierung bestehen kann?“ ist nicht korrekt. Ich würde die Frage andersrum stellen: Wie muss Digitalisierung geschaffen sein, damit sie den Menschen unterstützt? Wir meinen immer, wir müssen den Menschen an die Systeme anpassen. In Wirklichkeit aber müssen wir das System an die Menschen anpassen. Und dafür muss ich wissen, mit welchen Menschen ich zusammen bin. Und für diese Menschen, wenn ich sie in ihrer Ganzheit betrachte, finde ich auch einen Weg, wie ich sie in den Digitalisierungsprozess entsprechend einbinden kann. Ich kann mir die Menschen nicht backen, mit denen ich arbeiten will. Konrad Adenauer hat schon gesagt, „Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind, andere gibt’s nicht.“

MS: Herr Wimmer, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2018

Alois Wimmer. Great Growing Up

„Wir müssen Systeme an die Menschen anpassen“

027: Alois Wimmer ist ein Mann klarer Worte. Der Geschäftsführer der Schraubenproduktion in der Würth-Gruppe ist ein Urgestein im Konzern. Er sagt, nicht die Menschen haben sich in den zurückliegenden Jahren zum Nachteil verändert, sondern die Management-Systeme. Wimmer fordert von Führungskräften, dass sie ihre Mitarbeiter als Menschen betrachten – mit all ihren Emotionen und Befindlichkeiten.

Episode 27 zum Lesen

Ausbildung abbrechen. Great Growing Up.

Emotional überfordert – Warum Azubis aufgeben

Warum immer mehr die Ausbildung abbrechen

Immer mehr Azubis brechen ihre Ausbildung vorzeitig ab. Das schreibt die Süddeutsche Zeitung im April 2018. Das Blatt bezieht sich auf einen Entwurf für den Berufsbildungsbericht, und in dem steht Bedenkliches: Erstmals seit Beginn der 90er Jahre liegt die Abbrecher-Quote bei über 25 Prozent. Dieser Artikel zeigt, welche Faktoren eine wichtige Rolle spielen, wenn Azubis ihre Ausbildung abbrechen.

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Das sollten wir uns genauer ansehen, auch wenn es schmerzt. Konkret bedeutet das: jeder vierte Azubi schmeißt vorzeitig hin. Das ist viel. Die Quote verteilt sich nicht gleichmäßig über alle Branchen. Daraus ergeben sich gute Nachrichten für manche und weniger gute für andere. Im Sicherheitsgewerbe ist es wohl schon jeder zweite Auszubildende, der sich vorzeitig verabschiedet. Bei den Verwaltungsfachangestellten sind es hingegen weniger als fünf Prozent, die ihre Ausbildung abbrechen.

In der Region Weltmarktführer

Die Heilbronner Stimme/Hohenloher Zeitung hat sich des Themas angenommen und dabei herausgefunden: Hier, in der Region der Weltmarktführer liegt die Quote derer, die Ausbildung abbrechen, deutlich darunter. Zum Beispiel im Handwerk. Die Handwerkskammer meldet 452 vorzeitig aufgelöste Ausbildungsverträge. Das entspricht einer Quote von 9,7 Prozent. Die Kammer stellt fest, dass die meisten Verträge im Laufe des zweiten Lehrjahres beendet werden.

Das verflixte zweite Lehrjahr

Ausbildung abbrechen. Great Growing Up.
Viele Azubis tun sich vor allem im zweiten Ausbildungsjahr schwer.

Das bestätigt Erfahrungen, die für viele Ausbildungsbetriebe zum leidigen Alltag gehören. Erst vor wenigen Tagen hat mi die Ausbildungsleiterin eines großen Logistikunternehmens im bayrischen Franken folgenden Standard-Ablauf skizziert: Im ersten Lehrjahr sind es noch Kinder, im zweiten werden sie aufmüpfig oder ziehen sich zurück, und wenn sie im dritten Jahr noch bei uns sind, werden sie erwachsen.

Die Betonung lag dabei auf Wenn. Wenn sie im dritten Lehrjahr noch bei uns sind. Denn auch dort gibt es immer mehr Azubis, die Ausbildung abbrechen.

Unklare Vorstellungen

Die Industrie- und Handelskammer in der Region Heilbronn-Franken meldet eine Auflösungsquote von sieben Prozent und steht damit besser da als die Kollegen vom Handwerk. Außerdem verweist die IHK darauf, dass die Zahlen seit Jahren konstant seien. Und: Die Auflösung erfolge in der Regel vor dem Beginn einer Ausbildung, etwa weil die jungen Leute sich doch noch für ein Studium oder einen weiteren Schulbesuch entscheiden.

Dennoch fällt auch der IHK etwas auf: Die Betriebe klagen, dass viele junge Menschen unklare Vorstellungen vom Arbeitsleben und von ihrem Beruf im speziellen hätten.

Ausbildung abbrechen. Great Growing Up.
Viele Unternehmen präsentieren sich gerne bei Berufsinfotagen und Ausbiildungsmessen.

Was die Azubis wollen

Auch aus diesem Grund gibt es immer mehr Berufsinfotage und Ausbildungsmessen in Deutschland. Ausbildungsbetriebe präsentieren sich dort und werben um den – demografisch bedingt - immer rarer werdenden beruflichen Nachwuchs. Eine gute Gelegenheit, sich nicht nur selbst im besten Licht zu zeigen. Wer die jungen Besucher fragt, erfährt dort aus erster Hand, was sie sich wünschen.

Zum Beispiel die 14 Jahre alte Jana Renner aus Mulfingen. Sie hat konkrete Vorstellungen davon, wie die Mitarbeiter in ihrem künftigen Ausbildungsbetrieb mit ihr umgehen sollen:

"Freundlich und wenn ich etwas falsch mache, nicht gleich herumschimpfen, und auf einen zugehen, wenn man alleine rumsteht."

Und auch Nils, ebenfalls 14 Jahre alt und aus Ailringen an der Jagst, weiß ganz genau, was er sich von seinen Ausbildern wünscht: 

"Ich hoffe, dass ich nett empfangen werde und das sie mir halt erst einmal erklären, wie es bei denen abläuft."

Von wegen selbstbewusst

Das passt auf den ersten Blick ganz gut zu dem, was der Kommentator in der Heilbronner Stimme/Hohenloher Zeitung zu dem Thema schreibt: Die jungen Leute hätten mehr Selbstbewusstsein als früher, weil sie wissen, dass ihren Lehrherren nicht mehr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Schließlich gibt es mehr als genug Ausbildungsbetriebe, die händeringend nach Azubis suchen. Auch solche, die gar nicht mehr auswählen, sondern nehmen, wen sie kriegen. Das macht jenen, die ihre Ausbildung abbrechen wollen, die Entscheidung leichter.

Die Argumentation ist schlüssig. Und doch ist sie in einem Punkt irreführend. Junge Leute sind sich heute eher bewusst, dass ihnen die Situation am Arbeitsmarkt mehr als nur eine Option bietet. Mit Selbstbewusstsein hat das aber nur wenig zu tun. Die Entscheidung, eine Ausbildung abzubrechen, mag selbstbewusst wirken, sie verrät allerdings nichts darüber, ob sich der Abbrecher tatsächlich bewusst ist, was ihn zu seinem Entschluss getrieben hat.

Zwei Beispiele

Ausbildung abbrechen. Great Growing Up.
Gut, wenn die Chemie zwischen Azubi und Ausbildungsbetrieb stimmt.

Ich will das an einem Beispiel erklären. Jana und Kevin sind beide Azubis in einem großen Handelsunternehmen. Im ersten Lehrjahr hatten beide viel Spaß. Sie hatten viel Freude während des Outdoor-Camps zum gegenseitigen Kennenlernen und erlebten den Beginn ihres Berufslebens als angenehm spannende Herausforderung. Zu Beginn des zweiten Lehrjahres trübte sich die wirtschaftliche Lage ein, die Anforderungen an alle Mitarbeiter erhöhten sich, der Umgangston wurde rauer.

Kevin erlebte ein paar unschöne Situationen, als er Fehler machte. Sein Ausbilder kritisierte ihn mehrfach. Das passte ihm gar nicht. Nach ein paar Wochen entschied er sich, das Unternehmen zu verlassen und brach die Ausbildung ab.

Wer hat mehr Selbstbewusstsein?

Jana ging es ganz ähnlich. Nicht alle Aufgaben, die ihr übertragen wurden, gelangen ihr. Sie steckte Kritik ein und musste sich die eine oder andere Standpauke anhören. Zweimal wurde es ihr zu viel, und sie sagte ihrem Ausbilder, dass er recht habe mit seiner Kritik, aber seine Wortwahl und der Tonfall würden sie verletzen. Jana bricht nicht ab.

Wer hat mehr Selbstbewusstsein? Für mich ist die Antwort klar. Kevin wirkt zwar selbstbewusst. Tatsächlich aber wirft er hin, weil es ihm zu unbequem wird. Das ist legitim, aber im Grunde nichts anderes als Flucht. Sobald es unbequem wird, bricht er ab. Das ist ein Verhaltensmuster, das mir in Trainings immer wieder begegnet: Menschen, die mit ihrem Leben nur einverstanden sind, wenn es ihnen drei Dinge erspart: Ärger, Trauer und Angst. Mit den sogenannten negativen Emotionen wollen viele Menschen lieber nichts zu tun haben. Und gerade deshalb wollen immer mehr junge Menschen ihre Ausbildung abbrechen.

Umgang mit Herausforderungen

Ausbildung abbrechen. Great Growing Up.
Eine Ausbildung hat durchaus auch ihre harten Zeiten und Seiten.

Ich bin überzeugt, dass genau das dahintersteckt, wenn die Sprecherin der IHK sagt, junge Menschen haben unklare Vorstellungen über das Arbeitsleben. Ich gehe noch weiter und sage: Viel haben unklare Vorstelllungen vom Leben. Es bietet nicht ständig nur Grund zur Freude, sondern hin und wieder auch Situationen, die uns emotional fordern. Wer das akzeptieren kann und sich darin trainiert, mit Ärger, Trauer und Angst erwachsen und verantwortlich umzugehen, der entwickelt Selbstbewusstsein.

Zum Beispiel Jana. Sie nimmt das kritische Feedback an und steht zudem für sich selbst ein. Warum? Weil sie bewusst wahrnimmt, dass Tonfall und Wortwahl ihres Ausbilders sie verletzen. Sie teilt das mit und nutzt die Chance, um sich weiter zu entwickeln. Und das sowohl auf der fachlichen als auch auf der menschlich-emotionalen Ebene. Das nenne ich selbstbewusst.

Umgang mit Verantwortung

Natürlich hat auch diese Medaille zwei Seiten. Branchen oder Ausbildungsbetriebe, denen immer mehr Azubis weglaufen, müssen sich die Frage stellen, wie sie zu dieser Entwicklung beitragen. Einfach nur mit dem Finger auf die jungen Leute zeigen, die ihre Ausbildung abbrechen, ist billig und hat mit Verantwortung nichts zu tun. Da liegt Manfred Stockburger, der Kommentator in der Heilbronner Stimme/Hohenloher Zeitung richtig: Die Frage, ob die Abbrecherquote etwas mit der Bezahlung oder mit den Arbeitszeiten zu tun hat, verspricht möglicherweise interessante Antworten. Und das sicher nicht nur im Handel und in der Gastronomie.

Umgang miteinander

Und da reden wir noch nicht vom Umgang miteinander. Gerade der ist aber entscheidend, denn an ihm machen viele Jugendliche fest, ob sie in ihrem Ausbildungsbetrieb gut aufgehoben sind oder nicht.

So wie Selina Orto, 18 Jahre alt, aus Künzelsau:

"Ich würde mir gerne wünschen, dass die ganz nett zu mir sind. Und dass die auch nicht alles durchgehen lassen, sondern mir  meine Fehler und Stärken zeigen. Mir sagen, das hast du falsch gemacht, das macht lieber man so der so. Und dass da ein Team ist und Menschen, die mir helfen."

Was Ausbilder wissen müssen

Die Botschaft ist klar: Die Jugendlichen wünschen sich Ausbilder, die ihnen klar sagen, was sie falsch gemacht haben und ihnen zeigen, wie sie es besser machen können.

Dazu braucht es Ausbilder, denen drei Dinge bewusst sind:

  1. Azubis machen Fehler.
  2. Das kostet mich Zeit und manchmal auch Nerven.
  3. Und genau das ist mein Job.

Warum Azubis abbrechen

Viele Unternehmen haben das begriffen. Wer Auszubildende behandelt wie der letzte Dreck, muss sich nicht wundern, wenn sie ihm weglaufen und die Ausbildung abbrechen.

"Ich finde die Ausbilder sollten freundlich und hilfsbereit sein. Und dass sie einem auch etwas beibringen und einen  nicht bloß kehren lassen",

sagt Henning, 13 Jahre, alt aus Heimhausen an der Jagst und stellt damit klar, dass er mehr will als nur den Boden zu fegen.

Gerade junge Menschen wollen Aufgaben selbständig lösen. Sie brauchen solche Erfolgserlebnisse. Und immer wieder scheitern sie auch daran. Genau an dieser Stelle entscheidet sich, wie Azubis ihren Ausbildungsbetrieb wahrnehmen: als ein Unternehmen, das ihnen mit Wertschätzung begegnet oder eben nicht.

In Watte gepackt

Es gibt Ausbildungsbetriebe, die machen an exakt dieser Stelle einen fatalen Fehler: Sie wollen um jeden Preis Wertschätzung vermitteln und tun alles, damit sie entsprechend wahrgenommen werden. Sie packen ihre Azubis und Studenten in Watte. Und das obwohl junge Menschen wie Yannick, 14 Jahre alt aus Ailringen, etwas ganz anderes wollen:

"Das die halt normal mit mir umgehen und mich nicht ärgern oder so. Aber auch, dass die nicht zu nett mir sind. Also so, dass ich besser behandelt werde als andere."

Auf der Insel der Freuden

Die immer rarer werdende Human-Ressource darf -in einer solchen Unternehmenskultur - auf keinen Fall schlecht behandelt werden, andernfalls könnten sie ihre Ausbildung abbrechen. Azubis in solchen Betrieben haben es – auf den ersten Blick – gut. Alles, was sie emotional herausfordern könnte, wird von ihnen ferngehalten: Sie leben auf einer Insel der Freude, weil ihre Ausbilder alles tun, um ihnen Ärger, Trauer und Angst zu ersparen.

Den bequemen Weg nehmen

Ausbildung abbrechen. Great Growing Up.
Wer sein Unternehmen in stürmischen Zeiten auf Kurs halten will, braucht Mitarbeiter, die standhalten können.

Das mag eine Zeit lang funktionieren, so lange die Zahlen stimmen. Spätestens in konjunkturell schwierigen Zeiten aber, wenn der Druck zunimmt und der Ton rauer wird, werden Menschen, die im Umgang mit emotionalen Herausforderungen nicht trainiert sind, einfach den bequemeren Weg nehmen und das Unternehmen verlassen.

Klimawandel

Abgesehen davon tut eine Unternehmenskultur die beispielsweise den verantwortlichen Umgang mit Ärger nicht zulässt, ihren Mitarbeitern keinen Gefallen. Denn die müssen sich verbiegen und ihren Ärger herunterschlucken. Das ist erstens nicht gesund und zweitens schlecht fürs Betriebsklima: Die Ausbilder sind dann dauerhaft genervt, weil ihre Azubis sie nicht ernst nehmen und ihnen auf der Nase herumtanzen.

Was das Leben serviert

Junge Menschen brauchen Vorbilder, die ihnen vorleben, wie Erwachsenen mit dem umgehen, was das Leben serviert. Das Menu ist abwechslungsreich: mal sorgt es für Freude, mal für Ärger, mal für Trauer, mal für Angst. Viele Menschen sprechen lieber von Glück, Wut, Nachdenklichkeit oder Respekt. Gemeint ist jeweils das gleiche. Gerade am Umgang mit den emotional herausfordernden Situationen, die Ärger, Trauer oder Angst verursachen, zeigt sich, ob ein Menschen selbstbewusst ist oder nicht.

Ohne Bauchschmerzen

Und selbstbewusste junge Menschen wünschen sich nichts anderes. So wie Selina Ort, 18 Jahre, aus Künzelsau:

"Also natürlich wünsche ich mir, dass die ganz nett zu mir sind. Aber dass sie mir auch meine Fehler zeigen und mi nicht alles durchgehen lassen, damit ich weiß, was falsch und was richtig ist. Und dass wir uns gut verstehen, dass ein Team da ist, wo man immer wieder hingehen kann ohne Bauchschmerzen, so dass man da gut aufgehoben ist."

Beziehungskompetenz ist die Basis

Und damit sind die Grundlagen für ein erfolgreiches Ausbildungsgeschehen und ein  wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen schon beschrieben. Beziehungskompetenz ist kein Nice-to-have-Seminarangebot, dass ich mir leisten kann, wenn alles gut läuft und alle Schäfchen im Trockenen sind. Beziehungskompetenz ist schlicht und ergreifend die Voraussetzung dafür, ob sich Ihr beruflicher Nachwuchs in Ihrem Unternehmen wohlfühlt, ob er bereit ist sich Herausforderungen zu stellen und sein Potenzial zu entfalten. Nutzen Sie es. 

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Mehr dazu finden sie auf meiner Website www.greatgrowingup.com.

© Matthias Stolla 2018

Mitarbeiter motivieren. Auf den richtigen Cocktail kommt es an.

Mitarbeiter motivieren – mit einem Cocktail, der wirkt

Motivation entscheidet über den Erfolg

Mitarbeiter motivieren ist eine zentrale Unternehmensaufgabe. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung wird sie immer entscheidender für den wirtschaftlichen Erfolg. Erstaunlicherweise geht das sogar mit einem Cocktail. Allerdings nur mit einem ganz bestimmten Cocktail, der zudem eine Droge beinhaltet, die unverzichtbar ist. Genau darum geht es hier in Teil sechs der Miniserie über Beziehungskompetenz.

Wenig beachtete Fähigkeit

Dieser Teil ist zugleich der zweite und letzte Teil des Interviews  mit Wolfgang Neumann (der erste Teil ist hier zu finden). Der langjährige Schulleiter der Selma-Rosenfeld-Realschule in Eppingen lebt als Ruheständler in Schwaigern bei Heilbronn. Er ist ein aufmerksamer Beobachter des Schulwesens.  Als ausgebildeter Coach nimmt er vor allem die Bildungspolitik unter die Lupe. Neumann fragt sich, warum das Thema Beziehungsfähigkeit trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse immer noch eher wenig beachtet wird. Er sagt: Beziehung ist alles. Das gilt sowohl für die Beziehung Lehrer-Schüler als auch für die Beziehung Ausbilder/Azubi in der Wirtschaft. Diese Episode lieber als Podcast hören? Bitteschön: Motivation per Cocktail Der ehemalige Schulleiter freut sich darüber, dass die Bereiche Schule und Wirtschaft deutlich besser vernetzt sind als noch zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn.

Was Mitarbeiter brauchen

Mitarbeiter motivieren. Wolfgang Neumann (rechts) im Gespräch mit Matthias Stolla.
Wolfgang Neumann (rechts) erklärt  Matthias Stolla, wie man den Motivations-Cocktail zubereitet.

Wolfgang Neumann: „Heute besteht ein ganz großes Interesse zwischen den beiden. Das habe ich gestern wieder erfahren. Ich war mit Leuten aus der Wirtschaft, also den Bildungspartnern meiner früheren Schule zusammengesessen, und habe ihnen die Schule erklärt. Sie haben aus ihrer Sichtweise geschildert, was für die jungen Leute wichtig ist, damit ein Unternehmen sie einstellt. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter sollen Selbstständigkeit, Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit mitbringen.“

Was Schulen vermitteln müssen

Selbständigkeit, Teamfähigkeit, Verantwortlichkeit, Zuverlässigkeit. Nicht anderes höre ich, wenn ich Ausbildungsleiter oder Personaler frage, was sie sich von ihren Nachwuchskräften am dringendsten wünschen. Neumann leitet daraus ein klares Anforderungsprofil für die Schulen ab: Sie müssen, sagt er, über die herkömmlichen Lehrinhalte hinaus etwas vermitteln, was bislang viel zu kurz kommt: das Wissen und die Fertigkeit darüber, was Beziehung bedeutet, wie ich sie erschaffe und wie ich sie verantwortlich gestalte. Beziehungskompetenz eben. Das Wissen und die Fähigkeit, sich selbst und andere differenziert wahrnehmen zu können und diese Wahrnehmungen so einzusetzen, dass sie allen beteiligten von Nutzen sind. In Zusammenarbeit mit den Ausbildungsbetrieben in der Wirtschaft entspräche das genau dem, was ich Ganzheitliche Ausbildung nenne.

Ganzheitliche Bildung tut Not

Wolfgang Neumann: „Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig auf diesem Hintergrund eine werteorientierte, ganzheitliche Bildung in der Schule anzustreben. Den Schüler also ganzheitlich zu betrachten und ihn als selbstbewusste Person für das Leben vorzubereiten. Auf diese Art entsteht eine Win-Win-Situation für die Wirtschaft, für die Schulen aber ganz besonders auch für Kinder und Jugendliche.“

Umgang mit ungeliebten Emotionen

Mitarbeiter motivieren. Great Growing Up schafft eine positive Arbeitsmoral.
Beziehungskompetenz erschafft eine positive Arbeitsmoral.

Great Growing Up trainiert genau das. Das Trainingsprogramm unterstützt Unternehmen darin, Auszubildenden und Mitarbeitern das zu vermitteln, was in Schulen und Familien zu kurz kommt: das Bewusstsein für die eigene Verantwortlichkeit im Umgang mit sich selbst, mit Menschen und Herausforderungen. Genau deshalb trainiert Great Growing Up Menschen darin, mit unpopulären emotionalen Regungen verantwortlich umzugehen: mit Ärger etwa, oder mit Trauer bzw. Angst. Sowohl mit den eigenen Gefühlen als auch mit denen ihres Gegenübers. Diese Fähigkeit ist nichts anderes als emotionale Intelligenz. Wer Mitarbeiter motivieren will, braucht sie. Manchmal fragen mich Unternehmer, wo denn da der Mehrwert fürs Unternehmen sei. Wolfgang Neumann weiß es:

Positive Arbeitsmoral schaffen

Wolfgang Neumann: „Die Beziehungskompetenz ist ja die Voraussetzung für Corporate Identity. Das brauchen die Unternehmen, um mit einer positiven Arbeitsmoral letztendlich auch erfolgreich zu sein. Das ist ganz wichtig, wenn man eine offene, transparente Kommunikationskultur mit den Arbeitnehmern aufbaut, sodass eine entspannte Arbeitsatmosphäre entsteht, in der man auch über Probleme sprechen kann.“

Gute und weniger gute Vorbilder

Da muss ich unweigerlich an die junge Frau denken, die mir erzählt hat, ihre Chefin habe ihr erklärt: „Sie sind nicht hier um zu denken.“ Ich will gar nicht wissen, wie viele Mitarbeiter solche und ähnliche Sätze Leute immer noch hören. Mitarbeiter motivieren sieht anders aus. Dafür gibt es gute Vorbilder nicht nur in der Gegenwart. Wolfgang Neumann: „Werner von Siemens beteiligte seine Mitarbeiter ganz früh am Erfolg seines Unternehmens. So schuf er die Basis für eine Beziehungskultur im Unternehmen, die jeden angespornt und motiviert hat, aus sich das Beste rauszuholen. Und dies führte letztendlich zum Erfolg des Unternehmens, so wie wir es heute kennen.“

Schlüsselfaktor Beziehungskompetenz

Es gibt gar nicht wenige Unternehmen, die erkannt haben, dass Beziehungskompetenz ein Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Sie entscheidet darüber, ob Führungskräfte ihre Mitarbeiter motivieren. Ob sie denkende und selbständig entscheidende Mitarbeiter wollen. Beziehungskompetenz entscheidet darüber, ob sich Mitarbeiter mit Mut und Freude neuen Herausforderungen stellen oder nicht. Und sie entscheidet darüber, ob Mitarbeiter Probleme ansprechen oder sie lieber aussitzen. Ob ein Unternehmen agil ist oder nicht, hängt im Wesentlichen von der Beziehungskompetenz seiner Mitarbeiter ab. Was genau bedeutet Beziehungskompetenz? Wolfgang Neumann beschreibt, wie beziehungskompetente Menschen agieren.

Warum Leere wichtig ist

Mitarbeiter motivieren. Vorurteile verhindern Akzeptanz.
Wer Menschen vorurteilsfrei begegnet, kann sie leichter motivieren.

Wolfgang Neumann: „Ein beziehungskompetenter Mensch tut gut daran leer zu sein. Leer bedeutet für mich, dass er dem Gegenüber ohne Vorurteile begegnet, ohne vorgefertigte Bilder, sondern den anderen so annimmt, wie er ist. Für mich ist noch wichtig, dass ich den anderen Menschen mit einer positiven Grundhaltung begegne. Und dann ist es auch ganz entscheidend, wie ich mit meinem Gegenüber kommuniziere. Die bedeutendsten Aspekte sind dabei eine authentische Kommunikation und das Senden von Ich-Botschaften.“

Wichtige Ich-Botschaften

Ich-Botschaften haben übrigens nichts mit Egoismus zu tun. Im Gegenteil.  Sie verhindern, dass Menschen in Schuldzuweisungen und Forderungen miteinander kommunizieren. Wer Mitarbeiter motivieren will, sollte darüber Bescheid wissen, wie man sie anwendet. Als ich ihn nach einem Beispiel für eine Ich-Botschaft frage, überrascht mich Wolfgang Neumann auf angenehme Weise. Wolfgang Neumann: „Ich fühle mich jetzt mit Ihnen im Gespräch sehr wohl.“

Emotionale Intelligenz

Das höre ich natürlich gerne. Ich bin überzeugt, dass Menschen grundsätzlich beziehungskompetent sind. So lange sie in der Lage sind, ihre eigenen emotionalen Regungen zu akzeptieren und zu äußern, fällt es ihnen auch nicht schwer, die Emotionalität ihres Gegenübers differenziert wahrzunehmen und empathisch darauf zu reagieren. Fast alle Kinder können das. Sie haben eine unglaublich feine Wahrnehmung. Aber nur den allerwenigsten ist es vergönnt, diese Fähigkeit über das Kleinkindalter hinaus in ihr Dasein als Jugendliche, geschweige denn als Erwachsene zu retten.

Das Fühlen abtrainiert

Wir sind leider sehr effektiv darin, Kindern (und Erwachsenen) klar zu machen, dass Gefühle nicht gut sind: Ärger stört die Harmonie, Trauer macht schwach, und Angst ist etwas für Weicheier. Sogar gegen Freude haben wir etwas: zu früh gefreut;  den Vogel, der morgens pfeift, fängt abends die Katze etc. Wir trainieren Menschen das Fühlen ab, und dann wundern wir uns, weil sie die damit verbundenen Qualitäten in Berufswelt vermissen lassen:  Verantwortlichkeit, Selbstdisziplin, Mut, Achtsamkeit, Entscheidungsfreude, Empathie, Begeisterungsfähigkeit, Zuverlässigkeit. Sie immer wieder einzufordern, ist ungefähr so erfolgversprechend wie ein Regentanz in der Sahara. Was nicht bedeutet, dass man Beziehungskompetenz nicht erwerben kann. Diese Arbeit allerdings hat wenig mit Theorie zu tun. Sie beginnt immer bei mir selbst.

Den eigenen Standpunkt finden

Wolfgang Neumann: „Ich denke wichtig ist, dass ich erstmal eine Beziehung zu mir selbst schaffe. Damit ich weiß, wie ich zu mir stehe, wie mein eigener Standpunkt aussieht. So, dass eine gewisse Sicherheit entsteht. Deswegen ist auch für mich die Kommunikation in der Beziehung enorm wichtig. Von diesem Standpunkt ausgesehen kommuniziere ich mit Ich-Botschaften und nicht mit Appellen. Der andere kann dann meine Ich-Botschaften aufnehmen und daraus seinen eigenen Standpunkt wählen.“

Den Cocktail zubereiten

Mitarbeiter motivieren. Mit dem richtigen Cocktail.
Das Rezept: Was gehört in den Motivationscoktail?

Das ist – zugegebenermaßen – zunächst einmal anstrengend. Weil wir es gewohnt sind, eher mit dem Finger auf andere zu zeigen als über unsere eigene Befindlichkeit zu reden. Das erfordert Mut. Gerade auch von Lehrern oder Ausbildern oder Vorgesetzten, wenn Sie mit ihren Schützlingen bzw. Mitarbeitern reden. Ich-Botschaften vermitteln dem Gegenüber einen Eindruck von der emotionalen Befindlichkeit des anderen. Sie kleiden das in Worte, was ohnehin spürbar ist – bewusst oder unbewusst. Ein Abteilungsleiter, der seinen Ärger in eine Ich-Botschaft kleidet, sorgt für Klarheit. Das ist für den zuhörenden Mitarbeiter weit weniger unangenehm als mühsam unterdrückter, aber eben doch spürbarer Ärger. Diese Klarheit entsteht durch Beziehungskompetenz. Sie hat Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Belegschaft. Wolfgang Neumann spricht von einem Cocktail, mit dem Führungskräfte Mitarbeiter motivieren können: einem Motivationscocktail.

Inhaltsstoffe, die Mitarbeiter motivieren

Wolfgang Neumann: „Der Freiburger Neurobiologe und Arzt  Joachim Bauer betont immer wieder den Zusammenhang zwischen der Beziehungskompetenz des Lehrers und den Lernerfolgen der Schülerinnen und Schüler. In seinen Untersuchungen hat er festgestellt, dass der Körper ein eigenes Motivationssystem besitzt. Dieses ist ein Cocktail aus Botenstoffen Dopamin, Opioiden und Oxytozin. Und der sorgt bei Menschen für Antrieb, Vitalität und Freude an der Anstrengung.“

Die alles entscheidende Droge

Das bringt mich auf eine Idee. So ein Cocktail lässt sich ja vielleicht einfach zusammenmixen. Das wäre doch eine wunderbare Motivationsdroge für Mitarbeiter und Führungskräfte. Spaß beiseite. Ganz so einfach ist es nicht, erklärt Wolfgang Neumann. Wer Mitarbeiter motivieren will, sollte genau wissen, was diesen Cocktail ausmacht. Wolfgang Neumann: „Der Knackpunkt ist nur, dass dieser Cocktail sich nicht von alleine im Körper ausschüttet. Damit er aktiv wird, bedarf es einer Stimulation. Und die stärkste Stimulation, die wirksamste Motivationsdroge für den Menschen ist der andere Mensch. Dies bedeutet dann in der Konsequenz: Es gibt keine Motivation ohne menschliche Beziehung, weil der Mensch in seiner sozialen Motivation nach sozialer Akzeptanz strebt. Man spricht hier auch vom ,social brain‘.“

Mitarbeiter motivieren – die tägliche Dosis

Und darin sehe ich vielmehr eine Chance als ein Problem. Gerade in Unternehmen sind Menschen unter Menschen. Schlaue Unternehmer nutzen diesen Umstand um Mitarbeitern genau das zu geben, was alle Menschen wollen: ihre tägliche Dosis von dieser Motivationsdroge. Sie ist in keiner Weise gesundheitsschädigend, aber hochwirksam und braucht im Grunde nur eins: einen Kontext von Beziehungskompetenz, der die Kultur im Unternehmen prägt. In dem Zusammenhang hat Wolfgang Neumann, Schulleiter im Ruhestand, drei Wünsche:

Cocktails und andere Wünsche

Mitarbeiter motivieren: Das Wie entscheidet über den Erfolg.
Das Wie entscheidet über das Was: Die Art der Kommunikation bestimmt den wirtschaftlichen Erfolg.

Wolfgang Neumann: „Also ein Wunsch wäre, dass man die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Hirnforschung und von der Neurobiologie in die Schule einfließen lässt. Das bedeutet, dass die Cocktails, die in dem Menschen vorhanden sind, von Lehrern häufiger aktiviert werden. Die Lehrer sollten die Zusammenhänge kennen und wissen, wie sie bei ihren Schülern die höchste Motivation erreichen können. Der zweite Wunsch wäre, dass die Lehrer darin ausgebildet werden richtig zu kommunizieren. Sowohl mit Schülern, Eltern als auch mit seinen Kollegen. Denn eine gute Kommunikation – und das ist mein dritter Wunsch – ist eine Voraussetzung, um eine stabile Beziehung aufzubauen und diese Beziehung benötigen wir wiederum für erfolgreiches Lernen.“

Beziehungskompetenz im Lehrplan

Ich würde mich freuen, wenn die Schulpolitik das Thema Beziehungskompetenz und emotionale Intelligenz in den Lehrplänen verankern würde. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum irgendjemand glaubt, Mathematik oder Geographie seien wichtiger. Unternehmen, die begriffen haben, dass es beides braucht fachliche und Beziehungskompetenz, trainieren die emotionale Intelligenz ihrer Mitarbeiter. Und nichts anderes macht Great Growing Up. Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch. © Matthias Stolla 2018

Bildung ist alles, sagt Wolfgang Neumann im Interview.

Digitalkompetenz vs. Beziehungskompetenz

Beziehung ist alles - Warum eigentlich?

Teil 5 der Serie über Beziehungskompetenz ist ein Interview. Der langjährige Schulleiter Wolfgang Neumann kommt darin zu Wort und sagt Überraschendes: Für ist nicht die fachliche Kompetenz eines Lehrers der entscheidende Faktor, sondern etwas anderes: Beziehung ist alles.

Diese Episode lieber als Podcast hören? Bitteschön: Beziehungskompetenz (5) – Digital oder sozial?

Mangel und Überfluss

Wenn ich mit Ausbildern oder Personalern spreche und die Rede auf die jungen Menschen, auf das Berufsnachwuchs kommt, gibt es zwei interessante Äußerungen. Die eine beklagt Mangel, nämlich den Mangel an Schlüsselqualifikationen wie

  • Verantwortlichkeit
  • Zuverlässigkeit
  • Verbindlichkeit
  • die Fähigkeit sich selbst Ziele zu setzen und diese zu verfolgen.

Die andere Klage bezieht sich auf einen Überfluss. Nämlich die viele Zeit und die viele Aufmerksamkeit, die junge Menschen digitalen Medien schenken. Oder wie ich das kurz zusammengefasst öfters höre: Die schauen nur auf ihr Handy!

Munter digital unterwegs

Dabei fällt auf, dass etwas nicht so recht funktioniert: die gewünschten Schlüsselfunktionen. Und es gibt etwas, das zu gut funktioniert, nämlich die, nennen wir es mal vorsichtig, die Medienkompetenz der Digital Natives, also unserer jungen Leute, die im digitalen Zeitalter geboren sind und sich dort so munter bewegen, wie der Fisch im Wasser.

Beziehung in der Schule

Beziehung ist alles, sagt Wolfgang Neumann (rechts) im Interview mit Great Growing Up.
Beziehung ist alles, sagt Wolfgang Neumann (rechts) im Interview.

Einer der diese Entwicklung aus nächster Nähe beobachtet hat und immer noch beobachtet ist Wolfgang Neumann. Neumann ist 64 Jahre alt, lebt in Schwaigern, bei Heilbronn und war 13 Jahre lang Leiter der Selma-Rosenfeld-Realschule in Eppingen. Er sagt: Beziehung ist alles! Das klingt vielleicht ein bisschen ungewöhnlich für einen Lehrer, wenn auch für einen ehemaligen Lehrer. Neumann ist zudem ausgebildeter Coach und interessiert sich schon allein deshalb für das Thema Beziehungskompetenz.

Schlecht abgeschnitten

Natürlich interessiert sich ein ehemaliger Lehrer auch für den bundesweiten Vergleich der Grundschulen. Bei dem hat Baden-Württemberg 2017 sehr schlecht abgeschnitten. Das hat Wolfgang Neumann, wie er mir bei einem Gespräch erzählt hat, erstens nicht überrascht und zweitens, ist er sich ziemlich sicher, dass es viel mit dem Thema Beziehung zu tun hat. Doch der Reihe nach.

Keine Überraschung

Wolfgang Neumann: "Überrascht hat mich es mich deswegen nicht, weil in vielen Elternhäusern grundlegende Fähigkeiten wie, das Geben von Strukturen, ordentliches Sprechen oder Schnürsenkel Binden nicht mehr vermittelt werden. Diese Fähigkeiten bringen sie in der Form für die Grundschule nicht mehr mit, so wie sie das früher gemacht haben. Das hat mich auch nicht überrascht, wegen der wachsenden Heterogenität in Grundschulen. Außerdem ist noch die Inklusion in den Grundschulen dazugekommen. Und durch diese zusätzliche Belastung haben die Lehrer aber keine Entlastung bekommen. Das wäre also die Aufgabe des Landes gewesen hier für entsprechende Ressourcen zu sorgen um den Lehrern Fördermöglichkeiten zu geben. Hinzu kommt, dass Grundschulen einen hohen Mangel an Lehrers haben und zum Teil auch Ruheständler in Grundschulen eingesetzt werden."

Unerfüllte Erwartungen

Damit sind gleich zwei Parteien angesprochen, einmal die Eltern, die nicht mehr das leisten, was die Schule und später auch die Wirtschaft von ihnen erwartet, in erziehungstechnischer Hinsicht und zum anderen und vor allem die Schulpolitik.

Verheerende Bildungspolitik

Wolfgang Neumann: "Ich halte die gegenwärtige bildungspolitische Situation, auch auf weiterführenden Schulen, für sehr verheerend. Wenn wir betrachten, wir haben viele Unterrichtsausfälle, wir haben viel Verunsicherung durch die ständigen Reformen in der Schule, die führten zu Verunsicherung unter den Lehrern und zu einer hohen Belastung. Ich halte das für unverantwortlich im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Hier ist dringend Handlungsbedarf geboten."

Beziehung ist alles - aber nicht überall

Neumann stört sich daran, dass sich die Schulpolitik gerne mit Aufwendungen und Ausgaben in Sachen Digitalisierung in den Vordergrund stellt, während sie gleichzeitig den Bereich Beziehungskompetenz vernachlässigen. Dabei ist Wolfgang Neumann alles andere als ein Technik-Feind. Und doch hält er daran fest: Beziehung ist alles.

Den Umgang lernen

Wolfgang Neumann: "Von Haus aus bin ich sehr an Technik interessiert, mich hat die moderne Technik auch sehr fasziniert. Doch wie jede Medaille hat auch die Technik zwei Seiten. Eine positive Seite und auch eine negative Seite, auf die man besonderes Augenmerk richten muss. Und vor allem mit moderner Technik, mit Digitalisierung muss man auch lernen richtig umzugehen."

Digitalisierung allein reicht nicht

Beziehung ist alles. Gerade auch in der Bildung.
Bildungspolitik darf sich nicht hinter Medien verstecken - egal ab digital oder analog.

Dahinter verbirgt sich eine Erkenntnis, die heute nicht immer auf offene Ohren stößt. Digitalisierung allein macht eben nicht zukunftsfähig. Tatsächlich ist es nicht einmal die halbe Miete, wenn junge Leute in Schulen lernen, wie sie mit digitalen Medien umgehen. Zu Medienkompetenz gehört auch, dass ich weiß was ich mit digitalen Medien nicht tue und - das wird oft vergessen - was ich alles ohne sie tun kann.

Beziehung erschaffen

Anstatt mich hinter meinem Smartphone zu verstecken, kann ich zum Beispiel mit meinem Mitschüler oder mit meinem Kollegen ein Gespräch anfangen. Mit ihm in Beziehung treten. Ihn fragen, wie es ihm geht, ob er Hilfe braucht, ob ich irgendwas tun kann. Ich kann aber auch einfach mal Leute beobachten, oder die Welt beobachten und schauen, ob mich das in irgendeiner Form inspiriert.

Langeweile aushalten und nutzen

Ich kann mich sogar langweilen. Ich kann mich langweilen und meinen Gedanken erlauben ihre eigenen Wege zu gehen. Auf diese Weise entstehen neue Ideen. In der Langeweile steckt das Potenzial zur Kreativität. Aber wer ist heute willens und fähig, sich zwei Minuten lang zu langweilen, ohne das eigene Smartphone aus der Tasche zu ziehen und drauf zu schauen?

Effizienter arbeiten

Inzwischen gibt es sogar wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Menschen, die ihr Smartphone nicht bei sich haben, sich deutlich besser auf ihre Arbeit konzentrieren können als Menschen, die ihr Smartphone in der Hosentasche mit sich herumtragen. Selbst wenn es ausgeschaltet ist.

Den Nicht-Umgang trainieren

Zur tatsächlichen Medienkompetenz gehört auch das Wissen darum, was ich ohne digitalen Medien alles tun kann. Genau das kommt aber auch, laut Wolfgang Neumann in den Bildungsplänen zu kurz.

Wolfgang Neumann: "Was wir in den Schulen benötigen, ist Medienbildung als Kulturtechnik, so dass die Schüler Medienkompetenz erlangen mit diesen modernen Medien umzugehen. Leider ist der Bildungsplan verabschiedet worden, und es ist kein Medienunterricht geplant worden. Ich habe kürzlich gehört, dass die neue Bundesregierung daran denkt, und das ist dringend geboten, die Medienerziehung in der Schule fest zu installieren."

Beziehungskompetente Lehrer

Beziehung ist alles. Ohne Beziehungskompetenz bleibt Fachwissen weitgehend unvermittelbar.
Ohne Beziehungskompetenz bleibt Fachwissen weitgehend unvermittelbar.

Fehlender Medienunterricht ist ein Manko. Keine Frage. Aber selbst wenn es ihn gäbe, könnte er nie beheben, was Wolfgang Neumann, und übrigens auch mir, noch viel mehr am Herzen liegt: den Mangel an einer konsequenten Ausbildung zur Beziehungskompetenz. Denn wichtiger als der Umgang mit digitaler Technik scheint mir die Fähigkeit, mit Menschen zielführend und verantwortlich umzugehen. Übrigens mit den Menschen um mich herum genauso, wie mit mir selbst. Und dazu braucht es beziehungskompetent ausgebildete Lehrer. Für Wolfgang Neumann wäre das der Faktor, der über Erfolg oder Nicht-Erfolg von Schulbildung entscheidet. Denn: Beziehung ist alles.

Grundlage des Erfolgs

Wolfgang Neumann: "Die maßgebliche Größe für mich in diesem Zusammenhang ist und bleibt die Lehrerpersönlichkeit und die Fähigkeit Beziehung zu gestalten. Und die Beziehungsgestaltung in der Schule und wahrscheinlich auch außerhalb der Schule der Humus für erfolgreiches Lernen."

Zum Beispiel auch im Sport

Die Persönlichkeit des Lehrers und seine Beziehungskompetenz für Wolfgang Neumann sogar noch entscheidender als die Frage der Schulform oder der Lernform. Für den Schulleiter im Ruhestand ist Beziehungskompetenz sowas wie Schlüssel für Erfolg. Und das übrigens nicht nur in der Schule, sondern auch im Sport.

Was Beziehung bewirkt

Beziehung ist alles. Das gilt auch im Sport.
Die Beziehungskompetenz des Trainers zeigt Wirkung im Fußball.

Wolfgang Neumann: "Ganz interessant fand ich in diesem Zusammenhang, und es zeigt auch, dass die Beziehung wirklich auch alles ist, ein Interview, dass ich am Wochenende gelesen habe, von Jerome Boateng, von Bayern München. Es steht in der Süddeutschen Zeitung. Er hat auf die Frage, warum unter Heynckes der Erfolg zurückgekommen ist, geantwortet: Heynckes Menschliche Art ist ein großer Faktor unseres gegenseitigen Erfolges. Jeder Spieler fühlt sich wichtig, jeder wird ins Boot genommen. Das gibt uns Spielern das Gefühl, dass man diesem Mann was zurückgeben muss."

Beziehung ist alles - auch im Fußball

Fußball ist weder mein Steckenpferd noch meine Kernkompetenz, aber es freut mich zu hören, dass ein berühmter Fußballspieler, wie Jerome Boateng, darüber philosophieren kann, dass die persönliche Beziehungskompetenz des Trainers entscheidend ist für den Erfolg der ganzen Mannschaft. Und ich glaube, es ist nicht allzu viel verlangt, den Transfer zu wagen, von der Fußballmannschaft zur Schulklasse oder gar zum Ausbildungsjahrgang. Der Lehrer bzw. der Ausbilder trägt die Hauptverantwortung dafür, ob dem Unternehmen Bildung, Schulbildung oder Ausbildung gelingt. Und die Erkenntnis, die dahintersteckt, ist gar nicht mal so kompliziert.

Beziehung schafft Motivation

Wolfgang Neumann: "Er (Boateng) hat erkannt, Beziehung schafft Motivation. Und über die Motivation kommt der Erfolg. Das gilt für Bayern München, das gilt für die Schule und es gilt auch für fast alle Bereiche."

Beziehung schafft Motivation, sagt Wolfgang Neumann. Das ist so schön, dass ich das glatt nochmal sagen muss. Beziehung schafft Motivation! Jetzt müsste man nur noch wissen, wie man Beziehung erschafft. Für Wolfgang Neumann steht außer Frage, dass es genau darum gehen muss, wenn Lehrer ausgebildet werden.

Alles hängt vom Lehrer ab

Beziehung ist alles. Vor allem in der Schule.
Erfolgreiche Lehrer sind in der Lage, Beziehung zu ihren Schülern zu erschaffen.

Wolfgang Neumann: "Ein Lehrer muss die Fähigkeit haben, Beziehung zu seinen Kindern aufzubauen. Ich habe vorhin gesagt, für mich ist die Beziehung der Humus für erfolgreiches Lernen und der ganz entscheidende Faktor. Wenn sie Kinder oder Erwachsene, die aus der Schule gekommen sind, fragen, was sie von der Schule behalten haben, dann werden die alle über die Beziehung zu ihren Lehrern sprechen.

Da fühle ich mich doch gleich an mein, gar nicht so lange zurückliegendes Abiturjahrgangstreffen, erinnert. Da wurde viel geredet, natürlich, aber erstaunlich wenig über Lerninhalte. Am meisten ging es über unsere alten Lehrer.

Über Cocktails und andere Drogen

Was das alles, was Beziehungskompetenz mit Wirtschaft und Ausbildung und mit dem Umgang mit Personal zu tun hat, darüber spreche ich mit Wolfgang Neumann in Teil 6 dieser Serie. Da wird’s dann auch darum gehen, warum Cocktails wichtig sind, bei Motivation, also zumindest ein ganz bestimmter Cocktail. Und wenn wir schon dabei sind, es wird auch die wichtigste Motivationsdroge überhaupt gehen – den Menschen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Matthias Stolla © 2018

Führungskompetenz ist eine Frage der Beziehungsfähigkeit.

Führungskompetenz – Wer führen will, muss fühlen

Führungskompetenz ist eine Frage der Beziehungsfähigkeit.
Wer führen will, muss fühlen. Sonst bleibt Führungskompetenz ein Wunsch.

Was es braucht: Manager der Emotionen

Im vierten Teil der Serie zum Thema Beziehungskompetenz geht es um fühlende Manager. Und damit um ein entscheidendes Element der Führungskompetenz. Und nicht zuletzt darum, warum es Manager der Emotionen so dringend braucht. Emotionale Intelligenz  und die in Teil 3 beschriebenen Soft Skills sind gerade im Bereich Führung dringend gefragt. Ausgangspunkt dieser Episode ist ein Beitrag von Michael Blochberger, einem Coach, Trainer und Berater, also einem Kollegen von mir. Dessen Beitrag  auf business-wissen.de habe ich im Internet gefunden. Er heißt „Plädoyer für die Manager der Emotionen“.

Diesen Beitrag gibt es auch zum Hören als Podcast-Episode.

Alle Artikel zum Thema Beziehungskompetenz gibt es hier.

Alle Jahre wieder: miese Ausgangslage

Das klingt schön: Manager der Emotionen – Manager die fühlen. Mein Kollege Michael Blochberger stellt fest, dass es wiederkehrende Bräuche gibt. Weihnachten zum Beispiel oder aber die Veröffentlichung der Gallup Studie. Die Gallup Studie kommt jedes Jahr. Und in gewissen Punkten ist sie jedes Jahr gleich ausgerichtet: Das Ergebnis ist mies. Zum Beispiel was die Motivation von Arbeitnehmern in Deutschland anbelangt.

Unmotivierte Mitarbeiter

Meist pendelt die Quote von Mitarbeitern , die gern zur Arbeit gehen, um stolze 15 Prozent. Das mag ernüchternd klingen für so manchen Unternehmer, der gerne hätte, dass jeder gerne käme. Tun sie aber nicht. Zumindest die meisten nicht. 70 Prozent machen Dienst nach Vorschrift. Na, immerhin! Bei den verbleibenden 15 Prozent sieht das noch schlimmer aus. Die haben innerlich gekündigt und verhalten sich entsprechend. Das ist alles in allem eine sehr traurige, jährlich wiederkehrende Statistik. Aber: Sie deckt sich im großen und ganzem mit meinen Erfahrungen. Auch mit meinen Erfahrungen als Arbeitnehmer, als Angestellter. Schließlich war ich ja auch Führung ausgesetzt. Mal mit mehr, mal mit weniger gut ausgeprägten Kompetenzen im Umgang in de Führung von Mitarbeitern.

Warum so viele Menschen ungern arbeiten

Ich kann mich an viele Kollegen erinnern, die schon gar nicht mehr drüber nachdachten, ob sie Vorschläge machen könnten, um irgendeinen Prozess zu verbessern. Dann hieß es: „Ach, Matthias, das lässt du mal besser bleiben. Wenn du da was vorschlägst, dann kriegst du nur Ärger. Irgendjemand glaubt, er habe was nicht richtig gemacht und fühlt sich auf den Schlips getreten.“ Das Ausmaß an Nicht-Motivation, an fast schon depressiver Zurückgezogenheit, fand ich schon damals erschreckend. Und ich kenne viele Betriebe, in denen sich heute kaum etwas geändert hat.

Durch Druck wird nichts besser

Führungskompetenz erfordert viel mehr als forsches Auftreten.
Führungskompetenz erfordert viel mehr als forsches Auftreten.

Im Gegenteil: Je schlimmer der internationale Wettbewerb ist, desto höher der Druck, der an die Mitarbeiter weitergegeben wird: von Führungsebene zur Führungsebene bis ganz unten. Kaum nimmt sich noch jemand Zeit, die Mitarbeiter mitzunehmen, geschweige denn sich in ihre Situation hineinzuversetzen. Und alle wundern sich, dass die Stimmung auf dem Nullpunkt. Und alle bekommen den heiligen Zorn, weil die Motivation nicht so ist, wie sie so manche Führungskraft gerne hätte. Führungskompetenz sieht anders aus.

Erfolgreich gegen den Trend

Was in der Statistik nicht so zum Ausdruck kommt, ist, dass es auch Unternehmen gibt, die anders funktionieren. Unternehmen, die sich nicht nur den Anstrich schöner Unternehmenskulturen geben mit schönen Leitsätzen und Leitideen, die nur bedingt realisiert werden. Es gibt auch Unternehmen, bei denen ist Kultur nicht nur ein Wort. Sie mit Leben zu füllen gehört dort zu den wesentlichen Aufgaben und ist das Kriterium, an dem Führungskompetenzen gemessen werden. Da wird tatsächlich dran gearbeitet, da wird auch Geld und zeit darin investiert, dieses Verständnis von Leadership weiter zu entwickeln. Darin, dass alle Mitarbeiter, von oben bis nach unten, einen Umgang pflegen, der das Miteinander so angenehm wie möglich und die Motivation so hoch wie möglich gestaltet. Ich kenne Unternehmen, gerade hier in der näheren Umgebung, die aus meiner Sicht die Speerspitze bilden.

Alles nur Zufall? Von wegen!

Mein Kollege Michael Blochberger stellt sich die Frage, wie es denn kommen kann, dass in gänzlich vergleichbaren Teams oder Abteilungen völlig unterschiedliche Situationen vorzufinden sind. Im einen hängen die Mitarbeiter durch, Stimmung auf dem Nullpunkt. Keiner hat Bock was zu leisten, maximal Dienst nach Vorschrift. Im anderen herrscht positive Stimmung , die Mitarbeiter erarbeiten Top Leistungen. Alles Zufall? Wohl kaum. beides hängt stark davon ab, welches verhalten sich hinter dem Begriff Leadership verbirgt.

Es mangelt an Führungskompetenz

Zahlreiche Studien beweisen immer wieder, dass es eine Hauptursache für schlechte Arbeitseinstellung, miese Atmosphäre, mangelnde Kommunikation und häufige Kündigungen gibt. Es liegt in aller Regel an den mangelnden emotionalen Qualitäten der Führungskraft. Also in der mangelnden emotionalen Intelligenz und deren Anwendung. Sprich, an einem Mangel an Führungskompetenzen, insbesondere an Beziehungskompetenz.

Ursachen verändern, nicht Umstände

Es gibt viele Unternehmen, die viel Geld für teure Mitarbeiterbefragungen ausgeben, um genau zu diesem Ergebnis zu kommen. Ich kann mich an Führungskräfte erinnern, die, als sie die Ergebnisse vorgelegt bekamen, in Tränen ausbrachen. Und ich erinnere mich an Schulungen und Aktionen, sogar an Investitionen in Kaffeeautomaten und Wasserspender. Letztlich blieb alles beim Alten. Warum? Weil die Führungskräfte ganz oben erkennen mussten, dass auch sie angesprochen waren. Sie hatten aber keine Lust, ihr Verhalten zu hinterfragen. Geschweige denn irgendetwas daran zu ändern. Sie versuchten stattdessen, die Umstände zu verändern. Nicht die Ursachen. Führungskompetenz erfordert mehr Mut als das. Und einen erwachsenen Umgang mit Feedback. Die gute Nachricht: Das kann man lernen.

Die Falschen befördert

Führungskompetenz ist immer noch viel zu selten ein Kriterium.
Führungskompetenz ist immer noch viel zu selten ein Kriterium.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich mich als Angestellter fragte, wieso ausgerecht die Mitarbeiter mit den schlechtesten sozialen und emotionalen Kompetenzen in Führungspositionen befördert wurden. Das ist vielleicht ein spezifisch deutsches Phänomen, denn wir nehmen bekanntermaßen Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit und Leistung sehr ernst. Und so kommt es, dass in der Regel nicht der emotional intelligente oder sozial kompetente, integrierende Mitarbeiter "in Führung geht". Stattdessen der, der sich in Krisensituationen am meisten abgehärtet hat, der fachlich am kompetentesten ist. Der wird in einem Quickie-Seminar auf Führungsqualität getrimmt wird und dann seinen Kollegen vorgesetzt. Völlig ohne Beachtung der Frage, ob er seinen neuen Aufgaben gewachsen ist. Ich halte das für problematisch, denn ich glaube nicht, dass wir Deutschen damit auf dem internationalen Markt lange bestehen können.

Was wir uns nicht leisten können

Es gibt Völker mit anderen Kulturen, in denen die emotionale Befindlichkeit des Einzelnen weit weniger wichtiger genommen wird als bei uns. Zum Beispiel in Fernost. Dort steht das Kollektiv, die Gemeinschaft mehr im Vordergrund als bei uns. Es geht darum, gemeinsam Aufgaben zu lösen. In unseren mitteleuropäischen, westlich geprägten, individualisierten Gesellschaft werden wir es uns auf Dauer nicht leisten können, unsere Ressourcen, unsere Mitarbeiter auf Dauer emotional zu schädigen. Deshalb ist es auch so traurig, dass die wenigsten inkompetenten Führungskräfte sich ihrer Inkompetenz bewusst sind. Denn Beziehungskompetenz, die wichtigste Säule von Führungskompetenz,  lässt sich entwickeln. Sie lässt sich sogar wunderbar trainieren.

Führungskompetenz erfordert Training

Was es dazu braucht, ist ein Mindestmaß an Einsicht für den eigenen Mangel. Das Eingeständnis, dass es noch etwas zu lernen gibt. Wer damit überfordert ist, ist auch als Führungskraft überfordert. Solche Führungskräfte geben in aller Regel den Druck, dem sie selbst ausgesetzt sind, nach unten weiter. Oder sie glänzen durch eine „Mir-doch-egal-Haltung“. Es fehlt ihnen oft an Einsicht, an Klarheit und an dem, was Menschen ausmacht: an Menschlichkeit. Manche scheuen auch die Auseinandersetzung und gehen Konflikten grundsätzlich aus dem Weg. Sie verspielen sich mit Arroganz jegliches Vertrauen ihrer Mitarbeiter. Sie glauben, dass jeder Mitarbeiter nur eine ruhige Kugel schieben und möglichst viel Geld einstecken will. Was sie nicht wissen, ist, was Menschen im Allgemeinen brauchen: Respekt und Akzeptanz. Beides kann eine Führungskraft nur liefern, wenn sie in der Lage ist, sich selbst vorbehaltlos anzuschauen. Dazu gehört ein gerüttelt Maß an Kritikfähigkeit.

Leidenschaft vermitteln

In seinem Buch „Emotionale Führung“ schreibt der US-amerikanische Autor Daniel Goleman: Das Wichtigste, was eine Führungskraft können muss, sei positive Gefühle in Menschen zu wecken. Also Begeisterungsfähigkeit, Leidenschaft vermitteln und ein Gefühl der inneren Sicherheit auf die Mitarbeiter zu übertragen. Wer das als Führungskraft leisten will, brauche sechs Eigenschaften.

Wichtige Eigenschaften

  1. Vorbildliches, visionäres Auftreten. Vor allem dann, wenn es gilt, das Team für neue Ziele zu begeistern.
  1. Beratende Kompetenz. Also die Fähigkeit, Mitarbeiter zu fördern und sie mit dem, was das Unternehmen will, in Einklang zu bringen.
  1. Kommunikation, die Gefühle mitberücksichtigt. Damit ich als Führungskraft die Mitarbeiter integrieren und motivieren kann.
  2. Die Bereitschaft, einen demokratischen Konsens zu akzeptieren. Damit ich die Zustimmung und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Team beziehungsweise mit dem Unternehmen stärken kann.
  3. Eine fordernde Einstellung, damit ich das Team zu Bestleistungen bringen kann und dass wir höhere Ziele erreichen.
  1. Entscheidungskompetenz, die auf Selbstbewusstsein fußt, damit ich in Notsituationen für Klarheit und für Sicherheit sorgen kann.

Zwischen den Extremen

Führungskompetenz ist eine Frage der emotionalen Intelligenz.
Führungskompetenz ist vor allem eine Frage der emotionalen Intelligenz.

Punkt sechs bringt mich immer wieder zum Schmunzeln, weil ich beide Extreme erlebt habe. Einen Chef, der in erster Linie mit Angst regiert hat, weil unglaublich viele Mitarbeiter Angst vor seinen Wutausbrüchen hatten und vor seiner Forschheit. Wenn sich jener Chef in den Urlaub verabschiedete, ging ein kollektives Aufatmen durch die Belegschaft. Aber schon nach wenigen Tagen wich es einem unangenehmen Gefühl der Unsicherheit. Also einer latenten Form von Angst. Warum? Weil egal, wer den Chef vertreten durfte - keiner der Kandidaten hatte das forsche Auftreten und die selbstbewusste Entscheidungskompetenz. Und wer auch immer in dieser Vertretungszeit eine Frage stellte, musste sich mit einer unklaren Antwort zufriedengeben.

Warum Manager fühlen müssen

Der für mich interessanteste Punkt an diesen sechs Facetten ist, dass es nicht reicht, eine oder zwei Kompetenzen zu beherrschen. Ich brauche alle. Und um das zu können, brauche ich ein hochentwickeltes Bewusstsein für meine eigenen Gefühle. Denn alle sechs dieser Punkte erfordern einen unverstellten Zugang zum jeweiligen passenden Gefühl. Zum Beispiel Punkt eins, das vorbildliche, visionäre Auftreten. Das kann ich nur haben, wenn ich einen bewussten Umgang mit meiner Angst pflege. Denn wann immer ich mich in den Bereich Vision, Neuland begebe, beschreite ich zwangsläufig unbekanntes Terrain. Ich  begebe mich auf einen Weg abseits ausgetretener Pfade. Das heißt, ich erfahre Unsicherheit. Ich weiß nicht, ob es klappt. Das damit verbundene Gefühl ist Angst. Damit muss ich als Führungskraft umgehen können, wenn ich visionär auftreten möchte.

Mitgefühl gestaltet Tonalität

Eine beratende Kompetenz, um Mitarbeiter zu fördern, erfordert Mitgefühl. Empathie. Ich muss mich auch in die emotionale Befindlichkeit des jeweiligen Mitarbeiters begeben können, um die richtigen Worte und die richtige Tonalität zu finden. Auch das kann man tatsächlich lernen.

Integrieren und motivieren

Die gefühlsorientierte Kommunikation spricht für sich. Auch dafür brauche ich auch Empathie. Ich muss wahrnehmen können, was gebraucht wird, um Mitarbeiter zu integrieren, beziehungsweise zu motivieren.

Selbstdisziplin ermöglicht Konsens

Die Bereitschaft zum Konsens erfordert Selbstdisziplin. Ich muss auch mal in der Lage sein, meine eigene Meinung, meine eigene Überzeugung hintenanzustellen. Dafür brauche ich eine gute Verbindung zu meinem Ärger. Sie erlaubt es mir, mir selbst Grenzen zu setzten: „Stopp, jetzt geht’s nicht mehr nur um meine Meinung, jetzt beuge ich mich dem Konsens.“ Dazu brauche ich eine kleine Portion Ärger. Manchmal auch eine größere.

Eigenen Ärger für Klarheit nutzen

Die fordernde Einstellung kommt ebenfalls vom Ärger. Ich muss meinen Mitarbeitern auch mal fordernd gegenüberstehen können und in klaren Worten sagen können: „Leute, wir müssen bis zum Ende des Tages, beziehungsweise bis zum Ende der Woche dies oder jenes erreicht haben.“

Ohne ein Nein gibt es kein Ja

F+ührungskompetenz erfordert Mut.
Kompetente Führungskräfte arbeiten an Ursachen nicht an Umständen.

Die selbstbewusste Entscheidungskompetenz hat auch was mit Ärger zu tun. Denn Entscheidungen zu treffen ohne Ärger funktioniert gar nicht. Nach meiner Erfahrung sind Menschen, die keine Entscheidungen treffen wollen, in der Regel nur schlecht bis gar nicht mit ihrem eigenen Ärger verbunden. Denn eine Entscheidung zu treffen bedeutet immer, zu einer Option Ja sagen und alle anderen Optionen abzulehnen. Und um etwas abzulehnen, um etwas eine Grenze zu setzten, brauche ich ein Minimum an Ärger.

Akzeptanz führt zu Kompetenz

Wenn ich also diese sechs Facetten unter meinem Hut bringen möchte, muss ich mit meinen Gefühlen einigermaßen ausgesöhnt sein. Vor allem mit den meist unbeliebten: Ärger, Trauer und Angst. Ich brauche ein hohes Bewusstsein dafür, ich muss sie akzeptieren können. Nur dann kann ich sie nutzen, um beziehungskompetent zu werden.

Angst und Druck integrieren nicht

Eine Führungskraft, die aber nur auf Angst, Druck und blinden Gehorsam setzt, wird ihre Mitarbeiter niemals gewinnen. Sie wird auch nicht zu Höchstleistung motivieren. Maximal wird sie sie dazu bringen, dass sie das absolut Notwendige leisten, damit die Drohung nicht Wirklichkeit wird. Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter zu Best- und Höchstleistungen animieren wollen, müssen diese sechs Punkte

1. Vorbildlichen, visionäres Auftreten

2. Beratende Kompetenz

3. Gefühlsorientierte Kommunikation

4. Bereitschaft zum Konsens

5. Fordernde Einstellung

6. Selbstbewusste Entscheidungskompetenz

in sich selbst integrieren. Und das können sie nur, wenn sie selbst ein hohes Bewusstsein für die eigene Gefühlswelt haben. Denn rein kognitiv lassen sich diese Fähigkeiten nicht erlernen. Praktisch erlebbare Führungskompetenz bedarf emotionalen Trainings. In Teil 5 der Serie über Beziehungskompetenz geht es um die besonderen Herausforderungen in unserer zunehmend digitalisierten Welt.

Vorbilder sind gefragt

„Ein guter Manager ist“, so schließt Blochberger, „ein Manager, der anderen als Vorbild dienen kann. Er versteht es, mit seinen eigenen Emotionen umzugehen und weiß auf die Emotionen anderer konstruktiv einzugehen.“ Ich würde ergänzen: Er weiß auch die Qualitäten von Emotionen zu nutzen. Das ist Führungskompetenz. Eine gute Führungskraft, nimmt eigene und fremde Emotionalität wahr, kann sie differenziert benennen und nutzt sie verantwortlich zum Wohl des Teams und des Unternehmens. Egal, ob es sich um Freude, Ärger, Trauer oder Angst handelt. Ein Manager, der diese vier Gefühle akzeptieren kann, nutzt auch ihre Qualitäten:

  • Integration & Leidenschaft
  • Klarheit und Entscheidungskraft
  • Empathie und emotionale Nähe
  • Kreativität und Mut

Das ist praktisch gelebte Führungskompetenz.  Wer führen will, muss fühlen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla, 2018

Soft Skills sind enscheidend für die Anwendung von emotionaler Intelligenz.

Beziehungskompetenz (3) – Soft Skills sind nichts für Weicheier

022: Emotionale Intelligenz steht in vielen Unternehmen weit oben auf der Wunschliste. Vor allem, wenn es um Führungskräfte geht. Sie ist wichtig, aber alleine völlig nutzlos, solange sie nicht durch Soft Skills ergänzt wird. Erst dann entsteht Beziehungskompetenz. Diese Episode nimmt Bezug auf den Artikel meines Kollegen Thomas Holzer auf www.business-wissen.de.

Episode 22 zum Lesen 

Soft Skills sind enscheidend für die Anwendung von emotionaler Intelligenz.

Soft Skills im Job – nichts für Weicheier

Soft Skills sind nichts für Weicheier. Great Growing Up trainiert Ihre Mitarbeiter
Ohne Soft Skills geht nichts im Job. Sie sind allerdings nichts für Weicheier.

Für Soft Skills braucht es Mut

Willkommen zu Teil 3 der Serie über Beziehungskompetenz im Business. In Teil 2 ging es um die fünf Qualitäten, die emotional intelligente Menschen auszeichnen. Bezug genommen habe ich auf einen Artikel, der sich auf Führungskräfte bezog. Dieser  Artikel hier zeigt, warum emotionale Intelligenz alleine nicht ausreicht, um Menschen verantwortlich zu führen. Sie reicht noch nicht einmal, um sich selbst verantwortlich zu verhalten. Es braucht etwas, das mich befähigt, diese Qualität in erlebbares Verhalten zu verwandeln: Beziehungskompetenz. Die gibt es nur mit Soft Skills, und die sind nichts für Weicheier. Wer seine Soft Skills ausbilden, oder noch besser: trainieren, will muss etwas aushalten können: Ärger, Trauer und Angst zum Beispiel. Das ist etwas für Mutige.

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Alle Artikel zum Thema Beziehungskompetenz gibt es hier.

Was erwachsene Menschen ausmacht

Ich stelle fest, dass Beziehungskompetenz etwas ist, das Führungskräften besonders gut tut.  Weil sie andere Menschen führen. Aber sie ist eine Grundqualität, die jeder erwachsene Mensch braucht. Ich behaupte, sie ist die Qualität, die erwachsene Menschen ausmacht. Die fünf Qualitäten, die einen emotional intelligenten Menschen auszeichnen sind nach David Goleman, Autor des Bestsellers "EQ. Emotinale Intelligenz": Selbstbewusstheit, Selbstmotivation, Selbststeuerung, soziale Kompetenz, Empathie.

Den EQ einsetzen

Hier geht es darum, warum diese Qualitäten alleine wirkungslos bleiben. Es braucht etwas, damit diese, Qualitäten, tatsächlich einen Effekt haben. Damit sie  die Effizienz von Mitarbeitern steigern. Das hat ein Trainerkollege von mir in einem Artikel auf business-wissen.de sehr gut beschrieben: Thomas Holzer, Berater, Coach und Wirtschaftsmediator in Freiburg. Emotionale Intelligenz, schön und gut, aber wie bringe ich sie dazu, dass sie wirkt? Fachwissen alleine ist nicht das allein entscheidende Merkmal, das ein Unternehmen zum Erfolg führt. Immer wichtiger wird es, dass die Mitarbeiter in der Lage sind, tragfähige Beziehungen aufzubauen und zu halten. Die Beziehungskompetenz von Mitarbeitern, von Auszubildenden, und vor allem die von Führungskräften,wird immer wichtiger. Diese Beziehungskompetenz basiert auf emotionaler Intelligenz, aber eben auch auf Soft Skills.

Kernbereiche emotionaler Intelligenz

Thomas Holzer bezieht sich auf ein Buch, auf den Bestseller „EQ. Emotionale Intelligenz“ von Daniel Goleman. Das stammt aus den 90er Jahren, ist aber immer noch interessant. Goleman schreibt zum Beispiel, dass es wichtig ist, die eigenen Gefühle, und auch die anderer wahrzunehmen. Er unterscheidet, wie in der vorherigen Episode aufgeführt,  zwischen fünf Kernbereichen emotionaler Intelligenz.

Selbstbewusstheit

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Wer Hard und Soft Skills in der Balance hält, ist im Beruf erfolgreich.

Selbstbewusstheit ist die Fähigkeit, die eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen. Ich muss ein bisschen schmunzeln, wenn ich solche Formulierungen lese. Ich würde einfach sagen, die eigenen Gefühle zu fühlen. Denn das bringt uns näher an das, worum es geht. Wir fühlen Trauer, wir fühlen Ärger, wir fühlen Angst oder wir fühlen Freude. Das tun wir unentwegt. Wir nehmen nur oft nicht wahr, dass wir etwas fühlen. Ich trainiere Menschen darin, zwischen diesen vier Gefühlen zu unterscheiden: Ärger, Trauer, Angst und Freude. Wer dazu in der Lage ist, nimmt seine Gefühle deutlich differenzierter wahr als es die meisten Menschen tun. Und nur wer sie wahrnimmt, kann sie nutzen und in Soft Skills verwandeln.

Selbstregulation

Emotional intelligente Menschen können ihre Gefühle bewusst nutzen. Sie können sich zum Beispiel entscheiden, mit ihrer Angst sehr bewusst umzugehen. So können sie die Angst nutzen, um aufmerksam und vorsichtig zu sein und dennoch zu tun, was eben ansteht. Ich kann Soft Skills aber auch auf eine Art einsetzen, die ganz und gar nicht als weich wahrgenommen wird: Meinen Ärger kann ich nutzen, um klare Worte zu sprechen, um Grenzen zu setzen, um ein „Nein“ auszusprechen. Ich kann meine Fähigkeit zu trauern ganz bewusst einsetzen, um empathisch zu sein, um mitzufühlen, was in meinem Gegenüber vorgeht. Diese Fähigkeit bezeichnet Goleman als Selbstregulation. Ich nenne das verantwortlichen Umgang mit Gefühlen.

Selbstmotivation

Der verantwortliche Umgang mit meinen Gefühlen ermöglicht es mir, klare Prioritäten zu setzen. Ich kann beispielsweise meinen Ärger nutzen, um meiner Bequemlichkeit eine klare Grenze zu setzen: Nein, ich bleibe nicht im Bett liegen. Ich stehe auf und gehe meine Aufgaben mit Mut und Entschlossenheit an. Das ist nichts anderes als ganz praktische Selbstmotivation.

Empathie

Im Aspekt Empathie hat mein Kollege Holzer einen wichtigen Punkt versteckt. „Je ausgeprägter die Selbsterkenntnis ist, desto fähiger ist man, die Gefühle anderer korrekt zu interpretieren“, schreibt er. Je deutlicher ich selbst wahrnehmen und benennen kann, was ich fühle, desto deutlicher und akkurater kann ich wahrnehmen, was in meinem Gegenüber vorgeht. Das ist eine Erfahrung, die ich während meiner Trainer-Ausbildung gemacht habe. Erst als ich mir erlaubt habe, meine eigene Angst zu spüren, war ich in der Lage, die Angst in anderen Menschen wahrzunehmen. Ehe ich diesen Prozess gestartet habe, war das Gefühl Angst viel zu bedrohlich für mich. Empathie ist von entscheidender Bedeutung für die Ausbildung von Soft Skills.

Die zentrale Fähigkeit
Alle ziehen an einem Strang. Great Growing Up trainiert die dafür nötigen Soft Skills.
Alle ziehen an einem Strang? Mit Soft Skills kein Problem.

So geht es vielen Menschen, beispielsweise mit den Gefühlen Trauer oder Ärger: Erst wenn wir in der Lage sind, sie selbst wahrzunehmen, sind wir auch in der Lage, zu erspüren, was in unserem Gegenüber vorgeht. Das ist für Trainer ein immens wichtiger Punkt. Für mich ist es die zentrale Fähigkeit, die mich als Trainer ausmacht. Ohne diese Fähigkeit könnte ich in meinen Trainings nicht so arbeiten wie ich es tue. Aber auch jeder andere Mensch, der mit anderen Menschen zusammenarbeiten will, wird nicht ohne sie auskommen.

Soziale Kompetenz

Soziale Kompetenz ist wichtig, Holzer beschreibt sie so: „Die Fähigkeit, akzeptable Kompromisse einzugehen und soziale Anpassungen zu finden und sie zu verwirklichen.“ Also, darüber hätte sich der gute Freiherr von Knigge gefreut und das vielleicht einfach mit Anstand bezeichnet. Ein Wort, das zugegebenermaßen ein bisschen aus der Mode gekommen ist. Ich glaube es wäre ganz schön, wenn wir hin und wieder mehr über Anstand sprächen. Darüber, das richtige Maß zu finden, zwischen dem, was ich will und dem, was für alle anderen gut ist.

Integrales Element

Thomas Holzer beschreibt emotionale Intelligenz als das integrale Element zwischen Denken und Fühlen. Das hört sich gut an, finde ich. Und er schreibt weiter: Wenn beide Fähigkeiten, also das Denken und das Fühlen, wenn das Kognitive mit der emotionalen Intelligenz verbunden wird, dann werden herausragende Leistungen möglich. Zum Beispiel beim Lösen von ganz simplen oder ganz komplizierten sachlichen Problemen. Oder auch bei der Integration von Menschen in ein völlig neues Umfeld. Bei der Beurteilung von Mitarbeitern, bei Verhandlungen mit Geschäftspartnern. Denn immer geht es um das Gleiche. Immer geht es darum, dass ich hineinspüren kann in meinem Gegenüber, damit ich erfühlen kann, wo ist der andere gerade? Wie geht’s ihm gerade und wie gehe ich so damit um, dass es für beide den höchsten Nutzen bringt? Etwa, indem ich die richtigen Worte finde, den richtigen Ton anschlage.

Soft Skills führen zum Erfolg

Was es braucht, damit die emotionale Intelligenz einen spürbaren wirtschaftlichen Nutzen bringt, sind die sogenannten Soft Skills. Erst wenn wir die emotionale Intelligenz mit den Soft Skills verbinden, haben wir Beziehungskompetenz. Soft Skills haben mehr mit Gefühlen zu tun als mancher von uns glauben möchte. Wir gehen sie Punkt für Punkt durch.

Einfühlungsvermögen

Einfühlungsvermögen ist die Fähigkeit, berührbar zu sein, wahrzunehmen, was im anderen  vorgeht. Dieser Soft Skill  ist mit der Trauer verknüpft. Trauer ist eine Form von Berührbarkeit: Ich lasse zu, dass mich der Schmerz berührt,. Das ist Trauer. Und diese Berührbarkeit kann ich auch nutzen, um mich in andere Menschen hinein zu fühlen.

Integrationsfähigkeit

Integrationsfähigkeit ist die Qualität, die mich dazu bringt, meine Mitarbeiter alle ins Team mit hineinzunehmen. So, dass es keine Außenseiter gibt. Da kann ein ganzer Strauß von Gefühlen dahinterstecken: etwa meine eigene Berührbarkeit, weil ich nicht möchte, dass Hans-Peter oder Ingrid als Außenseiter draußen stehen, weil ich selbst weiß, wie schmerzvoll sich so etwas anfühlt. Oder meine Angst, weil ich ja nicht weiß, was Hans-Peter oder Ingrid treiben, wenn sie außerhalb des Teams unterwegs sind. Oder auch meine Freude, weil ich es mag, wenn ich Menschen um mich herum habe und ich als Integrationsfigur wirksam bin.

Kontaktfähigkeit

Kontaktfähigkeit hat viel mit bewusstem Umgang mit Angst zu tun. Denn wann immer ich mit Menschen, die ich noch nicht kenne, in Kontakt gehe, muss ich über meine Angst gehen. Die kann bei manchen größer, bei manchen kleiner sein, aber wann immer ich mich auf unbekannte Menschen einlasse, hat es was mit Angst zu tun. Und was ich brauche, um über diese Angst zu gehen, ist ein bewusster Umgang damit. So kann ich für den Mut entscheiden. Für den Mut, kontaktwillig und damit kontaktfähig zu werden.

Konfliktfähigkeit

Konfliktfähigkeit hat viel damit zu tun, Disharmonie auszuhalten, für meine Belange, für meinen Standpunkt einzutreten, klare Worte zu sprechen. Dafür brauche ich eine gute Verbindung zu meinem Gefühl Ärger. Denn nur wenn ich mir erlaube, dieses Gefühl bewusst wahrzunehmen und zu akzeptieren, bin ich in der Lage, klare Ansagen zu machen, Ja oder Nein zu sagen und auch Grenzen zu setzen.

Teamfähigkeit

Great Growing Up trainiert Teamfähigkeit.
So soll es sein. Teamfähigkeit setzt gut trainierte Soft Skills voraus.

Teamfähigkeit hat viel damit zu tun, dass ich meine eignen Bedürfnisse auch mal hinten anstelle und den anderen oder dem Team als Ganzes diene. Das kann viel mit Trauer zu tun haben, weil ich mich davon berühren lasse, wenn jemand Hilfe braucht, um eine Aufgabe zu erledigen. Es kann auch mit Ärger zu tun haben, weil ich eine Grenze setzen muss, damit getan wird, was getan werden muss.

Überzeugungskraft

Überzeugungskraft hat für mich sehr viel mit Freude zu tun. Warum?  Weil ich nur dann überzeugend wirke, wenn ich mit Freude und Leidenschaft hinter dem stehe, was ich vertrete. Nur dann kann ich es auch glaubhaft vermitteln. Das wäre für mich Begeisterungsfähigkeit . Ich kenne nichts was Menschen mehr gewinnt und überzeugt als Begeisterung.

Verhandlungsgeschick

Verhandlungsgeschick hat unglaublich viel mit Beziehungskompetenz zu tun. Nur wenn ich in der Lage bin, den anderen Menschen zu lesen, mich in ihn hineinzuversetzen, bin ich in der Lage, die richtigen Worte zu finden und den richtigen Ton anzuschlagen. Das kann in Verhandlungsgesprächen von entscheidender Bedeutung sein.

Durchsetzungsvermögen

Der neunte und letzte Soft Skill klingt überhaupt nicht soft. Durchsetzungsvermögen hat für mich in aller ersten Linie etwas mit Ärger zu tun. Also, mit dem Gefühl, das es mir erlaubt für das, was mir wichtig ist, für das, was ich für notwendig halte, hinzustehen, es einzufordern und durchzusetzen.

Was bringen Soft Skills dem Unternehmen?

Offen ist jetzt noch die Frage: Was bringt das Ganze? Was habe ich davon, wenn ich mich darin trainiere, meine emotionale Intelligenz so einzusetzen, dass ich und das Unternehmen davon profitieren? Als Azubi, als Mitarbeiter oder als Führungskraft. Holzer nennt dafür sechs Punkte von besonderer Bedeutung.

Überzeugend präsentieren

Ein beziehungskompetenter Mitarbeiter kann überzeugend präsentieren. Wann immer wir Menschen erleben, die auf der Bühne stehen oder auch einfach nur vor uns und irgendetwas darstellen oder präsentieren, merken wir sehr schnell, wer uns für seine Sache gewinnt und wer nicht. In der Regel stellen wir fest, wer authentisch auftritt, bekommt unsere Aufmerksamkeit. Wir sprechen von Authentizität, wenn Worte, also Äußerungen und die wahrgenommene Gefühlswelt deckungsgleich sind. Also, wenn wir das Gefühl haben, der da vorne präsentiert sich gerade so, wie er ist. Spontan und wahrhaftig. Da gibt es keinen Versatz zwischen dem, was wir emotional wahrnehmen und dem, was wir kognitiv wahrnehmen, etwa die Worte, die wir hören. Jemand, der so auftritt, ist authentisch. Und authentische Menschen bekommen unsere Aufmerksamkeit.

Besser orientieren

Ein beziehungskompetenter Mensch kann sich besser orientieren. Woran liegt das? Wenn es darum geht sich in einer neuen und damit per se unsicheren Situation besser zurecht zu finden, werden alle Menschen mit dem gleichen Gefühl konfrontiert: Wir fühlen Angst. Es mag nur kaum einer wahr haben. Die meisten sprechen lieber von Respekt oder Nervosität oder Unsicherheit, im Grunde ist es alles das Gleiche. Es sind nur andere Worte für Angst. Die ist manchmal groß, manchmal kleiner, und sie hat einen Nutzen. Angst macht mich aufmerksam, sie sorgt dafür, dass ich vorsichtig bin und achtsam. Aber nur, wenn ich bewusst mit ihr umgehe.

Verdrängen hilft nicht

Wenn ich die Angst lieber nicht fühlen möchte, bleibt mir nur ein Weg: Ich werde alle Situationen, in denen ich mit Veränderung konfrontiert werde, meiden. Und wenn sie doch kommen, kann es sein, dass die Angst mich lähmt und mich damit handlungsunfähig macht. Wenn ich sie mir aber bewusst mache, kann ich mich dafür entscheiden, sie zu nutzen. Ich kann sie dafür nutzen, mich besser zu orientieren in einer neuen Situation.

Kritik- und Konfliktfähigkeit

Beziehungskompetente Menschen können besser mit Kritik und Konflikten umgehen. Sie finden schneller wieder zur Sachlichkeit zurück. Warum? Weil sie in der Lage sind, ihrer Emotionalität, ihrem Gefühl, sei es Trauer, Ärger, Freude oder Angst, Raum zu geben, indem sie es wahrnehmen und benennen. Das kostet etwas Zeit und manchmal auch Energie. In der Regel aber ist das Thema Gefühl abgeschlossen, wenn wir uns erlaubt haben, offen und ehrlich darüber zu sprechen. Dann laufen wir nicht länger Gefahr, uns mit emotionalem Störfeuer herumschlagen zu müssen. Wir können, wenn das Thema Emotion erledigt ist, wieder zur Lösung des sachlichen Problems zurückkehren.

Klar kommunizieren

Beziehungskompetente Menschen können klarer kommunizieren. Wenn ich mir erlaube, meine Gefühle wahrzunehmen, anzusprechen und damit zu akzeptieren, muss ich mich nicht länger von ihnen stören lassen. Etwa indem ich zickig reagiere, weil ich meinen Ärger unterdrücke oder vor lauter unterdrückter Angst nicht authentisch wirke. Die Fähigkeit, klare Worte zu sprechen, hat aber auch damit zu tun, dass ich mir erlaube, meinen Ärger zu nutzen. Wann immer ich im Coaching oder im Training mit Menschen konfrontiert werde, die sich unklar ausdrücken oder nicht in der Lage sind Entscheidungen zu treffen, führe ich sie in ihren Ärger. Sie wären überrascht, wenn Sie erlebten, wie wenig Ärger  genügt, damit ein Mensch wieder Klartext spricht.

Bessere Selbsteinschätzung

Dass sich beziehungskompetente Menschen besser einschätzen können als andere, liegt auf der Hand,: Weil sie sich selbst klarer und differenzierter wahrnehmen.

Bessere Kooperation

Beziehungskompetente Menschen sorgen für reibungslosere Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt, dass das stimmt, ich glaube allerdings auch, dass im ersten Moment genau das Gegenteil eintreten wird. Einfach, weil beziehungskompetente Menschen auch konfliktfähig sind. Der wesentliche Unterschied ist, dass beziehungskompetente Menschen Konflikte nicht verdrängen. Sie sprechen an, was sie stört, was ihnen auffällt. Und sie geben ihrer Emotionalität Worte. Dann suchen sie mit ihrem Gegenüber gemeinsam nach Lösungen. Insgesamt bin ich überzeugt, dass die zwischenmenschliche Reibung deutlich nachlässt, je mehr Beziehungskompetenz in einem Betrieb trainiert wird.

Beziehungsfähigkeit kann man trainieren

In stillen Stunden frage ich mich manchmal, wie hoch der volkswirtschaftlicher Schaden durch unterschwellige, nicht ausgetragene oder verdrängte Konflikte in Unternehmen ist. Millionen sind es mindestens. Ich glaube, wir können da schon bald von Milliarden reden. Soweit muss es aber gar nicht kommen, wenn Unternehmen erkennen, dass unschöne Erscheinungen wie die zunehmende Zahl an Burn outs oder demotivierte Mitarbeiter eine ganz bestimmte Ursache haben: In der Regel sind es ungelöste Konflikte. Ungelöste Konflikte sind eine Folge von beziehungsinkompetenten Menschen. Das können sie ändern, denn Beziehungskompetenz kann man trainieren.

Fortsetzung folgt

In dieser Episode ging es darum, wie wir die emotionale Intelligenz mit Soft Skills zu Beziehungskompetenz weiterentwickeln. In der nächsten Episode dieser Serie zum Thema Beziehungskompetenz, in Teil 4, geht es dann um emotionale Manager. Die braucht es. Denn: Wer gut führen will, muss fühlen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla, 2017

Ärger ist ein Gefühl mit vielen Qualitäten. Great Growing Up zeigt Ihnen, wie Sie sie nutzen.

Wie hoch ist meine Emotionale Intelligenz?

Wie hoch ist meine emotionale Intelligenz?

Im ersten Teil dieser Episode ging es um emotionale Intelligenz und die fünf Elemente, die sie ausmachen. Vorgestellt hat das Dr. Jürgen Fleig auf www.business-wissen.de. Dr. Fleig bezieht sich auf Daniel Goleman, den Bestsellerautor und seinen Mitarbeiter Richard Boyatzis. Die haben zusammen mit den anderen einen Fragenkatalog entwickelt. Dieser  Fragenkatalog dient der Überprüfung: Ist eine Führungskraft emotional und sozial intelligent? Übrigens: Der Fragenkatalog  findet genauso seine Berechtigung für Mitarbeiter oder auch für Azubis. Sie erkennen damit: Wie hoch ist meine emotionale Intelligenz.

Auf den EQ kommt es an

Wenn sie also erkennen wollen, wie es um Ihren EQ (den Quotienten Ihrer Emotionalen Intelligenz) steht, ist dieser Artikel der richtige für Sie. Und: Ihren EQ sollten Sie so wichtig nehmen wie Ihren IQ. Mindestens.

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Alle Artikel zum Thema Beziehungskompetenz gibt es hier.

Wie empathisch bin ich?

In diesem Fragebogen zum Thema emotionale Intelligenz geht’s zum Beispiel um Empathie, also: Verstehen Sie, was Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert, auch wenn diese unterschiedliche Hintergründe haben? Oder: Sind Sie offen für deren Bedürfnisse? Viel interessanter finde ich die zwei Fragen zum Thema Beziehung: Hören Sie aufmerksam zu? Und denken Sie darüber nach, wie sich Ihre Mitarbeiter fühlen? Wissen Sie, zwischen den Gefühlen, die Sie wahrnehmen zu unterscheiden? Wer erkennen kann, was in Menschen vorgeht, wer ihre Emotionen wahrnehmen und benennen kann, ist emotional intelligent. Diese Fähigkeit, emotionale Intelligenz, ist ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg im Umgang mit Menschen in Unternehmen. Wer erkennt, was in Menschen vorgeht, verfügt über emotionale Intelligenz

Great Growing Up trainiert emotionale Intelligenz.
Wer erkennt, was in Menschen vorgeht, ist emotional intelligent

Zuhören für Fortgeschrittene

Das erinnert mich an eine spannende Übung, die ich immer wieder Teilnehmer in meinen Trainings machen lasse. Eine Übung, die emotionale Intelligenz trainiert. Ich lasse sie drei verschiedene Formen des Zuhörens erleben. Einmal als Sprecher und einmal auch als Zuhörer.

Neurotisch Zuhören

Die dürfen erleben, wie es ist, wenn ihnen jemand, neurotisch zuhört. Viele würden sagen, wenn jemand gar nicht zuhört oder nur so tut, als ob. Jemand, der tatsächlich viel lieber was ganz anderes tun würde. Also jemand, der permanent auf die Uhr schaut, oder durchs Fenster nach draußen oder nervös herumzappelt, unterbricht oder mit dem Nebenmann ein Seitengespräch anfängt. Eine nicht sehr empfehlenswerte Form des Zuhörens.  Sie führt kaum dazu, dass irgendjemand ernsthaft und in der Tiefe über seine Gefühle oder Ideen spricht.

Aktiv Zuhören

Dann gibt es die in vielen Unternehmen sehr geschätzte Form des aktiven Zuhörens, wo es darum geht, den anderen zu verstehen. Da gibt es kaum Unterbrechungen, keine Seitengespräche. Man sitzt sich zugewandt und offen gegenüber, hört sich aufmerksam zu und stellt Verständnisfragen. Sehr gut, das ist eine wichtige und hoch entwickele Fähigkeit, die das Leben und die Arbeit mit Menschen deutlich einfacher und effizienter macht. Diese Form des Zuhörens spricht weniger Ihre emotionale Intelligenz als Ihren IQ an.

Dienend Zuhören

Und dann kommt das, was manche Teilnehmer unter erheblichen emotionalen Stress setzt:  das dienende Zuhören. Wenn eine Führungskraft tatsächlich wahrnehmen möchte, was in ihrem Gegenüber, etwa in einem Mitarbeiter  vorgeht, dann würde ich das dienende Zuhören empfehlen. Um es gleich zu sagen: Das dienende Zuhören muss man üben. Die wenigsten Menschen haben es zuvor gelernt. Dienend Zuhören ist meiner Meinung nach die wichtigste Disziplin im Bereich emotionale Intelligenz.

Kurze Anleitung

Dienendes Zuhören geht so: Ich sitze und höre nur zu, stelle keine Fragen und gebe keine Kommentare ab. Ebenso wenig sage ich, dass ich das Gleiche auch schon mal erlebt habe, etc. Stattdessen höre ich nur zu. Aufmerksam, zugewandt, offen und - der wichtigste Punkt - ich lasse mich berühren. Wenn ich das mache, wird es ziemlich schnell spannend,: Mein Gegenüber bemerkt, dass ihm fast gar nichts anderes übrig bleibt, als darüber zu sprechen, was tatsächlich in ihm vorgeht. Das ist fast so eine Art Automatismus, wie ein Strudel zieht es mich als Sprecher dann immer weiter in meine emotionale Befindlichkeit. Ich kann fast gar nicht anders, als darüber zu sprechen. Wer dienend zuhört, nimmt Gefühle wahr, lässt sich davon berühren und erfährt, was Sache ist. Das ist ganz sicher eine der wichtigsten Fähigkeiten im Umgang mit Mitarbeitern. Ich kenne nichts, das besser dazu geeignet ist, Beziehungen zu erschaffen und zu gestalten. Und: Ohne trainierte emotionale Intelligenz können Sie nicht dienend zuhören.

Dienend Zuhören ist eine Disziplin, die Great Growing Up trainiert.
Wer dienend zuhört, lässt sich berühren und erfährt, was Sache ist.

Worum es geht

Wenn mir jemand dienend zuhört, bemerke ich sehr schnell, dass alles Berichten, alles Erzählen, wie schön, oder hässlich es gestern war, oder worüber sich mein Nachbar geärgert hat aber ich nicht, dass das alles gar nicht so wichtig ist. Es geht dann letztlich nur darum, was mich bewegt. Und das setzt ungeübte Teilnehmer erstmal unter emotionalen Stress. Das wiederum ist ein Anzeichen dafür, dass sie etwas üben, das zum Bereich emotionale Intelligenz zählt.

Das Ziel: Akzeptanz schenken

Eine Führungskraft aber, die herauskriegen will, wie es ihren Mitarbeitern geht, aber auch ein Mitarbeiter, der herauskriegen will, wie geht es meinem Azubi, der sollte sich drin üben, dienend zuzuhören. Und da geht es nicht ums Verstehen, da geht es definitiv darum, mich berühren zu lassen; körperlich wahrzunehmen, welches Gefühl nehme ich wahr, um dann meinem Zuhörer das geben zu können, was er will: Akzeptanz für das, was in ihm vorgeht. Ich glaube, das ist eine der wichtigsten Qualitäten von emotionaler Intelligenz. Führungskräfte tun gut daran, sie zu trainieren. Erfolgsautor Daniel Goleman wusste das.

Mehr Fragen zu emotionaler Intelligenz

Weitere Fragen, um herauszufinden, ob eine Führungskraft emotionale Intelligenz hat, beziehen sich auf das organisationale Bewusstsein. Also: Identifizieren Sie sich mit den Werten und der Kultur Ihres Teams oder des Unternehmens? Verstehen Sie soziale Netzwerke und kennen Sie deren unausgesprochene Regeln und Normen?

Feedback ist nicht immer angenehm

Emotionale Intelligenz - Great Growing Up trainiert den Umgang mit Feedback.
Einfach anklicken: zwei Wege, mit Feedback umzugehen.

Andere Punkte beziehen sich auf Einfluss oder auch die Hilfe für andere Mitarbeiter. Zum Beispiel eine Frage, die mir im Zusammenhang mit dem Thema emotionale Intelligenz sehr gut gefällt: Geben Sie Feedback, das Mitarbeiter als hilfreich empfinden? Da ist es wichtig, zu wissen, dass hilfreich nicht das Gleiche ist wie angenehm. Hilfreiches Feedback kann schon angenehmes, positives Feedback sein, vor allem wenn ein Mitarbeiter oder Kollege in einem Demotivationsloch hängt oder wenn ich bemerke, der braucht etwas, um sich als gut zu erleben. Dann ist positives Feedback sicherlich hilfreicher als kritisches. Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz wissen das.

Wertschätzung nicht vergessen

Wenn es drum geht, in der Sachlichkeit Optimierungen zu bewirken, wenn es drum geht, Ergebnisse zu verbessern, dann ist meine Erfahrung, dass kritisches Feedback mich deutlich weiter bringt als Lob, Anerkennung und Wertschätzung. Wenngleich ich nochmal sagen möchte, dass Anerkennung und Wertschätzung von großer Bedeutung sind. Darauf kommen wir aber noch.

Inspirieren Sie Mitarbeiter!

Ein weiterer Aspekt im Thema emotionale Intelligenz ist das Thema Inspiration. Da geht es zum Beispiel um die Frage: Können Sie eine überzeugende Vision für Ihr Unternehmen und ihr Team formulieren, also haben Sie den Blick nach vorne? Und schaffen Sie es, dass ihre Mitarbeiter stolz auf ihre Arbeit sind? Ja worum wird es da wohl gehen? Um Anerkennung und Wertschätzung. Wenn ich als Führungskraft meinem Mitarbeiter Wertschätzung und Anerkennung versage, bekommt er das nicht, was am wichtigsten für ihn ist, um stolz auf seine Arbeit zu sein. Denn es gibt genug Untersuchungen, die zeigen, dass Lohn und Gehalt oder ein schicker Dienstwagen, von relativ geringer Halbwertszeit sind, wenn es darum geht, den Stolz meines Mitarbeiters auf seine Arbeit zu fördern. Anerkennung und Wertschätzung bringen da deutlich mehr.

Was droht, wenn Sie drohen

Eine Frage, die mir, wenn es um emotionale Intelligenz geht, auch gut gefällt, ist: Bringen Sie Ihre Mitarbeiter dazu, Ihr Bestes zu geben? Na, das ist doch mal ein schöner Punkt. Wie bringe ich Mitarbeiter dazu, ihr Bestes zu geben? Ich kann mich noch an Chefs erinnern, die hätten jetzt geantwortet: „Na, durch Drohungen!“. Vielleicht hätten sie nicht so geantwortet, aber sie haben sich permanent so verhalten. Zum Beispiel durch die latente Drohung: „Es gibt auch andere Menschen, die diesen Arbeitsplatz haben wollen.“ Oder: „Wenn’s dir hier nicht passt, dann musst du dir überlegen, ob du hier richtig bist.“ Das sind Fragen, die mögen durchaus angebracht sein, wenn beispielsweise jemand nur jammert oder nörgelt. Emotionale Intelligenz drücken solche Fragen allerdings eher weniger aus.

Keine Höchstleistung

Grundsätzlich würde ich Führungskräften davon abraten, solche versteckte Drohungen auszusprechen. Das hat nichts mit dem Bereich emotionale Intelligenz zu tun. Drohungen bringen Ihre Mitarbeiter definitiv nicht dazu, Höchstleistung zu geben, denn sie versetzen sie in Angst. Und die bringt keinen Menschen dazu Höchstleistung zu geben. Angst bringt Menschen maximal dazu, das Notwendige zu geben, damit die Drohung nicht realisiert wird.  Trainierte emotionale Intelligenz ermöglicht Ihnen deutlich mehr.

Der Mut, Fehler zu machen

Ich glaube Mitarbeiter, die Bestleistungen erzielen sollen, brauchen genau das Gegenteil von Angst. Und das Gegenteil von Angst ist Mut. Nämlich den Mut auch Fehler zu machen. Denn wenn ich über den Bereich des bisher Geleisteten  hinausgehe, laufe ich automatisch Gefahr, dass ich über das Ziel hinaus schieße. Dass ich zu viel gebe, zu viel mache, was vielleicht gar nicht erwünscht ist. Ich riskiere Fehler zu machen. Und nur Betriebe, die ihre Mitarbeiter ermuntern, auch mal Fehler zu machen und daraus zu lernen, können von ihren Mitarbeitern erwarten, dass diese  bereit sind, über das Maß des Üblichen, des maximal Notwendigen hinaus zu gehen. Dann geben sie Bestleistung. Und dazu braucht es Führungskräfte mit hoher emotionaler Intelligenz.

Teamarbeit

Der letzte Punkt in diesem Fragekatalog bezieht sich auf Teamarbeit. Da geht es zum Beispiel darum: Erbitten Sie Input von allen Mitarbeitern Ihres Teams? Ich kenne genügend Führungskräfte, die genau diesen Punkt meiden wie der Teufel das Weihwasser. Kritisches Feedback? Von allen Mitarbeitern? Ja, kritisches Feedback gehört zum Input unweigerlich dazu. Ich finde Führungskräfte, die in der Lage sind, kritisches Feedback von allen Mitarbeitern einzuholen und zu nutzen, sind die, die wirklich wahrhaftig und souverän auftreten. Solche Führungskräfte haben ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz und werden von ihren Mitarbeitern als Vorbilder mit natürlicher Autorität erkannt und geschätzt.

Chemische Motivation 

Ein weiterer Punkt, den Fleig beschreibt und den ich sehr interessant finde, ist emotionale Intelligenz als wichtiger Faktor in Stresssituationen. Das hat mit Hormonen zu tun. Wenn ich als Führungskraft meinem Mitarbeiter mal richtig die Leviten lese und ihm ein heftiges kritisches Feedback gebe, dann kann ich mir fast sicher sein, dass in diesem Mitarbeiter  viele Hormone ausgestoßen werden: Adrenalin und Cortisol. Das sind unglaublich wichtige Hormone, die mich tatsächlich dazu bringen können, Bestleistungen zu erzielen. Das ist so eine Art chemische Motivation.

Die Dosis entscheidet

Allerdings, wie immer bei Stoffen, kommt es auf die Dosis an. Und wenn ich als Mitarbeiter in einer Stress-Situation zu viel Adrenalin und zu viel Cortisol ausstoße, dann passiert mit mir nichts anderes als genau das Gegenteil. Das heißt, ich bin dann nicht mehr zu Bestleistungen fähig, sondern bin unkonzentriert und fahrig. Für eine emotional intelligente Führungskraft ist es deshalb immens wichtig, die Emotionalität des Gegenübers wahrnehmen zu können, damit sie darauf achtet, welche Tonalität sie anschlägt. So erreiche ich, was ich will:  Bestleistung von meinem Mitarbeiter. Das ist zielführender als Schaden anzurichten, indem ich ihm eine Überdosis Adrenalin und Cortisol verpasse, sodass er nach dem Führungsgespräch weniger leistungsstark ist als vorher.

Zusammenfassung

Die gute Nachricht für alle von uns, die wissen wollen, ob sie über emotionale Intelligenz verfügen: Ich muss mir nur diese fünf Fragen stellen, dann weiß ich schon, ob ich einigermaßen emotional intelligent bin oder nicht. Also nochmal in der Kurzzusammenfassung:

  1. Habe ich Selbstbewusstheit? Kann ich wahrnehmen und akzeptieren, was in mir vorgeht, was ich fühle?
  2. Kann ich mich selbst motivieren, unabhängig von Geld oder Status?
  3. Praktiziere ich Selbststeuerung? Kann ich planvoll handeln in Bezug auf Zeit und Ressourcen?
  4. Bin ich sozial kompetent? Kann ich Kontakte knüpfen und tragfähige Beziehungen aufbauen und halten?
  5. Habe ich Empathie? Bin ich in der Lage, mich in mein Gegenüber hinein zu fühlen?

Noch mehr emotionale Intelligenz

Wenn ich das alles mit „ja“ beantworten kann, bin emotional intelligent. Die schlechte Nachricht ist, dass das alleine gar nichts bringt. Was es braucht, um mit emotionaler Intelligenz zu einem beziehungskompetenten Menschen, sei es Auszubildender, Mitarbeiter oder Führungskraft, zu werden, das verrate ich in der nächsten Episode. Dort, in Teil drei der kleinen Reihe über Beziehungskompetenz, geht es darum, wie Sie Ihre Grundfähigkeiten der emotionalen Intelligenz in Beziehungskompetenz verwandeln und was das Ihnen und vor allem Ihrem Unternehmen bringt.

Emotionale Intelligenz testen

So viel vorab Sie müssen nicht den ganzen Daniel Goleman lesen, um zu erkennen, ob Sie emotional intelligent sind. Es genügt schon, wenn Sie

1. regelmäßig einen vorbehaltlosen Blick auf Ihren Umgang mit Situationen und Menschen werfen.

2. sich regelmäßig fragen, was Sie gerade emotional wahrnehmen.

Ihre Beziehungsfähigkeit

Keine Sorge: das klingt komplizierter als es tatsächlich ist. Punkt 1 bezieht sich auf die Beziehungen in Ihrem Leben. Achten Sie darauf, ob Sie wahrnehmen können, was in Ihrem Gegenüber vorgeht. Lassen Sie sich berühren von den Gefühlen Ihres Gesprächspartners? Spüren Sie seinen Ärger, seine Angst, seine Trauer, seine Freude? Wenn ja, verfügen Sie über gut trainierte Empathie.

Ihr EQ im Selbbsttest

Punkt 2 hat mit ihren Gefühlen zu tun. Machen Sie mehrmals täglich folgenden kleinen Test: Fragen Sie sich, was sie gerade fühlen, welche Emotion Sie bei sich selbst wahrnehmen. Nutzen Sie dabei folgende Entscheidungshilfe und wählen Sie aus zwischen.

Üben Sie sich darin, sich für eines dieser vier Gefühle zu entscheiden. Das trainiert Ihre emotionale Intelligenz, Ihren EQ besser als jede andere Übung.

Fortsetzung folgt

Wie geht es weiter in der Serie "Beziehungskompetenz" hier auf Great Growing Up? Die nächste Episode, Teil 3, dreht sich um das Thema Soft Skills. Sie erklärt, warum der Umgang mit Gefühlen im Business nichts für Weicheier ist. Dazu braucht es Mut. Richtig viel Mut.

Teil 4 beschäftigt sich ebenfalls mit der Emotionalen Intelligenz. Sie nimmt erneut Bezug auf den Bestseller von Daniel Goleman (EQ). Dabei wird es insbesondere darum gehen, wie die mit dem EQ verknüpften Fähigkeiten den Erfolg von Führungskräften entscheidend beeinflussen. Was macht einen Manager der Emotionen aus? Welche Fähigkeiten machen eine Führungskraft mit hohem Emotionalen Intelligenzquotienten aus? Und was hat die differenzierte Wahrnehmung von Gefühlen denn mit dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zu tun?

Was Menschen wirklich wollen

So viel vorab: Gefühle sind Teil im Leben aller Menschen. Sie zu verdrängen und zu leugnen, wirkt zwar zunächst sehr sachlich, hat aber eine Menge Nachteile: Wer führt, ohne auf Gefühle zu achten, nimmt Menschen nur zum Teil wahr. Er verwehrt ihnen das, was es braucht, um Beziehung zu erschaffen: wahrhaftiges Interesse und Akzeptanz. Daniel Goleman hat das in den 90ern ausführlich beschrieben. Es wird Zeit, dass es sich herumspricht: Gefühle und ihre Wahrnehmung, das Wissen um die Kraft von Emotionen, sind für den Erfolg von Unternehmen entscheidend. Keine andere Fähigkeit bestimmt so klar darüber, ob Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen oder nicht. Und diese Fähigkeit, Ihre emotionale Intelligenz,  sollten Sie trainieren und nutzen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Matthias Stolla © 2017

Beziehungskompetenz sorgt für zufriedene Mitarbeiter.

Wer, bitte, ist emotional intelligent?

Emotional intelligent ist Trumpf

Willkommen bei Great Growing Up, dem Training für Beziehungskompetenz im Business. Hoppla, hieß denn das nicht früher anders? Stimmt. Früher hieß das: Willkommen bei Great Growing Up, dem Training für ganzheitliche Ausbildung. Das habe ich jetzt verändert. Zusammen mit der ganzen Ausrichtung meines Trainingsunternehmens. Voranging geht es hier darum, was Menschen, die beziehungskompetent und emotional intelligent sind, ausmacht. Und: Warum sie unverzichtbar sind für den Erfolg eines Unternehmens.

Sie wollen diesen Teil lieber als Podcast hören? Einfach hier klicken.

Alle Artikel zum Thema Beziehungskompetenz gibt es hier.

Unternehmen wollen Beziehungskompetenz

Warum, ist eine gar nicht so lange Geschichte. Ich habe festgestellt, dass immer mehr Kunden Wert drauf legen, dass ich nicht nur die Azubis trainiere, sondern zunächst mal die Ausbilder. Dann kamen Anfragen, ob Great Growing Up nicht auch geeignet wäre für Mitarbeiter. Letztlich landeten wir bei Anfragen, ob Great Growing Up nicht auch geeignet sei für Führungskräfte. Ja klar, ist es das! Denn letztlich trainiere ich die Führungskräfte, die Mitarbeiter, die Ausbilder und die Azubis in genau dem Gleichen, nämlich in Beziehungskompetenz. Daher die Namensänderung.

Beziehung ist alles

Und wie es halt so im Leben ist, wann immer wir solche schwerwiegenden Entscheidungen treffen, sobald wir sie getroffen haben, sobald wir sie umsetzen, spielt das Leben mit. Ich kann das feststellen, weil zur meiner großen Überraschung urplötzlich die regionale Tageszeitung hier ein ganzseitiges Interview veröffentlicht, zum Thema „Beziehung ist alles“. Übrigens mit einem sehr fortschrittlichen Lehrer, der leider jetzt in den Ruhestand gegangen ist. Doch dazu dann später mal in einer anderen Podcast Episode mehr.

Beziehungskompetenz sorgt für zufriedene Mitarbeiter.
So glatt geht es im Business-Alltag nur selten zu.

Drei Artikel

Das Leben spielt aber auch mit, weil ich gerade heute im Netz auf drei Artikel zum Thema Beziehungskompetenz im Business stoße. Das kann ja wohl kein Zufall sein, oder? Nun denn, das Netz scheint ohnehin überzuquellen mit Texten zu diesem Thema. Ganz aktuell der Text von Dr. Jürgen Fleig (www.business-wissen.de), dem ich mich übrigens schon alleine deshalb verbunden fühle, weil er als Redakteur, Trainer und Dozent firmiert,. Damit sind meine drei Berufe, schon mal genannt. Fleigs Thema bezieht sich auf die wichtigste Voraussetzung von Beziehungskompetenz: Was macht Menschen aus, die emotional intelligent sind?

Fünf Elemente emotionaler Intelligenz

Dr. Jürgen Fleig schreibt ganz aktuell darüber, was emotional intelligente Menschen auszeichnet. Und Emotionale Intelligenz ist eine der wesentlichen, vermutlich sogar der wesentlichste Bestandteil von Beziehungskompetenz. Fleig nimmt Bezug auf einen Bestseller, der allerding auch schon zehn Jahre auf dem Buckel hat, nämlich das Buch des US-Amerikanischen Psychologen Daniel Goleman zum Thema emotionale Intelligenz. Darin sind die zentralen Elemente der emotionalen Intelligenz, speziell bei Führungskräften genannt. Wir gehen sie mal Punkt für Punkt durch.

Selbstbewusstheit

Erster Punkt, ein Wort, das mir sehr gut gefällt: Selbstbewusstheit. Selbstbewusstheit im Unterschied zu Selbstbewusstsein. Selbstbewusstsein hängt bei uns ja oft mit Selbstvertrauen zusammen. Zumindest verstehen wir das oft so. Selbstbewusstheit hat viel mehr damit zu tun, wie bewusst bin ich mir über das, was in mir vorgeht. Ja, natürlich emotional. Also Selbstbewusstheit ist die Fähigkeit die eigenen Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen, sie zu akzeptieren und deren Wirkung auf andere einschätzen zu können. Wer emotional intelligent ist, kann das. Guter Punkt, gefällt mir.

Körperliche Wahrnehmung

Vor allem das Wort „akzeptieren“ gefällt mir. Allerdings möchte ich drauf hinweisen, was mir besonders wichtig ist. Und dummerweise fehlt genau dies in dieser kleinen, kurzgefassten Zusammenstellung. Wenn Selbstbewusstheit die Fähigkeit ist, die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Stimmungen zu akzeptieren, dann heißt es zwingend auch, dass ich in der Lage sein muss, die Gefühle in mir wahrzunehmen. Das ist nichts anderes als eine körperliche Wahrnehmung. Ja, Gefühle sind körperliche Wahrnehmungen. Über die kann ich nicht so sehr nachdenken. Das heißt ich kann schon über sie nachdenken, aber ich nehme sie nicht wahr, wenn ich nachdenke. Das genügt nicht, um emotional intelligent zu sein.

Fühlen am Beispiel Trauer

Beispiel: Ich komme beim Nachdenken kaum drauf, dass ich traurig bin. Aber ich merke eine körperliche Regung, wir nennen es Schmerz, wenn ich traurig bin. Beispielsweise wenn mich ein Mensch verlassen hat, der mir viel bedeutet. Oder wenn ich enttäuscht werde, spüre ich eine Art Schmerz. Nicht jeder Mensch spürt diesen Schmerz an der gleichen Stelle im Körper, aber es ist eine körperliche Wahrnehmung. Nichts, das ich kognitiv, mit dem Gehirn denkend, wahrnehme, sondern etwas, das mein Körper als Regung von sich gibt. Ich kann oder sollte, wenn ich authentisch führen will, in der Lage sein, diese Regung wahrzunehmen. Wenn ich emotional intelligent bin, kann ich das.

Selbstmotivation

Selbstmotivation zeichnet emotional intelligente Menschen aus, denn Selbstmotivation ist so etwas wie Begeisterungsfähigkeit für die eigene Arbeit. Und die Fähigkeit, sich selbst motivieren zu können. Übrigens unabhängig von finanziellen Anreizen oder Statussymbolen. Was ich daran interessant finde, ist, dass auch diese Selbstbewusstheit wieder etwas mit Gefühlen zu tun hat. Warum das? Wenn ich mich motivieren will, morgens zur Arbeit zu gehen oder nach der Pause einer bestimmten Arbeit nachzugehen, auf die ich keine Lust habe; wenn mein innerer Schweinehund so groß ist, dass ich keinen Bock habe mich an diesen Job, an diese neue Aufgabe zu machen, dann brauche ich eine ganz bestimmte Qualität. Und die ist mit einem Gefühl verbunden.

Ohne Beziehungskompetenz wächst kein Team zusammen.
Teamfähigkeit setzt vor allem anderen Beziehungskompetenz voraus.

Der Innere Schweinehund

Ich muss mit diesem inneren Schweinehund umgehen. Wenn ich morgens im Bett liege und keine Lust habe aufzustehen, begegne ich diesem inneren Schweinehund, der mir in ins Ohr säuselt: „Ach komm, noch fünf Minuten oder einfach noch neun Minuten bis zum nächsten Wecker-Piepsen.“ Oder: „Jetzt dreh dich doch nochmal um!“ Diesem inneren Schweinehund und seinen Einflüsterungen muss ich eine Grenze setzen können. Ich muss ihm sagen: „Innerer Schweinehund, Klappe! Platz! Ich stehe jetzt auf.“ Und dieser Vorgang, dem inneren Schweinehund, oder wem auch immer, eine Grenze zu setzen, das ist nichts anderes als eine Qualität, die aus dem Ärger kommt. Das heißt, ich brauche die Erlaubnis, dieses Gefühl zu spüren: „Verdammt, innerer Schweinehund, du stehst mir im Weg!“ Dann bin ich in der Lage, ihm eine Grenze zu setzen und kann mich für die Selbstdisziplin entscheiden. Und die Selbstdisziplin kommt vor der Selbstmotivation.

Selbststeuerung

Der nächste Punkt, der Menschen, die emotional intelligent sind, auszeichnet, ist die Selbststeuerung, also die Fähigkeit, einen Plan zu fassen; nach diesem Plan zu handeln und einen Rahmen abzustecken, in Bezug auf Zeit und Ressourcen. Auch das hat wieder was mit einem Gefühl zu tun, nämlich mit dem gleichen Gefühl, das ich brauche, um eine Grenze zu setzen.

Das Gefühl Ärger nutzen

Wie kommt das? Was hat Selbststeuerung, was hat die Fähigkeit einen Plan zu fassen, mit Ärger zu tun? Ich will‘s erklären: Einen Plan zu fassen bedeutet in erster Linie Entscheidungen zu treffen. Wenn ich Entscheidungen treffe: „Ich mache zuerst das“, dann entscheide ich mich auch grundsätzlich gegen alle anderen Optionen. Also kurzgefasst, ich entscheide mich dafür, aufzustehen und nicht liegen zu bleiben. Ich entscheide mich dafür, zuerst zu sehen, welche Ressourcen mir zur Verfügung stehen, dann schaue ich, wie viel Zeit ich für die Aufgabe brauche. Das heißt, immer wenn ich mich für eine Sache entscheide, entscheide ich mich automatisch auch gegen andere Optionen. Wenn ich emotional intelligent bin, kann ich das.

Entscheiden heißt Grenzen setzen

Ich gebe anderen Optionen ein Nein, ich setze ihnen eine Grenze in Bezug auf „Was mache ich zuerst?“. Und bei Grenzen setzen, Nein sagen und Entscheidungen treffen sind wir wieder bei diesem Gefühl Ärger, das es mir ermöglicht, zu bestimmten Dingen Nein zu sagen. Dann und nur dann kann ich auch zu einer besonderen Sache Ja sagen.

Soziale Kompetenz

Soziale Kompetenz ist der nächste Punkt, der einen emotional intelligenten Menschen auszeichnet. Ich glaube das ist für viele von uns nachvollziehbar. Die Fähigkeit, mit anderen Menschen Kontakte zu knüpfen und tragfähige Beziehungen aufzubauen, ist für emotional intelligente Menschen nicht nur wichtig sondern auch entscheidend. Und wenn wir von tragfähigen Beziehungen sprechen, meine ich nicht die Paarbeziehung, sondern tatsächlich die Beziehung von mir zu dem Menschen, mit dem ich gerade zu tun habe, also mit meinem Gegenüber.

Empathie

Empathie ist der nächste Punkt, und ich glaube, auch das ist nachvollziehbar. Die Fähigkeit, mich auf andere Menschen einzustellen, wahrzunehmen, wie es ihnen geht und wie sie fühlen und dann angemessen darauf zu reagieren, ist ein entscheidender Punkt für das Thema emotionale Intelligenz. Da sind wir übrigens ganz schnell beim Mitgefühl. Denn nur wenn ich fühlen kann, was in dem anderen Menschen vorgeht, nehme ich es auch wahr.

Akzeptanz ist der Kern

Natürlich gibt es Signale, die ich kognitiv rezipieren kann. Wenn meinem Gegenüber Tränen aus den Augen kullern, kann ich mir ziemlich sicher sein, das er traurig ist. Aber die Fähigkeit, mit Mitgefühl und sensibel drauf zu reagieren, kommt nicht aus der kognitiven Wahrnehmung, sondern daraus, dass ich in der Lage bin, sein Gefühl mitzufühlen. Erst wenn ich das kann, habe ich auch die Chance, diesen traurigen , ärgerlichen, ängstlichen oder glücklichen Menschen zu geben, wonach sich alle Menschen grundsätzlich sehnen: Akzeptanz. Ich akzeptiere, dass du beispielsweise traurig bist. Das ist eigentlich der Kern von Empathie.

Beziehungskompetenz (II) - Fortsetzung folgt

Jetzt sollten Sie nur noch überprüfen können, wie es um Ihre eigene emotionale Intelligenz bestellt ist. Dazu gibt es einen hilfreichen Fragenkatalog, den ich Ihnen in Episode 21 vorstellen werde, dem zweiten Teil meiner Reihe zum Thema Beziehungskompetenz im Business.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Matthias Stolla © 2017

Beziehungskompetenz. Great Growing Up.

Warum Millennials so oft unglücklich sind

Azubi mit Startschwierigkeiten

Zu meinen ehemaligen Klienten gehört ein junger Mann in den frühen Zwanzigern. Ich habe ihn als Auszubildenden eines großen Handelsunternehmens kennengelernt. Die Ausbildungsleitung war gerade dabei, alle Hoffnung aufzugeben, die sie in diesen Menschen gesetzt hatte. Zu unkommunikativ, zu unzuverlässig, zu oberflächlich verhielt sich jener Auszubildende, der zuvor so hoffnungsvoll gestartet war. Tim, das ist natürlich nicht sein wahrer Name, stand kurz davor, das Unternehmen verlassen zu müssen. Tim gehört zur Generation der Millennials.

Millenials - eine Definition

Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass es diesen Begriff gibt, geschweige denn, was er bedeutet. Millennials, zu Deutsch in etwa Jahrtausender, sind Menschen, die grob gesagt zwischen 1980 und 2000 geboren sind. Die sogenannte Generation Y.

Dass Tim also ein Millennial ist wurde mir erst klar, als ich auf Youtube ein Video anschaute, dass mir eben jener Tim empfohlen hatte. „So Vieles trifft auch auf mich selber zu“, schrieb mir Tim über das Video und ergänzte: „Mir geht’s ganz ok. Zur Zeit bin ich nicht ganz in Form, um ehrlich zu sein.“

Sineks Vortrag

Millennials. Simon Sinek im Podcast von Great Growing Up.
Simon Sinek spricht auf Youtube über Milllennials.

Das von Tim empfohlene Video zeigt einen Vortrag von Simon Sinek (https://www.youtube.com/watch?v=2SPfF0JbFb8). Der international erfolgreiche englische Buchautor und Motivationstrainer gilt als Experte in Sachen Führung und Erfolg. Und er bringt Dinge humorvoll auf den Punkt. Ich habe mir seinen Vortrag inzwischen dreimal angeschaut, und jedes Mal stand mir der Mund offen.

Erkenntnis Teil 1

Seither ist mir so klar wie nie zuvor, warum

  • Tim und so viele seiner Generationsgenossen so ticken, wie sie ticken
  • so viele Ausbilder und Personaler den Kopf über die Generation Y schütteln und sich vor der nachfolgenden Generation Z fürchten.

Erkenntnis Teil 2

Auch über mich selbst ist mir seither einiges klarer als es zuvor war. Etwa warum ich

  • Menschen in Beziehungskompetenz trainiere
  • zu Fuß auf hohe Berge steige und lange, sehr lange Wanderungen unternehme warum ich Vorfreude liebe und mich in Geduld trainiere
  • ein Instrument spiele und vieles andere mehr
  • in meinen Trainings keine Handys oder Smartphones zulasse.

Aber der Reihe nach.

Warum Millennials unglücklich sind

Millennials, sagt Simon Sinek, sind unglücklich. Nicht so, dass sie permanent weinend im Bett lägen. Eher diese Art Unglück, die sich in der Abwesenheit wahrer Freude manifestiert. Millennials fehle es an Erfüllung: in ihrer Arbeit, ihrer Beziehung, ihrem Leben. Dass sie auch Generation Y genannt werden, liegt nicht nur daran, dass sie auf die Generation X folgen. Es hat vielmehr damit zu tun, dass der Buchstabe Y im Englischen wie das Why, das Warum, ausgesprochen wird. Warum arbeite in diesem Job, warum bin ich mit diesem Menschen zusammen, warum lebe ich, fragen sich Millennials.

Das ist gar nicht schlimm. Ich stelle mir diese Fragen selbst auch hin und wieder. Ich bin offensichtlich kein Millennial; mein Glück ist, dass ich Antworten auf diese Fragen finde.

Vier Aspekte

Typische Millennials haben dieses Glück nicht – das ist ihr Unglück. Die Generation Y sucht ihr Glück und kann es nicht finden. Wie hat Tim geschrieben: „Mir geht’s ganz ok. Zur Zeit bin ich nicht ganz in Form, um ehrlich zu sein.“ Viel mehr ist nicht drin.

Wie kann es sein, dass Unglücklich sein, das Fehlen von Sinn und Erfüllung zum Kennzeichen einer ganzen Generation werden konnte? Sinek erklärt das anhand von vier Aspekten:

  1. Elternschaft
  2. Technologie
  3. Ungeduld
  4. Umgebung

Fatal – die Botschaft der Eltern

Milllennials haben kein Bewusstsein über ihre Grenzen. Great Growing Up trainiert sie darin.
Millennials leben im Glauben, sie könnten alles. Das stimmt so nicht.

In Punkt 1 versteckt sich eine gute Nachricht, eine, die allerdings kaum mehr als ein Trostpreis sein kann: Millennials sind nicht selbst schuld an ihrem Unglück. Das ändert allerdings rein gar nichts daran, dass viele Millennials unglücklich sind. Sinek sieht die Eltern in der Verantwortung. Er spricht von falscher Erziehung, wenn er erklärt, dass viele Eltern ihren Kindern eine zwar gut gemeinte, aber in der Konsequenz leider fatale Botschaft eingetrichtert haben. Vielen Millennials wurde gesagt: „Ihr seid speziell, ihr könnt alles haben, wenn ihr es nur wollt.“

Programmierte Enttäuschung

Das klingt ermutigend und kräftigend, ist es aber nicht. Denn in der Realität erleben wir alle etwas anderes: Es genügt nicht, Dinge nur zu wollen. Ich muss etwas dafür tun. Ich kann nicht jeder sein, der ich will. Außerhalb der Fantasie erlebe ich mit dieser anerzogenen Haltung früher oder später Enttäuschung. Diese Ent-Täuschung, also das Ende der von den Eltern verursachten Täuschung, führt in der Regel zu Frust.

Frust ist nichts Schlimmes, solange ich gelernt habe damit umzugehen. Was vielen Millennials fehlt, ist genau das: Training im Umgang mit Misserfolg. Wer immer nur hört, dass er alles haben kann, wenn er es nur will, trainiert die Täuschung. Das Leben ist nicht so. Das Berufsleben schon gar nicht.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Millennials sind zudem die erste Generation der sogenannten Digital Natives. Sie sind mit digitalen Medien aufgewachsen und mit sozialen Medien. In ihnen erfahren sie täglich, wie schön und erfolgreich das Leben anderer ist, weil nur wenige Menschen Misserfolge posten. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und erlebter Realität vergrößert ihr Unglück. Sie weiß gar nicht, dass Wollen allein nicht reicht und gibt sich selbst die Schuld an ihrem Scheitern. In der Folge hat die Generation Y weniger Selbstantrieb als andere Generationen vor ihr.

Warum Handys süchtig machen

Damit sind wir bei Punkt 2: Technologie. Millennials sind mit Handys aufgewachsen. Ich habe selbst ein Smartphone und liebe es. Manchmal liebe ich es zu sehr. Ich muss mich disziplinieren, damit ich nicht draufsehe, wenn ich auf etwas warten muss oder gerade nichts zu tun habe. An der Bushaltestelle etwa oder mitten in der Nacht im Liegewagen des Nachtzugs. Eine der häufigsten Beschwerden, die ich von Ausbildern höre, ist das junge Menschen permanent auf ihr Smartphone starren. Warum tun sie das? Warum tue ich das?  Das wirkt ja wie Suchtverhalten!

Genau, sagt Simon Sinek, das ist es auch: Suchtverhalten. Wie kommt der Mann darauf?

Suchtstoff Dopamin

Es liegt am Dopamin. Wenn wir auf unser Handy schauen und sehen, dass uns jemand geschrieben hat, dass jemand ein Like an unseren Post geheftet hat, dass wir erwähnt wurden, fühlen wir uns bemerkt, wahrgenommen, gesehen. Das macht uns glücklich. 

Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass dieses Glücksgefühl auch früher da war: etwa, wenn mir jemand einen Brief geschrieben hat. Allerdings kam der Briefträger nur einmal am Tag. Nie wäre auf die Idee gekommen, stündlich meinen Briefkasten zu checken. Mit dem Smartphone ist das anders. Und das ist das Problem.

Der gelegentliche Umgang mit digitalen Geräten, mit sozialen Netzwerken ist ungefähr ebenso unbedenklich wie das gelegentliche Glas Wein beziehungsweise wie die gelegentliche Zigarette. Wer jetzt besorgt anmerken möchte, dass aus der gelegentlichen Zigarette oder aus dem Glas Wein eine Gewohnheit werden könnte, eine Sucht sogar, der ist ganz nah dran am Kern des Problems.

Wie ein Schluck Wein

Alkohol und Nikotin verändern die Art und Weise, wie unser Körper du unsere Psyche auf Dopamin reagieren. Dopamin ist im Volksmund als „Glückshormon“ bekannt und sorgt dafür, dass wir uns gut fühlen. Und es macht süchtig. Wir wollen uns gut fühlen. Wer nicht? Sinek behauptet, eine Textbotschaft auf dem Handy zu erhalten, bewirke Ähnliches wie ein Schluck Wein oder ein Zug an der Zigarette: Dopamin wird ausgeschüttet, das Glückshormon, das süchtig macht.

Ich bin kein Wissenschaftler und kann nicht bestätigen, dass das stimmt. Aber ich kann mich selbst beobachten und sehe, wie schwer es mir fällt, nicht zum Smartphone zu greifen, wenn gerade nichts los oder nichts zu tun ist. Wie oft schauen wir auf unser Handy, obwohl es keinen Ton von sich gegeben hat? Oft? Das ist Suchtverhalten.

Handy statt Beziehung

Millennials fehlt es oft an Beziehungskompetenz. Great Growing Up trainiert sie darin.
Beziehungskompetenz gehört nicht zu den typischen Fähigkeiten von Milllennials.

Na und, könnte man Sinek zurufen und fragen: Wem schadet’s? Darauf weiß ich eine Antwort: Es schadet unserer Beziehungsfähigkeit. Weil wir die Zeit, die uns geschenkt wird ver(sch)wenden, um in der digitalen Welt ein kurzes Glück zu finden, anstatt mit den Menschen um uns herum oder mit uns selbst in Beziehung zu gehen. Menschen beobachten, sie möglicherweise anzusprechen, zu fragen, wie es ihnen geht, sie um Hilfe zu bitten oder unsere Hilfe anzubieten, oder mal fünf Minuten lang in sich selbst hinein zu spüren, ohne sich digital abzulenken – das alles sind Qualitäten, die einen beziehungsfähigen Menschen ausmachen.

Beziehung  beginnt mit Smalltalk

Smalltalk wird unterschätzt, mit ihm beginnt Beziehung. Wer die kleinen, scheinbar belanglosen Gespräche ablehnt und stattdessen lieber auf ein Display starrt, betrügt sich um das wahre Leben und um seine Fähigkeit, mit Menschen in Beziehung zu treten. Das ist exakt der Grund, warum ich in meinen Trainings darauf Wert lege, dass die Teilnehmer auf ihre Handys zu verzichten – auch in den Pausen. Ich möchte, dass meine Teilnehmer lernen, sich wieder mit sich und den Mitmenschen um sie herum auseinanderzusetzen.

Oberflächlich glücklich

Dummerweise ist der Umgang mit Menschen, mit sich selbst und mit der Welt alles andere als stressfrei. Vom Erwachsenwerden ganz zu schweigen. Es gibt Konflikte, Enttäuschungen, Frust, Ärger, Trauer, Angst. Millennials wissen, wie man damit umgeht: Sie suchen Rat und Trost in ihrem Smartphone. Das sorgt dafür, dass sie sich wieder gut fühlen. Dopamin sei Dank.

Nur so richtig glücklich oder sinnerfüllt wird ihr Leben damit nicht. Das wird es nur mit realen Freundschaften, mit Freunden, die nicht nur da sind, um Spaß zu haben, sondern auch um beizustehen, um zu trösten zu ermutigen, zu vertrauen, zu stärken, zu hinterfragen und zu lieben. Unverbindliche Oberflächlichkeit reicht dafür nicht.

Alles wird sofort geliefert 

Punkt 3, die Ungeduld. Instant gratification ist ein Begriff, der mich schon seit Jahren begleitet – man kann ihn mit sofortiger Belohnung übersetzen. Wer heute etwas haben will, muss nicht lange warten. Zwei, drei Mausklicks und Amazon liefert am folgenden Tag. Monatelang darauf warten, bis die Lieblingsserie wieder im Fernsehen kommt? Für Millennials undenkbar. Auch die Pizza kommt nach spätestens 30 Minuten frei Haus.

Ich will damit nicht sagen, dass früher alles besser war. Das war es nicht. Aber ich habe lernen müssen, dass ich auf manche Dinge warten muss. Manchmal ziemlich lange. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich die eine wirklich erstklassige Gitarre hatte. Was daran gut sein soll? Das Warten hat meine Ausdauer trainiert.

Ausdauer trainieren

Ich habe gelernt und verinnerlicht, dass manche Dinge ihre Zeit benötigen: auf etwas sparen, für etwas arbeiten, verlässliche Freundschaft aufbauen, Fähigkeiten erwerben, etwas lernen, erwachsen werden – all das braucht Zeit, ist mit Rückschlägen verbunden, und es genügt eben nicht, es einfach nur zu wollen. In der Regel müssen wir auch etwas dafür tun. Dafür braucht es Geduld beziehungsweise Ausdauer.

Genau deshalb steige ich immer wieder auf hohe Berge. Um immer die Erfahrung zu machen, dass mich viele kleine Schritte nach oben bringen. Deshalb wandere ich tagelang durch die weglose Wildnis. Weil ich die Ausdauer trainiere, die mich an hochgesteckte Ziele erreichen lässt. Weil ich körperliche erfahren will, dass ich mit Ausdauer und Geduld erreiche, was mir Instant gratification nie bieten kann: Entwicklung und Erfüllung.

Falsches vorgelebt

Millennials - jede freie Sekunde am Smartphone.
Auch Millennias lernen von Vorbildern. Nur  leider nicht immer das Richtige.

Die armen Millennials kommen hier ganz schön schlecht weg. Wer mit dem Finger auf sie zeigt, vergisst, dass sie nicht selbst schuld sind an ihrer Unerfülltheit. Jede Generation prägt die folgende.  Wir selbst erschaffen uns die jungen Leute, auf die wir mit dem Finger zeigen.

Wenn wir Oberflächlichkeit, Beziehungslosigkeit und Sucht nach sofortiger Belohnung vorleben, lehren wir zwar das Falsche, aber wir lehren es.

Was Unternehmen dagegen tun 

Und da kommt Punkt 4 ins Spiel: Die Umgebung, insbesondere die Arbeitswelt. Für Unternehmen, die junge Menschen ausbilden, habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht.

  • Zuerst die schlechte: Nur sie können das ändern.
  • Jetzt die gute: Nur sie können das ändern.

Da hilft alles Jammern und Schimpfen nichts. Junge Menschen landen irgendwann in Unternehmen, und die müssen mit ihnen klar kommen. Auch mit unglücklichen Millennials, die glauben, sie müssten nur wollen, die nicht wissen, wie sie damit klar kommen sollen, dass genau das nicht mehr funktioniert, die auf ihre Handys starren und die sofort belohnt werden wollen.

Wenn die in Unternehmen landen, die ebenfalls süchtig nach sofortiger Belohnung sind, denen kurzfristiger Erfolg wichtiger ist als das Erstreben langfristiger Unternehmensziele wie beispielsweise auch die Entwicklung junger Menschen, dann bleiben beide unglücklich: Millennials und Unternehmen.

Wo die Verantwortung liegt

Simon Sinek redet Klartext in diesem Punkt, und ich sehe das genauso: Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, das zu ändern. Wenn Eltern, Familien und Schule nicht leisten, was gebraucht wird, bieten Unternehmen die letzte Gelegenheit, das zu lernen, was Menschen brauchen, um Sinn, Erfüllung und Freude zu erfahren: die Fähigkeit, verantwortlich Beziehung zu erschaffen – zu sich selbst, ihren Mitmenschen und zu ihrer Arbeit.

Das ist der Grund, warum ich Auszubildende und Mitarbeiter von Unternehmen trainiere. Darin, wie sie mit ärgerlichen oder traurigen Ereignissen umgehen, wie sie Angst nicht mehr leugnen, sondern nutzen, um mutig und achtsam zu sein. Wie sie andern Menschen so zuhören, dass die sich akzeptiert fühlen, wie sie Verantwortung für sich selbst und ihr Leben übernehmen und dabei überrascht feststellen: Hey, das macht mich glücklich.

All das sind Disziplinen von Beziehungsfähigkeit.

Beziehungsfähigkeit ist der Schlüssel

Beziehungsfähigkeit ist der Schlüssel zu einem sinnerfüllten Leben. Das gilt für die Millennials ebenso wie für alle nachfolgenden Generationen. Und ich bin sicher: Die Generation Z wird nicht die letzte sein.

Und mein ehemaliger Klient Tim, der hoffnungsvoll gestartete, dann aber gestrauchelte Azubi? Der hat ein sehr intensives, mitunter auch sehr unbequemes Coaching zum Thema Beziehungsfähigkeit erfahren und vieles davon umgesetzt: Seine Ausbildung hat er mit einer 1 vor dem Komma abgeschlossen, und sein Ausbildungsbetrieb hat ihn mit Kusshand übernommen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla, 2017

Erwachsen werden – Zum Beispiel beim Bund

Erwachsen werden – Was bedeutet das?

Menschen beim Erwachsen werden zu unterstützen ist der wesentliche Bestandteil von Ganzheitlicher Ausbildung. Dahinter steckt die Idee, junge Menschen am Anfang ihres Berufslebens nicht nur fachlich auszubilden, sondern sie bei ihrer Entwicklung zum erwachsenen Menschen hilfreich, sinnstiftend und zielführend zu fördern und zu fordern. Sie so zu begleiten, dass aus Jugendlichen Erwachsene werden. Viele Unternehmen haben das längst begriffen und unternehmen unglaublich viel, um genau diesen Weg zu gehen. Nur sehr wenige sind sich allerdings darüber im Klaren oder haben sich überhaupt Gedanken darübergemacht: Was bedeutet denn eigentlich Erwachsen sein?

Eigene Erfahrung

Als ich angefangen habe darüber nachzudenken, stieß ich natürlich auf Begriffe wie Volljährigkeit oder Führerschein oder Wahlrecht. Und je älter ich wurde und andere sowie mich selbst beobachtet habe, desto deutlicher wurde mir, dass Erwachsen werden, Erwachsensein mit all dem überhaupt gar nichts zu tun hat. Erwachsenwerden hat nichts mit

  • Volljährigkeit
  • Wahlrecht,
  • Führerschein,
  • und mit der magischen Zahl 18 zu tun.

Erwachsen werden beim Bund

Erwachsen werden beim Bund. Hauptmann Hans Harald Brandel.
Hauptmann Hans Harald Brandel leitet die Büros für Karriereberatung der Bundeswehr in Stuttgart und Heilbronn.

Erwachsen werden ist etwas ganz anderes. Und weil ich einfach mal wissen wollte, was Menschen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, darunter verstehen, habe ich einen gefragt, der es wissen muss: einen Soldaten. Hauptmann Hans Harald Brandel von der Bundeswehr. Der leitet die Büros für Karriereberatung in Stuttgart und Heilbronn. Was genau machen die denn da?

Hans Harald Brandel: „Wir sind für die jungen Leute, die Interesse an der Bundeswehr als Arbeitgeber haben, zuständig. Wir geben jedem, der diese Information möchte, die Laufbahn und Arbeitsmöglichkeiten weiter. Und betreuen auch die Interessenten bei der Bewerbung.“

Erwachsensein ist etwas anderes…

Hauptmann Brandel und seine Kameraden kümmern sich darum, dass junge Interessenten erfahren, welche Möglichkeiten ihnen die Bundeswehr in Sachen Karriere und Erwachsen werden bietet. Als ich Jugendlicher war, habe ich einen Satz gehört, den ich nicht sehr mochte. Der ging ungefähr so: „Geh du mal zur Bundeswehr, da wirst du ein Mann!“ In die heutige Zeit mag dieser Satz nicht mehr so richtig reinpassen. Inzwischen gehen ja auch Frauen zur Bundeswehr. Also müsste er vielleicht so lauten: „Geh du mal zur Bundeswehr, dann wirst du erwachsen!“ Frage an Hauptmann Brandel: Was macht überhaupt einen erwachsenen Menschen aus?

Hans Harald Brandel: „Also grundsätzlich würde ich sagen, was für einen Erwachsenen wichtig ist, ist ein hohes Maß an Selbst- und Eigenverantwortung. Der Unterschied vom Erwachsenen zum Kind macht für mich aus, dass man weiß: Wo will ich hin, was sind meine Ziele? Wie erreiche ich die und wie kann ich meine Stärken bestmöglich einsetzen und an meinen Schwächen arbeiten oder versuchen die zu verringern?“

Was jungen Menschen heute fehlt

Viele Ausbilder und Personaler in Unternehmen haben genau das gleiche Wunschprofil an ihre Azubis. Und weil sie darin so oft enttäuscht werden, höre ich, wann immer ich mich mit Personalern oder Ausbildern unterhalte, die selbe Klage. Dann heißt es,  in der Masse fehlt den jungen Leuten Mut, Herausforderungen anzugehen, Eigenverantwortlichkeit, Selbstständigkeit und ein Bewusstsein für die eigenen Stärken und Schwächen.

Wie ist es mit den Interessenten, die sich bei Hans Harald Brandel melden und sich über Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr informieren?

Hans Harald Brandel: „Also wenn man zuerst aufs Positive eingeht, was viele junge Leute heutzutage meiner Erfahrung nach mitbringen, ist auf jeden Fall ein recht hohes Maß an Selbstbewusstsein. Viele jungen Leute sind durchaus offen und zielstrebig, sich erstmal grundsätzlich Infos zu holen. Aber auf der anderen Seite, was ich oft feststellen muss, ist, dass sie sich selbst wenig eigenverantwortlich informieren. Also man muss sehr, sehr viele Informationen weitergeben. Obwohl es Internet und alle Möglichkeit der Information heute gibt, werden die bei der Jobsuche und auch später, nicht so genutzt, wie uns das recht wäre.“

Was bedeutet Verantwortung?

Kurz zusammengefasst bedeutet das, so mancher junger Bundeswehr-Interessent lässt sich seine Informationen lieber servieren, als dass er auf eigene Verantwortung im Internet danach sucht. Apropos Verantwortung. Was bedeutet das denn?

Hans Harald Brandel: „Ja, also Verantwortung auf jeden Fall erstmal für sich selbst zu übernehmen. Ich sag mal, selbstbewusst zu dem stehen, was man tut. Auch Verantwortung für andere übernehmen können. Die Bundeswehr hat ja als der Verteidiger Deutschlands eine sehr, sehr wichtige Aufgabe. Diese Aufgabe muss man sich auf jeden Fall stellen wollen. Herausforderung suchen können, Herausforderung annehmen können.“

Unter der Lupe betrachtet

In Hauptmanns Brandels Antwort stecken jede Menge interessanter Aspekte. Da lohnt es sich, die genau unter die Lupe zu nehmen. Zu dem stehen, was man tut. Verantwortung für andere übernehmen. Eine Aufgabe übernehmen, Herausforderungen annehmen. Das sind Worte, bei denen es manchem Ausbilder warm ums Herz wird, weil er sich genau das von seinen Azubis wünscht. Aber was genau bedeutet denn Verantwortung?

Zwei wichtige Fragen

Ich habe mir das Wort mal genauer angeschaut und dann festgestellt, dass in Verantwortung ein Wort steckt: Antwort. Und dann habe ich mir überlegt, eine Antwort braucht auch immer eine Frage, mindestens eine. Und zwei Fragen sind mir eingefallen, die das Thema Verantwortung sehr konkret beschreiben. Die erste Frage, die ich mir stelle, wenn ich Verantwortung übernehme, lautet:

  • Wie habe ich dazu beigetragen, dass wurde, was ist?

Anders formuliert: Was ist mein Beitrag zur gegenwärtigen Situation?

Die zweite Frage, die ich mir stelle, wenn ich Verantwortung übernehme, lautet:

  • Was tu ich damit die Situation besser wird?

Im Bundeswehr-Kontext bedeutet das, ich übernehme eine Aufgabe, ich leiste einen Dienst. Früher hieß es ja mal Wehrdienst. Ich sorge dafür, dass ich meinen Beitrag so leiste, dass die Aufgabe erfolgreich erledigt wird.

Verantwortung contra Schuld

Erwachsen werden beim Bund. Great Growing Up.
Die Bundeswehr bietet Herausforderungen. Auch den Umgang mit Angst.

Und jetzt kommt ein ganz wichtiger Punkt, den wir bei Verantwortung gerne übersehen. Verantwortung bedeutet auch, ich stehe dafür ein, wenn ich Fehler mache, wenn ich scheitere oder sogar versage. Das zu lernen gehört zum Erwachsen werden dazu allein ist für viele Menschen schon eine große Herausforderung. Wir haben in der Regel nicht gelernt, zwischen Verantwortung und Schuld zu unterscheiden. Wir werfen Schuld und Verantwortung gerne in einen Topf. Und das ist nicht hilfreich.

Wichtige Unterscheidung

Ich empfehle folgende Unterscheidung: Schuld führt zur Strafe, Verantwortung führt zur Entwicklung. Denn – Erinnerung - ich stelle mir, wenn ich Verantwortung übernehme, zwei Fragen.

  1. Was war mein Beitrag, damit wurde was ist?
  2. Was tue ich, damit es besser wird?

Angst vor Fehlern

Die Angst vor dem eigenen Scheitern, die Angst davor, Fehler zu machen ist im Übrigen exakt das gleiche Gefühl, wie die Angst davor, körperlich verletzt oder gar getötet zu werden. Lediglich die Intensität der Angst mag mal höher, mal niedriger sein. Das Gefühl ist ein und dasselbe: Angst. Wie geht eigentlich die Bundeswehr mit diesem, meist unpopulären, Gefühl Angst um?

Hans Harald Brandel: „Ja, was heißt Angst vor der Herausforderung? Unser Aufgabengebiet ist natürlich kein ungefährliches. Die Bundeswehr ist der Arbeitgeber, der in die Krisen- und Konfliktregionen geht, dort seine Einsätze durchführt. Aber wir versuchen, die Leute auch immer stressresistenter zu machen. Das erreichen wir klar auch durch eine harte, anstrengende Ausbildung. Aber man wird da auch ganz stark angeleitet. Bei der Bundeswehr lernt man viel, was man auch später für das Leben gebrauchen kann. Was gerade den Umgang mit Stress, den Umgang mit Neuem und Unerwartetem anbelangt, vor allem hohe Flexibilität. Das ist das, was wir ihnen beibringen. Kein Meister ist vom Himmel gefallen, man muss nicht unbedingt alles schon haben. Aber bei uns in der Ausbildung wird da schon dafür gesorgt, dass man lernt, mit Neuem und in erster Linie vielleicht Schwierigem, Anstrengendem klar zu kommen.“

 Scheitern gehört zum Lernen

Erwachsen werden beim Bund. Great Growing Up.
Ausbildung beim Bund hat viel mit Verantwortlichkeit zu tun.

Herausforderungen annehmen, mit Neuem, vielleicht Schwierigem klar kommen, das ist etwas, das nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für das Anforderungsprofil vieler Unternehmen an ihren beruflichen Nachwuchs gilt. Junge Leute, so wünschen sich das Ausbilder und Personaler, sollen mit Freude und mit Mut an Herausforderungen, an Neues herangehen. Sie sollen lernen, am besten lebenslang.

Dazu muss man wissen, das Lernen auch immer etwas mit Nicht können zu tun hat. Wann immer ich etwas lernen will, muss ich mich damit konfrontieren, dass ich jetzt etwas übe, das ich noch nicht kann. Ich muss damit rechnen, dass ich zunächst mal scheitere, dass ich Fehler mache. Das gehört zum Lernen - und zum Erwachsen werden dazu, wie das Atmen zum Leben. 

In der Komfortzone

Das mag in manchen Ohren gaga klingen, aber ich bin überzeugt, dass es dennoch Sinn ergibt. Viele Menschen haben derart Angst davor, Fehler zu machen, dass sie alles tun, um dieses Gefühl zu vermeiden. Der einzige Weg, dieses Gefühl aus meinem Leben auszuschließen ist, Herausforderungen, Neues und das Lernen zu umgehen. Das heißt, ich entscheide mich dafür, in meiner Bequemlichkeitszone zu verharren, tue nur noch das, was ich sicher kann. So umgehe ich Angst davor, Fehler zu machen, zu versagen und zu scheitern. Das ist bequem und im Grunde auch etwas langweilig. Aber tatsächlich ist es der einzige Weg, dieses unpopuläre Gefühl Angst zu umgehen.

Ich glaube, junge Menschen haben einen großen Vorteil davon, wenn sie ganz bewusst dieses Gefühl akzeptieren und lernen, dass es nichts Schlimmes ist, Angst vor dem Scheitern, vor dem Versagen zu haben, sondern, dass ich, wenn ich bewusst damit umgehe, immer die Möglichkeit habe, selbst zu entscheiden. Ich entscheide, ob ich mich auf das Lernen und damit auch auf das etwaige Scheitern und das eventuelle Versagen einlasse, ich entscheide es und nicht meine Angst.

Der Umgang mit Angst

Viele Soldaten bei der Bundeswehr müssen nicht nur mit der Angst vor dem Scheitern leben, sondern auch mit der Angst davor, im Einsatz verletzt oder gar getötet zu werden. Wie gehen sie damit um?

Hans Harald Brandel: „Ja, natürlich, klar, wir verneinen das nicht, wir verschweigen das nicht. Bei uns gibt’s immer eine gewisse Gefahr, ein gewisses Berufsrisiko für die eigene Gesundheit. Aber durch eine professionelle Ausbildung mit dem eigenen Material, mit der eigenen Ausrüstung und auch zusammen mit den eigenen Kameraden, da sind wir natürlich immer bestrebt, das Risiko für den einzelnen so weit wie möglich zu reduzieren.“

Umgang mit Risiko

Das ist klar und verständlich. Niemand will verletzte oder gar tote Soldaten. Insofern hat es durchaus Sinn, wenn die Bundeswehr bemüht ist, das Risiko ihrer Mitarbeiter, ihrer Soldaten so gering wie möglich zu halten. Ebenso klar und verständlich sollte allerdings auch sein, dass ein gemindertes Risiko Angst nicht ausschließt. Das wäre auch gar nicht gut, denn Angst ist ein durchaus hilfreiches Gefühl, das mich aufmerksam und konzentriert macht. Das dafür sorgt, dass ich die Augen aufhalte und schaue, welcher Gefahr ich mich tatsächlich aussetze. Im Grunde ist Angst das ideale Gegenmittel zu Leichtsinn. Wer also junge Leute ganzheitlich ausbilden und sie beim Erwachsen werden begleiten will, tut gut darin, wenn er sie auch darin trainiert Angst auszuhalten und Herausforderungen anzunehmen und sie dann auch zu bewältigen, zu bestehen.

Ein Unternehmen, das junge Menschen darin trainiert, Herausforderungen anzugehen, mit der Angst bewusst umzugehen, Fehler zu machen und daraus zu lernen, ist auf dem besten Weg, junge Menschen darin anzuleiten erwachsen zu werden.

Beim Bund erwachsen werden

Bei der Bundeswehr scheint man sich dessen bewusst zu sein, wenn gleich Angehörige wie Hans Harald Brandel nahezu naturgemäß lieber von Stress als von Angst sprechen. Der Leiter der Karriereberatungsbüros in Stuttgart und Heilbronn sieht vor allem drei Eigenschaften, die sich junge Menschen in ihrer Zeit bei der Bundeswehr aneignen.

Hans Harald Brandel: „Also die drei Eigenschaften, die die meisten wahrscheinlich bei der Bundeswehr lernen, ist erstmal Selbstständigkeit. Selbstständiges Arbeiten und Mitdenken bei der Arbeit ist bei uns ganz wichtig. Natürlich auch eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber psychischen und körperlichen Anstrengungen, also Resistenz gegen Stress. Und ich sag mal, was man bei uns auf jeden Fall lernt, ist auch Sportlichkeit und Fitness. Ich persönliche sage immer, der alte Spruch „In einem gesunden Körper lebt ein gesunder Geist“ der trifft auf jeden Fall zu, und das lernt man bei uns.“

Andere Möglichkeiten

Das bedeutet übrigens nicht, dass junge Menschen zwingend zur Bundeswehr müssen, um erwachsen zu werden. Es gibt auch andere Möglichkeiten. Ich zum Beispiel hab Ende der achtziger Jahre meinen Zivildienst abgeleistet und dort jede Menge Herausforderungen erlebt und auch bewältigt. Und ich bin sehr dankbar dafür, weil ich weiß, dass ich nur durch diese Herausforderungen zu dem geworden bin, was ich heute bin.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Mehr dazu finden sie auf meiner Website www.greatgrowingup.com.

© Matthias Stolla 2017

Emotion. Great Growing Up.

Gereizt – Mein Azubi treibt mich zur Weißglut

Stress und Druck im Job. Greeat Growing Up trainiert den verantwortlichen Umgang mit der Ressource Zeit.
Druck kann zu Überforderung führen, ist aber etwas anderes als Stress.

Druck und Stress – eine Unterscheidung

Wenn es wie hier um den Umgang mit Stress und Druck im Job geht, vergessen wir oft eines: Stress und Druck sind nicht dasselbe. Druck ist ein reales Phänomen. Wir stehen beispielsweise unter Zeitdruck oder haben viele Aufgaben mit vergleichbar hoher Priorität auf dem Schreibtisch liegen. Oder der Chef hat uns auf dem Kieker und wartet nur darauf, dass wir einen Fehler machen. Dann stehen wir unter Druck. Stress ist etwas anderes. Der Begriff steht für die Art und weise wie wir mit Druck umgehen. Deshalb sagen wir auch: Etwas oder jemand macht uns Stress. Gar nicht selten sind wir es selbst.

Zum Beispiel in der Ausbildung

Ein Bereich, in dem es naturgemäß immer wieder zu Stress und Druck im Job kommt, ist die Ausbildung. Viele Ausbildungsbetriebe sind stolz auf sich. Und mit Recht. Eine hohe Ausbildungsquote vorweisen zu können, das steht für soziales Engagement, man kümmert sich darum, dass junge Menschen einen Job bekommen, etwas lernen und sich entwickeln können. Das ist eine Investition in die Jugend und das wiederum verstehen viele Unternehmen als Investition in die Zukunft.

Wenn der Job Zeit und Nerven kostet

Da kann man auch nicht widersprechen, das ist alles gut und richtig. Tatsächlich sind das Gründe für eine Region, ihren Unternehmen dankbar zu sein. Wer aber ganz praktisch mit jungen Menschen in der Ausbildung zu tun hat, muss sich mitunter beherrschen, um nicht auch ganz andere Sätze zu formulieren. Denn Azubis kosten Zeit, vor allem am Anfang sorgen sie für Stress und Druck im Job.

Was Ausbilden bedeutet

Früher hießen Auszubildende schlicht und ergreifend Lehrlinge, was zweierlei zum Ausdruck brachte. Erstens, sie sollten lernen, was sie, zweitens, noch nicht konnten. Damit ist klar, Lehrlinge und auch heute Auszubildende, sind zunächst einmal „Nicht-Könner“. Und das per Definition. Sie wissen nicht, was zu tun ist, und sie wissen nicht, wie es zu tun ist. Daraus folgt: Sie sollen es lernen. Und daraus folgt: Sie müssen angeleitet, sie müssen ausgebildet werden.

Ausbilden kostet Zeit und fordert Geduld

Und wer mit neuen Azubis oder auch Praktikanten arbeitet, der weiß, zunächst mal sind sie keine Hilfe, weil sie gerade deshalb Zeit kosten. Ich muss ihnen alles erklären, muss sie anleiten. Vor allem wenn sie ohne elementares Wissen im Betrieb anfangen. Joachim Baumann, Ausbilder bei der Kratschmayer Kälte-Klima-Lüftung GmbH im hohenlohischen Waldenburg weiß, wie viele seiner Kollegen auch, ein Lied davon zu singen.

Ganz banale Kenntnisse gefragt

Joachim Baumann: „Da wir ein Handwerksbetrieb sind, ist es für uns natürlich wichtig, dass die jungen Menschen mit handwerklichen Fähigkeiten zu uns kommen, sprich sie sollten wissen, z.B. was ein Akkuschrauber ist, also ganz banale Dinge, die die Jugend früher sich selbst beigebracht hat. Früher hat man auf dem Sperrmüll ein Fahrrad geholt, es zerlegt und was draus gebastelt, z.B. eine Seifenkiste oder etwas in der Richtung. Solche Dinge fehlen unseren Azubis. Wir nehmen uns natürlich die Zeit, ihnen das beizubringen, aber das ist für uns als Betrieb natürlich mühselig“

Wie Mühe selig machen kann

„Mühselig“, sagt Joachim Baumann. Mühselig ist ein interessantes Wort. Im Mühselig steckt „Mühe“ aber auch „Seligkeit“. Warum eigentlich, wird sich manch ein genervter Ausbilder fragen, weil er das zweifelhafte Vergnügen hat, mit jedem neuen Ausbildungsjahrgang wieder bei null anfangen zu dürfen. Was soll daran bitteschön selig machen?

Aller Anfang ist schwer

Tatsächlich ist der jährliche Turnus mit großer Gefahr verbunden. Ich kenne das aus eigener Erfahrung im Umgang mit Azubis. Ich habe viele Berufsanfänger von Anfang an geführt und begleitet, ihre Entwicklung mitgestaltet und verfolgt. Und am Anfang war es mitunter mühsam. Am Ende des ersten Jahres bestand dagegen immer wieder Grund zur Seligkeit. Weil die Lernschritte der Auszubildenden sichtbar wurden und weil dadurch klar wurde: Die Mühe hatte sich gelohnt!

Neuanfang ist noch schwerer

Umgang mit Stress und Druck im Job. Joachim Baumann kennt das.
Joachim Baumann bildet aus und erlebt dabei immer wieder Überraschungen.

Danach kam in der Regel der schwierige Part. Der Neuanfang mit dem nächsten Jahrgang. Also wieder zurück auf Los und ganz von vorne anfangen. Nicht selten tatsächlich bei null. Joachim Baumann geht es da als Ausbilder bei der Kratschmayer Kälte-Klima-Lüftung GmbH im hohenlohischen Waldenburg mit seinen rund 30 Azubis nicht viel anders. Er erlebt hin und wieder Überraschungen – und mitunter auch Stress und Druck im Job.

Beispiel für ein No-Go

Joachim Baumann: „Also grundsätzlich muss ich sagen, es gibt da solche und solche Charaktere. Der krasseste Fall, den ich selbst erlebt habe, war, dass ein junger Mensch, der bei uns Praktikum gemacht hat, vor mir stand, und wir haben das Abschlussgespräch von der Praktikumswoche durchgeführt, und er hat dabei auf dem Handy rumgespielt. Das war für mich als geplanter, zukünftiger Ausbilder natürlich ein No-Go.“

Stress und Druck im Job 

Die hohe Kunst im Ausbilderdasein ist vermutlich, jeden neuen Azubijahrgang für sich zu betrachten. Tatsächlich unterliegen gar nicht wenige Ausbilder der mechanischen Gewohnheit, vom vorausgehenden Jahrgang auf den Nachfolgenden, also auf die Anfänger zu schließen. Wer das tut, programmiert sich selbst auf Enttäuschung. Denn die Erwartung, der neue Jahrgang müsse dort beginnen, wo der vorhergehende gerade aufgehört hat, ist bei näherer Betrachtung eher unvorteilhaft. Wenn dem so wäre, wäre auch die Arbeit des Ausbilders wirkungslos und damit unnötig.

Jonglieren lernen – Prioritäten setzen

Was Ausbilder brauchen, um jedes Jahr nicht aufs Neue Opfer dieser programmierten Enttäuschung zu werden, ist ein Bewusstsein dafür, dass sie als Ausbilder eine besondere Aufgabe haben. In aller Regel ist es ja eine Doppelfunktion. Sie sind Ausbilder und zudem IT-Experte, Vertriebler, Mediengestalter, Handwerker oder was auch immer. Vor allem in Stresssituationen kommen sie in einen Konflikt, weil es schwierig ist, beide Aufgaben unter einen Hut zu bringen.

Entscheiden, was im Vordergrund steht

Great Growing Up trainiert Menschen im Umgang mit Druck und Stress im Beruf.
Druck kommt von außen, Stress machen wir uns oft selbst.

Für Menschen in Doppelfunktionen habe ich eine entspannende Nachricht. Zwei Aufgaben zu haben ist wie Jonglieren. Man kann nicht immer jeden Ball in der Hand haben. Manchmal steht die eine Aufgabe im Vordergrund, manchmal die andere. Manchmal ist es wichtiger, der fachlichen, betrieblichen Aufgabe, dem Sachzwang zu folgen, manchmal ist die Ausbildungsfunktion die, die im Vordergrund stehen sollte.

Mechanische Entscheidungen

Entscheidend für den langfristigen Erfolg ist, dass ich mir als Ausbilder immer darüber im Klaren bin, dass ich nicht nur ein fachliches Aufgabengebiet habe, sondern, dass ich eben auch Ausbilder bin. Sonst ist die Gefahr groß, dass ich, gerade wenn ich Stress und Druck im Job erlebe, dass ich immer mechanisch der fachlichen Aufgabe den Vorzug gebe.

Bewusst entscheiden

Dabei sollte aber auch klar sein, es gibt durchaus Situationen, wo es gilt, dem Sachzwang zu folgen. Fristen müssen eingehalten werden, Aufgaben müssen korrekt erledigt werden. Gar keine Frage. Und dennoch macht es einen großen Unterschied, ob ich grundsätzlich dem Sachzwang folge, oder ob ich mich bewusst dafür oder dagegen entscheide.

Was ist das höhere Gut?

Meine Empfehlung ist: In Situationen, in denen wir uns entscheiden müssen, ob wir dem Sachzwang folgen oder ihn zurückstellen, um unserem Azubi etwas beizubringen, uns selbst immer eine kleine Frage stellen. Sie lautet: Was ist gerade das höhere Gut? Das bedeutet im Grunde nichts anderes als: In welcher Funktion bin ich gerade vor allem gefragt? Als IT-ler, als Verkäufer, als Vertriebler, als Produktdesigner oder als Handwerker, oder eben als Ausbilder? Was steht im Vordergrund? Die Erfüllung der Aufgabe, das Einhalten der Frist oder der Lerneffekt bei meinem Azubi?

Von Fall zu Fall entscheiden

Und nochmal, keine Antwort ist per se falsch oder richtig. Die Entscheidung kann grundsätzlich in beide Richtungen gehen, und ich glaube, das ist die besondere Herausforderung, vor der Menschen in Doppelfunktionen stehen. Sie müssen permanent entscheiden: Bin ich jetzt Ausbilder oder bin ich jetzt IT-ler oder Vertriebler?

Nicht immer dem Sachzwang folgen

Ich glaube, dass Menschen in Druck- oder Stresssituationen grundsätzlich in den Funktionsmodus schalten, das heißt grundsätzlich erstmal dem Sachzwang folgen. Daran ist auch nichts falsch. Aber gerade weil das mehr oder weniger automatisch oder mechanisch geschieht, ist es wichtig, sich vor der Entscheidung eine bewusste Frage zu stellen. Was ist das höhere Gut?

Dem Lernenden die nötige Zeit geben

Stress und Druck im Job. Great Growing Up trainiert Menschen darin, miit ihrer Zeit verantwortlich umzugehen.
Stress ist nicht selten eine Folge von Zeitdruck, allerdings keine zwingende.

Ich mache das z.B. auch im Privatbereich, etwa wenn mir kleine Kinder im Haushalt oder bei der Gartenarbeit helfen. Sie machen das grundsätzlich gerne, wenn wir Erwachsene sie lassen und nicht entmutigen, indem wir ihnen erklären, was sie alles falsch oder zu langsam machen. Und natürlich wäre die Arbeit schneller erledigt, wenn ich sie alleine tun würde. Aber darum geht es nicht. Wenn ich mich dafür entscheide, dass der kleine Junge, oder das kleine Mädchen an meiner Seite etwas lernt und sei es nur, dass sein Beitrag, seine Hilfe wichtig ist, dann entscheide ich mich dafür, die Zeit Zeit sein zu lassen und gebe dem höheren Gut, nennen wir es mal dem pädagogischen Effekt, den Vorrang. Und genau so funktioniert es auch in der betrieblichen Ausbildung.

Erst bezahlen, dann profitieren

Ausbilder können sich in jeder Situation bewusst die Frage stellen: Was ist das höhere Gut? Dass die Aufgabe schnell und korrekt erledigt ist oder dass ihr Azubi etwas lernt? Oder auch beides? Aber dann werden sie sich dennoch Zeit nehmen müssen, um ihrem Azubi beizubringen, wie es geht. Wir erinnern uns: Ausbildung gilt als Investition in die Zukunft. Investieren wiederum bedeutet: zuerst bezahlen, dann profitieren. Je früher die Ausbilder damit anfangen, ihre Rolle bewusst wahrzunehmen und sich immer wieder daran erinnern, dass sie es sind, die investieren müssen, nämlich Zeit und Nerven, desto früher kommen sie in den Genuss des Profits und erleben wie ihre Azubis selbstständig arbeiten.

Umgang mit Stress und Druck im Job

Was aber, wenn ihr Azubi sie nicht nur Zeit, sondern inzwischen auch richtig Nerven kostet? Wenn er sie ärgert, wenn er partout nicht verstehen will, wie etwas zu erledigen ist, wenn er immer wieder die gleichen Fehler macht, wenn er nicht richtig zuhört, wenn er ihre Anweisungen nicht befolgt, etc. Wenn mich Ausbilder nach Rat für den Umgang mit solchen Situationen fragen, mache ich mich meistens unbeliebt.

Üblich: mich und andere stressen

Menschen reagieren unter Stress und Druck im Job in der Regel gleich, nämlich gestresst. Wir sind dann leicht reizbar, wir sind vor allem schrecklich ungeduldig und wir wollen, dass alles so schnell wie möglich funktioniert. Wir sind, weil wir so ungeduldig sind, in der Regel nicht in der Lage, das zu tun, was ansteht, z.B. klare und verständliche Anleitungen zu geben. Für all das können unsere Auszubildenden in der Regel gar nichts. Unser Stress und  Druck im Job haben nur ganz, ganz selten etwas mit den Auszubildenden zu tun.

Besser: den Druck beim Namen nennen

Den Stress machen wir uns in der Regel selbst im Kopf, der Druck kommt von außen. Wie wir damit umgehen entscheiden nicht unsere Auszubildenden, sondern wir selbst. Je bewusster ich als Ausbilder mit meinem Stress oder mit dem Druck von außen umgehe, desto eher bin ich in der Lage, ihn zu benennen, das heißt, meinem Auszubildenden auch mal zu sagen: „Du, hör zu, ich stehe gerade brutal unter Druck, oder ich habe einen riesen Stress wegen der neuen Aufträge, ich bin gerade nicht in der Lage, so geduldig wie sonst mit dir umzugehen.“ Wenn das ausgesprochen ist, weiß zum einen mein Auszubildender, dass mein Unmut und meine ungeduldige Zickigkeit überhaupt nichts persönlich mit ihm zu tun haben. Und ich selbst habe mir etwas bewusst gemacht und kann somit darauf achten.

Willkommen im Teufelskreis

Wenn ich meiner zickigen Ungeduld unter Stress und Druck im Job nur unbewusst folge, dann habe ich keine Chance, mein Verhalten bewusst zu kontrollieren. Wenn ich’s benenne, kann ich das. Und nur dann bin ich in der Lage, ganz bewusst aus diesem seltsamen, irrationalen Kreis auszusteigen, in dem Menschen in Stress- und Drucksituationen oft sind. Ich spreche von dieser seltsamen Situation, in der wir uns unglaublich unter Stress erleben und gleichzeitig und eben auch unbewusst alles dafür tun, um diesen Druck, um diesen Stress aufrecht zu erhalten.

Schnell bedeutet nicht immer gut

Ein Beispiel: Ich stehe unter Zeitdruck und ich muss unglaublich schnell mit meiner Aufgabe fertig werden. Ich möchte, dass mein Azubi mir dabei hilft. Ich erkläre ihm mal schnell, was er zu tun hat und muss dann prompt erleben, dass meine Erklärung zu schnell und vor allem zu ungenau war und dass ich nicht klar gesagt habe, was ich von meinem Azubi brauche, nämlich seine volle Aufmerksamkeit, einen Stift in seiner Hand und einen Block, auf den er sich auch aufschreibt, was Punkt für Punkt zu erledigen ist.

Klarheit ist gefragt

Sie werden nicht glauben, wie vielen Ausbildern ich klar machen muss, dass sie sagen müssen, was sie brauchen, weil sie sonst das erleben, was sie tagtäglich mitmachen: Enttäuschung. Ausbilder müssen ihren Auszubildenden sagen, was sie von ihnen erwarten. Klipp und klar. Aber gerade das geht nicht zwischen Tür und Angel, hoppla-hopp zwischendurch. Das erfordert einen Ausbilder, der in der Lage ist, aus dem Teufelskreis des Stress‘ und Drucks auszusteigen, Stopp zu sagen und eine klare Ansage in Ruhe zu machen, der ein Azubi mit einer vollen Aufmerksamkeit folgen kann.

Vorbild unter Stress und Druck im Job

Von einem Ausbilder, der unter Stress und Druck im Job nur auf Auszubildenden herumhackt, lernt ein Azubi nichts Gutes. Von einem Ausbilder, der sich aber selbst in Frage stellen kann, der sich seiner Befindlichkeiten bewusst ist, sie benennen kann und Verantwortung dafür übernimmt, lernt ein Auszubildender, was es bedeutet verantwortlich und erwachsen zu sein. Und ich glaube, das ist grundsätzlich das höchste Gut, auch in einem Unternehmen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2017

Emotionen. Great Growing Up.

Angst im Beruf – Gefühl mit Potenzial

Das Tabu-Thema: Angst im Beruf

Zu den mutigsten Menschen, die ich kenne, gehören jene, die folgenden Satz über die Lippen bringen: "Ich habe Angst." Es sind nur wenige, und gerade in der Business-Welt, vor allem in den oberen Etagen, sind sie extrem selten. Dort hat einfach so gut wie niemand Angst. Das ungebliebte Gefühl gilt als Zeichen von Schwäche, vielleicht sogar von mangelnder Führungskompetenz. Angst im Beruf ist ein regelrechtes Tabu-Thema. Und das ist fatal, denn in der Angst steckt jede Menge Potenzial.

Angst vorm Zahnarzt

Menschen sprechen  im Allgemeinen nicht gerne über ihre Angst. Schon gar nicht über ihre Angst im Beruf.  wenn sie es dennoch tun, haben grundsätzlich nicht sie selbst Angst, sondern ein abstraktes Wesen namens "man". "Man hat da schon Angst", heißt es dann in hörbarer Distanz zum eigenen Ich. Das ist bezeichnend. Wir leben in einer Anti-Angst-Kultur. Wenn überhaupt, dann ist es allenfalls legitim, vor Schlangen, Spinnen und Zahnärzten Angst zu haben. Das versteht und akzeptiert fast jeder. Aber vor Mitarbeitergesprächen, Prüfungen oder Auftritten auf der Bühne? Da sind wir allenfalls nervös oder "haben Respekt davor". Niemand hat Angst. So scheint es.

Was Arbeitgeber wollen

Angst vor dem Sprung? Great Growing Up trainiert Menschen darin, ihre Angst zu nutzen.
Angst kann lähmen. Sie zu verdrängen hilft da nicht weiter.

Neulich war ich wieder mal auf einer Bildungsmesse unterwegs. Eine dieser Veranstaltungen, dieses Mal von der IHK Heilbronn-Franken, wo sich unglaublich viele Firmen um potenzielle Auszubildende bemühen. Firmen präsentieren sich dort und stellen sich vor, machen Aktionen mit den Besuchern und hoffen, dass sie möglichst viele für ihr Unternehmen gewinnen können.

Wann immer ich auf Bildungsmessen unterwegs bin, komme ich viel mit Ausbildungsleitern und Ausbildern, aber auch mit Personalern ins Gespräch. Und gar nicht selten werde ich mit einer ganz bestimmten Frage konfrontiert: „Herr Stolla, was genau machen Sie denn mit den Azubis bzw. mit den Mitarbeitern?“ Ich antworte dann, indem ich sage: „Ich sorge dafür, dass sie sich zu verantwortlichen, erwachsenen Mitarbeitern entwickeln.“

Was Mitarbeiter nicht wollen

Ich muss feststellen, in den seltensten Fällen sind meine Gesprächspartner mit dieser Antwort zufrieden. Sie fragen dann erwartungsgemäß: „Wie machen Sie das?“ Wie ich das mache ist nicht allzu leicht zu beantworten. Ich versuch‘s mal: „Ich versöhne Ihre Mitarbeiter bzw. die Auszubildende mit dem, was sie nicht mögen, damit Sie als Ausbilder bzw. als Personaler das bekommen, was Sie wollen.“  Schwupps, schon tun sich wieder zwei Fragen auf. Nämlich: Was genau ist das denn, was Auszubildende oder Mitarbeiter nicht leiden können?

Die Mär vom "negativen Gefühl"

Meine Antwort: In aller Regel wollen sie keine sogenannten „negativen Gefühle“. Als negative Gefühle bezeichnen die meisten Menschen Ärger, Trauer und Angst. Und die Frage ist, warum sollten die nicht negativ sein? Denn für die meisten Menschen fühlen sie sich negativ an. Sie reißen sie aus ihrer Ruhe, sie reißen sie aus ihrem Wohlgefühl. Ärger wird als aggressiv wahrgenommen, Trauer ist schwach und verletzlich und Angst ist auch nicht gerade positiv besetzt. Aber heute geht’s genau um Angst im Beruf.

Ärger und Trauer 

Wozu sollen denn diese, angeblich negativen, Gefühle denn gut sein? Mit Ärger und Trauer werde ich mich in dieser Episode nur ganz kurz befassen. Ich gehe davon aus, das ich für diese beiden noch gesonderte Podcast Episoden produziere. Heute geht’s um die Angst. Dennoch kurz ein paar Worte zu Ärger und Trauer.

Wozu Ärger gut ist

 Die meisten meiner Gesprächspartner verstehen relativ schnell wozu Ärger gut ist. Ich rede jetzt nicht von dem totalen Wutanfall, von Jähzorn und von Leuten-den-Kopf-Abschlagen oder gar Amoklaufen. Ich rede von verantwortlich, erwachsen genutztem Ärger. Und da ist Ärger eben jenes Gefühl, das mir hilft, Unterscheidungen zu treffen, Entscheidungen zu treffen. Ärger ist das Gefühl, mit dem ich Klartext spreche und entscheide: Das hier will ich, das hingegen möchte ich nicht. Also salopp gesagt, mit einer kleinen Portion Ärger fällt es mir leicht, mich zu entscheiden, ob ich Ketchup oder Mayo, Cola oder Fanta will. Völlig ohne Ärger bin ich nicht in der Lage, mich zu entscheiden. Ich werde dann zu einem Menschen, der oft Worte benutzt wie „vielleicht“ oder „eigentlich“ oder „ich weiß noch nicht“. Und schon am Tonfall kann man erkennen, dass da wenig bis gar kein Ärger drin ist.

Was Trauer bringt 

Wozu ist Trauer gut? Trauer ist jene emotionale Empfindung, die mich empathisch werden lässt. Die mich auch ins Mitgefühl führt und die dafür sorgt, dass, wenn ich zum Beispiel meinen Ärger äußere, auch ein klein wenig darauf achte, dass ich mein Gegenüber nicht mehr verletze als notwendig. Trauer sorgt für Rücksicht, für Mitgefühl, für Empathie. Und es ist das Gefühl, das mich dazu bringt zuzuhör

Angst im Beruf ist ein Tabu-Thema. Great Growing Up trainiert Menschen darin, ihre Angst verantwortlich zu nutzen.
Angst im Beruf ist ein Tabu-Thema. Das hindert Menschen daran, sie zu nutzen.

en, wenn mir 0beispielsweise jemand sein Herz ausschüttet. So viel in aller Kürze zu Ärger und zu Trauer.

Warum keiner Angst haben will

Angst im Beruf ist, so wie ich das erfahre, schrecklich unpopulär. Ich erlebe gerade in der Geschäftswelt nahezu niemanden, der in der Lage ist, frisch, fromm, fröhlich und frei zu sagen: „Vor dem Termin mit meinem Chef morgen habe ich Angst.“ Wir vermeiden es, unserer Angst ins Gesicht zu sehen, wir vermeiden es, sie beim Namen zu nennen. Wir haben jede Menge Ersatzbezeichnungen parat, um ja nicht zugeben zu müssen, dass wir Angst haben. Wir reden lieber von  „Bammel“, von „Hosenflattern“, von Nervosität, von Unruhe, manchmal sagen wir auch: „Oh, vor meinem Chef habe ich ganz schön Respekt!“ Und wir meinen eigentlich gar nicht Respekt, sondern wir meinen, wir haben Angst davor, dass er irgendetwas tun könnte, was uns schadet, uns verletzt, was von Nachteil sein könnte. Woher kommt diese Abneigung vor der Angst?

Aus der Routine gerissen

Ich glaube, sie kommt daher, dass viele von uns gelernt haben, wenn wir Angst im Beruf - und im Allgemeinen - zugeben, bekommen wir keinen Beifall, vielmehr werden wir ausgelacht und verspottet. Wer Angst hat und es zugibt, gilt als schwach und vielleicht sogar als unberechenbar, als unzuverlässig. Diese Prägung führt dazu, dass wir Angst als etwas begreifen, dass nicht gut ist, als etwas Negatives. Wir richten unseren gesamten Fokus auf das, was wir an der Angst nicht mögen: die Unsicherheit, die Unberechenbarkeit. Diese Unruhe, die sich in u

Angst im Beruf ist weit verbreitet. Great Growing Up hilft dabei, Angst als etwwas Wichtiges und Positives zu erleben.
Den Kick suchen: Bewusst erlebte Angst hat viel mit Spaß und Lebendigkeit zu tun.

ns ausbreitet - mein Herzschlag beschleunigt sich, mein Blut rattert durch meine Adern, mein Atem geht schnell und ich fühle mich aus meiner Routine gerissen - das ist in der Tat das, was Angst tut. Angst reißt uns aus der alltäglichen Routine.

Fear is frozen fun

Interessanterweise gibt es viele Menschen, die genau das suchen. Sie nennen es dann den Kick oder den Adrenalinflash. Viele Menschen suchen in ihrer Freizeit Dinge, die ihnen genau das ermöglichen, was sie im Alltag wie die Pest meiden. Den Kick, den Adrenalinflash, etwa beim Achterbahnfahren oder beim Bungee-Springen oder beim Fallschirmfliegen oder beim Extremklettern oder was auch immer. Das sind Freizeitaktivitäten, die uns den Kick vermitteln, der im Grunde nichts anderes ist, als dieses aufregende, lebendige, unruhige Gefühl, das uns komplett aus unserem vielleicht manchmal etwas zu ruhigen, langweiligen Alltag reißt.

Wertung entscheidet

Gar nicht wenige von uns suchen gezielt die Angst, aber ich glaube nur ziemlich wenigen von uns ist bewusst, dass wir genau das tun. Wir suchen diesen Kick, wir suchen dieses unglaublich unruhige, man könnte auch sagen lebendige Gefühl der Angst. Denn wenn ich es

Umgang mit Angst ist auch ein Thema für Katrin Wick von der Firma Gmü.
Ausbildungsleiterin Katrin Wick (Gemü) wünscht sich selbständigere Azubis.

wertfrei betrachte, dieses Gefühl Angst, ist die Aufregung, die ich spüre, wenn ich in der Achterbahn in die Tiefe rausche, exakt das gleiche emotionale Gefühl wie die Angst im Beruf: vor einer Präsentation vor Publikum oder auch vor dem Gespräch mit dem Chef. Die Wertung ist unterschiedlich, das Gefühl ist das Gleiche.

Zwei Ausbilder-Wünsche

Nachdem wir jetzt wissen was Auszubildende, aber auch viele andere Mitarbeiter, nicht leiden können, nämlich zum Beispiel das Gefühl der Angst im Beruf, wird es Zeit, die Frage zu beantworten: Was wollen denn Personaler und Ausbildungsleiter von ihren Mitarbeitern bzw. von ihren Azubis? Eine Antwort gibt Katrin Wick, Ausbildungsleiterin der Firma Gemü in Ingelfingen-Criesbach in Hohenlohe.

Katrin Wick: „Selbstständigkeit. Es mag sein, dass es dadran manchmal mangelt, dass man auch mal selbstständig was in die Hand nimmt und auch durchführt. Projekte zu Ende bringt, ohne zwischendrin aufzugeben, also auch das Durchhaltevermögen zeigt.“

Angst vor der Verantwortung

Selbstständigkeit also und Durchhaltevermögen. Was haben diese beiden Eigenschaften mit Angst zu tun? Mehr als mancher glauben mag. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus einer anderen Frage: Was hält mich denn davon ab, selbstständig etwas anzugehen? Selbstständig etwas anzugehen erfordert etwas, das man Initiative nennt. Ich ergreife die Initiative. Wenn ich das nicht tue, hat das in der Regel einen emotionalen Grund. Und der wiederum liegt in meiner Angst.

Angst, Fehler zu machen

Wenn ich mich nicht traue, eine Aufgabe selbstständig anzugehen, hat es in aller Regel damit zu tun, dass ich Angst davor habe, die Aufgabe falsch anzugehen, einen Fehler zu machen, nicht das gewünschte Ergebnis hinzubekommen. Kurz zusammengefasst, ich habe Angst etwas zu verbocken und fange deshalb erst gar nicht damit an. Bildhaft dargestellt zeigt sich diese Denkhaltung in einem Mitarbeiter oder Auszubildenden, der mit den Händen in den Hosentaschen dasteht.

Durchhaltevermögen entwickeln

Was hat es mit Durchhaltevermögen zu tun? Im Grunde exakt das gleiche. Durchhaltevermögen heißt, ich bleibe an meiner Aufgabe dran, egal, welche wenig ermutigenden, Gedanken mir durch den Kopf gehen oder was auch immer die Menschen um mich herum darüber sagen. Ich mache weiter, obwohl ich die Information bekomme: „Hey, das sieht schlecht aus, das könnte schiefgehen, du wirst das wohl falsch machen.“ Im Grunde mache ich das Gleiche wie bei der Initiative: Ich bemerke meine Angst, aber ich entscheide, ich lasse mich von meiner Angst nicht stoppen. Nach meiner Erfahrung ist Angst immer nur dann ein Problem, wenn ich mir ihrer nicht bewusst bin.

Verdrängtes hat Macht

Alles, was ich in mein Unbewusstsein verdränge, hat Macht über mich. Ich möchte nicht, dass die Angst entscheidet, ob ich etwas tue, ich möchte lieber, dass ich entscheide. Aber dafür muss ich mir meine Angst im Beruf anschauen, muss sie akzeptieren und am einfachsten geht es, wenn ich sie benenne. „Oh, ich habe Angst vor dem Gespräch, aber ich tu‘s trotzdem!“. Denn in der Angst steckt unglaublich viel Potenzial. Angst macht mich achtsam. „Hey, das ist ein Gespräch, vor dem ich Angst habe, da flattern mir die Hosenbeine, da steht viel auf dem Spiel. Da muss ich aufpassen, was ich sage, da muss ich gut zuhören.“ Das ist Achtsamkeit und die hat ihre Wurzeln in der Angst.

Was verdrängte Angst macht

Wenn ich meine Angst verdränge, kann es passieren, dass ich vielleicht sogar leichtsinnig und unachtsam in so ein wichtiges Gespräch gehe. Oder es kann passieren, dass ich mir einbilde: „Oh, ich bin nicht gut vorbereitet, ich fühle mich krank, ich sage den Termin ab.“ Dann hat die Angst entschieden. Und genau das möchte ich nicht. Und die allermeisten Ausbildungsleiter und Personaler, mit denen ich spreche, wollen es auch nicht. Die wünschen sich Mitarbeiter und Azubis, die erwachsen entscheiden und sich nicht von ihrer Angst hemmen lassen.

Was Angstvermeider machen

Ich kann natürlich auch ganz anders mit meiner Angst im Beruf  umgehen. Ich kann entscheiden: „Nee, für mich überwiegen die negativen Aspekte. Dieses Gefühl möchte ich in meinem Leben nicht mehr spüren.“ Und das geht. Der Weg, Angst komplett zu vermeiden, ist gleichbedeutend mit dem Weg „Ich vermeide Herausforderungen“. Ich vermeide alles, was mich aus der Ruhe und der Alltagsroutine wirft. Ich gehe keine neuen Aufgaben an. Ich stelle mich keinen Risiken, ich bewege mich nur noch innerhalb meiner Bequemlichkeitszone.

Herausforderungen meiden

Speziell für Ausbilder, behaupte ich, ist das ein Problem. Denn kein Ausbilder will einen Azubi, der nur noch in seiner Bequemlichkeitszone verharrt, der nur noch tut, was er kann, wo er sich sicher fühlt und neue Herausforderungen meidet wie die Pest. Das wünscht sich, glaube ich niemand, weder von einem Azubi, noch von einem Mitarbeiter.

Mut macht den Unterschied

Umgang mit Angst ist auch Thema bei Reca Norm.
Ausbildungsleiterin Katharina Krafft (Reca Norm) mit "ihren" Azubis.

Was es dazu braucht, ist der Mut, der eigenen Angst ins Gesicht zu schauen und sie zu akzeptieren. Wenn Azubis und Mitarbeiter das tun, erfühlt sich der Wunsch von vielen Personalleitern und von vielen Ausbildern. Auch der von Katharina Krafft, Ausbildungsleiterin der Firma RECA Norm in Kupferzell.

Offen für Neues

Katharina Krafft: „Ich würde mir wünschen, dass die jungen Leute Herausforderungen angehen und dass sie einfach offen für Neues sind. Sich trauen, Sachen zu machen, wo sie vielleicht auch keine Erfahrung haben. Weil es schlussendlich das ist, was wir von unseren Azubis brauchen. Sie werden manchmal ins kalte Wasser geworfen, aber letztendlich lernen sie so am allerbesten. Und ja, es werden noch einige spannende Herausforderungen in der Zukunft auf uns zukommen. Auch für uns von der Ausbildungsseite.“

Wofür wir Mut brauchen

Mut steht auf der Wunschliste vieler Personalleiter und Ausbilder ganz weit oben. Etwa der Mut, eine neue Herausforderung anzugehen. Der Mut, eine neue Lösung zu suchen und zu finden., ein neues Produkt zu entwickeln. Oder der Mut, nach vorne zu gehen und etwas zu präsentieren, die entscheidende Frage vor der Gruppe zu stellen. Es gibt unglaublich viele Beispiele, wo wir Mut brauchen, um die Initiative zu ergreifen. Wo wir Mut brauchen, um uns, mit dem was wir denken, glauben und können, zu zeigen. Der Mut, unser gesamtes Potenzial zur Verfügung zu stellen.

Was Mutige riskieren

Denn wer sich zeigt, wer in Erscheinung tritt, die Initiative ergreift, das Wort ergreift, die entscheidenden Fragen stellt oder Lösungen vorschlägt, riskiert etwas. Wir riskieren Ablehnung, wir riskieren ausgelacht zu werden, wir riskieren verdrehte Augen. Wir riskieren, dass unser Gegenüber uns erst gar nicht zuhört. Kurzum: Wir riskieren Verletzung.

Ohne Angst kein Mut

Wenn ich mir darüber im Klaren bin, dass ich Angst davor habe, verletzt zu werden, habe ich zwei Vorteile auf meiner Seite. Erstens: Ich muss diese Entscheidung nicht meiner unbewussten Angst überlassen, ich kann selbst entscheiden, ob ich mutig genug bin, die Aufgabe anzugehen. Und ich kann die Achtsamkeit und die Aufmerksamkeit nutzen, die sich aus dieser Angst ergibt. Dummerweise aber gibt es beim Thema Mut einen weit verbreiteten Irrtum. Viele Menschen glauben Mut sei die Abwesenheit von Angst. Das Gegenteil ist der Fall. Ohne Angst im Beruf habe ich keinen Grund, in meinem Job mutig sein zu müssen. Wo keine Angst ist, gibt es auch keinen Mut. Einfach weil es keine Notwendigkeit gibt mutig zu sein. Dinge, die mir keine Angst machen, erfordern keinen Mut von mir.

Junge Menschen brauchen Führung

Umgang mit Angst im Beruf ist Teil des Trainings von Great Growing Up für Würth Elektronik eiSos.
Maria Böcker, Leiterin der Ausbildung bei Würth Elektronik eiSos.

Gerade eine Ausbildung in einem dynamischen, lebendigen Unternehmen aber sollte mehr als genug Gelegenheiten bieten, um Mut zu zeigen. Was aber brauchen vor allem junge Menschen, um sich zu mutigen verantwortungsvollen Erwachsenen zu entwickeln? Hier eine Antwort von Maria Böcker, der Ausbildungsleiterin von Würth Elektronik eiSos in Waldenburg.

Den Weg weisen

Maria Böcker: „Mein Eindruck ist, dass die jungen Leute heute mehr Begleitung brauchen, mehr in Richtung Fürsorge. Also ich habe als Ausbilder oder auch als Ausbildungsleiterin mehr die Verantwortung, die jungen Leute auf einen bestimmten Weg zu weisen. Das brauchen die jungen Leute in meinen Augen heute vermehrt als noch vor fünf, sechs Jahren.“

Ganzheitlich Ausbilden

Junge Menschen brauchen also Führung. Am besten von Ausbildern und Mitarbeitern, die ihrerseits im verantwortlichen Umgang mit Trauer, Ärger und vor allem Angst praktisch geschult sind. Derart ausgebildete Mitarbeiter wissen, warum Angst im Beruf wichtig ist und wie man ihre Qualitäten, über die sonst eigentlich niemand spricht, nutzt. Und zwar so, dass es dem Mitarbeiter selbst und dem Unternehmen dient. Mit solchen Ausbildern kann ein Betrieb Menschen ganzheitlich Ausbilden.

Wie Ausbilder trainiert werden

Weil man den verantwortlichen Umgang mit Angst aber nicht anhand von theoretischen Erklärmodellen lernen kann, hat sich Würth Elektronik eiSos auf einen anderen, eher praktisch geprägten Weg gemacht. Alle gut 60 Ausbilder des Unternehmens haben sich in den vergangenen Monaten trainieren lassen und am eigenen Körper erfahren, wie sich dieses Gefühl Angst, das manche immer noch lieber Respekt oder Hosenflattern nennen, körperlich anfühlt. Und sie haben trainiert, dieses Gefühl zum eigenen Vorteil und damit auch zum Vorteil des Unternehmens zu nutzen.

Als Vorbild führen

Auf diese Weise werden sie zu Ausbildern und Mitarbeitern, die als Vorbild führen. Und von nichts lernen junge Menschen so schnell und so bereitwillig, wie von geschulten Vorbildern, die mutig genug sind, ihre Angst beim Namen zu nennen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Mehr dazu finden sie auf meiner Website www.greatgrowingup.com.

© Matthias Stolla 2017

Emotionen. Great Growing Up.

Ärger nutzen – mit Verantwortung

Schluss mit lustig - Wenn es hitzig wird

Ärger hat ja was mit erhitzten Gemütern zutun. Wenn ich ärgerlich werde, dann spüre ich, wie meine Körpertemperatur steigt, wie ich in Wallung gerate. Und genau darum geht’s heute. Wie geht man als Ausbilder denn am besten damit um, wenn man auf seinen Auszubildenden ärgerlich ist, weil der wieder mal nicht tut, was man ihm mehrfach gesagt hat? Weil das für das Betriebsklima unglaublich wichtig ist, trainiert Great Growing Up ganz gezielt den verantwortlichen Umgang mit Ärger.

Umgang mit Ärger früher und heute

Das mit dem Ärger ist so eine Sache in Ausbildungsbetrieben, in Unternehmen generell. Viele Unternehmen, die ich besuche, haben viele Mitarbeiter, die sich unglaublich schwer damit tun, mit diesem Gefühl umzugehen. Umgang mit Ärger steht so am bisschen auf dem Index in vielen Unternehmen, die sich Mühe geben, eine offene, freundliche Kultur im Umgang mit Mitarbeitern zu pflegen. Und das ist auch prima. Ich finde Unternehmen, die sich viele Gedanken machen, die Energie darin investieren, wie man mit Mitarbeitern umgeht, aber auch wie Mitarbeiter untereinander mit sich umgehen, großartig. Prinzipiell finde ich es gut, wenn Menschen sich Gedanken darüber machen, wie sie miteinander umgehen.

Unterdrückten Ärger wahrnehmen kann nicht jeder. Great Growing Up trainiert Ihre emotionale Intelligenz.
Wenn Sie genau hinsehen, finden Sie schon heraus, welcher Mitarbeiter ärgerlich ist.

Wie Ärger zum No-Go wurde

Wie kommt‘s denn, dass der Ärger auf der No-Go-Liste steht in vielen Unternehmen, die ich erlebe? Vielleicht hat es damit zu tun, dass viele von uns noch einen anderen Umgang mit Ärger während der Ausbildung in Erinnerung haben. Ich will nicht übermäßig schwarzmalen, aber vielleicht erinnert sich mancher an typische Szenen aus dem Ausbilderalltag, vielleicht aus den 50er oder 60er oder 70er oder auch noch aus den 80er Jahren. Azubi macht irgendwas falsch, hat was verbockt, Ausbilder ist elend genervt. Ihm platzt der Kragen, er schreit den Auszubildenden an, bügelt ihn platt, faltet ihn patent und macht ihn schlicht und ergreifend zum Minna. Das will heute niemand mehr. Und das finde ich auch gut so, dass das heute niemand mehr will. Was aber tun mit dem Ärger, der hin und wieder kommt?

Gute Azubis sind Mangelware

Den meisten Unternehmen, mit denen ich zu tun habe, ist längst klar, dass sich solche unschönen Szenen schneller draußen rumsprechen, als manchen von uns lieb ist. Und kein Unternehmen will negative Publicity, schon gar kein Unternehmen hier, in der Hohenlohischen Provinz, wo längst ein erbitterter Kampf um  qualifizierte Auszubildende tobt. Das ist nicht nur hier in Hohenlohe so, das gilt für weite Strecken Deutschlands, im Grunde ist es ein europaweiter Trend. Junge, qualifizierte Auszubildende sind Mangelware und werden gesucht. Unternehmen, von denen man weiß, man läuft Gefahr, dass die Ausbilder ausflippen und einen anschreien und patentfalten, sind nicht beliebt. Sie tun sich in der Folge schwer, geeigneten, qualifizierten Nachwuchs zu finden.

Ausbilder muss flexibel sein

Also ist es kaum verwunderlich, dass sich viele Unternehmen Gedanken darüber machen, was ein Ausbilder braucht, um gut ausbilden zu können. Ein solches Unternehmen ist Bürkert Fluid Control Systems, ein Weltmarktführer mit Hauptsitz in Ingelfingen in Hohenlohe. Dort gibt es ein großes Werk namens Kompetenzmanagement, einen Gesamtkatalog, der zusammenfasst, was Mitarbeiter, von der untersten Stufe bis hinauf in die Führungsebene, brauchen, um sinnvoll miteinander arbeiten zu können. Was das für Ausbilder bei Bürkert bedeutet, fasst Christof Schmuck, selbst technischer Ausbilder bei Bürkert, zusammen.

Christof Schmuck: „Der (Ausbilder) muss sehr flexibel sein, er muss sich auf die Bedürfnisse von den Jugendlichen, die sich ständig wandeln, einstellen können. Ja, ich denke, das ist eigentlich das Wichtigste, das er mitbringen muss.“

Was Flexibilität bedeutet

Great Growing Up trainiert Ausbilder und Auszubildende im verantwortlichen Umgang mit Ärger.
Umgang mit Ärger: Christof Schmuck (links) und Simon Junker.

Bürkert fordert von seinen Ausbildern Flexibilität. Das ist eine wichtige, wenn gleich auch manchmal schwierige Tugend, im Umgang mit jungen Menschen. Vor allem, wenn man tatsächlich feststellt, dass sich deren Profil, deren Art und Weise im Umgang mit Arbeit, im Umgang mit anderen Menschen um sie herum, fortlaufend ändert. Flexibilität bedeutet aber nicht notwendigerweise Toleranz. Flexibilität bedeutet: Ich bin offen dafür, den jungen Menschen dort abzuholen, wo er gerade steht.

Was erwartet wird

Dass ich ihn dorthin führen muss, wo ich ihn haben möchte, ist damit

nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil, bei Bürkert merkt man sehr genau, woran es hapert, was man sich heute von den jungen Menschen wünscht. Christoph Schmuck sieht das so:

Christof Schmuck: „Wir wünschen uns, dass die jungen Menschen, die zu uns zur Ausbildung kommen, einfach mit einer besseren Qualität in Ihrer Sozialkompetenz auftreten. Dass sie sich schon artikulieren können, Leute grüßen, auf die Leute zugehen. Einfach, dass sie so grundsätzliche Sachen, die man selber im Leben eigentlich von den Kinderschuhen her lernt, dass sie die in der Ausbildung auch anwenden. Das konnten die meisten bestimmt schon im Kindesalter, aber wenn man dann langsam erwachsen wird, dann verkommt das halt wieder. Dann wird das vielleicht peinlich, wenn man jemanden grüßt, oder wenn man jemanden was fragt, oder einfach etwas hinterfragt. Das machen die meisten nicht, und wir wünschen uns, dass dies besser ausgeprägt ist. Und daran arbeiten wir auch, dass es sich wieder verbessert.“

Elementare Qualitäten

Ein Mindestmaß an Umgangsformen wünscht sich Christof Schmuck, Ausbilder bei Bürkert in Ingelfingen, von seinen Auszubildenden. Damit sind elementare Qualitäten der sozialen Kompetenz gemeint. Freundlich grüßen, „Bitte“ und „Danke“ sagen und nachfragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Wer Christof Schmuck genau und aufmerksam zuhört, wird auch hören, dass er diese Qualifikationen, dieses Mindestmaß an sozialer Kompetenz eigentlich für selbstverständlich hält. Aber eben nur „eigentlich“, eines der verräterischsten Wörter in der deutschen Sprache überhaupt. „Eigentlich selbstverständlich“ bedeutet so viel wie „heute offensichtlich nicht mehr selbstverständlich“.

Umgang mit Ärger trainieren

Wenn also ein Ausbilder mit Auszubildenden zu tun hat, die noch nicht einmal das Mindestmaß an Umgangsformen, mit sich bringen, dann kann es sein, dass er mit dem Gefühl reagiert, um das es heute geht: um den Ärger. Die Frage ist: Was macht ein Technischer Ausbilder bei Bürkert, wie Christof Schmuck, wenn er sich mal so richtig über einen Auszubildenden ärgert? Äußert er seinen Ärger. Und wenn ja, wie?

Sagen, was man denkt - und fühlt

Christof Schmuck: „Puh (lacht), dann muss er (der Ausbilder) sich zunächst zurück nehmen, und dann geht er erst mal in sein Büro und sortiert seine Gedanken noch einmal. Und dann überlegt er sich, wie die weitere Vorgehensweise aussieht. Wir sprechen dann mit den Leuten oder erklären denen noch einmal, was man gerne hätte. Bei der Firma Bürkert haben wir eine offene Kultur, bei uns kann man sagen was man denkt. Unser Azubi kann uns auch sagen: ´Hör zu, so passt es mir nicht´, oder: ´So sehe ich das aber nicht´.  Wir gehen offen miteinander um und vertragen auch Kritik. Aber manche Sachen, wenn die halt gar nicht gehen, und ich mich brutal ärgern muss, dann sortiere ich zuerst meine Gedanken und schaue, wie ich weitermache.“

Ich kenne viele Ausbilder, die sich ihren Job zur Herzenssache gemacht haben. Denen ihre Azubis am Herzen liegen. Die würden so wie Christof Schmuck auch, auf keinen Fall ihren Ärger unkontrolliert über dem armen Azubi oder der armen Auszubildenden ausschütten.

Es muss nicht gleich rauchen. Great Growing Up trainiert Menschen darin, ihren Ärger erwachsen auszudrücken.
Sie müssen nicht warten, bis es raucht. Sie können Ihren Ärger erwachsen ausdrücken.

Umgang mit Ärger vorleben

Mir gefällt was Christof Schmuck sagt. Dass er sich zunächst mal Gedanken macht und dann überlegt, wie bringe ich es an den armen Tropf von Azubi, der wieder mal etwas falsch gemacht hat, ran? Ich kenne aber auch Ausbilder in Betrieben, die sich sehr schwer tun, ihren eigenen Ärger zu akzeptieren, weil er nämlich entweder im Unternehmen auf dem Index  steht, oder weil sie es sich selber nicht erlauben. Und ich glaube, daraus erwächst ein großes Problem. Denn zum einen muss sich der Ausbilder verbiegen und lebt etwas vor, das im Sinne Ganzheitlicher Ausbildung nicht viel Sinn ergibt. Nämlich, dass ich mich als Ausbilder verbiegen muss. Das lernt dann auch der Auszubildende.

Ärger klar äußern

Ich empfehle meinen Klienten erstens, ihren Ärger als solchen zu akzeptieren und ihn zweitens zu äußern. Das kann man auf eine sehr unspektakuläre und undramatische, aber nichtsdestotrotz, sehr klare Art und Weise, tun. Ich kann nämlich meinem Auszubildenden, der zum dritten Mal alles falsch gemacht hat, einfach sagen: „Jan, mich ärgert das, ich hab dir das drei Mal erklärt, und ich habe den Eindruck, du hast es immer noch nicht verstanden. Punkt.“ Das ist eine klare Aussage über meine Wahrnehmung, aber auch über mein Gefühl, das ich in mir wahrnehme: meinen Ärger. Mein Azubi darf hören, dass ich ärgerlich bin. Auf eine ganz verantwortliche, erwachsene Art und Weise.

Hintergrundkonversation stört 

Mir persönlich ist es nämlich lieber, mein Gegenüber teilt mir mit, was er fühlt, als dass ich es irgendwie erahnen muss. Oder ich durch irgendwelche Spitzen so eine Hintergrundkonversation hören muss von wegen: „Warum ist den jetzt mein Ausbilder oder mein Gesprächspartner plötzlich so zickig oder so barsch zu mir?“ Mir ist es lieber, die Hintergrundkonversation kommt nach vorne. Deshalb benenne ich, was ich fühle und sage: „Hey Azubi, ich fühle mich ärgerlich, weil…“. Denn ich bin davon überzeugt, dass wenn die Hintergrundkonversation ausgesprochen ist, der Weg frei ist für Sachlichkeit. „Hör zu, ich bin ärgerlich, ich hab‘s dir gesagt. Du weißt es, jetzt lass uns mal drüber sprechen, was es braucht, damit du deine Aufgabe zur Zufriedenheit aller erfühlen kannst.“ Denn genau das wünschen sich junge Menschen, wie  Simon Junker, Auszubildender, ebenfalls bei Bürkert.

Simon Junker: „Ja, ich denke, dass ist der Sinn von der Ausbildung, dass die Ausbilder einem beibringen, wie es funktioniert, worauf man achten muss.“

Warum Vorbilder wichtig sind

Grundsätzlich wollen junge Menschen lernen. Das gilt aber nicht nur für die technische oder sachliche Ebene, das gilt gerade auch für das, was Christoph Schmuck anfangs von dieser Episode angesprochen hat, für die soziale Kompetenz und sogar für die emotionale Intelligenz. Junge Menschen wollen grundsätzlich lernen. Sie wollen von uns erfahren, wie sie die Teile zusammen montieren müssen, damit der Ventilaufbau funktioniert. Sie wollen aber auch lernen: Wie gehe ich mit anderen Menschen und mit mir selbst so um, dass wir auf der Sachebene zum Ziel, zum Erfolg kommen? Das wollen junge Menschen lernen, und sie wollen es vorgelebt bekommen. Denn durch nichts lernen junge Menschen so schnell und so effizient wie durch gute Vorbilder. Deshalb ist ein guter Ausbilder nicht nur in der Lage, technische Zusammenhänge, kaufmännische Zusammenhänge, sachlich gut zu vermitteln. Er ist auch in der Lage, ein Vorbild als Mensch zu sein. Mit seiner sozialen Kompetenz, mit seinen Umgangsformen, aber auch mit seiner emotionalen Intelligenz.

Den Ärger nutzen

Das heißt, mit der Art und Weise, wie er die Emotion, die Gefühlslage seines Gegenübers wahrnehmen und berücksichtigen kann, aber auch, wie er mit seiner eigenen emotionalen Gemengelage verantwortlich und erwachsen umgehen kann. Ich bin überzeugt, von einem Ausbilder, der sich verbiegt und seinen Ärger um keinen Preis zeigen will, lernt ein Auszubildender das Falsche: dass er sich verbiegen muss. Von einem Ausbilder aber, der klar und verantwortlich zu seinem Gefühl Ärger steht und es auch benennen kann, lernt ein Auszubildender, dass es ok ist auszurücken, was in ihm vorgeht. Und was mindestens genauso wichtig ist: Er lernt, die Qualitäten dieses Gefühls zu nutzen.

Die Qualitäten des Ärgers

Qualitäten des Ärgers? Das mag für manche, die mit diesem Gefühl auf Kriegsfuß stehen, wunderlich klingen. Tatsächlich aber, ist es relativ simpel. Ärger ist das Gefühl, das mir hilft, einen Unterschied zu machen. Es hilft mir zu unterscheiden zwischen Dingen, die ich nicht möchte, und Dingen, die ich möchte. In der Folge hilft mir Ärger auch, eine Grenze zu setzen. Zu anderen Menschen zu sagen: „Stopp! Ich möchte das nicht!“

Mit Ärger Grenzen setzen

Ärger ist das Gefühl, das mich befähigt, anderen Menschen, oder auch mir selbst, eine Grenze zu setzen. Zum Beispiel, wenn ich mir die Frage stelle: „Hach, bleibe ich jetzt noch länger im Bett liegen und mache heute vielleicht blau?“ In dem Fall kann ich meinen Ärger nutzen und meinem inneren Schweinehund eine Grenze setzen: „Stopp! Ich habe mich verpflichtet, pünktlich und zuverlässig zur Arbeit zu gehen. Das mache ich jetzt!“ Dazu brauche ich eine kleine Menge dieses Gefühls Ärger. Ärger hilft mir auch, Dinge klar zu benennen. Klartext zu reden. Und genau das ist es, was sich viele Auszubildende von Ausbildern, die um den heißen Brei herumreden, wünschen.

Simon Junker: „Er soll schon sagen, klipp und klar, was man falsch gemacht hat. Aber auch wie man es das nächste Mal richtig machen kann, besser machen kann. Was man verändern muss.“

Klartext reden

Simon Junker, Azubi bei Bürkert in Ingelfingen, wünscht sich von seinem Ausbilder zweierlei. Erstens: Die Klarheit darüber, was er falsch gemacht hat. Und zweitens: Die gleiche Klarheit darüber, wie er es künftig richtig machen kann. Ein Ausbilder, der sich seinen Ärger verkneift, der sich verbiegt und drum herumredet, wird sich damit schwertun. Denn wer um den heißen Brei herumredet, findet nicht zur Klarheit. Und wer seinen Ärger vermeidet, ignoriert, unterdrückt, wird sich unglaublich schwertun, seinem Azubi Sachinformation zu liefern, die nicht von unterdrücktem Ärger gestört wird. Unterdrückter Ärger ist wie ein Störsignal im Funkverkehr, die Menschen nehmen ihn wahr. Möglicherweise unbewusst, aber sie nehmen ihn wahr. Und diese Wahrnehmung lenkt von der Sachinformation ab.

Entwicklung fördern

Ich behaupte, ein Ausbilder, der Klartext redet, seinen Ärger benennt, erreicht bei seinem Auszubildenden mehr. Denn Ausbildung bedeutet nicht nur Sachinformation liefern, sondern junge Menschen auch dazu anleiten, erwachsen zu werden. Erwachsen zu werden bedeutet, mit dem, was in einem vorgeht, verantwortlich umgehen zu können und Gefühle, wie den vielerorts ungeliebten Ärger, zum Positiven nutzen zu können. Für Klarheit, für Entscheidungen, für Selbstdisziplin und um Grenzen zu setzen. Unternehmen, die das berücksichtigen, praktizieren Ganzheitliche Ausbildung und sind, davon bin ich auch überzeugt, nebenbei deutlich attraktiver, wenn es für junge Leute darum geht, einen Ort zu suchen, der sie darin anleitet, erwachsen zu werden.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

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© Matthias Stolla, 2017

Mehr Umsatz durch Beziehung: Der Wertekatalog ist das Gerüst.

Mehr Umsatz durch Beziehungskompetenz

Beziehungsfähigkeit zahlt sich aus

Vielen Unternehmen in dieser Welt stellt sich die Frage: Wie schaffe ich den Spagat zwischen Unternehmenskultur und Mitarbeiterpflege einerseits und dem nackten Business, dem Kohle machen, dem Profiterwirtschaften andererseits. Ganz schlaue Unternehmen haben eine ganz schlaue Antwort auf diese Frage gefunden. Sie haben bemerkt, diesen Spagat gibt es gar nicht. Sie erschaffen mehr Umsatz durch Beziehung.

Von wegen Streichelzoo

Die Beziehungsfähigkeit von Mitarbeitern hängt direkt damit zusammen, wie erfolgreich ein Unternehmen am Markt ist. Das bedeutet jetzt nicht, dass sich jedes Unternehmen einfach so schwuppdiwupp in einen Streichelzoo verwandelt. Wo die Mitarbeiter nur noch lieb und nett zueinander sind. Wo die Vorgesetzten lieb und nett zueinander sind. Oder wo es im Idealfall vielleicht sogar gar keine Vorgesetzten gibt. Nein, das bedeutet es nicht. Denn so ein Unternehmen wird keinen Profit erwirtschaften. Was es dagegen bedeutet, ist, dass Unternehmen, denen es gelingt, als Familie, als Ersatz- oder Zweitfamilie wahrgenommen zu werden, tatsächlich davon profitieren. Sie schaffen mehr Umsatz durch Beziehung. Und zwar in Cent und Euro. 

Knallharter Familien-Geschäftsmann

Die Gerhard Sprügel GmbH, ein Mittelständler mit 120 Mitarbeitern im Baden-Württembergischen Hohenlohe ist so ein Unternehmen. Witzigerweise ist Sprügel auch ein Familienunternehmen. Sprügel handelt mit Werkzeug, mit Befestigungstechnik, also Schrauben, mit Bauchemie und mit Haustechnik. Jens Sprügel, 48 Jahre alt, führt das Unternehmen in zweiter Generation. Und Jens Sprügel ist alles andere als ein Weichei. Jens Sprügel ist ein knallharter Geschäftsmann. Allerdings einer, der klipp und klar auf dem Schirm hat, dass die Beziehungsfähigkeit seiner Mitarbeiter von großer Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens ist.

Mehr Umsatz durch Beziehung: Sprügel vertraut Great Growing Up.
Setzen beide auf Beziehungskompetenz: Matthias Stolla (links) und Jens Sprügel.

Aufs Umfeld achten

Jens Sprügel ist ein Mann klarer Worte. Manchmal sind es auch markige Sprüche. Neulich z.B. habe ich ihn sagen hören: „Der tollste Beruf bringt gar nichts, wenn du in einem Büro voller Vollpfosten sitzt.“ Da mag ich nicht widersprechen. Was er damit gemeint hat, ist, dass das Umfeld eines Arbeitsplatzes zu 50 Prozent zum wirtschaftlichen Erfolg dieses Arbeitsplatzes und damit auch des Mitarbeiters beiträgt.

Gemeinsame Ausrichtung

Jens Sprügel: „Unter Umfeld meine ich natürlich in erster Linie, dass nicht nur der Job alleine, mit dem was man arbeitet, inhaltlich das Umfeld bedeutet. Sondern vor allem das menschliche Umfeld. Das heißt, die Kollegen, die später mit einem in einer Abteilung, in einem Team, in einem Projektteam arbeiten und Dinge entwickeln. Wenn die sich nicht gut verstehen, wenn die andere Werte teilen, wenn die einfach nicht wissen, wo sie hin wollen, wenn die nicht über Ziele informiert sind, dann kann das dazu führen, dass jemand unzufrieden ist mit seinem Umfeld. So jemand ist auch unzufrieden mit seinem Job und zieht vielleicht irgendwann deswegen mal die Reißleine“.

Wie man den Kampf um Fachkräfte gewinnt

Da sind wir schon mittendrin im Geschäft. Jens Sprügel mag es gar nicht, wenn Auszubildende ihre Ausbildung bei Sprügel abbrechen oder wenn Mitarbeiter die Segel streichen und kündigen. Tatsächlich will und kann sich der 48-jährige gar nicht leisten, dass Mitarbeiter sein Familienunternehmen verlassen. Denn er teilt sich den hart umkämpften Markt um Fachkräfte - und vor allem auch um qualifizierte Auszubildende - mit großen Mitbewerbern. Mit den Weltmarktführern in der Befestigungstechnik: mit Würth und Berner, die im Grunde nur einen Steinwurf entfernt ihre Konzernzentralen haben, im benachbarten Künzelsau.

Harter Kampf in der Provinz

Der Kampf um Auszubildende ist tatsächlich hart in der Provinz im nordöstlichen Baden-Württemberg. In jedem Frühjahr laden Unternehmen sowie ganze Gewerbeparks und Berufsschulen dazu ein, dass sich junge Leute und ihre Eltern über die Berufsbilder in den Unternehmen in Hohenlohe informieren. So auch Sprügel. Der Erfolg ist nicht immer berauschend. Manchmal kommen tatsächlich nur eine knappe Handvoll Interessenten.

Resginierte Mitbewerber

Jens Sprügel hat beobachtet, dass manche seiner Mitbewerber inzwischen schon resigniert haben: Sie nehmen jeden Bewerber, der sich meldet. Egal welche Qualität der Auszubildende zu bieten hat. Einfach so die Flinte ins Korn werfen kommt für Jens Sprügel allerdings nicht in Frage. Er stellt hohe Erwartungen an potenzielle Auszubildende und Mitarbeiter. Er will mehr Umsatz durch Beziehung.

Der Wertekatalog

Jens Sprügel: „Ehrlichkeit, das ist für mich eines der wichtigsten Werte. Wer ehrlich ist, auf den kann man sich verlassen. Zuverlässigkeit ist deswegen der zweite der wichtigsten Werte. Dass  man sich auf jemanden verlassen kann, ist  vor allem für die Kunden unwahrscheinlich wichtig. Wer zuverlässig ist, handelt oft nachhaltig. Nachhaltigkeit ist der dritte Wert bei uns. Da geht es eigentlich um das gesellschaftliche Miteinander, das Umeinander. Beim Umeinander, da sind wir beim Bitte und Danke, wie man miteinander umgeht. Das ist auch etwas, wie herzlich man miteinander umgeht. Das heißt wie familiär man das Ganze sieht. Dass man den Kunden am Schluss begeistern kann. Das sind unsere sechs Werte, und damit schaffen wir es, die drei bis vier Generationen, die wir unter einem Dach bei uns beherbergen, auch gemeinsam dazu zu bekommen, dass sie an einem Strang ziehen. Also der 60-jährige, der bald in Rente geht, und der junge Student wissen, wie sie miteinander umgehen müssen, sollen und dürfen.“

Mehr Umsatz durch Beziehung: Der Wertekatalog ist das Gerüst.
Gehört zu Sprügel wie Werkzeug: der Wertekatalog des Unternehmens.

Unternehmen als Trainingsfeld

Das Erwartungsprofil des 48-jährigen Gesellschafters und Geschäftsführers ist kein allzu unübliches. Viele Unternehmen erwarten von Auszubildenden und Mitarbeitern Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Klar ist aber auch, dass Auszubildende, die diese Schlüsselqualifikationen mitbringen, nicht auf Bäumen wachsen. Sie erlangen sie nicht automatisch Kraft Amtes, beispielsweise mit der Volljährigkeit oder mit dem Schulabschluss. Auch bei Sprügel wird durchaus bemerkt, dass vielen jungen Leuten wichtige Schlüsselqualifikationen fehlen. Gerade deshalb versteht sich Sprügel als einen Betrieb, in dem junge Menschen reifen und gerade diese wichtigen Qualifikationen trainieren dürfen. Deshalb hat Jens Sprügel etwas initiiert, was auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich für ein reines Wirtschaftsunternehmen erscheinen mag: Die Azubis im ersten Lehrjahr kümmern sich um Bienenvölker.

Was Azubis von Bienen lernen

Die Betreuung der Bienenkörbe im nahen unternehmenseigenen Tagungshaus gehört zur Ausbildung. Ebenso die Mitarbeit in einem therapeutischen Reiterhof. Neben dem sozialen Engagement und dem Miteinander will Sprügel damit vor allem eins an die jungen Leute heranbringen: Zum einen die Verantwortlichkeit. Erst wenn ich etwas tue, wenn ich die Bienen aktiv betreue, kann ich tatsächlich auch Honig ernten. Aber auch den Umgang mit Trauer und Frust. Denn am Ende der Saison werden Bienen sterben. Der verantwortliche Umgang mit Tod, Abschied und Misserfolg und mit Trauer ist ganz bewusst Teil dieses Azubiprojekts bei Sprügel. Er trägt dazu bei, das Ziel zu erreichen: mehr Umsatz durch Beziehung.

Hart, aber herzlich

Der Geschäftsführer ist ein handfester Hohenloher. Dass auf seiner Erwartungsliste auch der Wert Herzlichkeit zu finden ist, mag manche überraschen.

Jens Sprügel: „Wir sind ein Familienunternehmen. Und mit Herzlichkeit meine ich einfach, dass ich jeden Menschen so nehme, wie er ist und ich mich unwahrscheinlich auch für Menschen interessiere, mit denen herzlich umgehe. Wenn jemand Geburtstag hat, dann wird ihm zum Geburtstag gratuliert, und man freut man sich herzlich drauf. Das spüren am Schluss sogar die Kunden. Sie sagen: „Mein Gott, was seid ihr für eine tolle Truppe! Die merken das, wenn sie bei uns auf der Messe sind oder wenn sie uns hier besuchen. Wenn die Leute dann mit einem Strahlen vorbei laufen und die Kunden dann auch herzlich begrüßen. Und sich dann auch drum kümmern, dass der Kunde alles richtig bekommt, damit er am Schluss auch die Bereitschaft hat, uns das Geld zu bezahlen, dass wir wiederum brauchen, um unsere Kosten zu decken.“

Zuerst das Miteinander, dann das Geschäft

Ich finde die Zeitliche Reihenfolge, in der Jens Sprügel seine unternehmerischen Prioritäten auflistet, sehr interessant. Zuerst kommt das Miteinander, der Umgang im Betrieb zwischen Mitarbeitern und Auszubildenden und der Chefetage. Dann kommt das Geschäft. Wenn das Miteinander im Betrieb stimmt, wenn die Mitarbeiter so erwachsen und verantwortlich miteinander umgehen können, dass auch die unvermeidlichen Konflikte nicht zur Spaltungen und Dauer-Reiberei führen, dann kommt der nachhaltige geschäftliche Erfolg. So funktioniert Mehr Umsatz durch Beziehung.

Positive Wahrnehmung

Und noch etwas kommt: eine positive Wahrnehmung draußen. Schließlich wissen nicht nur Geschäftsführer wie Jens Sprügel, ein positives Klima, ein positives Umfeld durchaus zu schätzen, sondern eben auch potenzielle Auszubildende und Mitarbeiter. Und tatsächlich legt der Sprügel-Chef großen Wert darauf, dass die Mitarbeiter und Azubis bei Sprügel erwachsen und verantwortlich miteinander umgehen. Und nicht gegeneinander arbeiten. 

Herzlichkeit - Mehr Umsatz durch Beziehung

Jens Sprügel: „Wenn Mitarbeiter gegeneinander arbeiten, sind sie nicht mit  Herzblut bei der Firma. Es gibt immer Prozentsätze von circa 70 Prozent in einem Unternehmen, da kommen die Leute, um zu arbeiten und ihr Geld zu verdienen, vielleicht, weil sie mal die falsche Berufswahl getroffen haben, weil sie im falschen Unternehmen arbeiten. Wenn dann so etwas in einem Unternehmen vorkommt, und die Mitarbeiter nicht mehr an einem Strang ziehen, dann sind wir als Wirtschaftsunternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig. Und deswegen ist es unwahrscheinlich wichtig, dass die Mitarbeiter wissen, dass sie alle an einem Strang ziehen müssen, um die gleichen Ziele erreichen zu können. Dass wir unseren Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung stellen können. Denn sonst sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig und haben‘s auch nicht verdient.“

Der wichtigste Job des Chefs

Noch so ein Nebensätzchen, das viel darüber aussagt, wie Jens Sprügel, der Geschäftsführer und Gesellschafter von Sprügel, tickt. Zuerst muss er seinen Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, dann und damit hat er sich den wirtschaftlichen Erfolg verdient. Das mag anders sein als in anderen Unternehmen, aber bei Sprügel ist man ohnehin sehr stolz darauf und wirbt damit, dass dort einiges anders läuft als bei anderen.

Das Ass im Ärmel: der Sprügl-Azubi

Die derzeit elf Auszubildenden im Betrieb heißen Asse. Sieben davon sind im kaufmännischen und gewerblichen Bereich Azubis, vier sind DHBW Studenten. Sie heißen Asse, ganz bewusst, wobei die Abkürzung auch für Azubis und Studenten bei Sprügel heißen kann. Sie werden betreut von neun Paten, in den Bereichen Einkauf, Verkauf, Lager, Marketing, Buchhaltung, Personal und Zentrale. Ihr Chef, Jens Spügel, steht auf Qualität. Sowohl bei den Produkten, mit denen das Unternehmen das Handwerk beliefert, als auch bei seinen Mitarbeitern. Mittelmäßige Auszubildende und mittelmäßige Mitarbeiter könne er sich nicht leisten, sagt Jens Sprügel. Was mich zur Frage bringt: Wann ist denn ein Sprügel Mitarbeiter oder ein Sprügel Auszubildender ein Ass?

Wo nichts geschenkt wird 

Jens Sprügel: „Bei uns ist der Name entstanden, in erster Linie deshalb, weil wir einen gemeinsamen Namen gesucht haben, um keine Zweiklassengesellschaft in Unternehmen zu haben, wenn es darum geht, ob ich eine Ausbildung mache oder ob ich ein Studium mache. Der optimale junge Mensch bringt Engagement mit. Er ist schon erwachsen und ich sag‘s mal so: Ich glaube, der optimale Bewerber hätte 20 Jahre Berufserfahrung, gute schulischen Noten und so weiter und so fort und ist trotzdem noch jung. Nein, Quatsch! Der optimale Bewerber weiß einfach, was er vom Leben will und bringt Engagement mit und begreift, dass einem nichts geschenkt wird.“

Beziehungskompetenz führt zum Erfolg

Auch in einem Unternehmen, das sich gerne als Ersatzfamilie darstellt, ist das Leben kein Ponyhof. Man muss schaffen, wie man in Hohenlohe sagt. Diese ganz elementare Anforderung steht auch bei Jens Sprügel als Unternehmer ganz oben. Wenngleich er weiß, dass die Wertschätzung seiner Mitarbeiter vor ihrer Wertschöpfung kommt. Und wie immer im Leben gilt auch da: So wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Wenn der Chef, wenn Geschäftsführer Jens Sprügel seinen Mitarbeitern Wertschätzung gegenüber bringt, nur dann kann er sie auch von ihnen erwarten. Und gerade deshalb bietet die Ausbildung bei Sprügel nicht nur Fachwissen und sachlich orientierte Kompetenzen. Sprügel legt viel Wert auf Beziehungskompetenz.

Trainings unterstützen den Reifeprozess

Wenn also festgestellt wird, dass die Paten, die sich um die elf Asse kümmern, gerade ein Problem damit haben, weil die jungen Leute von heute eher mit Anspruchshaltung als mit Wertschätzung unterwegs sind, dann schaut sich Jens Sprügel gezielt nach geeigneten Trainings, Weiter- und Fortbildungsangeboten um. Ebenso investiert das Unternehmen in die Beziehungsfähigkeit seiner Mitarbeiter und stellt sich Fragen wie: Was ist uns wichtig im Umgang mit Nachwuchskräften? Oder: Wie kommen wir von zu viel Verständnis zu mehr Klarheit? Oder: Duzen wir die Auszubildenden oder siezen wir sie? Lassen wir uns duzen, oder lassen wir uns siezen? Wenn sie solche Fragen stellen, dann investiert Sprügel auch in Fortbildung, denn er will mehr Umsatz durch Beziehung. 

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

Mehr dazu finden sie auf meiner Website www.greatgrowingup.com.

© Matthias Stolla 2017

Durchzug – Kein Bock auf Feedback

Feedback ist ja so wichtig

Feedback ist wichtig, und Feedback brauchen wir alle. Vor allem ein Trainer und Dozent wie ich braucht immer Feedback, einfach um weiterzukommen, um etwas dazu zu lernen, um mich zu entwickeln. Das ist die politisch korrekte Sichtweise, die ich auch selbst immer wieder vertrete, wenn ich Azubis trainiere, wenn ich Ausbilder trainiere oder auch wenn ich mein Trainingsprogramm vorstelle. Feedback ist unglaublich wichtig! Und doch stelle ich fest: Kein Bock auf Feedback ist weit verbreitet.

Feedback ist oft unbeliebt

Tatsache ist aber auch, dass Feedback nicht immer beliebt ist. Alle wollen Feedback, aber kein kritisches. Zumindest bei mir ist es so,  je nach Stimmungslage bin ich tatsächlich fähig, mir auch kritisches Feedback anzuhören, weil ich ja weiß: Nur in kritischem Feedback ist tatsächlich auch Wachstumspotenzial für mich gegeben. Wenn ich erfahre, was ich nicht so toll gemacht habe, was nicht so toll angekommen ist, kann ich daraus lernen. Vor allem, wenn das Feedback  konstruktiv geäußert ist,.

Kratzer im Ego-Lack

Jetzt stehe ich ja für Wachstum, vor allem auch mit meinem Trainingsprogramm „Great Growing Up“. Und ich habe mich auch der Entwicklung von Menschen verpflichtet, auch meiner eigenen übrigens. Und doch ist es so, dass ich immer wieder feststelle, kritisches Feedback anzunehmen ist tagesformabhängig. Es fällt mir hin und wieder schwer und ich stelle oft fest, dass es gerade in Trainings mit Auszubildenden (aber auch mit Ausbildern) immer wieder Situationen gibt, wo sich die Leute schwer tun, kritisches Feedback anzunehmen. Da hilft es auch nicht, wenn ich klarstelle: „Hey das ist doch wertvoll, das bringt dich doch weiter“. Fakt ist: Kritisches Feedback kratzt am Ego. 

Ego - die Idee von mir selbst

Ich definiere Ego so: Ego ist die Idee, die ich von mir habe. Das ist nicht notwendigerweise das, was ich wirklich bin und schon gar nicht das, wie ich nach außen auf andere Menschen wirke. Es ist die Idee, die ich von mir habe. Ich glaube, jeder Mensch hat so eine Idee, so eine Idealvorstellung von sich selbst. Ideal muss nicht immer positiv sein. Ein Ideal kann auch überkritisch sein. Manche Menschen betrachten sich deutlich kritischer als notwendig. Idealvorstellung heißt: mein persönliches Ideal. Mit allen Ecken und Kanten. Und wenn diese Vorstellung angekratzt wird, wenn es Kratzer am Ego-Lack gibt, weil jemand sagt „wow, das war jetzt nicht so toll, das könnte noch verbesserungswürdig sein“, dann reagiert Ego in der Regel, indem es sich schützt.

Wie wir auf Kritik reagieren

Wenn ich Auszubildende trainiere, kann das durchaus so ablaufen, wie jüngst bei einem Training für die Auszubildenden einer Firma aus der Region. Da hatten wir einen Azubi, einen klassischen Mützenträger. Witzigerweise der Einzige, der zusätzlich zu seiner Arbeitskleidung immer eine Baseball-Cap trägt. Ich gebe ihm Rückmeldung in dem Training und sage: „Hey Jan (der Name ist erfunden), deine Mütze macht mir Schwierigkeiten, weil sie dein Gesicht beschattet, und ich kann deine Mimik nicht erkennen. Ich kann, wenn ich gegen die Sonne schauen muss, nicht mal sehen, ob du sprichst oder ob es dein Nachbar war.“ Seine Rückmeldung ist: „Ja, aber ich trage die Mütze, weil ich mit meinem Haarstyling nicht zufrieden bin. Das ist nicht ideal.“

Annahme verweigert - Kein Bock auf Feedback

Jetzt kann es durchaus sein, dass das Jans wirklicher Grund ist, die Mütze nicht abzunehmen. Aber Fakt ist, er macht etwas, was viele Menschen tun, wenn sie kritisches Feedback bekommen: Er reagiert ablehnend und nimmt das Feedback nicht an. Feedback annehmen bedeutet für mich nicht zwingend, dass er sich die Mütze sofort vom Kopf reißen muss, nur weil ich Schwierigkeiten damit habe. Feedback annehmen wäre, wenn er einfach sagt: „Oh, das habe ich nicht gewusst, danke für die Rückmeldung.“

Warum wir uns rechtfertigen

Stattdessen aber macht Jan etwas, das Menschen oft tun, wenn sie mit kritischem Feedback konfrontiert werden. Er erklärt sich. Der Fachbegriff ist: Er rechtfertigt, warum er seine Mütze trägt. Und wegen mir darf er seine Mütze tragen, ich würde mir als Trainer nur wünschen, dass er sich auch anhört, wie diese Mütze wirkt. Und zwar auf andere. Unabhängig davon, was er ausdrücken will. Auch unabhängig davon, was er meint, weshalb er diese Mütze trägt. Auf Feedback, auf kritisches Feedback, dass wir bekommen, mit einer Erklärung zu reagieren ist eine der elegantesten Methoden, die Annahme von Feedback zu verweigern. Nochmal, es geht nicht drum, dass Jann die Mütze abnimmt. Es geht darum, dass er sich anhört und für möglich hält, dass das, was er von außen als Rückmeldung bekommt, tatsächlich wahr sein kann.

Mit Feedback-Verweigerern umgehen

Es kann ganz schön anstrengend sein, mit Menschen umzugehen, die Feedback verweigern, indem sie sich erklären oder indem sie es - weniger elegant - abstreiten: „Nein, das stimmt nicht, das ist nicht so!“ Und nicht selten werde ich dann irgendwann ärgerlich. Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass Ausbilder in Unternehmen irgendwann ärgerlich werden, wenn Azubis oder andere Ausbilder, einfach Menschen, mit denen Sie zu tun haben, Feedback partout nicht annehmen wollen. Es ist normal, es ist natürlich, dass wir darauf mit Ärger reagieren.

Achtung Explosionsgefahr!

Die R. Stahl Schaltgeräte GmbH in Waldenburg ist witzigerweise ein Spezialist, ein Weltmarktführer, in Sachen Explosionsschutz. Mario Retzbach, der Ausbildungsleiter von R. Stahl ,hat eine Erklärung dafür, wie die Ausbilder bei Stahl dafür sorgen, dass sie eben nicht so schnell explodieren, wenn ihre Azubis kein Feedback annehmen. Die Methode ist: Sie stellen erstmal klar, was sie von ihren Azubis erwarten.

Mario Retzbach:Was sie einfach brauchen ist Lust, in so einem tollen Unternehmen, wie wir das sind, mitzuarbeiten und am Erfolg teilzuhaben.“

Die Anti-Fehler-Kultur und ihre Folgen

Das Unternehmen wünscht sich also Azubis, die Lust haben, am Erfolg teilzuhaben. Das ist eine sehr elementare Positionsbestimmung, und ein Anforderungsprofil, das mir sehr gefällt. Warum? Weil es etwas aufnimmt, das eigentlich natürlich ist. Eigentlich mag ich das Wort „eigentlich“ nicht, aber ich habe es hier bewusst verwendet. Es ist eigentlich natürlich, dass junge Menschen einen Beitrag leisten wollen. Wer mit Kleinkindern zu tun hat, sieht das. Sie wollen mitmachen, sie wollen mithelfen, und sie lernen, indem sie kopieren. Für kleine Kinder ist das ganz natürlich. Und ich kenne eine ganze Menge Ausbilder, die sich wünschen würden, dass ältere junge Menschen, also Azubis, diese Haltung ebenfalls zeigen würden. Tun sie aber oft nicht. Warum nicht?

In der Schule abtrainiert

Warum verlieren so viele Menschen den natürlichen Antrieb, einen Beitrag leisten zu wollen? Ich glaube, dass das viel mit unserer Fehler-Kultur, oder besser gesagt mit unserer Nicht-Fehler-Kultur zu tun hat. Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, es war nicht wirklich von Vorteil, einen Fehler zu machen, etwas falsch zu machen. Und es war auch nicht wirklich von Vorteil, eine Frage zu stellen, in der Art von: „Entschuldigung, ich habe das nicht verstanden.“ Also wenn schon nicht der Lehrer negativ auf so eine Frage reagiert hat, dann waren das zumindest manche Klassenkameraden.

Ohne Nicht-Können kein Lernen

Das Eingeständnis „Ich kann etwas noch nicht. Ich möchte es nochmal erklärt oder gezeigt bekommen“ wird in Regel nicht mit Beifall beantwortet. Das ist sehr schade! Denn Kinder, Jugendliche und auch Azubis können nicht alles können. Wir erwarten von Ihnen, dass sie lernen. Folglich sollten wir von Ihnen erwarten, dass sie Fehler machen. Denn sie werden es nicht lernen, ohne Fehler zu machen. Kein Kleinkind lernt laufen, ohne auf seinen Hintern zu fallen. Es gibt sogar eine Statistik, wie oft Kinder auf Ihren Hintern fallen. Ich habe keine Ahnung, ich schätze unter hundert Mal wird da nichts abgehen. Niemand lernt, ohne Fehler zu machen.

Antrieb verkümmert

Die Art und Weise, wie die Menschen um mich herum auf meine Fehler reagieren, hat maßgeblichen Einfluss darauf, ob ich diesen Antrieb, einen Beitrag zu leisten, beibehalte oder ob er verkümmert. Die traurige Wahrheit ist, dass bei vielen jungen Menschen dieser Antrieb verkümmert ist. Ich betone, bei vielen. Ich mache die Erfahrung, dass es immer wieder erfreuliche Ausnahmen gibt. Und das ist gut so!

Kein Bock auf Feedback - Im Durchzug-Modus

Mario Retzbach hat gesagt, Stahl, das Unternehmen in dem er arbeitet, wünscht sich, dass Azubis am Erfolg teilhaben wollen. Ich glaube, dass es jungen Menschen relativ leichtfällt, solange sie den Erfolg selbst auch erleben. Solange sie erfolgreich sind mit dem, was sie tun. Schwierig und ein wenig komplizierter wird’s dann, wenn die Azubis keinen Erfolg haben. Sprich, wenn ein junger Mensch einen Fehler macht bei der Arbeit, die er zu erledigen hatte. Dann muss er damit rechnen, dass er von seinem Ausbilder Rückmeldung bekommt. Ich halte das auch für sehr wichtig. Schließlich soll der junge Mann oder die junge Frau ja lernen, wie er oder sie es künftig besser machen kann.

Stressfaktor Feedback geben

In meinen Trainings für Ausbilder erlebe ich immer wieder Teilnehmer, die sehr bewegt schildern, wie unglaublich schwer es für sie ist, ihren Azubis kritisches, lehrreiches Feedback zu geben. Weil die Reaktionen alles andere als erfreulich sind. Junge Leute rollen die Augen, hören überhaupt nicht zu, streiten alles ab, rechtfertigen sich, erklären, dass die Rückmeldung so gar nicht stimmt und auch nicht angemessen ist. Oder sie hören schlicht und ergreifend nicht zu und schalten stattdessen auf Durchzug.

Stressfaktor Feedback erhalten

In meinen Trainings mit Auszubildenden wiederum erlebe ich oft genau das, was die Ausbilder schildern: Junge Menschen, die kritisches Feedback abwehren, als würde man sie mit etwas Ekligem bewerfen. Wenn ich jemandem kritisches Feedback geben möchte und zudem will, dass er das auch annimmt, muss ich das berücksichtigen. Die meisten Menschen wollen erstmal kein kritisches Feedback. Da nützt es nichts, wenn ich mich auf die politisch korrekte Haltung konzentriere und davon ausgehe, dass kritisches Feedback wichtig und wünschenswert ist und uns weiter bringt. Fakt ist: Der, dem ich das sagen will, will es meistens nicht hören. Mario Retzbach erklärt das so:

Mario Retzbach: „Wir haben als Unternehmen die Aufgabe, sie entsprechend dort abzuholen, wo sie gerade stehen und sie dann für diesen Beruf einfach zu begeistern.“

Raus aus dem Feedback-Dilemma

Wenn ich jemanden kritisches Feedback geben will, genügt es nicht, wenn ich mir vorher Gedanken drüber mache: Wo steht denn der Jan gerade? Was hat er gelernt, was kann er, was kann er nicht? Wo ist er denn gerade? Schauen, wo er gerade steht, beginnt im Moment. Ich erlebe oft Menschen, Ausbilder, die ihren Azubis kritisches Feedback geben wollen und das im Prinzip über den Tisch hinweg hinüber rufen. „Du, hör mal Jan, so funktioniert das nicht, so kannst du das nicht machen!“ Das geht meistens schief. Warum geht das schief? Weil Schritt 1 nicht befolgt wird.

Schritt 1: Beziehung erschaffen

Schritt 1 heißt: Tritt erstmal in Beziehung mit dem Menschen, dem du etwas Heikles sagen möchtest. Was bedeutet das konkret? Wenn ich jemandem kritisches Feedback geben möchte und ihm das zwischen Tür und Angel zurufe oder über zwei Tische hinweg möglichst noch vor Publikum, kann ich mir schon sicher sein, dass es schief gehen wird. Die Kratzer im Ego sind umso tiefer, je ungeschickter ich mich anstelle. Und je mehr Publikum dabei ist, das mithört, wenn ich Jan kritisches Feedback gebe, desto eher wird Jann das so empfinden, dass er sein Gesicht verliert. Und junge Menschen heute legen sehr viel Wert darauf, dass sie ihr Gesicht nicht verlieren. Was im Grunde nicht viel anderes bedeutet, dass sie gerne gut dastehen möchten ohne Kratzer im Ego-Lack.

Great Growing Up trainiert beides: Feedback annehmen und geben.
Die Freude darüber, Feedback zu geben, ist oft kaum größer als die, es zu erhalten.

Es beginnt mit Blickkontakt

Was also muss ich tun, wenn ich Jan für sein Verhalten oder für seine Arbeit kritisches Feedback geben möchte? Schritt 1: Ich muss zunächst mal mit ihm in Beziehung treten. Das sind ganz elementare Basisschritte, die ich im Grunde auch in der Kindererziehung anwenden möchte. Wenn ich meinem Vierjährigen zu Hause klarstellen möchte, dass er zum Beispiel die Finger von der Fernbedienung weglassen soll oder - noch viel wichtiger - die Finger von meinen wertvollen CDs lassen soll. Dann nützt es nichts, wenn ich ihm das sage, während er mir seinen Rücken zukehrt. Ich muss mit ihm in Beziehung treten. Ich muss ihn ansprechen, ich muss Blickkontakt herstellen. Ein wesentlicher Teil des Prozesses In-Beziehung-Treten geschieht über den Blickkontakt.

Feedback für die Katz'

Wenn ich aber als Ausbilder schon weiß, dass kritisches Feedback geben heikel ist, kann ich ruhig davon ausgehen, dass ich selbst als Ausbilder Angst davor habe. Wenn ich Angst davor habe, aber es trotzdem tun muss, dann kann es durchaus sein, dass ich genau diesen Schritt In-Beziehung-Gehen vernachlässige. Ihn vielleicht sogar streiche. Das ist eine unbewusste Entscheidung. Ich rufe dann Jan mein Feedback einfach zu, wende mich meiner Arbeit wieder zu, und der Fall ist erledigt. Dann habe ich zwar Feedback gegeben, aber ich kann fast sicher davon ausgehen, dass es bei Jan nicht angekommen ist. Geschweige denn, dass er überhaupt nur dran denkt, es umzusetzen.

Aufmerksamkeit herstellen

Also, was muss ich tun? Ich muss mit Jan in Beziehung treten, ihn ansprechen, Blickkontakt herstellen, und erstmal seine Ohren öffnen, seine Aufmerksamkeit erlangen. Möglicherweise muss ich sogar drum bitten: „Hey Jan, hast du mal kurz zwei Minuten für mich, ich würde gerne mit dir über etwas reden?“ Ich brauche seine Bereitschaft, mir zuzuhören. Dafür muss er sich entscheiden. Ich kann nicht davon ausgehen, dass Jan permanent auf Empfang ist, und nur darauf wartet, dass ich ihm kritisches Feedback gebe. So wird das nicht sein. Wenn ich aber Jan darum bitte, sich kurz Zeit zu nehmen und mir seine Aufmerksamkeit zu schenken, gebe ich ihm die Gelegenheit, sich bewusst dafür zu entscheiden. Damit habe ich ihn schon ein Stück weit im Boot. Meine Erfahrung ist, wenn ich auf das Beziehung-Herstellen verzichte, kann ich mein kritisches Feedback im Grunde für mich behalten.

Great Growing Up steht für Feedback-Kultur, aber auch für Wertschätzung.
Kritisches Feedback ohne jegliche Anerkennung ist schwer verdaulich.

 Schritt 2: Mischverhältnis beachten

Achten Sie auf das richtige Mischverhältnis. Menschen fällt es grundsätzlich leichter kritisches Feedback anzunehmen, wenn Sie wissen, dass sie für gute Leistungen auch Wertschätzung, Anerkennung, manche nennen es auch Lob, erfahren. Menschen stehen auf Anerkennung. Sie sorgt für den Hochglanz im Ego-Lack. Es kann auch hilfreich sein, dem kritischen Teil Ihres Feedbacks erstmal einen positiven, einen anerkennenden Part voran zu stellen. So öffnen Sie die Ohren Ihres Azubis dafür, dass er sich etwas sagen lässt. Grundsätzlich können Sie davon ausgehen, dass Ihre Haltung entscheidend dazu beiträgt, ob Ihr Azubi Ihr kritisches Feedback hören und annehmen will oder nicht. Wenn Sie ihm oberlehrerhaft begegnen, oder vorwurfsvoll oder permanent angreifend, wird er tun, was Menschen in solchen Situationen immer tun: Er wird auf Widerstand umschalten.

Der Türöffner: Anerkennung

Wenn er Sie als wohlwollenden Begleiter erfährt, kann es durchaus sein, dass Sie sich gar nicht viel Mühe geben müssen und er nimmt Ihr kritisches Feedback an. Vor allem dann, wenn er Sie als Vorbild darin erlebt. Wenn Sie sich zur Verfügung stellen und selbst auch kritisches Feedback, sogar von Ihren Azubis, anhören und es annehmen, ohne es abzustreiten, ohne es zu erklären, ohne sich zu rechtfertigen, ohne auf Durchzug zu schalten, dann sind Sie ein Vorbild! Und von nichts lernen die Menschen so leicht, wie von Vorbildern.

Was Feedback annehmen wirklich bedeutet

Übrigens: Feedback annehmen bedeutet nicht, es für die unumstößliche Wahrheit zu halten. Feedback annehmen bedeutet die Sichtweise des anderen zu akzeptieren und davon auszugehen, dass etwas Lehrreiches für mich darin steckt. Ich unterschreibe nicht, dass mein Gegenüber mit seinem kritischen Feedback die nackte, lautere Wahrheit spricht oder sieht.

Schritt 3: Wohlwollend vorleben

Die dritte und letzte Regel in dieser Episode lautet: Gehen Sie davon aus, dass junge Menschen nicht automatisch erwachsen werden. Was es braucht, sind: Erwachsene, die vorleben und sie wohlwollend begleiten. Wenn das Ihre Haltung ist, haben Sie gute Chancen, dass die Ohren Ihrer Azubis grundsätzlich offen sind, auch für kritische Rückmeldung. Vor allem, weil Sie vorleben, wie sie damit umgehen.

Die Haltung entscheidet

Wie so eine Haltung aussehen kann, beschreibt Mario Retzbach von der R. Stahl Schaltgeräte GmbH in Waldenburg:

Mario Retzbach: „Oft ist es so, dass sie hier ankommen und haben einfach keinen Bock mehr auf Schule. Und wenn wir jetzt in der Lage sind, sie zu begeistern z.B. mit unseren technischen Berufsrichtungen und sie dann eher animieren und sagen: „Hey lasst euch darauf ein!“, dann haben wir die Erfahrung gemacht, dass richtig tolle Sachen dabei rausgekommen sind. Dass Azubis sich richtig toll entwickeln. Vielleicht auch durch unsere Auslandseinsatzmöglichkeit. Aus diesen jungen Leuten werden dann erwachsene Männer und Frauen. Es ist richtig toll, sie begleiten zu dürfen.“

Feedback-Kultur erschaffen

So eine Haltung bietet die Basis dafür, dass Feedbackkultur entstehen kann. Klar ist aber auch, dass sie damit rechnen dürfen, dass eine solche positive Feedbackhaltung Ihnen Ausnahmen nicht ersparen wird. Es wird vermutlich immer wieder Azubis und andere Mitarbeiter  geben, die auf Feedback-resistent umschalten. Mein Tipp für solche Fälle: Gehen Sie in solchen Situationen davon aus, dass das Leben Ihnen gerade Feedback gibt. Vielleicht steht es für Sie an, Konsequenzen durchzusetzen, Klartext zu reden, sich Ihren Azubi auf eine angemessene Art zur Brust zu nehmen. Es gibt immer Feedback. Das Leben gibt uns immer Feedback, und es gibt immer etwas zu lernen. Mein Tipp ist: Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass in jedem Feedback eine Lernbotschaft für Sie steckt!

Kurz zusammengefasst

Zum Schluss nochmal die drei angesprochenen Regeln:

  1. Stellen Sie Beziehung her.
  2. Achten Sie auf das Mischverhältnis.
  3. Leben Sie vor und gehen Sie davon aus, dass Menschen nicht von alleine erwachsen werden.

Gerade junge Menschen brauchen heute oft jemanden, der sie wohlwollend führt. Und darum geht’s beim ganzheitlichen Ausbilden.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2017

Angst vor Veränderung – Mitarbeiter ohne Ziel

Stillstand - Wenn Menschen keine Ziele haben

Es gibt Menschen, die scheinen sich unheimlich wohl zu fühlen dort, wo sie sind. In dem Zustand, in dem sie sind, in dem Entwicklungsstadium, wo sie sind. Und sie wollen auch überhaupt nirgendwo anders hin. Das gibt es nicht nur bei Azubis, sondern auch bei sogenannten ganz normalen Menschen. Ich hatte das auch schon. Ich fühle mich allerdings nicht mehr wohl, wenn ich kein Ziel habe. Einem Ziel zu folgen, bedeutet, den Ort, an dem ich mich befinde, zu verlassen. Ich verlasse den mir bekanten Bereich und erschaffe Veränderung. Das verursacht bei Menschen grundsätzlich ein Gefühl: Angst vor Veränderung.

Das Risiko Spontaneität

Vielleicht habe ich mir gerade deshalb dieses Ziel gesetzt, einen Podcast einzusprechen zum ersten Mal ohne Skript, also frei von der Leber weg zum Thema Ziele setzen. Das erinnert mich an einen Spruch, der so alt ist, dass ich gar nicht mehr weiß, wer ihn erfunden hat: Spontanität will wohl überlegt sein. Das ist natürlich ein Widerspruch in sich, macht aber nichts. Denn das hat indirekt auch mit unserem Thema zu tun: Wie viel Spontanität brauche ich? Wie viel Mut habe ich, um aus dem Bereich dessen, was ich kenne heraus zu treten, um was Neues zu erfahren und damit auch Neues zu lernen?

Angst vor Veränderung ist völlig normal.
Wer für Veränderung sorgt, macht sich nicht selten erst einmal unbeliebt.

Für Entwicklung braucht es Mut

Wie ist das mit Azubis, was wünschen wir uns von Azubis? Wir hätten gerne, dass die jungen Leute sich Herausforderungen stellen, dass sie etwas beginnen, etwas tun, das sie bisher noch nicht getan haben, sich auf Neues einlassen, neue Dinge ausprobieren, Erfahrungen machen, neue Dinge lernen. Dazu braucht es eine Eigenschaft mit drei Buchstaben: MUT. Immer wenn ich mich einer Herausforderung stelle, brauche ich Mut, denn ich riskiere ja immer, dass ich diese Herausforderung nicht bestehe. Jede Herausforderung birgt das Risiko des Scheiterns in sich, . So zum Beispiel auch meine Übung, heute diesen Podcast zum ersten Mal ohne Skript frei zu sprechen. Das kann ja auch schiefgehen.

Routine in der Bequemlichkeitszone

Ich kenne Menschen, die haben sich ihr Leben tatsächlich so eingerichtet, dass sie im Grunde keinem Ziel folgen. Das „im Grunde“ ist wichtig, darauf komme ich später noch zurück. Ich kenne Menschen, deren Leben verläuft nach einem strikten Muster: morgens aufstehen, optional Zigarette, ganz bestimmt aber Kaffee, vielleicht im bisschen Frühstücksfernsehen oder auch auf die altmodische Art Zeitung, dann ab ins Auto, Kilometer runterreißen zur Arbeit, dort arbeiten. In der Mittagspause irgendetwas schlabbern und weiter arbeiten, nach Hause fahren , vielleicht einmal die Woche etwas einkaufen und dann wieder zu Hause sitzen. Abendessen und natürlich fernsehen, irgendwann wieder eine rauchen optional vielleicht ein Bier, dann ab ins Bett und am nächsten Tag - wer hätte es geglaubt? -  exakt das gleiche Muster. Ohne Angst vor Veränderung.

Überraschungen vermeiden

Das ist kein erfundenes Beispiel. Ich kenne solche Menschen, gar nicht wenige übrigens, die genau diesem Muster folgen und auf den ersten Blick kein Ziel verfolgen. Tatsächlich aber tun sie es doch. Dieses Muster bietet einen großen Vorteil: Ich muss mich keiner Herausforderung stellen. Nicht mal der Herausforderung, Positives zu erfahren, angenehme Überraschungen zu machen, nette Menschen kennenzulernen oder die Erfahrungen zu machen: Wow, ich habe mich jetzt einer Herausforderung gestellt und hab tatsächlich einen Erfolg.

Das Problem mit dem Nicht-Können

Angst vor Veränderung hält viele Menschen davon ab, Ziele zu verfolgen.
Wenn wir ein Ziel verfolgen, wissen wir nicht, ob und wie wir es erreichen.

Ich liebe Erfolg. Ich stehe total darauf und habe auch bemerkt, dass es innerhalb des Bereichs, den ich gut kenne, innerhalb meines Gesichtskreises, innerhalb der Gruppe von Menschen, die mir vertraut sind, die ich mag, nicht mehr so viele neue Herausforderungen gibt. Auch nicht innerhalb des Bereiches der Dinge, die ich schon kann. Innerhalb der Dinge, die mir vertraut sind, der Arbeitsgänge, die ich kenne. So geht's vielleicht auch manchem Azubi. Er eignet sich Dinge an, die er dann kann, und ist dann ganz froh, dass er sich nicht auf das Lernen konzentrieren muss. Auf die Erfahrung, oh, da gibt's was, das ich noch nicht kann. Ich persönlich versuche gerade, einem Vierjährigen das Fahrradfahren beizubringen und scheitere daran, dass er nach zwei Minuten merkt: „Ups, ich kann‘s noch nicht.“ Und dann verliert die Lust.

Lernen setzt Nicht-Können voraus

Lernen hat immer was damit zu tun, sich dem zu stellen, dass es etwas gibt, das ich noch nicht kann. Viele Menschen mögen das nicht. Ich beobachte das in Trainings mit Auszubildenden gar nicht mal so selten: Vielen Menschen haben große Probleme damit, vor sich selbst und vor allem vor anderen einzuräumen, „ups, da gibt es etwas, das ich nicht kann, ich bin nicht perfekt“. Ich zum Beispiel muss mich damit abfinden, dass dieser Podcast mit Sicherheit nicht so perfekt wird wie der nächste.

Zwei Pole - Arroganz und Zurückhaltung

Was ich immer wieder höre von Ausbildern und Personalern in großen Unternehmen hier in der Region und außerhalb, ist, dass es zwei Sorten von Azubis gibt, die große Schwierigkeiten bereiten: Die einen sind die, die so tun, als wüssten sie alles und die schon fast überheblich, manchmal sogar arrogant auftreten, die sich nichts sagen lassen, die Augen verdrehen und so tun, als hätten sie schon alles drauf - die die oberflächlichen Checker. Die anderen sind die, die unterm Radar fliegen, von denen die Ausbildungsleitung nach vier Wochen immer noch nicht weiß, heißt sie jetzt Sabine oder Simone? Und überhaupt: Wie geht's der jungen Frau? Oder wie geht's dem Bernd oder heißt er vielleicht doch Sven, weil von dem kriege ich ja gar nichts mit? Wann immer ich Aufgaben verteile, wann immer ich Jobs zu vergeben habe, tauchen die ab und sind nicht mehr zu sehen. Und wann immer ich frage, wie geht's dir, bekomme ich äußerst knappe - wenn überhaupt – Antworten. Ich weiß nicht, wie geht's der Simone oder Sabine oder dem Bernd oder Sven?

Die Angst, als Lernender entlarvt zu werden

Mit diesen Leuten umzugehen ist schwierig, weil wir nicht wissen, hey, wie geht's dir überhaupt. Die einen wollen sich zeigen, und die anderen nur auf eine bestimmte Art.  Woher kommt das? Was viele Menschen nicht wissen, worüber viele Menschen stolpern, ist, dass Arroganz und Überheblichkeit sehr viel mit einem Gefühl zu tun haben über das wir nur sehr selten sprechen. In aller Regel hat es mit Angst zu tun. Wovor soll denn der Mensch, der so augenscheinlich selbstbewusst wirkt wie ein überheblicher Azubi, wovor soll der denn bitteschön Angst haben? Im Grunde habe ich die Antwort schon vorher verraten. Er hat Angst davor, als Lernender entlarvt zu werden, als ein Mensch, der noch nicht alles kann.

Das ist bei jungen Menschen heute gar nicht mal so selten, denn viele junge Menschen sind sehr - ich sage mal - verwöhnt damit, Anerkennung zu bekommen für ihren Außenauftritt. Ich sage nur Likes sammeln auf Facebook oder viele Freunde in Facebook oder Snapchat oder WhatsApp haben.

Schöner Schein in Social Media

Außendarstellung ist vielen jungen Leuten sehr wichtig. Das ist natürlich ein großer Gegensatz zu dem Akt, sich einer Herausforderung zu stellen. Oder zugeben zu müssen, da gibt es etwas, das ich nicht kann, das muss ich noch lernen. Das muss ich mir von dem Ausbilder, der im Zweifelsfall vielleicht sogar jünger ist als ich, erklären lassen. Ich kenne junge Leute, die damit große Probleme haben und so etwas als Schmach oder Demütigung empfinden.  Da hilft es wenig, wenn ich als Azubi-Trainer vor sie hinstelle und ihnen sage, „Quatsch, ist keine Schmach, jeder fängt mal klein an“. Das wollen die nicht hören. Witzigerweise ist das Gefühl, das die Leisetreter und grauen Mäuse dazu bringt, unterm Radar durch zu fliegen und sich nicht zu zeigen, genau das gleiche. Diese Menschen haben Angst. Sie wollen sich nicht zeigen.

Raus aus der Bequemlichkeitszone

Was hat das jetzt mit unserem Thema Ziele haben zu tun? Ein Ziel zu haben hat für mich immer auch etwas mit Herausforderung zu tun. Ich suche mir Ziele, die mich fordern, die mir die Möglichkeit geben, Neuland zu erforschen. Also zum Beispiel das, was ich hier gerade tue, war vor einem Jahr noch totales Neuland für mich: einen Podcast zu sprechen. Das ist jetzt übrigens die Jubiläumsepisode, die zwölfte. Ich mache das jetzt seit einem Jahr. Wenn ich mir den Podcast von vor einem Jahr anhöre, merke ich, dass das Neuland war. Ich habe anders gesprochen, habe mich viel weniger getraut, habe mehr überlegt als dass ich spontan gesprochen hätte,. Und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich sehr häufig sogar abgelesen. Ich höre das, wenn ich in die alten Episode anhöre. Diese Epsiode ist anders, denn ich springe aus meiner Bequemlichkeitsbox raus, weil ich mir das Ziel gesetzt habe, dem zu folgen, was Gordon Schönwälder empfohlen hat:  Vergiss das mit der Perfektion, hau raus!

Schmerzhafte Erfahrungen

Junge Leute die viel mehr in sozialen Medien unterwegs sind, haben sehr schmerzhafte Erfahrungen damit gemacht, was es bedeutet, sich zu zeigen und dafür auf die Mütze zu kriegen. Ich persönlich kann mir ja auch Ziele setzen, die ich nur für mich habe: Ich bin im Urlaub auf Kreta und sage mir, diesen einen Berg hier, den besteige ich ganz alleine ohne Karte, ohne Kompass. Manche würden sagen, das ist dumm, das ist Quatsch. Ich habe mich schon auf solche Dinge eingelassen und Großartiges dabei erlebt. Ich würde nicht empfehlen, allein auf Berge zu steigen. Da riskiere ich keinen Shitstorm, denn niemand kriegt es mit, aber ich riskiere mein Leben, denn ich kann da liegen bleiben und verdursten.

Das eigene Scheitern riskieren

Junge Menschen, die sich Ziele setzen, riskieren genauso wie ich und wie alle andern, dass sie scheitern. Das ist immanent, das gehört zu einem Ziel dazu. Es kann schiefgehen. Ich muss aus meiner Bequemlichkeitszone raus und mich diesem Risiko stellen. Ich habe aber auch nur eine Chance, Neues zu erleben, mir Neues zu erschaffen, Neues zu erfahren, indem ich diese Bequemlichkeitszone, diesen Bereich des bereits Bekannten, verlasse. Für junge Leute von heute ist das schwierig, weil sie damit aufwachsen, gerade in sozialen Medien einen Shitstorm zu riskieren und so gemobbt zu werden, dass sie sich vorkommen wieder letzte Arsch und auch Freunde zu verlieren, auch wenn es nur Facebook Freunde sind.

Der Angst vor Veränderung begegnen

Was es braucht, damit junge Menschen wieder Mut fassen und sich trauen, sich Ziele zu setzen, ist Fehlerkultur. Wenn Sie Ausbilder, Ausbildungsleiter oder Personaler in einem Unternehmen sind, ist - so wie ich glaube - die einzige Chance, junge Leute zu ermutigen, sich Ziele zu setzen, Ihnen auch das Vertrauen zu geben: „Hey, ich glaub an dich, auch wenn du Scheiße baust, auch wenn es schiefgeht. Ich glaub an dich, weil ich mir selbst auch zugestehe, immer wieder mal Fehler zu machen.“

Der Gewinn liegt im Risiko

Ehrlich: Wir lernen rein gar nichts, wenn wir nicht Fehler machen. Wir lernen aus den Fehlern, aber auch aus den aus dem Akt, sich diesem Risiko zu stellen. Für mich ist es immer wieder der Minimal-Gewinn, den ich habe, wenn ich mich einer Herausforderung stelle. Selbst im Scheitern weiß ich, ich hab's probiert, ich hab's getan. Ich will keiner sein, der immer dem gleichen Muster folgt, morgens zur Arbeit fährt, abends von der Arbeit kommt und dazwischen immer nur das gleiche erlebt. Für mich ist es o. k., wenn Menschen das tun, solange sie glücklich damit sind. Ich wäre es definitiv nicht.

Warum wir Ziele brauchen

Ich bin ein Mensch, der Ziele braucht. Ich habe mich oft in Coachings mit Männern dabei ertappt, dass ich sage, ein Mann braucht ein Ziel. Und wenn es nur aus dem Grund ist, dass die Frau irgendwann zickig, närrisch oder verrückt wird, wenn sie merkt, sie lebt mit einem Mann zusammen, der sich keiner Herausforderung stellt. Ein Mann ohne Ziel, behaupte ich, ist schwer zu ertragen. Jeder, der sich keiner Herausforderung stellt, der sich nicht weiter entwickeln will, der nicht wachsen will, wird irgendwann schlicht und ergreifend langweilig.

Fehler machen dürfen

Die große Chance, die Unternehmen und damit auch Ausbilder und Personaler haben, ist: Sie können jungen Menschen, die im Mobbing-Shitstorm-Zeitalter aufwachsen, eine Plattform bieten, auf der sie gesehen werden mit dem, was sie können mit dem was sie noch nicht können. Aber auch mit dem Mut, den sie entwickeln, indem sie sich auf Neues einlassen. Und für diesen Mut brauchen Sie Vertrauen und mindestens einen Menschen der Ihnen zugesteht: „Hey, du darfst Fehler machen.“

Ziellos gibt es nicht

So wie ein Kind. Kinder lernen laufen nicht, indem sie es von Anfang an können, sondern indem sie - keine Ahnung - hunderte Male auf ihren Hintern fallen. Und was tun Kleinkinder? Sie stehen wieder auf. Es ist völlig normal, dass ich nicht kann, was ich lernen will. Das  bedingt sich. Wenn Menschen sich diesem Risiko nicht stellen wollen und keine Ziele verfolgen, haben Sie ein Ziel. Am Anfang dieser Podcast-Episode habe ich angedeutet, dass ich darüber auch sprechen möchte, und das werde ich jetzt tun. Ziellose Menschen gibt es in Wirklichkeit nicht. Menschen verfolgen immer ein Ziel, man könnte auch sagen eine Absicht. Die Absicht von meinem Paradebeispiel, das ich eingangs geschildert habe, also diesen Menschen, die scheinbar kein Ziel verfolgen, wenn sie immer nur alles innerhalb ihrer Bequemlichkeitszone machen, immer nur ihren alten Muster Folgen, dieses Ziel ist: Ich lasse alles so, wie es ist. Dann muss ich kein Scheitern erleben, keine Blamage, keinen Schmerz.

Wachstum vermeiden

Ob wir es glauben oder nicht - das ist auch ein Ziel. Es ist nur ein Ziel, das uns immer in unserer Bequemlichkeitszone hält.  Und in der Bequemlichkeitszone findet nun mal keinerlei Wachstum statt. Da gibt's nichts, wofür ich Mut brauche, wo ich etwas Neues lernen, wo ich mich weiter entwickeln kann. Ich behaupte, das ist nicht das, was Unternehmen von Azubis wollen. Das ist auch nicht das, was Lehrer von Schülern wollen.

Die Chance für Unternehmen

Was wir aber begreifen müssen ist, wenn wir diesen Menschen, die eigentlich täglich in der Social-Media-Shitstorm-Gefahr leben, wenn wir diesen Menschen den Mut ermöglichen wollen, sich Neuem zu stellen, brauchen Sie das Vertrauen, dass sie uns gegenüber auch Fehler machen dürfen. Ohne sich blamieren zu müssen, ohne ausgelacht zu werden, ohne bestraft zu werden. Wenn Unternehmen das tun, behaupte ich, haben sie die Riesenchance, als das begriffen zu werden, was diesen jungen Menschen fehlt: als eine Art Zuhause, als Ort, wo sie gesehen werden und wachsen dürfen.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2017

Besserwisser – Menschen, die sich nichts sagen lassen

Wenn einer glaubt, er wisse alles

Ihr Azubi ist überheblich. Ein richtiger Besserwisser. Was auch immer Sie ihm erklären wollen, er lässt Sie deutlich spüren, dass Sie nur Ihre und seine Zeit verschwenden, wenn Sie ihn damit langweilen. Außerdem ist er überzeugt davon, dass er für die niederen Arbeiten, die Sie ihm aufbürden wollen, viel zu gut ausgebildet ist. Diese Arroganz bringt Sie auf die Palme. Die gute Nachricht gleich vorneweg: Es ist gut, dass Sie das auf die Palme bringt. Dann sind sie schon einen Schritt weiter.

Das Fallbeispiel

Wann immer ich Ausbilder trainiere, gehört dieses Szenario zum festen Programm: Früher oder später meldet sich ein Teilnehmer, nimmt seinen ganzen Mut zusammen und erzählt davon. Zum Beispiel so. Marina ist 23, Ausbilderin in einem kleinen Bereich eines weltweit operierenden Elektronik-Unternehmens.

„Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Meine zwei BA-Studenten lassen sich von mir einfach gar nichts sagen. Sie widersprechen mir offen, stellen meine Anweisungen in Frage du machen sich über mich lustig.“

Marina hat es nicht leicht. Ihr beiden BA-Studenten lassen sie einfach abfahren. Sie sind ein paar Jahre älter als Marina und haben zudem studiert. Marina hat das nicht und weiß nicht, wie sie der Lage Herr werden soll. Sie ist verzweifelt und hat Tränen in den Augen.

Die Tendenz - Immer mehr Besserwisser

Diese Situation gehört zu den Klassikern im Great Growing Up Training für Ausbilder.

Und ich behaupte jetzt mal, sie wird noch eine ganze Weile ein Klassiker bleiben. Das Phänomen der allwissenden und überheblichen Berufsanfänger werden Sie künftig eher häufiger als seltener erleben. Da bin ich mir sicher. „Die Generation Z kommt auf uns zu“, sagen manche Ausbilder mit hörbarer Sorge in der Stimme und warnen vor jungen Leuten, die „durch und durch gepampert“, also verwöhnt wurden und vor allem eines wollen: etwas gelten. Das war auch schon früher so. Menschen fühlen sich generell wohl, wenn sie als gut, wichtig, sympathisch und kompetent wahrgenommen werden.

Überheblichkeit hat nichts mit hohem Selbstwertgefühl zu tun.

Virtuelle Rückmeldung

Der große Unterschied ist, dass Menschen heute weniger Reales dafür tun müssen als früher. Azubis von heute sind Digital Natives, sie kennen keine Welt ohne Computer, ohne Smartphone, ohne soziale Netzwerke. Sie wachsen damit auf, dass sie sich via Internet selbst darstellen. Dass sie dabei in erster Linie das zeigen, was sie für ihre Schokoladenseite halten, liegt auf der Hand. Sie zeigen damit natürlich nur einen Teil von sich selbst und sammeln fleißig Likes, Followers und sognannte Freunde. Kurzum: digitale Anerkennung.

Reale Rückmeldung

Dass sie in der Berufswelt als physisch präsente, ganzheitliche Personen wahrgenommen werden, ist ein Umstand, mit dem viele nicht so einfach klarkommen. Im Job, in der Ausbildung werden nicht nur ihre Schokoladenseiten wahrgenommen. Sie bekommen Rückmeldung, die sie nicht einfach wieder aus ihrem digitalen Profil löschen können.

Hinzu kommt, dass wir eine Inflation der Titel haben. Es gibt Azubis, die studieren oder sogar schon einen wohlklingenden Abschluss in der Tasche haben. Gar nicht wenige von ihnen wollen das anerkannt wissen. Dass eine Ausbildung zwingend das Lernen beinhaltet, passt da nicht ins Bild, denn Lernen setzt etwas voraus, für das es üblicherweise keine Anerkennung gibt: das nicht wissen.

Wie es früher war

Wenn ich mit alten Hasen in Unternehmen spreche, höre ich immer wieder Geschichten wie diese:

„Das erste, was mir mein Ausbilder gesagt hat, war: Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“

Und nach allem, was ich weiß, war das keine leere Phrase. In den 50er, 60er und 70er Jahren waren Azubis noch Lehrlinge. Die gingen in die Lehre, bezahlten Lehrgeld. Dass sie auch unangenehme, niedrige Aufgaben erledigen mussten, wurde ebenso wenig in Frage gestellt, wie der Umstand, dass sie klare, manchmal auch sehr klare Ansagen bekamen. Da blieb nicht viel Raum für verfrühte Überheblichkeit.

Wie es heute ist

Die allermeisten großen Unternehmen legen heute sehr viel Wert auf Führungs- und Unternehmenskultur. Kaum jemand will noch einen Ausbilder, der seinen Azubi triezt und patentfaltet. Das ist auch gut so, denn daraus lernt ein Azubi nicht viel Wertvolles. Viele Ausbildungsbetriebe aber haben es mit der politisch korrekten Unternehmenskultur ein bisschen zu weit getrieben.

Die Firma, in der Marina arbeitet, zum Beispiel. Der Elektronik-Spezialist legt viel Wert aufs Betriebsklima. Man duzt sich bis in höchste Ebene hinauf, man hör sich zu, will verstehen, ma zeigt Verständnis,  spricht ganz vorsichtig per Ich-Kommunikation.

„Du, bei mir kommt das so an…“, „Ich nehme wahr, dass du damit nicht einverstanden bist…“, „Und ich sehe, dass dir das nicht gefällt…“ etc. Kurzum: Man ist nett zueinander.

Was fehlt im Umgang mit Bessewissern

Da ist alles gar nicht schlecht, es fehlt nur etwas. So eine Unternehmenskultur, die ausschließlich auf Verständnis und politisch korrekten Umgangston setzt, öffnet Überheblichkeit Tür und Tor, weil sie keinen Raum lässt für das, was hin und wieder nötig ist: klare Ansagen.

Was Besserwisser brauchen: klare Grenzen.
Wer sich seiner Position bewusst ist, hat es leichter Grenzen zu setzen.

Ehe wir das näher beleuchten, will ich ein paar Dinge klarstellen. Ich finde Unternehmen, die sich ernsthaft um ihr Betriebsklima kümmern großartig. Mal abgesehen davon, dass ich mit den anderen ohnehin nicht arbeiten kann, geht es mir vor allem um die Mitarbeiter. Unternehmen, die sich über Umgangsformen Gedanken machen, die Richtlinien und Normen entwickeln, sind auf dem richtigen Weg. Weil sie begreifen, dass vor der Wertschöpfung die Wertschätzung kommt. Die Wertschätzung für den ganzen Mitarbeiter – mit seinen Ansichten, Meinungen, Gedanken, Gefühlen und deshalb, nur deshalb mit seinem gesamten Potenzial, dass sich somit dem Unternehmen zur Verfügung stellt.

Unternehmenskultur mit Platz für Gefühle

Viele Unternehmen gehen diesen Weg und haben Erfolg damit. Sie investieren Zeit und Geld darin, Befindlichkeiten und Gefühle zuzulassen und üben den verantwortlichen Umgang mit ihnen, damit die innerbetrieblichen Beziehungen weitgehend ungestört davon funktionieren und sich wieder auf das konzentrieren können, worum es geht: Produktivität und Wertschöpfung. Mitarbeiter, die in solchen Unternehmen arbeiten, dürfen sich glücklich schätzen. Von ihnen wird erwartet, dass sie ihre Gefühle auf erwachsene Art äußern, dass sie sich mitteilen, wenn sie traurig sind, wenn sie sich freuen, wenn sie vor etwas Angst haben. Aber was ist, wenn sie etwas ärgert?

Nur den Ärger will keiner

Der Ärger ist sozusagen der Paria unter den Gefühlen in vielen Betriebsklimata. Und nicht nur dort. Marina, unsere 23 Jahre alte Ausbilderin, hat gelernt, was viele Menschen lernen: Ärger ist böse, laut, aggressiv, hässlich, verletzend. Ärger ist bäh! Die wenigsten von uns dürfen mit der Erlaubnis Ärger zu äußern aufwachsen. Als Babys dürfen wir noch schreien, aber spätestens im Kleinkindalter treibt man ihn uns aus.

Es gibt unglaublich viele Menschen; die das so tief verinnerlicht haben, dass sie ihren Ärger gar nicht fühlen. Sie mögen ihn nicht und erschaffen Unternehmenskulturen, die keinen Platz für Ärger zulassen. Auch Marina beispielsweise spürt ihn nicht, sie hat keine Idee, wo in ihrem Körper sie ihn fühlen könnte.

Das Training: den Ärger nutzen

Im Training lässt sie sich darauf ein, die Situation mit den beiden überheblichen Azubis nachzuspielen. Die Szene endet genauso wie im Betrieb: Die studierten Auszubildenden nehmen Marina nicht ernst, sie fühlt sich hilflos und ist kurz davor zu weinen.

Ich gönne Marina eine Pause und frage die Gruppe, welches Gefühl in dieser Situation gefragt ist. Keiner weiß die korrekte Antwort, denn alle Teilnehmer kommen aus derselben Firma mit dem ärgerfreien Verhaltenskodex.

Den Ärger wahrnehmen

Ich übernehme Marinas Rolle und setze mich den beiden Studenten gegenüber. Die beiden beachten mich erst einmal gar nicht, ganz so wie es ihre Rolle fordert. Ich weiß genau, wo in meinen Körper der Ärger seinen Platz hat: Im Bauch, wie bei nahezu allen Menschen, die ich kenne. Ich kann ihn abrufen, wenn ich ihn brauche. Und allein die Vorstellung, dass mich zwei studierte Schnösel nicht beachten, reicht völlig aus, um ihn zu wecken. Das bringt mich auf die Palme, und das ist gut so, denn oben auf der Palme habe ich Überblick.

Vier Schritte, die für Klarheit sorgen

Danach folge ich einem simplen Schritt-für-Schritt-Programm.

  1. Ich sichere mir ihre Aufmerksamkeit, indem ich sie mit ihren Namen anspreche.
  2. Dann stelle ich Blickkontakt zu den beiden her und halte ihn.
  3. Ich sage ihnen, dass ich etwas klarzustellen habe.
  4. Und schließlich sage ich ihnen was läuft und was nicht.

Besserwisser brauchen klare Grenzen

Von Anfang an halte ich eine gut wahrnehmbare Körperspannung. Um die muss ich mich nicht bemühen, wenn ich meinen Ärger spüre, kommt die ganz automatisch. Ich sitze sozusagen sprungbereit auf meinem Stuhl und habe die beiden fest im Blick. In kurzen, klaren Sätzen stelle ich klar, dass ich ihr Studium respektiere, aber auch, dass ich Ausbilder bin und damit sage, was Sache ist.  Meine Stimme ist nicht laut, aber deutlich, meine Körperhaltung und meine Mimik drücken eine gewisse Gefährlichkeit aus: Ich zeige Ecken und Kanten, an denen man sich wehtun kann, wenn man meine Grenzen nicht respektiert. Und die beiden studierten Azubis? Vom ersten Blickkontakt an sitzen die beiden aufrecht und hören aufmerksam zu. Marina ist fassungslos. Und nicht nur sie.

Der versammelten Ausbilderrunde geht ein Licht auf:

„Wir sind so nett und verständnisvoll, dass wir uns von Azubis – und anderen - auf der Nase herumtanzen lassen.“

Marina und die restlichen Ausbilder sind förmlich elektrisiert und wollen mehr.

Stimme und Körper bewusst einsetzen

Das ist einer der Momente in den Trainings, die ich besonders liebe. Ärger kann natürlich verletzen, kann aggressiv, laut und hässlich sein. Aber er ist auch belebend und sorgt für Klarheit. Es kommt vor allem darauf an, ob man ihn gegen jemanden oder für etwas einsetzt. Ich bevorzuge letzteres.

Und Marina? Die will es jetzt wissen. Sie braucht ein paar Anläufe. Es gibt simple, aber wirkungsvolle Übungen, die einen mit seinem Ärger in Kontakt bringen. Fast alle haben damit zu tun, die eigene Stimme einzusetzen. Und zwar so, dass sie wahr- und ernstgenommen wird. Der Witz ist, dass man das spielen kann, selbst wenn man sicher ist, dass man gerade überhaupt nicht ärgerlich ist.

(„Ich bin eure Ausbilderin und deshalb sage ich, was ihr zu tun habt.“)  - Das war‘s noch nicht.

„Ich bin eure Ausbilderin und deshalb sage ich, was ihr zu tun habt.“  - Schon besser.

„Ich bin eure Ausbilderin und deshalb sage ich, was ihr zu tun habt.“ – Bravo!

Fake it and you make it. Die eigene Stimme öffnet vielen von uns wieder einen Weg zu diesem ungeliebten, aber doch so wertvollen Gefühl: dem Ärger, der uns erlaubt Entscheidungen zu treffen, klare Worte zu sprechen, Grenzen zu setzen. Und das braucht es im Umgang mit jungen Menschen, die lernen sollen.

Die Ursachen

Das bringt uns zurück zur Ursache des Problems: junge Menschen, die um keinen Preis der Welt als Berufsanfänger wahrgenommen werden wollen, obwohl sie genau das sind. Früher war nun wahrlich nicht alles besser, vieles sogar schlimmer. Aber: Es gab mehr Klarheit darüber, wer mehr zu sagen hat und wer weniger. Es gab Hierarchie. Dieses Wort ist nicht mehr sehr beliebt, und das wiederum ist ein Teil des Problems. Unsere Hierarchien sollen so flach wie möglich sein. Bossy sein ist aus. Ich weiß noch, wie ich in meinen ersten Jahren als Leiter einer kleinen Lokalredaktion vor nichts mehr Angst hatte als vor dem Vorwurf: „Jetzt hängst Du aber den Chef raus.“

Alle wollen Demokratie, kaum einer will Verantwortung

Keiner will Despot sein, aber alle wollen mitbestimmen, wollen Demokratie. Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Es ist billig, vom Chef Mitbestimmung einzufordern, wenn er und nur er den Kopf für die jeweiligen Entscheidungen hinhalten muss. Die Entscheidungsgewalt ist immer dort, wo die Verantwortlichkeit ist. Das vergessen viele gerne, die mitreden und mitbestimmen wollen.

Und damit haben wir zwei Ursachen, die sich perfekt ergänzen und sich geneseitig verstärken: Führungskräfte, die nicht bossy sein wollen und Berufsanfänger, die sich nichts sagen lassen wollen. Fein gemacht! *Irony off*

Die Angst davor, entlarvt zu werden

Wenn sie damit zu tun haben, sollten Sie verstehen, dass die augenscheinliche Überheblichkeit, das Gut-dastehen-Wollen, zwar selbstbewusst wirken mag, aber tatsächlich nichts mit Selbstbewusstsein oder gar Selbstvertrauen zu tun hat. Menschen, die vorgeben, alles zu wissen, die sich für niedere Arbeiten zu fein sind und arrogant wirken, haben in Wirklichkeit Angst davor, entlarvt zu werden: als nicht-wissend, als Anfänger.

Keine will mehr Anfänger sein. Dafür gibt es keine Likes. Dabei ist Nicht-Wissen die wichtigste Voraussetzung für das, was wir von Auszubildenden und Berufsanfängern erwarten: Neugier und Lernbereitschaft. Wer glaubt, alles zu wissen, ist satt und träge.

Volle oder leere Tasse?

In Roland Emmerichs Weltuntergangsdrama 2012 gibt es eine schöne Szene in einem buddhistischen Kloster im Himalaya. Der Lama gießt seinem Schüler eine Tasse Tee ein und setzt nicht ab, obwohl sie überläuft. Seinem verdutzten Schüler erklärt er: Du bist wie diese Tasse -  so voll von Überzeugungen und Meinungen, dass du nichts Neues mehr aufnehmen kannst. Genau aus diesem Grund gilt der Anfängergeist im Zhen-Buddhismus als unverzichtbare Tugend.

Was es braucht: Demut

Anfängergeist führt unweigerlich zu einer gesunden Portion Demut. Und auch das ist eine wichtige Erfahrung für Menschen, die unbedingt etwas gelten wollen. Demut erfordert die Bereitschaft zu Bescheidenheit. Und für die braucht es innere Größe. Es schadet ganz und gar nicht, wenn junge Menschen das lernen. Schließlich ist es ein Unterschied, ob ich nur etwas gelte, oder ob ich tatsächlich jemand bin.

Also: Lassen Sie sich von dieser Maske Ihres angeblich allwissenden Azubis nicht täuschen. Er hat einfach nur Schiss. Vielleicht weiß er es nicht. Wenn Sie das wissen, müssen Sie sich gar nicht übermäßig aufregen. Es reicht, wenn Sie Klartext sprechen, indem Sie nötigenfalls Grenzen setzen, klarstellen, wer Anweisungen gibt und wer sie zu befolgen hat. Wenn Sie dennoch ärgerlich werden, nutzen Sie ihren Ärger, um klare Ansagen zu machen. Die werden gebraucht.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2017

Keine Lust zu nichts – unmotivierte Mitarbeiter

Gefangen im Durchhänger

Ich finde, Durchhänger ist ein toller Begriff. Einfach weil er ein plastisches Bild im Kopf entstehen lässt. Da hängt jemand saft- und kraftlos in den Seilen, wie ein restlos erschöpfter Boxkämpfer: erledigt und geschlagen. Wenn Sie sich ärgern über unmotivierte Mitarbeiter, oder wenn  Ihr Azubi durchhängt, sind Sie gefordert. Wobei es natürlich einen Unterschied macht, ob ihr Azubi einfach nur einen schlechten Tag hat, den Sie ihm wie jedem anderen Menschen auch zugestehen dürfen oder ob daraus schlechte Wochen, Monate oder ganz schlimm sogar eine grundsätzliche Haltung geworden ist.

Eine Frage der Haltung

Ich weiß, das klingt seltsam, aber grundsätzlich unmotiviert durchzuhängen, ist tatsächlich eine Haltung. Menschen, die grundsätzlich zu nichts Lust haben, die lieber sitzen als gehen, die Sie zum Jagen tragen müssen, die bis zur Untätigkeit entspannt wirken, haben nicht etwa keine Haltung, sie haben eine. Eine Null-Bock-Haltung eben.

Auf Trab bringen - aber wie?

Das ist anstrengend. Nicht so sehr für den Durchhänger, aber für Sie. Ihr Job ist es ja, den jungen Mann oder die junge Frau auf Trab zu bringen. Das erwartet Ihr Arbeitgeber von Ihnen. Und wissen Sie womit? Mit Recht. Sie bilden den jungen Menschen aus, nicht umgekehrt.

Herkömmliche Methode 1

Sie haben mehrere Möglichkeiten, dieser Anforderung nachzukommen. Drei davon sind weit verbreitet. Fangen wir sanft und harmlos an mit der gängigen Methode Nummer eins: Sie können Ihrem Null-Bock-Azubi gut zureden. Nicht lachen. Das kann funktionieren. In leichten Fällen dürfen Sie tatsächlich darauf hoffen, dass Sie mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand sogar etwas erreichen. Sie nutzen gute Argumente, wie bessere Chancen übernommen zu werden, Freude am Erfolg und so weiter. Manchmal hilft das. Die schweren Fälle, überzeugte Durchhänger, die sich in ihrer tiefenentspannten Lässigkeit gefallen, erreichen Sie damit sicher nicht.

Unmotivierte Mitarbeiter sind nicht grundlos lustlos.
Unmotivierte Mitarbeiter und Azubis kosten Nerven und Geld.

 Herkömmliche Methode 2

Nächste Möglichkeit: Gängige Methode Nummer zwei. Sie probieren es mit Anreizen, Belohnungen, Vergünstigungen. Das funktioniert garantiert -  je nachdem, wie viel Sie bieten. Jeder Mensch hat seinen Preis. Die Frage ist nur, ob Sie jeden Preis bezahlen wollen, geschweige denn bezahlen können. Vermutlich können Sie nicht, und das ist gut so.

Warum? Weil Sie damit das Problem nicht im Kern lösen, und weil der Preis von Mal zu Mal steigen wird. Wenn Ihr Azubi bemerkt, dass Sie zahlungsbereit sind, kann es gut sein, dass er das ausnutzen wird. Meine Empfehlung: Seien Sie sehr, sehr vorsichtig, wenn Sie sich für diese Methode entscheiden.

Herkömmliche Methode 3

Nummer drei: Sie bauen Druck auf. Am wirkungsvollsten sind dabei konkrete Drohungen. Im Grunde ist das nichts anderes als die umgekehrte Variante von Methode Nummer 1.  Anstatt das in Aussicht zu stellen, was motivierte Azubis erreichen können, drohen Sie mit dem was, Leistungsverweigerern blüht: Ärger, keine Anerkennung, keine Vergünstigungen, keine Übernahme, keine Zukunft im Unternehmen, etc.

Erfolgsaussichten

Ich bin mir sicher, dass Sie damit Erfolg haben können, Sie müssen allerdings höllisch aufpassen, dass Sie die wichtigste Grundregel beim Androhen von Konsequenzen unbedingt beachten: Sie müssen konsequent sein. Wenn Sie nicht umsetzen, was Sie angedroht haben, ist Ihre Glaubwürdigkeit verloren. Dann können Sie drohen, soviel Sie wollen, Sie werden nichts und niemanden damit erreichen. Auch bei Methode Nummer drei rate ich zu großer Vorsicht.

Denn die Druck-Methode hat einen weiteren Nachteil. Sie mag zwar manchen Durchhänger in Bewegung bringen, aber auch sie löst das Problem nicht im Kern. Ihr Azubi hängt zwar nicht mehr in den Seilen, aber nur weil ihm sonst unangenehme Konsequenzen drohen. An seiner grundsätzlichen Haltung haben Sie damit nichts geändert. Ihr Azubi ist jetzt zwar auf Trab, aber gegen seinen eigenen inneren Widerstand. Sie haben ihn eher animiert als motiviert.

Was wirklich hilft: Empathie

Wie bringen Sie Ihren Azubi dazu, dass er seine chillige Ich-hab-auf-gar-nichts-Lust-und-hänge-lieber-herum-Haltung verändert? Ich empfehle Ihnen: Nutzen Sie ihre Empathie. Ihr Einfühlungsvermögen. Das bedeutet nicht, dass Sie jetzt ebenfalls durchhängen sollen. Empathie bedeutet etwas ganz anderes.  Einfühlungsvermögen trifft es ganz gut. Das funktioniert einfacher als Sie vielleicht glauben. Wenn Sie herausfinden wollen, was der Nullbock-Haltung Ihres Azubis zugrunde liegt, müssen Sie nur darauf achten, was Sie empfinden, wenn Sie mit ihm oder sogar nur über ihn sprechen. Probieren Sie es aus. Wenn Sie sich nicht sicher sind, was Sie empfinden, hilft ein kleiner Trick: die Negativ-Auswahl. Fragen Sie sich: Ist es Freude? Wohl kaum. Ist es Angst? Oder Trauer? Oder Ärger?

Wer ist hier ärgerlich?

In den meisten Fällen, in denen ich mit Durchhängern zu tun habe, empfinde ich vor allem Ärger. Sie bringen mich auf die Palme, selbst wenn ich nicht mit ihnen, sondern nur über sie rede. Wenn es Ihnen ähnlich geht, sollten Sie diese Erkenntnis nutzen. Ich erkläre Ihnen gerne, was Sie mit ihr anfangen können und sollen.

Fast jeder hat früher oder später mal einen Durchhänger.

Der Ärger, den sie spüren, wenn Sie Ihren Durchhänger-Azubi motivieren wollen, ist im Grunde gar nicht Ihrer. Sie spüren vielmehr genau das Gefühl, das sich ihr Azubi nicht erlaubt. Ich nenne dieses Phänomen emotionale Übertragung. Wir fühlen das, was unser gegenüber fühlen müsste, aber nicht fühlen will. Ich komme noch darauf, was Durchhängen mit Ärger zu tun hat. Keine Sorge.

Wer will schon fühlen?

Vorher aber müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass die allerwenigsten Menschen wirklich fühlen wollen. Zumindest wenn es um Ärger, Trauer und Angst, die sogenannten negativen Gefühle, geht. Ich kenne nur sehr wenige Menschen, die sich all ihre Gefühle wirklich erlauben und sie ungehemmt ausdrücken. Die meisten von ihnen sind unter fünf Jahre alt. Kleinkinder haben normalerweise kein Problem damit, ärgerlich, traurig oder ängstlich zu sein und darüber zu reden. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang und ihnen so vertraut wie ihre unbändige Art, Freude zu äußern.

Das bleibt auch so, bis wir Erwachsenen, diesen unschuldigen, natürlichen Umgang mit Gefühlen stören, nicht selten sogar zerstören. In der Regel, weil wir die Emotionalität des Kindes, seinen Schmerz, seine Tränen, seine Wut oder einfach nur die damit verbundene Lautstärke nicht aushalten wollen oder können. Wir trainieren unseren Kinder ab, ihre Gefühle zu äußern und erziehen sie zu Menschen, die Gefühle unterdrücken – vor allem die angeblich negativen.

Unmotivierte Mitarbeiter auf Trab bringen

Wenn Sie regelmäßig mit Ärger auf Ihren Durchhänger-Azubi reagieren, dürfen Sie davon ausgehen, dass ihr Azubi ein Problem mit dem Gefühl Ärger hat.  Damit ist er nicht alleine. In unserer Kultur ist der arme Ärger ein Paria. Niemand will ihn haben. Er gilt als aggressiv, laut, hässlich und verletzend. Das kann er auch tatsächlich sein. Viele Menschen wollen nichts von ihm wissen und glauben tatsächlich, dass sie nie oder nur sehr selten ärgerlich sind. Harmonie ist doch viel angenehmer, entspannter und cooler.

Wie Sie Ärger nutzen

Ich habe nichts gegen Harmonie, solange sie real und nicht geheuchelt ist. Ich habe aber auch nichts gegen Ärger, solange er verantwortlich genutzt wird. Wenn ich durchhänge, brauche ich meinen Ärger, um diesen Zustand zu beenden. Ärger ist das Gefühl, dass mir Klarheit ermöglicht. In welchem Zustand bin ich denn heute? Aha: Ich hänge durch. Ärger ermöglicht mir auch Entscheidungen zu treffen: Will ich weiter durchhängen? Ja, dann tue ich es. Aber ich tue es, weil ich mich bewusst dafür entschieden habe.  Damit kann ich mich auch jederzeit für das Gegenteil entscheiden. Zum Beispiel jetzt. Ich habe es in der Hand. Ich muss nicht warten, bis mich jemand animiert, ich kann mich selbst motivieren, einfach weil ich genug vom Durchhängen habe. Und Ärger ermöglicht mir, Grenzen zu setzen. Zum Beispiel dem Gedanken, dass es doch viel cooler ist, weiter durchzuhängen. Ärger ist das Gefühl, dass mich zur Selbstdisziplin führt. Schluss mit chillig, jetzt mache ich was!

Unmotivierte Mitarbeiter brauchen Entschlossenheit.
Im Umgang mit unmotivierten Mitarbeitern ist Entschlossenheit gefragt.

Das Satzzeichen, mit dem wir Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, ist nicht ohne Grund das gleiche, mit dem wir Ärger signalisieren: das Ausrufungszeichen. Genau deshalb führt Ärger zu Veränderung.

Mutig sein und Fragen stellen

Was machen Sie jetzt damit? Fragen Sie doch mal Ihren tiefenentspannten Azubi, was ihn ärgert, was ihm nicht gefällt. Schon klar, das kostet Mut. Beide übrigens. Sie müssen sich darauf einstellen, kritisches Feedback zu hören; ihr Azubi braucht Mut, um seinem Vorgesetzten gegenüber Klartext zu reden. Möglicherweise erfahren Sie auf diese Weise, was Ihrem unmotivierten Azubi fehlt. Wenn er behauptet, dass ihn überhaupt nichts ärgert, können Sie getrost davon ausgehen, dass er zwar glaubt, was er sagt, sich aber dennoch selbst belügt. Niemand führt ein Leben, das frei ist von Ärgernissen. Das ist eine Illusion.

Beziehung erschaffen

Und weil das gleiche auch für Angst und Trauer gilt, kann es durchaus sein, dass ihr Azubi aus irgendeinem Grund Trauer oder Angst empfindet und partout nicht darüber sprechen will. Dann ist es Ihre Aufgabe, ihm einen Weg dahin zu öffnen. Denn solange er damit beschäftigt ist, seine Gefühle zu unterdrücken, kann er sich kaum öffnen, sich beteiligen, sich zeigen. Das wäre viel zu riskant, weil sein Unterbewusstsein sehr genau weiß, dass er dann gesehen wird. Sobald wir mitmachen, uns beteiligen und uns zeigen, sobald wir mit Menschen in Beziehung treten, werden wir empathisch wahrgenommen. Dann ist Schluss mit der Geheimhaltung.

Umgang mit alten Entscheidungen

Viele professionelle Durchhänger haben irgendwann in ihrem Leben etwas über sich und die Welt entschieden. Das bringt doch alles nichts. Es ist eh nie gut genug, was ich tue. Ihnen fehlt die Erfahrung, dass Anstrengung mit Wertschätzung belohnt wird.

Solche und ähnliche Sätze sind Entscheidungen, die ihre Wurzel meist in der Kindheit haben. Beobachten Sie mal Eltern mit kleinen Kindern etwa an der Supermarktkasse. Ich erlebe immer wieder die gleiche Szene. Kaum beginnt Mama oder Papa damit, die Einkäufe aufs Band zu legen, will der Nachwuchs helfen. Kinder wollen ihren Beitrag leisten, das ist natürlich und großartig. Dumm nur, dass irgendjemand entschieden hat, dass es im Supermarkt schnell gehen muss. Mama und Papa wollen schnell bezahlen, damit niemand warten muss. Da bleibt keine Zeit für kleine Hände, die sich auch mal ungeschickt anstellen. „Lass das mal, ich mach das besser selbst“, heißt es dann, und der Nachwuchs lernt: Mein Beitrag ist nicht gut genug. Wer das oft genug erlebt, entscheidet früher oder später: „Es bringt nichts, wenn ich mich engagiere.“ Und macht sich das zur Haltung.

Anerkennung wirkt Wunder

Draus folgt, dass sie Ihrem durchhängenden Azubi genau das geben sollten, was er aus Ihrer Sicht am wenigsten verdient: Aussicht auf Anerkennung und Wertschätzung. Damit geben Sie ihm eine Chance, seine Haltung zu ändern. Er kann lernen, dass eben doch etwas bringt, sich anzustrengen, dass Leistung mit Wertschätzung und Anerkennung belohnt wird. Sie können ihm vermitteln, dass sein Beitrag wichtig ist, dass er wichtig ist.

Sehnsucht wecken

Wenn Sie das tun, wecken Sie eine Sehnsucht in ihm: die Sehnsucht nach Anerkennung. Machen wir uns nichts vor: Nach der sehnen wir uns alle. Wenn es Ihnen gelingt, diese Sehnsucht nach Wertschätzung wieder zu wecken, können Sie aufhören, darüber nachzudenken, wie Sie Druck auf Ihren Durchhänger ausüben.

Sie arbeiten stattdessen mit Sog. Das ist nicht nur eleganter, sondern auch wirkungsvoller. Man könnte den Unterschied so beschreiben: Druck ist von außen erzwungene Animation, Sog ist ureigene, innere Motivation. Zugegeben: Der Weg zum Sog ist oft länger und gewundener als der zum Druck. Dafür aber, müssen Sie ihn nicht ständig gehen, denn im Unterschied zum Druck erhält sich der Sog von selbst.

Dazu passt nichts so gut wie ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry, dem Autoren des Kleinen Prinzen.

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Die eigene Warnehmung nutzen

Dabei geht es um nichts anderes als Sog = Sehnsucht. Aber auch der Anfang des Zitats hat es in sich. Wenn ich will, dass mein Azubi motiviert ist, muss ich erst einmal erkennen, dass ich etwas will (etwa ein Schiff bauen) und nicht mein Azubi. Wie bringen Sie ihn dazu, dass er es will? Entscheiden Sie sich dafür, Ihrem Azubi helfen zu wollen und gehen Sie mit ihm in Beziehung. Sprich: Interessieren Sie sich für ihn. Stellen Sie Fragen: Wie geht es dir? Warum siehst Du so niedergeschlagen aus? Was stört dich? Verlassen Sie sich auf Ihre Wahrnehmung und seien Sie offen für Antworten, die Ihnen nicht gefallen. Vor allem diese Antworten weisen Ihnen den Weg zu dem, was Ihrem Azubi fehlt. Vielleicht ist es Anerkennung, vielleicht Herausforderung, vielleicht Erfolg. Was es auch ist, Sie erkennen, was Ihrem Azubi fehlt. Wenn Sie seine Aufgaben mit dieser Sehnsucht verknüpfen, sind Sie auf dem richtigen Weg. Und Ihr Azubi auch.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2017

Geeignete Auszubildende finden

Die Ausgangslage

Als Trainer und Dozent für Ganzheitliche Ausbildung komme ich viel herum; ich spreche mit Unternehmern, mit Ausbildungsleitern, Personalern und erfahre, was ihnen an den jungen Leuten auffällt. Dabei gibt's eine typische Handbewegung, die ich erlebe: Ich sehe sehr oft Menschen, die beide Hände überm Kopf zusammenschlagen. Warum? Sind die Jugendlichen heute, sind die jungen Leute heute schlechter als die früher? Manchmal könnte man es fast glauben. Und wie finden Sie dann geeignete Auszubildende für Ihr Unternehmen?

Vermisste Qualitäten

Unternehmer, Personaler, Ausbildungsleiter vermissen vor allem ganz bestimmte Qualitäten: Verantwortlichkeit, Zuverlässigkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, manchmal auch Umgangsformen. Fast alle betonen, dass es nicht grundsätzlich gilt, dass nicht alle jungen Leute diese Mängel haben, aber die Tendenz scheint irgendwie unzweifelhaft, und vielen Menschen in Ausbildungsabteilungen scheint auch etwas anderes ganz klar zu sein: Irgendjemand vor ihnen hat seinen Job nicht gemacht und versäumt, den Leuten den jungen Leuten beizubringen, was es heißt, erwachsen zu sein. Deshalb ist es schwer, geeignete Auszubildende zu finden.

Was Lehrer beklagen

Ganz ähnlich ergeht es mir, wenn ich Berufsschulen besuche. Von Berufsschullehrerinnen und -lehrern höre ich Sätze wie: „Die jungen Leute heute sind total gechillt.“ Man könnte das tiefenentspannt nennen. Stattdessen könnte man aber auch verstehen, was die Lehrer meinen. Nämlich: die kriegen - salopp gesagt - ihren Hintern nicht hoch. Woran liegt’s?

Geignete Auszubildende in Hülle und Fülle? Davon träumen viele.

Von wegen Familie

Auch die Lehrer haben da eine Idee und geben den Ball weiter an die Eltern. Die Eltern haben versagt und den Kindern nicht beigebracht, was es bedeutet, erwachsen zu werden. Dabei wird gerne übersehen, dass viele junge Leute heute gar nicht in dem aufwachsen, was wir als Familie in Erinnerung haben. Das klassische Familiensystem ist längst nicht mehr die Regel. Viele wachsen bei allein erziehenden Eltern auf, und die sind nicht so oft Zuhause, wie es für die Erziehung der jungen Leute dienlich wäre.

Digitale Ablenkung

Und wir übersehen etwas Anderes: Junge Leute haben es heute unglaublich leicht, mit Langeweile, mit Frust, mit Enttäuschung oder mit Erregung umzugehen. Sie lenken sich ab. Heutzutage reicht dafür ein Tastendruck oder ein Wisch über irgendein digitales Endgerät, und schon kommt die Ablenkung, und der eigene Frust ist zumindest vergessen, wahrscheinlich aber eher verdrängt. Auch das trägt dazu bei, die Suche nach geeigneten Auszubildenden zu erschweren.

Initiativ werden war gestern

Was hatten wir es doch schön dagegen. Wir mussten um drei Straßenecken laufen und Freunde aus dem Haus klingeln und fragen, ob sie mit uns spielen, auf Tour gehen, um den Block ziehen etc. Kinder Jugendliche mussten früher etwas tun, das heute nicht mehr üblich ist: Sie mussten initiativ werden, weil es gar nicht anders ging. Weil wir es nicht anders kannten, wussten wir, dass wir selbst aktiv werden mussten, wenn wir Herausforderung, Ablenkung oder auch Erfolg erleben wollten. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich. Daher kommt das, was die Lehrer als „total gechillt“ bezeichnen.

Lösungsansätze

Jetzt können wir als Trainer oder auch als Unternehmer Stunden, Tage und Wochen oder Monate lang darüber schimpfen, dass die jungen Leute heutzutage so initiativlos, so müde und so gechillt sind. Allein, es wird uns nicht dabei helfen, geeignete Auszubildende zu finden. Es nutzt Unternehmern auch überhaupt nichts, auf die Schule zu schimpfen oder die Eltern ins Visier zu nehmen. An der Qualität der jungen Leute, die uns zur Verfügung stehen, ändert sich dadurch nichts. Wer geeignete Auszubildende finden will, braucht eine andere Strategie.

Geeignete Auszubildende mit Boni locken

Sinnvoll ist, wenn wir uns anschauen, was denn Firmen tun, um die Azubis zu bekommen, die sie brauchen. Ich beobachte, dass unglaublich viele Unternehmen unglaublich viel unternehmen, um geeignete Auszubildende zu bekommen: Sie locken mit Boni - mit Laptops, mit Fahrzeugen, die sie ihren Azubis zur Verfügung stellen. Viele Unetrnehmen präsentieren sich frisch und jugendlich auf Ausbildungsmessen, auf Berufsinfotagen und versprechen viel und suchen so geeignete Auszubildende. Vermutlich können sie vieles davon auch halten. Die Frage ist: Klappt das mit den Azubis, bekommen die Unternehmen dadurch wirklich die Azubis, die sie brauchen?

Auf Kriterien achten

Wenn sie es gut machen, bringen ihnen die Lockvogelangebote vor allem eines: mehr Bewerber. Jetzt kommt's darauf an, wie sie vorgehen, nach welchen Kriterien die Unternehmen auswählen. Nach den Schulnoten? Im günstigsten Fall verraten die, dass jemand weiß, dass es sich lohnt zu lernen und sich anzustrengen. Im ungünstigsten Fall, dass jemand in der Lage war, zum entscheidenden Zeitpunkt das entscheidende Wissen wiederzugeben - und in der Regel danach zu vergessen. Schulnoten sagen nicht viel über die Schlüsselqualifikationen eines Menschen aus – das ist mittlerweile bekannt.

Der Kampf um geeignete Auszubildende

Hinzu kommen zwei Aspekte, die Ausbildungsbetrieben das Leben nicht unbedingt leichter machen. Erstens: Viele Unternehmen kämpfen um exakt die gleiche Art Mensch. Zweitens: Diese Art Mensch, junge Leute mit Qualifikationen, die - salopp gesagt - an erwachsene Menschen erinnern, gibt es in vielen Regionen demographisch bedingt immer weniger. Das heißt, viele kämpfen um ein immer knapper werdendes Gut. Ich kenne viele Unternehmen, die sich inzwischen damit abgefunden haben, dass sie längst nicht mehr die besten, manchmal noch nicht mal die guten Bewerber bekommen.

BeBewerbersuche - Unternehmen im Wettbewerb um geeignete Auszubildende.
Berufsinfotag - Unternehmen werben für sich auf der Suche nach Azubis.

Nachwuchs selbst gestalten

Grundsätzlich empfehle ich Ausbildungsbetrieben, die geeignete Auszubildende suchen, von der Resignation in die Akzeptanz zu wechseln Was bedeutet das? Akzeptanz bedeutet, anzuerkennen, dass erwachsene junge Menschen keine automatisch nachwachsende Ressource sind. Im Grunde waren sie das noch nie. Unternehmen, die junge, qualifizierte Menschen als Auszubildende gewinnen wollen, wollen damit etwas, das es zu gestalten gilt.

Verantwortung definieren

Was bedeutet das? Erwachsen definiere ich so: verantwortlich. Was bedeutet verantwortlich? Das Schöne an unserer Sprache ist, dass sie die Antwort selbst gibt. In „verantwortlich“ steckt ein Wort. Genau genommen sogar zwei. Antwort. Ein Erwachsener sucht, wenn er auf ein Problem stößt, die Antworten auf zwei Fragen im Ich – verANTWORTlICH. Also nochmal: Als Erwachsener suche ich die Antworten auf zwei Fragen bei mir selbst:

  1. Was habe ich dazu beigetragen, dass die Situation so wurde, wie sie ist.
  2. Was werde ich tun, um die Situation zu verbessern.

Verantwortung ist nicht gleich Schuld

Und nur um die Verantwortlichkeit gleich mal von der Schuld abzugrenzen: Schuld führt in der Regel zu Urteil und Strafe, Verantwortung zu Möglichkeiten und Beziehung. Leider gibt es in unserer Gesellschaft nur selten eine Differenzierung zwischen Verantwortlichkeit und Schuld. Ich halte diese Differenzierung für unglaublich wichtig. Verantwortung hat nichts mit Strafe oder Urteil zu tun. Verantwortung schafft Möglichkeit und Beziehung. Und hilft geeignete Auszubildende zu finden.

Geeignete Auszubildende erkennen

Wie können Sie als Ausbildungsbetrieb erkennen, ob ein junger Mensch in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen? Zunächst einmal würde ich im Bewerbungsgespräch darauf achten, ob der junge Mann oder die junge Frau bereit ist, initiativ zu sein und sich aktiv am Gespräch beteiligen. Achten Sie darauf, ob Ihr junger Gesprächspartner Leidenschaft und Begeisterung für Themen zeigt oder ober nur mit Ja, Nein, gut, schlecht oder „mir egal“ antwortet. Das verrät viel darüber, ob jemand willens und in der Lage ist, selbst voran zu gehen und die Dinge selbst in die Hand nimmt.

Sechs verantwortliche Verhaltensweisen

Ich unterscheide grundsätzlich sechs Verhaltensweisen, die mir zeigen, ob ein Mensch in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen. Diese sechs Handlungsweisen sind:

  • Rechtfertigen
  • Beschuldigen
  • Recht haben
  • Jammern und Nörgeln
  • Zurückziehen
  • Grollen

Auf den Zahn fühlen

Fühlen Sie Ihren Bewerbern auf den Zahn. Finden Sie heraus wie, sie damit umgehen, wenn sie bei einem Fehler ertappt worden sind, wenn sie beispielsweise zu spät kommen. Liefern sie ungefragt Gründe, rechtfertigen Sie sich oder sind sie in der Lage, die Verantwortung zu übernehmen und sich zu entschuldigen? Wie geht ein junger Mensch damit um, wenn er zu einer Gruppe gehört, die ihr Ziel nicht erreicht hat – übernimmt er selbst Verantwortung oder beschuldigt er andere? Ist Ihr Bewerber ein Mensch, der über sich, sein Leben und die Welt nur jammert und nörgelt oder ist auch in der Lage, zuzuhören, wenn es anderen schlecht geht? Wie verhält sich ihr Bewerber in einem Konfliktfall - beharrt er auf seinem Recht oder ist der in der Lage, anzuerkennen, dass sein Gegenüber einfach eine andere Meinung hat? Lässt Ihr Bewerber Sie teilhaben an dem, was in ihm vorgeht oder ist er um nichts in der Welt aus seinem Schneckenhaus herauszulocken? Ist der Bewerber in der Lage, anderen Menschen zu verzeihen oder hegt er Groll ?

Fragen stellen

Anhand solcher Fragen, die sie mit wenig Aufwand in fiktive Beispiele verpacken können, erfahren Sie viel darüber, wie Ihr junger Bewerber tickt. Egal, ob er zum Jammern oder zum Beschuldigen und zum Rechtfertigen, zum Recht haben, zum Grollen oder zum Zurückziehen tendiert – wenn er sich auf eine dieser Arten verhält, wissen Sie, worum es ihm in der Regie wirklich geht: um sich selbst. Das sind Menschen, die total gechillt darauf warten, dass andere für ihren Spaß, für Ihre Ablenkung sorgen.

Die andere Seite: Menschen, die in der Lage sind, sich zu entschuldigen, andere Meinungen anzuerkennen, die andere Standpunkte akzeptieren können, die zuhören können, die sich mitteilen, die etwas von sich preisgeben und anderen verzeihen können - das sind die interessanten Bewerber. Denn die sind in der Lage, Beziehung herzustellen. Was aber bedeutet Beziehung?

Der Schlüssel: Beziehungskompetenz

Beziehung bedeutet, mir geht es nicht primär um mich selbst, nicht und mein Gut aussehen und mein Image. Mir geht es stattdessen vielmehr darum, was passiert mit dem anderen, wie geht es dem anderen oder was passiert mit den Sachthemen: Wie geht es mit dem Job bzw. wie geht es dem Unternehmen? Und wie geht es meiner Abteilung? Wenn sie solche Azubis bekommen wollen, Azubis, die sie für Ihr Unternehmen brauchen, kann ich nur eines empfehlen: Handeln Sie so, wie Sie es von den jungen Menschen erwarten: verantwortlich.

Fragen Sie sich: Was ist mein Beitrag dazu, dass sie heute so sind, wie sie sind? Und was ist mein Beitrag dazu, dass die Situation besser wird?

Den eigenen Beitrag erkennen

Ich kenne Ausbilder, die mich genau an dieser Stelle jetzt fragen würden: Ja, aber wie erfahre ich denn etwas von einem Bewerber, der mir einfach nur stumm und steif gegenübersitzt, einer, der kein Wort spricht? Sie erfahren möglicherweise etwas über diesen Bewerber, wenn sie sich genau die gleiche Frage stellen: Was ist mein Beitrag dazu, dass wurde, was ist? Wie trage ich bewusst oder unbewusst dazu bei, dass mein Bewerber nichts von sich preisgibt. Das macht erst einmal keinen Spaß - ich geb‘s zu.

Schuld führt zu nichts Gutem

Aber bitte erinnern Sie sich: Es geht nicht um Schuld, es geht um Verantwortung. Verantwortung heißt, sie suchen die Antwort auf die geschilderte Fragen bei sich selbst. So kommen Sie möglicherweise darauf, dass dieser Bewerber sich mit einem ganz bestimmten Gefühl beschäftigt. Dieses Gefühl heißt Angst. Wieso hat ein Bewerber Angst? Er hat möglicherweise schon allein deshalb Angst, weil er seinen Angstgegner gegenübersitzt: Ihnen. Sie sind der Angstgegner ihres Bewerbers.

Angst und Vertrauen

Warum? Ganz simpel: weil Sie ihn ablehnen können. Jeder Bewerber hat bewusst oder unbewusst mehr oder weniger Angst davor, sich zu blamieren etwas Falsches zu sagen, sich komisch zu benehmen und abgelehnt zu werden. Niemand mag Ablehnung. Wenn Sie jetzt wissen, dass ihr Bewerber Angst hat, können Sie entsprechend damit umgehen. Damit haben Sie einen entscheidenden Vorteil. Weil Sie bewusst die Verantwortung übernommen haben, wissen Sie jetzt, was in Ihrem Bewerber vorgeht und können die Situation entsprechend gestalten. Als nächstes stellen Sie sich möglicherweise die Frage: Was braucht der Bewerber, der hier sitzt und vor lauter Angst kein Wort über die Lippen kriegt. Die Antwort: Er braucht Vertrauen. Wie stellen Sie Vertrauen her? Über Beziehung.

Von der unbewussten zur bewussten Haltung

In Beziehung gehen Sie, wenn Ihr Interesse nicht Ihnen selbst, sondern Ihrem Gesprächspartner gilt. Das ist eine feine, aber wichtige Differenzierung. Natürlich müssen Sie als Ausbildungsleiter oder Ausbilder dafür sorgen, geeignete Bewerber zu rekrutieren. Ohne Frage. Das muss Sie aber nicht davon abhalten, für Ihr Bewerbungsgespräch eine leicht veränderte Absicht zu fassen.

Haltung im praktischen Beispiel

Ganz konkret könnte die zum Beispiel lauten: Ich möchte, dass dieser junge Mensch den Job bekommt, der zu ihm passt. Das muss noch nicht mal zwingend in Ihrer Abteilung sein, das muss noch nicht mal zwingend in dem Unternehmen sein, für das Sie arbeiten, aber Sie verändern die Situation grundlegend, indem Sie eine bewusste Entscheidung dafür treffen, Ihre höhere Absicht, Ihr Interesse dem Bewerber zu widmen und nicht Ihnen selbst.

Das verändert Ihre Haltung, und Ihr Gegenüber wird das spüren. Sie sind in Beziehung mit ihm. Ihr Interesse gilt ihm. Daraus ergibt sich möglicherweise Vertrauen, und genau das braucht ihr Bewerber, um das Risiko einzugehen, sich Ihnen gegenüber zu öffnen.

Auf die Absicht kommt es an

Was ist Ihre höhere Absicht beim Ausbilden? Die Antwort finden Sie, wenn sie sich schonungslos selbst beobachten. Zum Beispiel so: Wenn ein Auszubildender eine Aufgabe lösen soll, was ist Ihre höhere Absicht: schnelle, korrekte Ergebnisse, oder tolerieren Sie Fehlerkultur und ermöglichen ihm so verantwortliches Handeln? Das ist eine entscheidende Frage, denn darin entscheidet sich, ob Sie einen Beitrag dazu leisten, dass junge Leute erwachsen werden.

Wichtige Fragen

Diese Fragen sind unglaublich wichtig: Dürfen Ihre Azubis Fehler machen und dann daraus lernen? Dürfen Azubis Fragen stellen? Ist es ihnen erlaubt, verantwortlich selbst Aufgaben zu übernehmen? Dürfen Azubis für eine Aufgabe X länger brauchen als der längst routinierte Mitarbeiter Y? Ist ihnen erlaubt, sich darüber mitzuteilen, was sie ärgert und was sie traurig macht, wo sie Angst haben?

Ein Ort der Entwicklung

An den ehrlichen Antworten auf solche Fragen erkennen Sie, was ihnen wirklich wichtig ist. Und ich geb‘s zu: Verantwortung zu übernehmen ist unbequem, aber effizient. Verantwortung abzulehnen ist deutlich bequemer, ändert aber rein gar nichts an ihrem Problem. Meine Empfehlung lautet: Machen Sie aus Ihrem Unternehmen einen Ort der persönlichen Entwicklung und lassen Sie junge Menschen lernen, was es bedeutet, erwachsen zu sein. Glauben Sie mir: Die meisten jungen Leute haben keine Ahnung davon, was das bedeutet.

Die Angst vor dem Wachstum

Tatsache ist aber, dass sich junge Menschen ganz natürlich entwickeln wollen, selbst wenn sie das Gegenteil behaupten und lieber gechillt irgendwo sitzen wollen. Letzteres bedeutet lediglich, dass sie Angst davor haben, zu wachsen. Wachstum ist immer auch mit Scheitern, mit dem Erkennen der eigenen Grenzen und Größe und mit Unbekanntem verbunden. Das macht Angst.

Bindung schaffen

Aber wenn Sie Ihre Azubis dazu anleiten und ihnen vorleben, dass es sich lohnt, aus der eigenen Bequemlichkeitszone heraus zu treten, um sich persönlich weiterzuentwickeln, werden Ihnen diese Azubis dankbar sein. Das stärkt die Verbindung, die Bindung an Ihr Unternehmen, und wenn ich's ganz radikal zu Ende denke, bin ich überzeugt, dass ein Unternehmen, das seine Azubis wirklich sieht, sprich ihr Potenzial erkennt und fördert, beinahe schon die Funktion einer Ersatzfamilie für Sie übernehmen kann. Ihre Azubis werden begeistert und Ihnen dankbar sein. Vermutlich nicht alle, und das ist eine wichtige Unterscheidung: die, die es Ihnen auf Dauer nicht danken, sind die, die sie nicht brauchen.

Geben, was gebraucht wird

Mein Rat lautet also: Geben Sie den Azubis, den jungen Bewerbern, was sie brauchen, nicht was sie wollen. Anleitung, Forderung und Förderung beim persönlichen Wachstum werden auf lange Sicht höher geschätzt als Boni, Laptops oder Autos. Davon bin ich überzeugt. Junge Leute mit Erwachsenenqualitäten sind keine automatisch nachwachsende Ressource. Hören Sie auf, um etwas zu kämpfen, das immer knapper und immer begehrter wird. Erschaffen Sie es sich lieber selbst.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2016

Verantwortung. Great Growing Up.

Rechthaber – immer das letzte Wort

Die Ausgangslage

Recht haben ist ein schwieriges Thema. Auf den ersten Blick stellt sich sogar die Frage: Wieso, was ist denn schlecht an Recht haben, wieso soll Recht haben ein Problem sein? Wir leben in einem Rechtsstaat, wir stehen auf Recht und Ordnung, meistens auch auf Gleichbe-Recht-igung, Recht muss außerdem Recht bleiben, und vor dem Recht sind alle gleich. Wieso sollen Rechthaber dann ein Problem sein?

Das Problem mit der Dualität

Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Die ganze Geschichte mit dem Recht haben hat viel damit zu tun, dass wir alle, ob es wollen oder nicht, in einer dualistisch orientierten Welt leben. D.h., in einer Welt, in der es immer zwei Seiten gibt, zwei Pole. So wie Schwarz und Weiß, sowie gut und schlecht, so wie Gut und Böse oder so wie Recht und Unrecht und so wie wahr und unwahr. Folglich gehen wir davon aus, dass es so etwas wie eine objektive Wahrheit gibt. Das ist auch ganz hilfreich, wenn es darum geht, entscheidend wichtige Fragen zu klären. Zum Beispiel: Darf ich in diese Straße abbiegen oder nicht? Oder: Ist es wirklich gesund, von diesem Turm in die Tiefe zu springen? Also: Wenn es um unser Leben geht, dann ist es tatsächlich entscheidend, dass wir drauf achten, was objektiv richtig und objektiv falsch ist. Dann ist es ganz gut, wenn wir darauf beharren was wir für richtig erachten.

Rechthaber verhindern Beziehung
Rechthabern geht es zuallererst um sich  selbst.

Dass das mit der objektiven Wahrheit in Wirklichkeit aber ein bisschen komplizierter ist zeigt sich daran, wie wir mit dem Begriff Recht haben umgehen, wie wir auf ihn reagieren. Recht haben sich zunächst mal gut an. Das kann jeder für sich selbst überprüfen. Ich persönlich fühle mich erst mal gut, wenn mir jemand Recht gibt, wenn ich Recht habe. Ich mag das. Auf der anderen Seite hat der Begriff Rechthaber eine ganz andere Wirkung auf mich. Wenn mich jemand als Rechthaber bezeichnet, sehe ich darin kein Kompliment. Dass Recht haben einerseits mit einem positiven Gefühl, mit einer positiven Wahrnehmung, andererseits mögen wir die Bezeichnung Rechthaber ganz und gar nicht, zumindest, wenn sie auf uns selbst angewandt wird.

Warum Hierarchie wichtig ist

Im betrieblichen Alltag gibt es eine klare Hierarchie. Zumindest sollte es sie geben. Zum Beispiel eine Hierarchie die klarstellt:  Ausbilder und Auszubildenden sind nicht auf Augenhöhe miteinander. Zumindest sollte das grundsätzlich so sein, denn der Ausbilder hat in der Regel mehr Erfahrung als der Auszubildende. Dass es nicht immer so sein muss, also dass der Ausbilder auch mal auf sein eigenes Recht haben verzichten sollte, dazu kommen wir später noch.

Das Fallbeispiel

Überall dort im betrieblichen Alltag, wo die Hierarchie keine große Rolle spielt, sieht das anders aus. Zum Beispiel, wenn Azubis unter sich sind oder wenn es um Themen geht, die nichts mit der Arbeit an sich zu tun haben. Da gibt es immer wieder Menschen, denen ist das Recht haben sehr, sehr wichtig. Nehmen wir unseren Beispiel-Azubi Jan, der immer dann herhalten muss, wenn es um Verhaltensweisen geht, die nicht viel mit Verantwortlichkeit oder Erwachsensein zu tun haben. So auch heute. Sie beobachten, wie Jan sich mit seinen Azubikollegen über das Rockfestival unterhält, das einige von ihnen am vergangenen Wochenende besucht haben. Jan erzählt von der reichlich provokativen Ansage, die der Bassist seiner Lieblingsband auf der Bühne gemacht hat. Die anderen hören zu, und dann widerspricht ein Azubi Kollege. Der sagt, es war gar nicht der Bassist, sondern der Rhythmusgitarrist.

Rechthaben ist beliebt

Im Grunde kann Ihnen das ja egal sein, denn das Thema an sich ist gelinde gesagt völlig belanglos. Die Welt wird sich weiter drehen, egal, wer die Ansage gemacht hat. Aber Sie beobachten auch, wie Jan sich in das Thema verbeißt. Er will einfach nicht lockerlassen und beharrt darauf, dass er Recht hat. Und so geht es eine ganze Weile hin und her, und Sie schauen zu, wie die beiden, Jan und sein Kollege, sich beharken. Die Diskussion lässt sich auf ein sehr einfaches Niveau herunterbrechen: auf nein, doch, nein, doch, nein, doch.

Das ist ein beliebtes Spiel, man kann es lange spielen, in der Regel kommt nichts Gutes dabei raus. Die Diskussion entwickelt schnell eine Eigendynamik: Jan lässt einfach nicht locker und beharrt darauf, dass er mit seiner Ansicht recht hat. Viel mehr wird in solchen Diskussionen auch gar nicht passieren, weil es in der Regel keine Lösung gibt für diesen Konflikt. Eines allerdings entwickelt sich doch: Jan will um jeden Preis Recht behalten. Das hat Auswirkungen. Rechthaber gelten in der Regel nicht als übermäßig sympathisch. Sie werden feststellen, dass die Azubikollegen Jan meiden werden. Rechthaber sind sogar dann unbeliebt, wenn sie objektiv Recht haben.

Rechthaben führt ins Abseits

Jan, unser leidenschaftlicher Rechthaber gerät mehr und mehr ins Abseits. Spätestens jetzt sind sie als Ausbilder gefragt. Als Ausbilder tun sie gut daran, wenn Sie jetzt von Mono auf Stereo umschalten. Mono besteht nur aus einem Kanal, meistens ist es die Sachebene, auf die wir uns gerne konzentrieren. Das haben wir so gelernt, sachlich bleiben ist Trumpf. Wenn sie auf Stereo umschalten, können Sie auch den zweiten Kanal wahrnehmen, und glauben Sie mir, um den geht's hier wirklich. Denn ich glaube, darüber sind wir uns einig, die Frage, ob es der Bassist oder der Rhythmusgitarrist war, ist nicht von weltentscheidender Bedeutung.

Die Beziehungsebene ist wichtiger. Die interessante Frage ist: Warum ist Jan das Recht haben so unglaublich wichtig? Weil es ihm um die Sache geht? Mal ehrlich: Das haben wir doch abgehandelt – Bassist oder Rhythmusgitarrist ist völlig egal. Es geht um etwas Anderes: Jan will diese Auseinandersetzung gewinnen, weil er um keinen Preis Verlierer sein will. Das ist tatsächlich so. Wenn Sie mal auf sich selber achten, werden Sie feststellen, Recht haben fühlt sich an wie gewinnen, Unrecht haben fühlt sich an wie verlieren. Verlieren will in der Regel keiner.

Die Hintergründe

Wenn sich dessen bewusst sind, wird Ihnen auch klar, warum Rechthabereien immer dann besonders brisant werden, wenn Publikum dabei ist. Keiner will vor Publikum verlieren. Das ist alleine schon schlimm genug, vor Publikum haben wir Angst, unser Gesicht zu verlieren. Und das will auch keiner.

Wovor Rechthaber Angst haben

Nächste Frage: Was steckt denn dahinter, dass Jan um jeden Preis nicht verlieren also gewinnen will. Bei der Frage wird es all jenen langsam heiß, die selbst gerne Recht haben. Mir zum Beispiel.  Die Angst vor dem Verlieren, vor dem nicht Recht haben hat mehr mit dem eigenen Selbstvertrauen zu tun, als manchem lieb sein dürfte. Menschen, die sich ihrer Qualitäten bewusst sind, haben es schlichtweg nicht nötig, aufs Rechthaben zu setzen. Das bedeutet, wer sich seiner selbst sicher ist, kann aufs Rechthaben verzichten. Wer aber darauf angewiesen ist, fehlendes Selbstvertrauen durch Erfolge im Außen zu ersetzen, braucht diese Rechthaber-Siege wie die Luft zum Atmen.

Rechthaber stören jedes gute Team.
Teamarbeit gelingt besser, wenn alle aufs Rechthaben verzichten.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Auch wenn Ihr Rechthaber Jan noch so eloquent, argumentativ gut bestückt, noch so selbstsicher und noch so stark wirkt, hat sein Drang zum Rechthaben mehr mit Schwäche zu tun, als Sie auf den ersten Blick feststellen werden. Tatsächlich hat es vor allem mit Schwäche zu tun, wenn ich nicht in der Lage bin, aufs Recht haben verzichten zu können. Das können Sie beobachten, wenn Jans selbstsichere Azubikollegen sich nicht auf lange Diskussionen einlassen. Sie sehen überhaupt keinen Sinn darin, sich mit Jan ewig lang argumentativ zu kloppen, hören einfach auf und lassen ihn stehen.

Rechthaben verhindert Beziehung

Das ist, was passiert, wenn Rechthaber über die Stränge schlagen:  Sie werden gemieden, weil jeder unbewusst oder bewusst bemerkt: Diesen Menschen geht es nicht um Beziehung, sondern nur ums eigene Rechthaben und folglich um sich selbst. Recht haben verhindert Beziehung.  Rechthaber werden einsam.

Das Fünf-Schritte-Programm

Wie helfen Sie jetzt Ihrem notorischen Rechthaber Jan? Ich empfehele Ihnen fünf Schritte, die Ihnen ganz nebenbei auch etwas über Sie selbst verraten werden.

Erkennen, wer Hilfe braucht

Schritt 1: Erkennen Sie erst einmal an, dass es Jan ist, der Hilfe braucht. Sein Rechthaben hängt mit einem Gefühl zusammen, über das viele Menschen nur ungern reden: Angst. Jan hat Angst davor, einen Rechthaber-Kampf zu verlieren, weil er dann als Versager entlarvt wird. Zumindest glaubt Jan das.

Achtsam sein

Schritt 2: Seien Sie vorsichtig ich würde niemals in der akuten Situation eingreifen, wenn Jan gerade mitten in einem Rechthaber-Kampf ist. Sie laufen Gefahr, ihn bloßzustellen, und das ist genau das, wovor Jan am meisten Angst.

Anerkennung geben

Schritt 3: Erkennen Sie die an, die aufs Rechthaben verzichten. Gerne auch vor Jan, damit der merkt, Wertschätzung und Anerkennung erfahre ich nicht, wenn ich mit aller Gewalt Recht haben will, sondern dann, wenn ich etwas Anderes mache, wenn ich aufs Recht haben verzichte und damit zeige, dass ich genügend Größe habe, um nicht darauf angewiesen zu sein.

Verzicht trainieren

Schritt 4: Reden Sie mit Jan, am besten ohne Publikum unter vier Augen. Machen Sie folgende Übung mit ihm: Sie nehmen beide unterschiedliche Standpunkte ein: Welches Auto ist besser? Welche Band rockiger? Welche Schauspielerin attraktiver? Lassen Sie sich gemeinsam mit Jan irgendetwas einfallen, und dann diskutieren Sie. Hauen Sie sich die Argumente nach Herzenslust um die Ohren und ermutigen Sie Jan, das gleiche zu tun. Nach ein paar Minuten soll Jan Ihnen einfach Recht geben. Einfach so. Gegen seinen inneren Antrieb, um jeden Preis Recht haben zu wollen. Lassen Sie ihm Zeit dafür, wahrzunehmen, was in den vorgeht, und dann bitten Sie Jan, darüber zu sprechen, wie sich das anfühlt. Danach geben Sie ihm die verdiente Anerkennung dafür.

Recht geben üben

Schritt 5: Geben Sie Jan folgende Aufgabe:  Künftig wird er einmal am Tag irgendjemandem Recht geben. Einfach so. Einfach nachgeben und nicht aufs Recht haben beharren. Jan wird diese Situationen in einem kleinen Büchlein notieren und ebenfalls aufschreiben, ob und wie sich seine Selbstwahrnehmung sowie das Verhalten seiner Azubikollegen ihm gegenüber verändern wird. Damit trainieren Sie ihn Jan eine Fähigkeit, die im heutigen beruflichen Alltag entscheidend ist: Beziehungsfähigkeit. Sie wird immer wichtiger. Der Eigenbrötler, der einfach allein vor sich hinschafft, ist nicht mehr so gefragt wie früher.

Vorleben

Wenn Sie ganz mutig sind, verzichten Sie hin und wieder selbst aufs Recht haben, gerade auch gegenüber ihren Auszubildenden. Denn die brauchen ein erwachsenes Vorbild dafür, was es bedeutet, genügend innere Größe zu haben, um aufs Recht haben verzichten zu können.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2016

Verantwortung. Great Growing Up.

Warum Menschen gerne beschuldigen

Der Fingerzeig

Es gibt ein altes Lied von den Dire Straits mit dem Titel „Solid Rock“. In dem singt Mark Knopfler: „When you point your finger cause your plan fell through you got three more fingers pointing back to you.“ Um Menschen, die oft und gerne mit dem Finger auf andere zeigen, geht es heute: um Menschen, die oft und genre andere beschuldigen.

Das Fallbeispiel

Ich bin mir sicher, sie kennen solche oder ähnliche Situationen: Eine Gruppe Auszubildender hat in einem Besprechungsraum eine Präsentation erarbeitet und ihn in einem Zustand zurückgelassen, als hätten sie plötzlich vor irgendetwas flüchten müssen. Sie bemerken die Unordnung am nächsten Tag, als sie in dem Raum ein Meeting halten wollen. Das ärgert sie gewaltig, weil sie jetzt hektisch den Raum aufräumen müssen.

Nach dem Meeting schnappen sie ich den erstbesten Azubi der Gruppe, der ihnen über den Weg läuft und stellen ihn zur Rede: Jan. Der weiß sofort, wer schuld ist: Oliver, ihr Ausbilderkollege, der die Azubi-Truppe mit einer neuen Aufgabe so unter Druck gesetzt hat, dass sie keine Zeit mehr hatten, um den Raum aufzuräumen.

Für Sie wird es jetzt schwierig, denn Jans Antwort wirkt plausibel. Oliver ist manchmal recht fordernd, und das wissen sie. Aber irgendwie werden Sie Ihren Ärger dennoch nicht los, denn Jan weiß in der Regel immer jemanden, der schuld ist: andere Ausbilder, Azubikollegen, seine Eltern etc.

Beschuldiger wollen gut sein

Andere beschuldigen bedeutet Verantwortung ablehnen.
Beschuldiger wirken selbstbewusst, sind es aber oft gar nicht.

Jan ist ein klassischer Beschuldiger. Das wirkt auf den ersten Blick sehr selbstbewusst. Es braucht Mut, um andere Menschen zu beschuldigen, denn beliebt macht man sich damit nicht. Beschuldiger wirken erst einmal sehr selbstbewusst, so als wäre ihnen komplett egal, was andere Menschen von ihnen denken. Das ist eine Täuschung, auf die Sie nicht hereinfallen sollten. Beschuldigern ist sehr wichtig, dass Menschen vor allem eines von Ihnen denken: dass sie gut sind. Beschuldiger wollen um jeden Preis als schuldfrei erkannt werden, dafür nehmen sie sogar in Kauf, dass sie sich bei denen unbeliebt machen, die sie beschuldigen.

Warum Menschen andere beschuldigen

Dass ihnen das so wichtig ist, hat einen Grund: Sie haben nicht gelernt, dass es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen. Das haben die wenigsten von uns. Ein Beispiel: Als Kind habe ich irgendwann entdeckt, wie der Platenspieler meines Vaters funktioniert. Na ja, nicht so ganz. Nach zwei, drei Schallplatten war die Nadel verbogen. Als mein Vater nach drei Tagen Musik hören wollte, fiel ihm das Desaster auf und er fragte mich: Hast Du an meinem Plattenspieler herumgemacht?

Das Dilemma

Jetzt steckte ich in einem bösen Dilemma. Gestehen oder lügen? Ich hätte alles leugnen können, aber außer mir wäre keiner als Täter infrage gekommen. Also gab ich es zu und wurde bestraft. Nicht mit Schlägen, aber mit einer Gardinenpredigt. Das Schimpfen war verdient, das will ich gar nicht bestreiten, aber es hatte einen Nebeneffekt: Mit jeder weiteren Erfahrung dieser Art verfestigte sich die Erkenntnis: Verantwortung übernehmen macht keinen Spaß, weil es mit Strafe verbunden ist – ob es sich dabei um Schimpftiraden, Schläge oder Freiheitsentzug handelt, macht grundsätzlich erst einmal keinen Unterschied. Wir lernen daraus: Verantwortung führt zu Strafe. Damit geht uns etwas immens Wichtiges verloren: die Unterscheidung zwischen Schuld und Verantwortung.

Die lässt sich gut mit Jan und dem unaufgeräumten Besprechungsraum deutlich machen. Jan hat, wie die meisten Menschen, überhaupt keine Lust, bestraft zu werden, und lehnt deshalb sowohl Schuld als auch Verantwortung dafür ab. Was aber ist der Unterschied?

Der Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung

Schuld ist mit Urteil und Strafe verbunden. Sie macht Menschen schlecht und lässt sie dafür büßen. Sie ist nicht an Entwicklung und Lernerfolg interessiert. Wenn Sie glauben, dass Menschen aus Strafe lernen, fragen Sie sich bitte auch, warum unsere Vollzugsanstalten überfüllt sind.

Verantwortung hat eine ganz andere Funktion. In ihr steckt das Wort Antwort. Wer Verantwortung für etwas übernimmt, sucht die Antwort auf eine ganz bestimmte Frage bei sich selbst. Sie lautet: Wie habe ich zu dem Ergebnis beigetragen und was kann ich tun, um künftig ein besseres Ergebnis zu erschaffen? Genau das bedeutet, Verantwortung übernehmen.

Wer andere beschuldigt, macht sich unbeliebt.
Drei Finger zeigen auf den zurück, der die Schuld auf andere abladen will.

Diskussionen um Schuld haben einen ganz anderen Zweck: Sie führen dazu, einen oder mehrere Schuldige zu finden und sie zu bestrafen. Besser wird dadurch erst einmal gar nichts. Im Gegenteil: Menschen, die sich schuldig fühlen, sind kein Gewinn für ein Unternehmen. Sie sind vielleicht kontrollierbar, aber ihr volles Potenzial werden sie nicht entfalten, weil sie viel zu viel Angst davor haben, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.

Beschuldiger sind Verfolger

Also wieder zurück zu Jan. Sein ausgestreckter Finger, mit dem er andere beschuldigt, weist ihm eine Rolle im Drama-Dreieck zu: Er ist ein Verfolger. Verfolger beschuldigen gerne. Ihre Haltung, mit der sie anderen begegnen, lässt sich auf folgende Aussage zusammenfassen: Du bist nicht okay. Die Absicht, die dahintersteckt, zeigt, worum es Beschuldigern wirklich geht: Klarzustellen: ich habe keine Schuld, ich bin okay.

Auf den ersten Blick mag das selbstbewusst und überlegen wirken, tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall. Menschen, die sich ihres Werts, ihrer Größe bewusst sind, haben es nicht nötig, andere Menschen, klein, schlecht und schuldig zu machen. Jan hat schlicht und ergreifend Angst davor, als schuldig zu gelten und bestraft zu werden.

Umgang mit Menschen, die beschuldigen

Für mich ist unbestritten, dass es Situationen gibt, in den Strafe angemessen ist. Junge Menschen, die begreifen, dass ihr Handeln Konsequenzen erzeugt, sind auf dem Weg zum Erwachsen werden einen wichtigen Schritt weiter. Die Frage aber, die Sie sich als Ausbilder stellen sollten, ist, was will ich erreichen? Will ich meinem Ärger Luft machen? Will ich Köpfe rollen lassen? Will ich einen Verantwortlichen finden?

Den Verantwortlichen finden

Die letzte der drei Fragen ist die interessanteste? Sie wollen einen Verantwortlichen finden? Am liebsten natürlich Jan, der erkennen soll, dass er verantwortlich ist. Ich rate zu einem mutigeren Schritt: Übernehmen Sie selbst Verantwortung dafür, dass die Situation so ist, wie sie ist. Stellen Sie sich der unangenehmen Frage: Wie habe ich dazu beigetragen, dass Jan so viel Angst vor Verantwortung hat, dass er sich in die Beschuldiger-Rolle flüchtet und was kann ich tun, damit er lernt, Verantwortung zu übernehmen?

Ich weiß, das klingt schrecklich unangenehm, aber glauben Sie mir, so schlimm ist es gar nicht, wenn Sie darauf achten, sich selbst nicht zu verurteilen. Es beginnt damit, dass Sie sich fragen, was Sie bei Jan erreichen wollen. Dass er künftig dafür sorgt, dass Räume ordentlich zurückgelassen werden. Gut.

Auf die Absicht kommt es an

Witzigerweise müsste er ja dann aber Verantwortung dafür übernehmen. Wie wäre es also, wenn Ihr vorrangiges Ziel wäre: Jan soll lernen, Verantwortung zu übernehmen? Denn das steht vor allem anderen. Wenn sie das verinnerlichen, können Sie Jan ganz anders begegnen als bisher. Ehe Sie mit Jan sprechen, fragen Sie sich ganz bewusst: was will ich mit meinem Gespräch erreichen? Wenn Sie ihr Primärziel klar vor Augen haben, können Sie etwaige Sekundärziele wie Dampf ablassen, einen Schulddigen finden und so weiter tatsächlich hintanstellen. Seien Sie eine Einladung dafür, Verantwortung zu übernehmen.

Wenn Jan andere beschuldigt, stellen Sie klar: Jan, ich möchte jetzt nicht über andere sprechen. Mich interessiert, was dein Beitrag daran war, dass der Raum heute Morgen noch ein Chaos war. Bestehen Sie auf einer Antwort. Wenn Jan darauf beharrt, dass er keinen Beitrag dazu geleistet hat, fragen Sie ihn, wie es sein kann, dass er keinen Beitrag dazu geleistet hat, dass der Raum aufgeräumt wurde. Versichern Sie ihm, dass es Ihnen nicht um Schuld und Strafe geht, sondern um Verantwortung und Entwicklung.

Verantwortung verdient Anerkennung

Laden Sie Jan ein, darüber nachzudenken, was er tun kann, damit er und seine Azubikollegen Räume künftig ordentlich zurücklassen. Und vor allem: Geben Sie ihm Anerkennung dafür, wenn sich verantwortlich zeigt, indem er seinen eigenen Beitrag anerkennt. Damit ermöglichen Sie ihm eine wichtige Lernerfahrung: es lohnt sich, Verantwortung zu übernehmen.

Genau da kommt das eingangs erwähnte Zitat aus dem Dire Straits Song wieder ins Spiel. Wie war das? Wenn ich mit dem Finger auf jemanden zeige, zeigen drei Finger zurück auf mich? Probieren Sie’s aus. Das stimmt tatsächlich. Unsere Anatomie macht uns damit schonungslos darauf aufmerksam, dass es uns rein gar nichts bringt, die Verantwortung bei anderen Menschen zu suchen. Auch die lautesten Beschuldiger sind vor allem eines: machtlos. Wer die Verantwortung immer nur anderen Menschen zuweist, beweist vor allem eines: dass er keinerlei Möglichkeit sieht, einen eigenen Beitrag zu leisten. Das mag bequem sein, machtvoll oder gar stark ist es nicht.

Der wichtigste Lernschritt

Das Leben geizt im Übrigen nicht mit Chancen, genau das zu lernen. Mehr als 30 Jahre nach meinem Vandalismus am Plattenspieler meines Vaters, durfte ich ähnliches erleben. Mein dreijähriger Enkel hatte den Tonabnehmer meines Plattenspielers zerlegt. Mir war sofort klar, wer der Täter war. Natürlich war ich ärgerlich und traurig wegen des Schadens. Mein Primärziel aber war etwas anderes. Ich fragte den Kleinen, ob er meinen Plattenspieler kaputt gemacht hatte. „Kleine Bürste. Putzen“ war seine Antwort. Die unschuldige Offenheit, mit der er es zugab, war so entwaffnend, dass mein Ärger unwichtig wurde. Ich habe ihm gesagt, dass es mich freut, wenn er es zugibt und ihm erklärt, dass der Umgang mit dem Plattenspieler ein Job für Erwachsene sei, weil sie sonst kaputtgehe. Seither bleibt mein Plattenspieler unbehelligt. Und mein Enkel lernt, dass es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen.

Beschuldigen hat nichts mit Größe zu tun

Ich bin überzeugt, dass es keinen wichtigeren Lernschritt gibt. Wenn Sie das im Hinterkopf behalten, werden die Beschuldiger unter ihren Azubis bzw. Mitarbeitern erkennen, dass sich wahre Größe nicht im Beschuldigen anderer, sondern in der Bereitschaft zur Verantwortung zeigt. Und das ist der Job eines guten Ausbilders.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2016

Verantwortung. Great Growing Up.

Rechtfertigung – Märchen mit 1001 Grund

Die Ausgangslage

Rechtfertigung ist ein heikles Thema. Denn wir alle haben jahrelanges Training hinter uns und bemerken meistens gar nicht, wenn wir es tun. Ein Beispiel:  Unser Ausbilder Bernd gibt seinem Auszubildenden Jan einen Auftrag: Er soll doch bitte die Dübel aus dem Testlabor wieder in ihre Behälter einsortieren. Bernd erklärt Jan seinen Auftrag und wendet sich dann wieder anderen Aufgaben zu, im festen Glauben, dass Jan seine Aufgabe erledigen wird.

Als Bernd dann nach einer Stunde zurückkommt, steht Jan noch exakt so da, wie damals, als er den Auftrag entgegengenommen hat: mit den Händen in der Hosentasche. Bernd fragt: „Jan, was ist denn mit den Dübeln?“ Und Jan erklärt: „Also, Ich wusste ja gar nicht genau, wo genau in welche Behältnisse die Dübel reinkommen, und ich konnte auch niemanden fragen, denn alle wirkten so beschäftigt. Und da habe ich mir gedacht, ich warte einfach, bis Sie wieder zurückkommen, und dann mach‘ ich auch keinen Fehler und sortiere die falsch ein.“

Gründe machen nicht glücklich

Bernd hört sich das alles an und weiß vor lauter Begründungen und Rechtfertigungen von Jan erst einmal gar nicht, was er sagen soll. Und folglich sagt er auch nichts. Nur, glücklich und zufrieden wird er damit nicht. Vor allem nicht, wenn sich das wiederholt, wenn er immer wieder diese Situation erlebt, dass er einem Azubi eine Aufgabe gibt, und sie wird nicht erledigt, und es gibt danach eine Unmenge von Erklärungen und Rechtfertigungen.

Rechtfertigungen bringen niemanden voran.
Ungefragte Begründungen sind nichts anderes als Rechtfertigungen.

Warum wird Bernd nicht glücklich und zufrieden, obwohl Jan doch plausible Gründe dafür hat, warum er seine Aufgabe nicht erledigt? Um das herauszubekommen, müssen wir uns anschauen, was genau da passiert. Also: Jan erledigt seinen Auftrag nicht. Und was macht er danach? Er tut, was wir alle jahrelang gelernt haben: Er begründet sein Verhalten. Das haben alle von uns gelernt, spätestens in der Schule.

Warum wir Gründe suchen

Beispiel: Wir sind zu spät gekommen. Lehrer reagieren darauf meistens mit wenig Freude, sondern eher mit Ärger und Unmut. Und was wollen sie von uns wissen:  Warum kommst du zu spät?  Und wir haben gelernt: Je besser unsere Begründung, desto größer die Chance, dass wir straffrei davonkommen, desto eher kriegen wir den Kopf wieder aus der Schlinge. Je besser der Grund, desto harmloser die Konsequenz, desto größer die Gnade, desto größer die Chance auf Straffreiheit. Wer zum Beispiel eine Mutter im Rollstuhl Zuhause hat, hatte damit auch den perfekten Grund, um grundsätzlich straffrei auszugehen.

Aber was war der Lernerfolg? Wir alle haben gelernt: je besser der Grund, desto größer die Chance, ungeschoren davon zu kommen.  Der Lernerfolg war, dass wir irgendwann begriffen haben: Die Gründe sind verantwortlich für unser Verhalten. Nicht wir.

Und genau deshalb wird Bernd unglücklich. Denn Jan ist eigentlich kein Kind mehr, sondern ein Azubi, dem er dazu verhelfen soll, erwachsen zu werden. Aber Jan übernimmt keine Verantwortung für sein Handeln. Jan reicht die Verantwortung weiter an die Umstände. Die sind schuld.

Das Dumme daran ist, dass Bernd – bewusst oder unbewusst - erkennt: Hier ist keine Besserung in Aussicht. Denn eines ist klar: Jan, und jeder andere Azubi auch, wird immer Gründe für sein Verhalten wissen.

Das erinnert mich ein bisschen an ein Zitat, das ich in meiner Zeit als Pfadfinder gehört habe. Das ging ungefähr so:

"Wer etwas nicht tun will, sucht Gründe. Wer etwas tun will, findet Möglichkeiten."

Darin steckt Wahrheit. Wer etwas nicht tun will, sucht Gründe - ich würde sagen – findet Gründe. Wer etwas tun will, findet Möglichkeiten.

Warum wir Rechtfertigung lieben

Aber dummerweise haben wir genau das Gegenteil gelernt. Wir haben trainiert: Ich brauche einen Grund, ich muss mein Verhalten erklären, dann bekomme ich Verständnis, dann gehe ich straffrei aus, wenn ich zu spät komme, wenn ich meine Aufgabe nicht erledigt habe.

Im Laufe der Jahre haben wir uns so daran gewöhnt, dass wir regelrecht verliebt sind ins Begründen, ins Erklären, ins Rechtfertigen. Wir tun es sogar, wenn uns gar niemand danach fragt. Vor einiger Zeit hatte ich einen Klienten hier in der Praxis, der vor einer Lohnverhandlung stand. Er war nicht zufrieden mit dem Angebot, das ihm der Prokurist gemacht hatte. Er wollte mehr. Das war Anlass für ein kleines Rollenspiel in der Praxis.

Wie Gründe unsere Position schwächen

Peter spielt Peter, ich den Prokuristen. Also: Peter kommt in den Besprechungsraum. Kurze Begrüßung, und der Prokurist eröffnet die Verhandlung, vielleicht mit der Frage, ob Peter denn das Angebot annehme. Peter fing sofort an zu erklären, warum das Angebot nicht gut genug sei, schließlich habe er recherchiert, und ein höheres Gehalt sei durchaus üblich, und außerdem habe er zwei Ausbildungen, und sein täglicher, produktiver Ausstoß rechtfertige doch ein deutlich besseres Angebot.

Ich habe Peter daraufhin gebeten, seine Rolle noch einmal zu spielen. Also. Prokurist fragt: Herr Soundso, werden Sie unser Angebot annehmen? Und Peter antwortet so klar wie nötig und so knapp wie möglich: Nein.

Die Kraft der Stille

Einfach nur Nein und sonst nichts. Die darauffolgende Stille muss Peter aushalten. Für ungeübte Menschen ist das nicht einfach. Aber Tatsache ist: Die Stille arbeitet für Peter. Denn auch wenn es wie ein Widerspruch klingt, die Stille hat eine Aussage. Die Stille sagt: Ich habe es nicht nötig, mein Nein zu begründen. Es spricht für sich selbst.

Darin steckt große Kraft, und diese Kraft wird der Prokurist spüren. Deshalb arbeitet die Stille nicht gegen Peter, sondern für ihn. Er muss sie nur aushalten und warten, bis der Prokurist, in dessen Feld der Ball jetzt liegt, eine neue Frage stellt: „Ja, was haben Sie sich denn gedacht?“ zum Beispiel. Und darauf antwortet Peter am besten erneut so klar wie nötig und so knapp wie möglich: „Ich möchte soundso viel Euro.“

Den Ball ins andere Feld spielen

Wenn Peter begründet und erklärt, warum soundso viel Euro absolut gerechtfertigt wären, schwächt er seine Position. In der Stille findet er sein bestes, sein kräftigstes Argument und seinen treuesten Verbündeten. Denn jetzt liegt der Ball erneut im Feld des Prokuristen, der eine unbequeme Frage stellen muss. Dann, und nicht vorher, sollte Peter antworten, warum die Summe passt: „Weil ich es Wert bin.“

Begründungen, vor allem ungefragte Begründungen schwächen unsere Position, weil unser Gesprächspartner bewusst oder unbewusst erkennt, dass wir Gründe nötig haben.

Keine Frage - keine Antwort

Noch ein Beispiel: Eine gute Freundin von mir stand vor einiger Zeit am Check-in-Schalter am Frankfurter Flughafen und wollte nach Amerika fliegen. Der Mann am Schalter warf zunächst einen kritischen Blick auf die Anzeige der Waage und sagte dann: „Sie haben Übergepäck.“

Meine Freundin sagte gar nichts. Was hätte sie auch sagen können? Oh, ich habe nicht darauf geachtet. Oh, das tut mir leid. Oh, können Sie mich dennoch mitnehmen? Oh, können Sie nicht eine Ausnahme machen? Nichts davon hätte ihre Position gestärkt. Sie hat einfach geschwiegen und die Stille für sich arbeiten lassen.

Schließlich hatte der Mann am Schalter ja auch keine Frage gestellt. Also schwieg sie, und die Stille arbeitete für Sie.  Nach kurzer Zeit hat der Mann am Schalter sie einfach durchgewunken. Mit Übergepäck und ohne Aufpreis. Sonderlich gut hat meine Freundin am Frankfurter Flughafen damit vermutlich nicht ausgesehen, vielleicht sogar ein bisschen einfältig. Aber: Gut aussehen ist genau das, was wir wollen, wenn wir uns rechtfertigen. Wir wollen gut sein, o. k. sein. Wir wollen ungeschoren davonkommen, wir wollen keine Strafe, und wir haben gelernt, dass es funktioniert.

Der Ärger bleibt

Als Ausbilder bemerken wir allerdings, dass uns der Ärger bleibt, wenn unser Jan einen Auftrag einfach nicht erledigt und nach einer Stunde immer noch mit den Händen in der Tasche dasteht als wäre nichts geschehen. Und es ist ja auch nichts geschehen. Ausbildern bleiben da nur zwei Dinge: Ärger und Frust, weil sie nicht bekommen, was sie wollen: Menschen, die Verantwortung übernehmen. Wann immer ich mit Ausbildungs- oder Personalleitern spreche, steht Verantwortlichkeit ganz oben auf der Wunschliste dessen, was sie von Azubis wollen.

Verantwortung statt Rechtfertigung

Wir schauen noch mal zu Jan, der die Dübel nicht einsortiert hat. Wie hätte er denn Verantwortung übernehmen können? Klar, Jan hätte seinen Ausbilder Bernd oder irgendjemand anderen fragen können: Welcher Dübel kommt denn in welchen Behälter? Das wäre ein Weg gewesen. Oder hätte einfach anfangen können und später dafür geradestehen, wenn falsche Dübel im falschen Behälter gelandet wären. Beides wäre verantwortlich gewesen, denn im einen Fall hätte Jan dafür Verantwortung genommen, dass er Hilfe braucht und sie sich geholt. Im zweiten Fall, also wenn er einfach angefangen und möglicherweise Fehler gemacht hätte, hätte er dafür gerade stehen müssen, dass er eben Fehler gemacht hat.

Raus aus der Rechtfertigungsfalle

Wie hätte den Jan verantwortlich damit umgehen können, dass er nichts davon getan hat? Gute Frage, nicht? Die lässt sich auch nur schwer beantworten, wenn man in flagranti beim Nichtstun erwischt wurde und mit den Händen in der Hosentasche vor leeren Behälter steht. Also: Was könnte Jan seinem Ausbilder Bernd sagen, ohne sich zu rechtfertigen? Er müsste die Antwort bei sich selbst suchen. Das ist nicht leicht, aber genau darum geht es bei Verantwortung.

Warum hat Jan niemanden gefragt? Vermutlich weil er sich nicht die Blöße geben wollte, als nicht wissend entlarvt zu werden. Wenn er aber genau dafür die volle Verantwortung übernimmt, könntet seine Antwort ungefähr so lauten: Ich habe leider nicht gewusst, welcher Dübel in welchen Behälter kommt und ich habe mich nicht getraut, zu fragen, das war mir zu peinlich. Damit übernimmt Jan Verantwortung. Er steht selbst dafür gerade.

Verantwortung und Rechtfertigung schließen sich gegenseitig aus.
Wer Verantwortung übernimmt, verzichtet auf Rechtfertigungen.

Das bedeutet nicht, dass Bernd jetzt völlig frei von Ärger reagieren wird. Denn die Aufgabe ist nicht erledigt. Aber er kann zumindest erkennen, dass Jan in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen, indem er dafür geradesteht, was er eben nicht getan hat.

Verantwortlichkeit trainieren

Am Horizont der ganzheitlichen Ausbildung taucht jetzt die Frage auf: Wie trainieren wir geradestehen? Das ist beinahe wie Muskeltraining. Geradestehen bedeutet: etwas aushalten. Zum Beispiel Stille oder die unangenehme Aufgabe, die Antwort für etwas bei sich selbst suchen zu müssen. Als Ausbilder würde ich Jan eine Aufgabe geben, die ihn zunächst einmal darin trainiert, für sich selbst gerade zu stehen. Das kann so aussehen: Also Jan, du wirst ab heute dreimal am Tag Nein sagen, wenn deine Azubi-Kollegen irgendetwas von dir möchten. Jan, kannst du mal zur Seite rücken? Nein. Jan, darf ich mal von deinem Brot beißen? Nein. Jan, bekomme ich mal dein Handy? Nein.

Die Spannung aushalten

Auf diese Weise trainiert Jan, die Spannung auszuhalten, die auf eine unangenehme Antwort folgt. Wenn ihn seine Azubi-Kollegen nach dem Grund für sein Nein fragen, darf er begründen. Vorher nicht. Die Stelle auszuhalten ist wie ein Muskeltraining. Am Anfang fällt das sehr schwer, ist beinahe schmerzhaft. Mit der Zeit aber steigert sich unsere Ausdauer.

Sich entschuldigen

Im zweiten Schritt würde ich Jan, wenn er mal wieder mit Begründungen und Rechtfertigung um sich wirft, eine Frage stellen: „Jan, gibt es außer Begründungen noch etwas, das du mir sagen möchtest? Öffnen Sie ihm eine Tür, zu dem, was Rechtfertigungen unnötig macht: sich entschuldigen. Eine Disziplin, die ein wenig aus der Mode gekommen ist. Politiker und Regierungen geben liebe die abstrusesten Rechtfertigungen und Erklärungen ab, ehe einer mutig genug ist, um zu sagen: Es tut mir leid, was ich gemacht habe. Ich finde das ganz schön schade, den Politiker und Regierungen geben damit ein äußerst schlechtes Beispiel.

Vorleben ist besser als enttäuscht werden

Wie wäre es denn, wenn sie als Ausbilder genau das Gegenteil machen? Sie werden künftig vorleben, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, anstatt sich zu rechtfertigen, indem sie hin und wieder Tut mir leid sagen, wenn sie merken, irgendetwas kam nicht gut an oder sie haben einen Fehler gemacht.

Das mag sich komisch anfühlen, vor allem, weil sie ja in der Hierarchie als Ausbilder über den Auszubildenden stehen, aber Ihnen bricht dabei - das verspreche ich - kein Zacken aus der Krone. Im Gegenteil: Sie werden ihre Position stärken, nicht schwächen.

Perspektive verändern

Im dritten Schritt würde ich Jan noch eine Frage stellen: Was kannst du tun, um deine Aufgabe zu erledigen? Damit verändern Sie Jans Perspektive. Er sucht ab dann nicht mehr nach Gründen, er sucht Möglichkeiten. Und er wird sie finden.

Verantwortung kommt von Antwort

Verantwortung übernehmen bedeutet, die Antwort bei sich selbst zu suchen. Wenn in einem Training für Auszubildende ein Teilnehmer zu spät kommt und sich gleich gerechtfertigt und erklärt, was alles passiert ist und damit verhindert hat, dass er pünktlich kommen konnte, schicke ich Ihnen in der Regel noch einmal aus dem Zimmer. Ich bitte ihn, wieder herein zu kommen und folgendes zu sagen: „Guten Morgen, tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin.“ Und sonst nichts. Danach frage ich den Azubi, welche Position sich stärker anfühlt. Die der Rechtfertigung? Oder die des sich Entschuldigens? Die Antwort ist klar. Wer sich rechtfertigt, macht sich schwach. Wer Verantwortung übernimmt, zeigt Stärke. In der Regel applaudieren dann die anderen Teilnehmer. Und das dürfen sie auch. Ihrem Azubi und sich selbst.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2016

Verantwortung. Great Growing Up.

Rückzug – ab ins Schneckenhaus

Die Ausgangslage

Wenn sie Gärtner sind, kennen Sie das: Ihre natürlichen Feinde sind – die Schnecken. Und da gibt es zweierlei Sorten. Die einen stören Sie vermutlich gar nicht. Vielleicht freuen Sie sich ja sogar, wenn sie sie im Garten sehen, das sind die Weinbergschnecken mit ihrem schönen, schneckenartigen Schneckenhaus. Die anderen sind die, die die meisten von uns eher als eklig empfinden: das sind die Nacktschnecken. Ja, genau die, die Ihren Salat fressen und die sogar eingefleischte Vegetarier dazu bringen, mit der Schere grausame Rache zu üben und ihren Salat zu verteidigen.

Was hat das jetzt mit Azubis zu tun? Gar nicht mal so wenig. Um die Weinbergschnecken in Ihrem Betrieb geht es heute. Das sind die Azubis, die nicht überall auffallen, überall laut geben, sich permanent zeigen müssen, und von sich reden machen. Das ist zunächst einmal sehr angenehm, weil wir davon ausgehen: Um die, die nicht auffallen, müssen wir uns nicht kümmern. Und tatsächlich gibt es Menschen, die nicht auffallen, um die wir uns nicht kümmern müssen. Zum Beispiel Michael.

Stille Schaffer

Michael ist das, was wir im Südwesten einen stillen Schaffer nennen. Das heißt, Michael kommt so gut wie immer morgens pünktlich, er macht seinen Job, er verursacht keinen Ärger, spricht nicht mit vielen, er zeigt sich auch nicht, er ist auch nicht der erste oder zweite, der sich meldet, wenn es Aufgaben zu verteilen gibt. Michael ist eigentlich

Wer im Schneckenhaus ist, will dort auch bleiben.
Menschen im Schneckenhaus sind nur sehr schwer zu erreichen.

ganz zufrieden, wenn sein Leben so ist, wie es ist und vor allem wenn es so bleibt, wie es ist.

Er zeigt sich nicht, er fällt nicht auf, er macht einfach seinen Job. Zuverlässig, pünktlich, vielleicht ein bisschen langweilig, aber irgendwie auch ohne Probleme.

Jetzt kommt die gute Nachricht für alle Ausbilder: Um einen Michael müssen Sie sich nicht besonders kümmern. Denn Michael macht Ihnen und seinen Kollegen kein Problem. Michael macht seinen Job, und gut. Abgehakt. Wunderbar. Also eine Weinbergschnecke die uns keinen Ärger macht. Jetzt gibt es aber auch andere, wie zum Beispiel die Sabine.

Stille im Schneckenhaus

Sabine ist auch eine Auszubildende, wie immer ein fiktives Beispiel hier im Great Growing Up Podcast, Sabine macht auf den ersten Blick das gleiche wie Michael: Sie macht ihren Job. Sie ist still, und wenn es Aufgaben zu verteilen gibt, ist sie nie die erste und auch nicht die zweite, und manchmal meldet sie sich gar nicht. Sabine macht ihren Job. Wir wissen nicht, wie es ihr geht, denn Sabine teilt sich nicht mit. Und da beginnt auch schon das Problem. Es entsteht eine Lücke, eine Lücke der Ungewissheit. Wir wissen nicht, wie es Sabine geht, und wir haben keine Ahnung, was in ihrem Schneckenhaus vorgeht.

Wer sich ins Schneckenhaus zurückzieht, will schweigen.
Nicht alle, die schweigen, haben nichts zu sagen.

Ein Problem wird das dann, wenn Sie feststellen, dass ihr Umfeld in irgendeiner Form auf Sabine reagiert. Ihr Umfeld sind zunächst einmal die anderen Auszubildenden. Wenn sie als Ausbilder feststellen: Da wird gewaltig gelästert über die Sabine, da gibt es gewaltigen Unmut über sie, da gibt es Beschwerden, spätestens dann werden sie etwas unternehmen müssen. Denn sie kommen an dem Punkt, wo ihr betrieblicher Frieden in Gefahr ist.

Sabine macht Ärger. Witzigerweise macht sie Ärger, in dem sie überhaupt nichts macht. Sie macht ihren Job, o. k., aber: sie verursacht keinen Konflikt. Stimmt das?

Eben.

Der Konflikt

Sabine verursacht auf eine höchst unauffällige Art und Weise einen Konflikt, der uns früher oder später auffällt. Denn Sabine teilt sich nicht mit, und keiner weiß, was in ihrem Schneckenhaus tatsächlich vorgeht. Das sorgt für Unmut bei den Kollegen, das sorgt für Unsicherheit bei den Kollegen, und irgendwie weiß keiner so recht, was er mit Sabine anfangen soll. Vielleicht ist es sogar so, dass Sabine die anderen nervt. Denn so richtig macht sie ihren Job eben doch nicht. Irgendwie bleibt immer etwas liegen. Irgendwie muss man Sabine immer etwas hinterher räumen. Vielleicht sieht ihr Schreibtisch aus wie Sau, und es gibt einfach Grund sich über sie aufzuregen.

Das ist der Punkt, worin sich Sabine von Michael unterscheidet. Den Michael macht seinen Job. Und er macht keinen Ärger. Wir bekommen zwar nichts von ihm mit, aber das ist auch kein Problem. Weder für uns als Ausbilder, noch für die anderen Azubis, noch für die anderen Mitarbeiter. Bei Sabine ist das anders.

Warum Klopfen nichts bringt

Was kann ein ganzheitlicher Ausbilder, der sich dem Begriff ganzheitliche Ausbildung tatsächlich verpflichtet fühlt, tun, um Sabine aus ihrem Schneckenhaus zu locken? Nehmen wir mal die Standard Methode: ohne großes Nachdenken einfach mal tun, was uns logisch erscheint. Wir fordern Sabine auf: Mensch Sabine, mach doch endlich mal den Mund auf, zeige dich, wir sind interessiert daran, zu erfahren, wie es dir geht. Das machen wir möglichst regelmäßig und möglichst oft und am besten mit steigender Intensität. Das heißt: wir hämmern und klopfen an Sabines Schneckenhaus.

Wer aufs Schneckenhaus einhämmert, richtet nur Schaden an.
Ob Nuss oder Schneckenhaus - der Hammmer ist das falsche Werkzeug.

Jetzt wird es Zeit, dass wir uns wieder mal daran erinnern, wie sich so eine handelsübliche Weinbergschnecke verhält, wenn wir an ihr Schneckenhaus klopfen. Richtig, sie zieht sich immer weiter in ihr Schneckenhaus zurück und wird alles tun, nur nicht das, was wir von ihr wollen. Sie wird sich nicht zeigen. Und wissen Sie was? Sabine wird das als geübte Weinbergschnecke genauso tun.

Wenn wir diese Frage in unserem Kopf hören, oder wenn Sie uns vielleicht jemand stellt, ist das ein guter Moment. Denn dann sind wir einen Schritt weiter. Daraus ergibt sich die nächste – wichtiger – Frage. Warum um alles in der Welt will Sabine in ihrem Schneckenhaus bleiben und sich nicht zeigen? Das ist, wie gesagt, die entscheidende Frage, aus der sich alles andere ergibt. Warum wollen bestimmte Menschen sich auf keinen Fall zeigen?

Angst vor der Außenwelt

Die Antwort darauf hat mit etwas zu tun, worüber wir in unserer westlichen Kultur nur sehr ungerne sprechen: Sabine und alle anderen Weinbergschnecken haben Angst, sich zu zeigen. Jetzt ist uns das bei der Weinbergschnecke ja völlig klar: Die hat Angst um ihr Leben. Aber wovor, um alles in der Welt, soll denn, bitteschön, Sabine und jeder andere Azubi, der sich gerne in sein Schneckenhaus zurückzieht, Angst haben? Und warum überhaupt Angst haben? Wir sprechen ja höchst ungern über Angst. Wir können, wenn wir guten Willens sind, eingestehen, dass jemand wie Sabine unsicher ist und sich einfach nicht gerne zeigt. Doch wenn wir das zu Ende denken, ist das auch nichts anderes als Angst.

Sabine hat Angst sich zu zeigen. Warum? Menschen haben Angst davor, sich zu zeigen, wenn sie Angst davor haben, abgelehnt zu werden. Sabine hat nicht wirklich Angst davor, gefressen zu werden, aber sie hat Angst davor, auf Ablehnung zu stoßen. Sie hat Angst davor, sich zu zeigen, weil irgendjemand ihr bestätigen könnte, was sie möglicherweise selbst über sich denkt: Sabine, irgendetwas an dir ist nicht in Ordnung.

Was im Schneckenhaus passiert

Das Schwierige für uns, die wir Menschen ausbilden, ist jetzt, dass sich Sabine dessen möglicherweise überhaupt nicht bewusst ist. Im Gegenteil: Sie wird es abstreiten. Fast niemand, der mit sich selbst nicht im Reinen ist, wird es im Außen einfach zu geben. Das würde ja bedeuten, sich zu zeigen. Und eine Weinbergschnecke zeigt sich nicht, wenn irgendjemand an ihr Häuschen klopft. Was folgert daraus? Als Ausbilder müssen Sie mit Sabine und ähnlich gelagerten Ausbildungskolleginnen und -kollegen äußerst behutsam vorgehen. Klopfen, Hämmern, Zerren, Fordern wird sie nicht ans Ziel führen, denn Sabine will nicht raus aus ihrem Schneckenhaus.

Wie erreichen Sie als Ausbilder jetzt Sabine? Wie gesagt, Sie werden behutsam vorgehen müssen. Und wie machen Sie das? In dem Sie sich erst einmal in voller Bedeutsamkeit der Tatsache bewusst werden, dass Sabine genau das nicht will, was Sie sich so sehr von ihr wünschen: Sie will ihr Schneckenhaus nicht verlassen, denn sie hat Angst, sich zu zeigen. Sabine denkt, dass es viel zu riskant ist, sich zu zeigen. Weil sie eins auf den Deckel kriegt, weil sie ausgelacht wird, weil sie sich blamiert, weil sich selbst bloßstellt, weil sie in irgendeiner Form Ablehnung erfährt.

Wie man Schnecken aus ihrem Haus lockt

Wenn Sie als Ausbilder erreichen wollen, dass Sabine als Mensch in Erscheinung tritt, werden sie genau das tun müssen, was Sie sich von Sabine wünschen. Sie werden vorleben  müssen, was das Gegenteil von Rückzug ist. Und was ist das Gegenteil von Rückzug? Nein, ich meine nicht Angriff. Was ist das Gegenteil von Rückzug in Beziehung? Sich mitteilen.

Wer Beziehung erschafft, lockt Menschen aus ihrem Schneckenhaus.
Hilfreich: Beziehung herstellen in informellem, vertraulichem Rahmen.

Ich würde Ihnen empfehlen, suchen Sie das Gespräch mit Sabine in einem Raum, der ungefährlich ist. Mit Raum meine ich eine für Sabine ungefährliche Umgebung. Das heißt, möglichst wenig, am besten gar kein Publikum. Fangen sie an, Sabine auf Ihre Seite zu ziehen, in dem Sie mit ihr reden, ohne dass andere Azubi Kollegen, andere Mitarbeiter oder gar Chefs mit an Bord sind. Sprechen Sie allein mit Sabine und beginnen Sie, von sich selbst zu sprechen. Dann leben Sie vor, was Sie sich von Sabine so sehr wünschen. Sprechen Sie darüber, wie es Ihnen geht, darüber, was Sie gerade durchmachen. Zeigen Sie so viel von sich selbst, wie nötig oder wie es angemessen erscheint.

Mitteilen wirkt Wunder

Sprechen Sie darüber, wie es Ihnen mit Sabine geht, aber ohne Vorwurf. Sprechen Sie darüber, dass sie sich wünschen, hin und wieder mal ein bisschen mehr von ihr zu erfahren. Und laden Sie sie ein, kleine Schritte zu gehen. Fordern Sie nicht zu viel und geben Sie einfach ein bisschen mehr von sich selbst Preis als sie es ohne diese Herausforderung tun würden. Sie gehen damit kein besonders großes Risiko ein, denn Sabine wird sich anderen Menschen ohnehin nicht mitteilen, solange sie noch in ihrem Schneckenhaus sitzt.

Indem sie vorleben, dass sich ein Ausbilder zeigen kann, ohne Angst vor Blamage oder Ablehnung zu haben, geben Sie Sabine ein Beispiel dafür, dass es sich lohnen kann, sich selbst zu zeigen.

Und ja, es geht nicht nur darum, Sabine mit Samthandschuhen anzufassen. Es geht auch nicht darum, sie zu ignorieren und wieder in ihr Schneckenhaus zurück zu lassen. Es geht darum, sie zu fordern. Aber auch da empfehle ich Ihnen, verzichten Sie auf alles, was irgendwie wie Brechstange wirkt. Sabine wird beim leisesten Anflug von Hämmern und Klopfen wieder zurück in ihr Schneckenhaus kriechen. Und dann können Sie wieder von vorne anfangen.

Schnecken fragen nicht nach Hilfe

Ich empfehle Ihnen, stellen Sie Sabine vor kleine, behutsam ausgewählte Herausforderungen, wo sie sich zeigen muss. Geben Sie Ihre Aufgaben, wo sie sich in kleiner Runde präsentieren muss und übertragen Sie Ihr Verantwortung in überschaubaren Rahmen. Bringen Sie sie dazu, dass sie Führung übernehmen muss. Aber bitte immer in überschaubarem Rahmen. Überfordern Sie sie nicht, denn Überforderung ist genau das, wovor Sabine am meisten Angst hat. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb sich Sabine ihren Kolleginnen und Kollegen gegenüber nicht mitteilt.  Denn Sabine kommt nicht immer zu Ende mit ihren Aufgaben, sie lässt Dinge liegen, wird als unzuverlässig und schlampig wahrgenommen. Warum? Weil Sabine den einen Schritt nicht gehen kann, den es braucht, um Hilfe zu erhalten: nach Hilfe zu fragen.

Weinbergschnecken tun so etwas nicht, denn ich müsste mich ja zeigen mit meinem Unvermögen, mit meiner Unfähigkeit, die Aufgabe allein zum Abschluss zu bringen. Das macht eine Weinbergschnecke nicht, denn das würde bedeuten, sich im Unvermögen zu zeigen. Und glauben Sie mir, das ist das letzte, was Sabine und alle anderen Weinbergschnecken tun wollen.

Der Weg aus dem Schneckenhaus

Sie werden Sabine darin trainieren müssen, den einen Ausweg aus dem Drama, der für Sabine so wichtig ist, zu üben: Frage nach dem, was du brauchst. Oder auf Sabine bezogen: Bitte um Hilfe. Viele Menschen, insbesondere die klassischen Weinbergschneckentypen, haben große Angst davor, um Hilfe zu bitten. Denn um Hilfe bitten bedeutet, ich zeige mich damit, dass ich es nicht alleine schaffe. Aber gerade darin liegt Sabines großes Problem. Denn ihre Umgebung ärgert sich über Sabine und ihre Nachlässigkeit.

Das Training

Also: trainieren Sie Sabine darin, nach Hilfe zu fragen. Wie tun Sie das? Am besten, indem Sie es vorleben. Sie fragen Sabine um Hilfe. Sie fragen Sabine: „Hey, ich habe da eine Gruppe von neuen Auszubildenden, denen müsste ich mal zeigen, wie man dieses oder jenes erledigt, kannst du mich bitte darin unterstützen? Ich habe nicht genügend Kapazität, um diese Aufgabe alleine zu erledigen."

Neue Referenzpunkte schaffen

Das wäre doch mal eine Idee, um Sabine aus dem Schneckenhaus zu locken. Locken ist das Wort, das Sie sich merken sollten. Denn Hämmern, Klopfen und Ziehen nützen nichts. Locken Sie Sabine aus ihrem Schneckenhaus heraus. Verhelfen Sie ihr zu positiven Erfahrungen, damit sie einen Referenzpunkt dafür bekommt, dass es sich lohnen kann und sogar Spaß machen kann, aus dem Schneckenhaus herauszukommen. Weil sie Erfolg erleben wird. Wenn sie Sabine und anderen Weinbergschnecken Erfolgserlebnisse verschaffen, verhelfen sie ihnen zu einem Referenzpunkt, der ihnen erlaubt, dieses Risiko weiterhin einzugehen.

Denn darum geht es letztendlich, wenn sie ganzheitlich ausbilden. Bringen Sie junge Menschen und Weinbergschnecken dazu, ihre Bequemlichkeitszonen zu verlassen. Denn nur außerhalb der Bequemlichkeitszone findet Entwicklung statt. Bequemlichkeitszone ist das vornehme Wort für Schneckenhaus. Und im Schneckenhaus findet kein Wachstum statt.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2016

Verantwortung. Great Growing Up.

Groll – Vielsagendes Schweigen

Auf Unauffällige achten

Haben Sie schon mal erlebt, wie Rettungsdienstmitarbeiter in Katastrophenfällen entscheiden, wem sie zuerst helfen? Sie machen etwas, das vielen Menschen auf den ersten Blick seltsam oder sogar grausam erscheint: Sie kümmern sich zuerst um die stillen und ignorieren jene, die laut schreien. Der Grund dafür ist simpel: Wer schreien kann, hat noch vergleichsweise viel Lebenskraft.  Die Stillen sind möglicherweise nicht mehr bei Bewusstsein und schweben vielleicht sogar in Lebensgefahr. Das ist ungefähr so, als würden wir einen schlafenden Vulkan völlig ignorieren. Dabei kann uns die geballte Ladung in seinem Inneren richtig Ärger machen. Ich spreche von Groll.

Von Rettungskräften lernen

Was das mit Ihren Auszubildenden oder Mitarbeitern zu tun hat, fragen Sie? Mehr als Sie vielleicht glauben.

Groll ist stiller Ärger.
Rettungskräfte schauen grundsätzlich zuerst nach den Stillen.

Zugegeben: Längst nicht jede Abteilung gleicht einem Katastrophen-Gebiet. Aber aus der Vorgehensweise von Rettungskräften können wir dennoch etwas lernen. Denn in der Regel gehen wir genau andersherum vor: Wir teilen unsere Auszubildenden bewusst oder unbewusst in zwei Gruppen ein: die Auffälligen und die Unauffälligen.

Dabei folgen wir einem unbewussten, beinahe schon mechanischen Auswahlprozess: Was einen Reiz in unserem Gehirn auslöst, fällt uns auf, wird auffällig. Wir reagieren schnell auf optische Reize, etwa auf Azubis, die sich unangemessen oder sogar provokativ kleiden, auf einen ärgerlichen Gesichtsausdruck, auf rollende Augen, auf eine gerümpfte Nase. Wir reagieren auch auf akustische Reize: auf Azubis, die sich beschweren, die jammern, nörgeln, klagen, sich rechtfertigen oder andere beschuldigen. Und wir übersehenen die Stillen.

Das ist typisch Mensch: Was keinen Reiz auslöst, wird unter ungefährlich, unwichtig, unproblematisch eingeordnet. Solange die Stillen brav ihren Job machen, glauben wir: Die funktionieren, mit denen habe ich keinen Ärger, bei denen ist alles in Ordnung.

Das ist bequem, weise ist es nicht. Denn in Wirklichkeit wissen wir nicht, was in den Stillen vorgeht. Aus einem ganz einfachen Grund: Weil sie still sind. Sie teilen sich nicht mit. Sie sind wie getauchte U-Boote. Solange sie sich nicht mitteilen, wissen wir noch nicht einmal, ob sie Freund oder Feind sind, ob wirklich alles in Ordnung ist, oder ob es ein Problem gibt, von dem wir noch gar nichts wissen. Deshalb schauen die Rettungskräfte zuerst nach den Stillen und genau deshalb sollten Ausbilder das auch tun.

In Stille gehütet: der Groll

Die Stillen lassen sich in drei Gruppen einteilen: die Zurückgezogenen, die zu viel Angst haben sich zu zeigen. Die Beleidigten, die nicht wissen, wie sie anders mit ihrem Schmerz umgehen sollen. Und die Groller, die ihren Ärger hüten wie einen kostbaren Schatz.

Um die letzte Gruppe geht es heute: Um Azubis bzw. Mitarbeiter, die einen Groll gegen jemanden hegen. Die Formulierung ist, wie so oft im Deutschen äußerst präzise. Wir hegen Groll gegen jemanden. Das bedeutet, ta

tsächlich, dass wir ihn hüten, uns um seinen Erhalt bemühen. Aber was genau ist Groll?

Groll - eine Definition

Unser aller Internet-Lexikon Wikipedia hat da nur eine kurze Antwort zu bieten: Groll ist langanhaltender Zorn, heißt es da. Aha. Zorn ist eine starke Form von Ärger. Und Groll ist die langanhaltende Version davon. Was uns Wikipedia nicht mitteilt, ist der Grund für lange Dauer, über die wir unseren Groll hegen und manchmal sogar pflegen.

Groll findet seinen Weg.
Groll ist aufgestauter Ärger. Irgendwie und irgendwann muss er raus.

Wenn wir wissen wollen, was der natürliche, angeborene Umgang mit Ärger ist, gibt es keine besseren Lehrmeister als Babys und Kleinkinder. Wenn die ärgerlich sind, teilen sie sich mit: lautstark und direkt. Zumindest solange man sie lässt und ihnen nicht verbietet, sich mitzuteilen.

Warum wir Groll hegen

Die meisten Menschen, die ich kenne, haben genau das erfahren: irgendwann wurde uns beigebracht, dass es sich nicht schickt, Ärger zu äußern. Denn Ärger ist laut, stört die angebliche Harmonie, Ärger erschrickt andere Menschen, ist intensiv, wirkt nicht selten aggressiv und macht deshalb vielen Menschen Angst. Ärger kann verletzen, ärgerliche Menschen werden als hässlich wahrgenommen, Ärger ist einfach bäh. Schluss mit ärgerlich.

Das ist – pardon – nur auf den ersten Blick ärgerlich. In Wirklichkeit ist es tieftraurig. Denn es erschafft eine Illusion, von der wir uns gerne täuschen lassen: wer schweigt, macht uns keinen Ärger, denken wir. Und das ist ein Irrtum.

Wenn Menschen laut schweigen

Denn Schweigen kann ganz schön laut sein. Unheilvoll. So wie Donner oder das dumpfe Beben vor einem Vulkanausbruch. Die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Wenn ein Auszubildender ihnen oder jemandem anderen grollt, merken sie das. Er wird die Nähe des Menschen, gegen den er seinen Groll hegt, meiden. Wenn überhaupt, dann wird er sich nur auf einen eher oberflächlichen Umgang mit ihm einlassen.

Groll entlädt sich oft wie ein Unwetter.
Groll ist wie die Stille vor dem Sturm.

Gehen wir mal davon aus, dass unser fiktiver Azubi Jan einen Groll gegen seinen Ausbilder Bernd hegt. Jan ist verärgert, weil Bernd andere Azubis bevorzugt. Zumindest sieht Jan das so. Wenn es darum geht, Anerkennung zu verteilen, scheint Bernd ihn zu übersehen. Anfangs hat Jan sich noch bemüht, Bernd durch besondere Leistung zu beeindrucken, aber spätestens seit seiner gemeinsamen Projektpräsentation mit seiner Azubikollegin Tatjana ist für ihn klar: Bernd lobt lieber andere. Denn über Jans Beitrag hat Bernd kaum ein Wort verloren, während er von Tatjanas Auftritt hörbar begeistert war.

Für Jan ist der Ofen jetzt aus. Bernd scheint ihn weder zu mögen noch bereit zu sein, seine Fähigkeiten zu würden. Er fasst das in vier knappen Worten zusammen: Der kann mich mal. Das sind Worte, die Jan natürlich nicht ausspricht. Schon gar nicht gegenüber seinem Ausbilder. Aber es sind Worte, die sich tief in Jans Unterbewusstsein eingraben und sein alltägliches Verhalten prägen. Künftig hat Jan für Bernd kein gutes Wort mehr übrig – in seiner Abwesenheit nicht und wenn er vor ihm steht, schon gar nicht. Jan beschränkt seinen Kontakt zu Bernd auf das absolut unvermeidbare Minimum. Er geht ihm aus dem Weg, wo er nur kann. Und allenfalls dann, wenn Bernd außer Hör- und Sichtweite ist, spricht Jan über ihn. Nichts Gutes natürlich. Nur zu gerne würde Jan seine Azubikollegen davon überzeugen, dass Bernd kein guter Ausbilder ist. Das sehe man doch auf den ersten Blick, meint Jan.

Groll als Strafe

Wenn Bernd in den Raum tritt, macht sich Jan so unsichtbar, wie er nur kann. Wenn Bernd Projekte anbietet und Aufgaben verteilt, lässt Jan ihn abblitzen. Soll Bernd doch selbst sehen, an wen er die Arbeit abdrücken kann. Von Jan jedenfalls kann er keine Begeisterung, kein Lächeln, keine Zustimmung und schon gar keinen Beifall mehr erwarten.

Bernd hingegen müsste eigentlich bemerken, dass mit Jan etwas nicht stimmt. Tatsächlich nimmt der Ausbilder sogar wahr, dass Jan anders agiert als früher. Was Bernd nicht erkennt, ist, dass Jan nicht agiert, sondern reagiert – auf sein, also auf Bernds Verhalten. Es braucht Mut, sich dieser Erkenntnis und vor allem den daraus folgenden Anforderungen zu stellen. Denn Bernd müsste sich der Tatsache stellen, dass er möglicherweise einen Teil der Antwort darstellt auf die Frage: Warum verhält sich denn der Jan so seltsam? Diesen Prozess nennt man Verantwortung übernehmen, was tatsächlich nichts andere bedeutet als die Antwort bei sich selbst suchen.

Um diesen Schritt zu wagen, braucht Bernd Mut. Das Dumme ist, dass Jans Verhalten ganz und gar nicht ermutigend oder gar einladend auf ihn wirkt. Der Azubi wirkt abweisend, genervt, verdreht die Augen, wenn Bernd einen Scherz macht, und geht ihm aus dem Weg. Weil wir Menschen ja kreative Wesen sind, haben wir eine spezielle Form des Umgangs mit unangenehmen Zeitgenossen entwickelt: Wir ignorieren sie und blenden alles aus, was stört.

Groll und Ignoranz schaukeln sich auf

Bernd sieht also so gut er nur kann über Jans Verhalten hinweg. Und Jan? Der nimmt sehr wohl wahr, dass ihn sein Ausbilder ignoriert und fühlt sich bestätigt: Bernd hat nur Augen für die anderen, insbesondere für die blöde Tatjana. Jan hat kein Verständnis für Bernds Agieren und übersieht, dass Bernd nur reagiert – auf sein, auf Jans abweisendes Verhalten. In der Mittagspause spricht Jan mit zwei Azubikollegen darüber, wie unfähig Bernd sei und erlebt eine Überraschung. Lukas und Tim sind anderer Meinung. Mit solchen Hohlköpfen, die wie blökende Schafe einfach nur ihrem Ausbilder hinterherlaufen, will Jan künftig nichts mehr zu tun haben. Fortan sehen auch Lukas und Tim auf seiner Deppen-Liste.

Jan treibt sich selbst immer weiter in die Isolation. Es gibt Menschen, die das bis auf die Spitze treiben. Irgendwann sind alle Azubikollegen doof, alle Ausbilder auch, die Freude, die Eltern, die ganze Welt. Wer seinen Groll konsequent hegt und pflegt, wird einsam und bitter. Ich bin immer wieder verblüfft darüber, wie Menschen reagieren, wenn sich herausstellt, dass ihr Nachbar Amok gelaufen ist und wahllos 25 unschuldige Menschen erschossen hat. „Da war so ein ruhiger Mensch, der ist nie unangenehm aufgefallen“, heißt es dann und: „Der hat ganz zurückgezogen und allein gelebt. Wir wussten gar nicht, was der macht.“  Hallo!

Die Unauffälligen sind die, die unsere Aufmerksamkeit brauchen. Natürlich wird nicht aus jedem grollenden Azubi gleich ein Amokläufer. Manche bekommen auch nur Magengeschwüre oder Krebs - das war zynisch, ich weiß - oder sie vergiften einfach nur die Atmosphäre um sich herum. Wenn sie mich fragen, reicht das schon, um das zu tun, was Rettungskräfte im Einsatz tun: Schauen Sie nach den Stillen!

Groll im Drama-Dreieck

Ehe wir dazu kommen, was Sie mit ihrem grollenden Azubi tun können, sollten wir uns einer anderen Frage stellen: Warum um alles in der Welt treiben sich Menschen in die Groll-Isolation?  Das ist eine wichtige Frage. Denn für Außenstehende, die keinen Groll hegen, scheint es keinen sinnvollen Grund dafür zu geben, sich selbst aus der Gemeinschaft wohlwollender Menschen zu schießen. Das aber ist eine Sichtweise. Denn grollende Menschen nehmen Menschen, gegen die sie ihren Groll hegen, ganz und gar nicht als ihnen wohlgesonnen wahr. Im Gegenteil.

Verfolger, Opfer, Retter im Drama
Ohne Lösung: das Drama-Dreieck nach S. Karpman.

Groll ist ein Verhalten, das zu den interessantesten im Drama-Dreieck gehört. Infos zum Drama-Dreieck, dem Konflikt-Modell von Steven Karpman, gibt es in Episode 2 – der Azubi hüpft im Dreieck – Umgang mit Konflikten.

Gehütet wie ein Schatz

Der grollende Jan ist zunächst einmal ein Verfolger. Denn auch wenn er es zumindest Bernd gegenüber nicht ausspricht, ist für ihn klar: Bernd ist schuld. Denn Bernd übersieht ihn und macht damit einen Fehler, den ein guter Ausbilder nicht machen darf. Davon ist Jan überzeugt. Und an dieser Überzeugung hält er fest. So sehr, dass er sie schützen muss. Denn diese Überzeugung ist in der Tat ein wertvoller Schatz für ihn. Der Beleg dafür, dass nur Bernd alleine die Verantwortung dafür trägt, dass die Situation so ist, wie sie ist.

Würde Jan das Problem offen ansprechen, müsste er riskieren, diesen Schatz zu verlieren. Denn Bernd könnte sich erklären oder noch schlimmer sein Bedauern dafür äußern, Jans Arbeit nicht angemessen gewürdigt zu haben. Dann wäre der Wind aus den Segeln und Jans Groll hätte keinen Antrieb mehr. Er müsste anerkennen, dass Bernd ein Mensch ist, der wie alle Menschen Fehler macht, und viel schlimmer: Er müsste anerkennen, dass er sich selbst in die Isolation eines Rechthabers getrieben hat, indem er allen aus dem Weg ging, die nicht bereit waren, mit ihm über Bernd zu lästern. Viel zu gefährlich!

Verfolger, Opfer, Retter

Also hegt Jan lieber weiterhin seinen Groll und tut, so gut er kann, so, als wäre nichts. Vor allem wenn Bernd tatsächlich wagt, sich für Jan und sein Problem zu interessieren, macht der grollende Azubi gute Miene zum bösen Spiel und versichert: „Alles in Ordnung. Kein Problem.“ Es kann sogar sein, dass er Bernd Recht gibt: „Ja, ich bin heute schräg drauf.“ Aber das macht er nur, um ein anderes Ziel zu erreichen. Es heißt: Du hast Recht und ich meine Ruhe. Manchmal macht er das so gut, dass Bernd fast erleichtert ist. Ein bisschen wird Jan damit zum Retter und hat damit munter alle Positionen im Drama-Dreieck durchlaufen.

Das ist interessant und fühlt sich sogar lebendig an, eine Lösung entsteht dabei allerdings nicht.

Das Fünf-Schritte-Programm gegen Groll

Eine Lösung herbeizuführen ist Bernds Aufgabe. Das anzuerkennen ist der erste Schritt. Denn Ausbilder bilden Auszubildende aus – nicht umgekehrt. Um ein Drama aufzulösen, braucht es einen, der bereit ist die Verantwortung dafür zu übernehmen. Völlig in Ordnung, wenn das ein Auszubildender macht. Einen Menschen ganzheitlich auszubilden bedeutet aber auch, nicht bis in alle Ewigkeit darauf zu warten, dass er es endlich tut. Groller können sehr ausdauernd sein. Manche platzen irgendwann, andere nie. In jedem Fall aber vergiften sie die Atmosphäre.

Wenn wir das bemerken, sind wir in der Regel genervt, also ärgerlich. Die herkömmliche Vorgehensweise sieht dann so aus: Bernd knüpft sich Jan vor, konfrontiert ihn damit, wie er seiner Umgebung und vor allem seinem Ausbilder auf die Nerven geht und macht ihm klar, dass das so nicht weitergeht. Damit erreicht Bernd zwei Dinge.

  1. Jan fühlt sich darin bestätigt, dass Bernd ihn nicht mag.
  2. Er treibt ihn noch weiter in die Isolation und in den Groll.

Wir ziehen Bilanz: Bernd nimmt seinen ganzen Mut zusammen, redet Tacheles mit Jan und erschafft so eine Situation, die schlimmer ist als die zuvor. Herzlichen Glückwunsch!

Verantwortung übernehmen

Ein verantwortungsvoller Ausbilder, der sich bewusst ist, was ganzheitlich Ausbilden bedeutet, macht genau das, wovor Jan am meisten Angst hat: Er übernimmt Verantwortung dafür, dass die Situation so ist, wie sie ist. Das ist zunächst einmal nicht mehr als eine Haltung, die allerdings voraussetzt, dass Bernd seinen Ärger nicht dafür nutzt, um Jan schlecht zu machen, sondern dafür, sich für die eigene Verantwortlichkeit zu entscheiden. Die Frage, die er sich dafür stellen muss, lautet: Was habe ich dazu beigetragen, dass die Situation so ist, wie sie ist? Zugegeben: Es wäre viel bequemer, die Schuld einfach Jan zuzuschieben. Mit ganzheitlich Ausbilden hätte das aber nichts zu tun.

Vertraulichkeit sichern

Bernd bitte Jan zum Gespräch. Ich würde das so informell wie möglich machen. „Lass uns mal reden, Jan.“ Am besten in neutraler, aber geschützter Umgebung -  ohne Publikum. Das ist extrem wichtig, denn Bernd muss darauf achten, dass Jan nicht Angst bekommt, sein Gesicht zu verlieren. Heranwachsende Menschen haben davor oft viel mehr Angst als gereifte Erwachsene, die wissen, dass ein Gesicht in aller Regel eh nur eine Maske über der nächsten ist.

Fragen stellen

Bernd stellt Fragen. Glauben Sie mir: Antworten werden überschätzt. Wenn Bernd wissen will, und das sollte er, was in Jan tatsächlich vorgeht, muss er ihn fragen. Behutsam und mitfühlend, aber eben auch verantwortlich und klar: „Hej, ich habe den Eindruck, dass wir beide uns aus dem Weg gehen. Wie siehst du das - habe ich irgendetwas falsch gemacht?“

Geduldig und beharrlich sein

Jan wird seinen Groll-Schatz nicht gleich beim ersten Versuch preisgeben. Bernd muss geduldig und beharrlich dranbleiben und mit gutem Beispiel vorangehen: „Du, wenn ich dich verletzt oder verärgert habe, tut es mir leid. Dann habe ich wohl tatsächlich etwas falsch gemacht.“

Das Gegenmittel: Verzeihen

Egal, ob Jan sich öffnet oder seinen Groll weiter hegen will – Bernd wird vorleben, was er sich von Jan wünscht: Verzeihen. Bernd wird tun, was Rettungskräfte tun: dem Stillen, Unauffälligen seine besondere Aufmerksamkeit widmen, ihm grundsätzlich wohlwollend und positiv begegnen, aber auch mit Klarheit und Offenheit. Die Zeit des Schweigens endet, wenn einer spricht. Wenn beide darauf warten, dass der andere beginnt, dauert es ewig. Und ewig ist zu lange.

Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.

© Matthias Stolla 2016