Niemand mag schlechte Stimmung im Team. Völlig egal, ob sich um Führungsteams, Abteilungen, Projektteams oder um die Kollegen am Nachbartisch handelt. Wir wollen angenehme Gespräche, ein harmonisches, konfliktfreies Miteinander, ein Arbeitsklima, das sachliche Effizienz ermöglicht - störungsfreies Arbeiten. Mit den Kollegen, mit dem Chef oder den Chefs wollen wir am liebsten gut auskommen. Gute Laune am Arbeitsplatz erhöht die Motivation und ist gut fürs Geschäft.
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Wie das Betriebsklima herrscht
Wenn in der Abteilung oder im Betrieb schlechte Stimmung herrscht, wird es schwierig. Im Wortsinne. Vielen Mitarbeitern fällt es schwer, hohe Leistung zu erbringen, wenn das Betriebsklima schwächelt. Denn gerade am Arbeitsplatz zeigt die Art, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen schnell Wirkung: Wir sind entweder motiviert oder frustriert der irgendwo dazwischen. Unser Verhalten wird davon geprägt, wie angenehm oder unangenehm wir unsere Umgebung wahrnehmen. Mitarbeiter registrieren etwaige Veränderungen im Betriebsklima meist unbewusst, aber sie reagieren darauf.
Gute Laune um jeden Preis
Das Betriebsklima ist wichtiger denn je, es darf auf keinen Fall schlecht sein. Da sind sich alle einig: der Chef, die Führungskräfte, der Kollege am Nachbartisch, die übrigen Kollegen in der Abteilung. Alle sollen sich so verhalten, dass produktives Arbeiten bei guter Laune jeder Situation sichergestellt ist.
Situationen statt Probleme
Ein gutes Betriebsklima ist in der Tat wichtig. Vielen Chefs ist es so wichtig, dass sie beginnen, die Sprache im Betrieb darauf auszurichten. Ich kenne Unternehmen, in denen das Wort Problem auf dem Index steht. Es darf in keinem Gespräch vorkommen. Stattdessen sind die Arbeitnehmer aufgefordert, das Wort "Situation" zu verwenden. Es gibt dort auch keine Konflikte zwischen Kollegen, sondern eben nur Situationen. Dahinter steckt der beinahe verzweifelte Wunsch, das Betriebsklima dürfe auf keinen Fall schlecht sein.
Soviel zum Wunsch.
Die Realität sieht anders aus.
1. Wo es Menschen gibt, gibt es Konflikte und damit Emotionen.
2. Wir teilen unsere Emotionen in zwei Gruppen ein: eine positive und eine negative. Genau das ist das Problem und sorgt permanent für schlechte Stimmung im Team.
Menschen verstellen sich
Ein guter Chef weiß, dass sinnlos ist, Konflikte und Probleme mit anderen Worten zu kaschieren. Eine Müllhalde beinhaltet Müll, auch wenn wir sie im politisch korrekten Gespräch lieber Entsorgungspark nennen. Daraus ergibt sich kein Vorteil, auch nicht am Arbeitsplatz. Im Gegenteil: Situationen lassen sich zudem nicht lösen. Probleme und Konflikte hingegen schon. Ein gutes Arbeitsklima ist im Wesentlichen nichts anderes als eine gute Paarbeziehung: nicht frei von Problemen und Konflikten, sondern stabil genug, um ihnen Zeit und Raum zu gewähren. Arbeitnehmern, die sich stets so veralten müssen, als gäbe es weder Konflikte noch Probleme, bleibt nur eine Option: Sie müssen sich verstellen und darauf warten, dass der Kollege nebenan sein Verhalten ändert und damit das Problem lösen wird. Mit Verantwortung hat das nichts zu tun. Und mit gutem Betriebsklima auch nicht.
Kommunikation transportiert Emotion
Dieser Beitrag wird zeigen, dass gerade die als negativ verdammten Emotionen Ärger, Angst und Trauer von unschätzbarem Wert sind, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter lernen sollen, sie verantwortlich zu nutzen. Solange sie das nicht können, werden sie sie verdrängen. Egal, ob sie Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sind. Weil aber kaum ein Mensch seine Kommunikation zu 100 Prozent frei von Emotionen steuern kann, tun wir so, als wäre alles in Ordnung. Während wir innerlich vor Ärger kochen, vor Angst zittern oder einfach nur traurig oder verletzt sind. Genau das erschafft Schlechte Stimmung im Team.
Tricks helfen nicht weiter
Führungskräfte und Mitarbeiter, die Emotionen verdrängen, sind nicht nur leistungs- und entscheidungsschwach, sie kommunizieren vor allem unglaubwürdig. Stimme, Tonfall, Blick, Gestik und Körperhaltung passen nicht zu ihren Worten. Ihre Kommunikation ist unglaubwürdig. Das erzeugt Misstrauen und sorgt für latent schlechte Stimmung im Team. "Drei Tricks wir Sie schlechte Stimmung im Team vermeiden" und ähnliche Patentrezepte helfen da nicht weiter. Ein verantwortlicher und glaubwürdiger Umgang mit Emotion hingegen schon.
13 traurige Poliere
Ich weiß noch, dass ich anfangs ein wenig sauer war auf Holger. Das ist natürlich nicht sein richtiger Name, ich habe ihn erfunden. Die Geschichte allerdings ist wahr. Es ist gar nicht so lange her, da habe ich Holger in einem Training kennengelernt. Zusammen mit zwölf seiner Kollegen. Poliere eines großen Bauunternehmens. Warum war ich sauer auf Holger? Holger saß rechts neben mir und hat sehr skeptisch reagiert, als ich die Runde aufforderte, jeder möge doch einen Aspekt nennen, der ihn traurig macht. Irgendeine Sache im Leben, wo sie wissen, da reagieren sie mit dem Gefühl Trauer.
Emotionen gelten als Privatsache
Holgers spontane und sehr skeptische Reaktion war: „Das ist doch Privatsache!“ Und ich glaube die meisten Menschen, die ich kenne, würden ihm zustimmen. Eine Emotion ist für sie eine Privatangelegenheit, etwas Intimes. Dass Holger trotzdem mitgemacht hat, sogar als Erster, rechne ich ihm hoch an. Er hat, wenn ich mich recht erinnere, kurz darüber gesprochen, dass er Trauer empfindet, wenn ihm nahe stehende Menschen sterben.
Ungewohnte Übung
Viele in der Runde haben ähnliches genannt: Abschied von Menschen, die Sie lieben, der Tod von Menschen, die sie lieben, eben solche Dinge, die Menschen mit Trauer erfüllen. Und ja, die meisten waren nicht gewohnt, in dieser Runde von 13 Teilnehmern, die in der Regel nur sehr wenig miteinander zu tun haben, so offen darüber zu sprechen. Menschen tun das in der Regel nicht.
Kaum einer spricht über Trauriges
Die wenigsten Menschen, die ich kenne sprechen im Job offen darüber, was sie traurig macht, was sie ärgert oder ihnen Angst macht. Ich erlebe, dass Menschen anders mit ihren Gefühlen umgehen. Ich würde sogar sagen, Menschen verschwenden unglaublich viel Zeit und Energie damit, ihre Gefühle eben nicht zu äußern. Vielleicht weil sie Sorge haben, sie könnten so für schlechte Stimmung im Team sorgen.
Drei Gefühle, die wir gerne meiden
Wir tun sehr viel, um sicherzustellen, dass unser Gegenüber nicht bemerkt wie es uns gerade geht. Vor allem wenn es um verletzliche Emotionen geht wie Trauer oder Angst oder auch um Emotionen, die im Business-Kontext nicht gerade beliebt sind, zum Beispiel Ärger. Ich glaube unser Umgang mit dem Gefühl Freude ist etwas entspannter, aber nur ein wenig.
Positiv und negativ – der Anfang vom Übel
Die meisten Menschen, mit denen ich arbeite, teilen diese vier Grundgefühle in zwei Gruppen auf. Eine positive, eine negative. In der negativen Gruppe sind Ärger, Trauer, Angst versammelt, in der positiven findet sich allein die Freude. Ein Hauptgrund, warum ich überhaupt als Trainer arbeite, ist, Menschen eine Idee davon zu geben, dass diese Trennung in zwei Gruppen völliger Nonsens ist und eben nicht dazu führt, dass sie mehr Freude in ihrem Leben haben. Im Gegenteil: Sie ist der Hauptgrund für schlechte Stimmung im Team. Warum bin ich davon überzeugt?
Verdrängung schafft schlechte Stimmung im Team
Erstens gibt es eine simple mathematische Erklärung: Ich kenne niemanden, dessen Leben zu 100 Prozent aus Freude besteht. Aber ich kenne ausschließlich Menschen, die immer wieder Dinge erleben, die Ihnen Angst bereiten, die Sie mit Trauer erfüllen oder die sie schlicht und ergreifend ärgern. Einfach weil das Leben so ist. Und ich sehe wenig Sinn darin, drei dieser Grundgefühle zu stigmatisieren, sie zu negativ zu erklären und dann zu versuchen sie zu verdrängen. Während wir alle dem Gefühl Freude hinterherhecheln und uns dann wundern, wenn wir es doch nicht erreichen. Zum Beispiel weil wir schlechte Stimmung im Team erleben.
Fatale Folgen
Die zweite Erklärung ist, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass gerade im Berufsleben das Verdrängen der angeblich negativen Gefühle Ärger, Trauer und Angst, fatale Folgen hat. Warum glaube ich das? Ich erlebe sehr viele Mitarbeiter, Führungskräfte und Auszubildende, die in Unternehmen mit gut entwickelten Unternehmenskulturen arbeiten. Unternehmen mit gut entwickelten Kulturen sind schneller bereit einen Trainer wie mich zu buchen als Unternehmen, die noch vor sich hin wursteln wie in den 50er, 60er oder 70er Jahren.
Die Kultur des emotionsfreien Umgangs
Ich mag das schon mal sehr, wenn Unternehmen sich Gedanken machen, über den Umgang miteinander, über die Kultur der Mitarbeiter, über die Kultur des Umgangs zwischen der Führungskraft und Unternehmen. Dennoch stelle ich fest, dass ein Gefühl in vielen Branchen auf dem Index steht: und das ist der Ärger.
Ärger scheint nicht mehr gestattet
Es scheint heute in vielen Unternehmen nicht mehr gestattet, dieses Gefühl in irgendeiner Form zum Ausdruck zu bringen. Das hat nicht nur positive Folgen. Natürlich achten die Menschen in solchen Unternehmenskulturen darauf, dass sie nett, freundlich und zuvorkommend miteinander umgehen. Meine Frage ist aber: Was tun sie, wenn sie sich ärgern, was tut eine Führungskraft oder Ausbilder, wenn ein Mitarbeiter oder ein Azubi Regeln bricht, Vereinbarungen einfach nicht einhält und ich als Führungskraft feststelle: Das ärgert mich? Was tue ich, wenn es mir nicht erlaubt ist, diesen Ärger zu äußern?
So tun als ob nichts wäre
Antwort: Ich tue das gleiche wie in meinem privaten Umfeld, wo ich das Gleiche erlebe. Denn Ärger gilt als unschick, Ärger gilt als uncool, als unbeherrscht, als aggressiv, als verletzend, einfach als negativ. Mir bleibt dann nur eins damit zu tun. Ich versuche so zu tun, als wäre ich nicht ärgerlich. Das hat Folgen. Zum Beispiel verbringen Menschen gut bezahlte Zeit in Unternehmen damit sich zu ärgern, aber so zu tun, als würden sie es eben nicht. Ein verlässliches Mittel gegen schlechte Stimmung im Team? Sicher nicht.
Wie im Kindergarten
Eine junge Frau hat mit erzählt, was sie gerade in ihrem Unternehmen erlebt hat. Eine Führungskraft streitet sich mit einem Mitarbeiter. Der Mitarbeiter ist irgendwann genervt und fragt die Vorgesetzte: „Sagen Sie mal, was ist denn eigentlich Ihr Problem?“ Die Vorgesetzte antwortet mit einer kräftigen Aussage: „Ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“
Wer hat das Problem?
Daraufhin der Mitarbeiter: „Ne, ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“ Die Führungskraft: „Nein, ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“ Er: „Nein, ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“ Sie: „Nein, Sie haben ein Problem, ich habe kein Problem!“ das ganze endete damit, dass die Führungskraft ein letztes Mal betonte: „Ich habe kein Problem, Sie haben ein Problem!“, und den Raum verließ. Es hätte noch gefehlt, dass der Mitarbeiter so etwas gesagt hätte wie: „Doch, Sie haben ein Problem, immer einmal mehr!“ Und die übrigen Mitarbeiter im Raum spürten vor allem eines: die schlechte Stimmung im Team
Kampf ums Recht haben
Ich zweifle manchmal an mir selbst wenn ich solche und ähnliche Beispiel in Trainings verwende, weil ich denke, das sei zu konstruiert, zu plakativ, das ist einfach nicht real. Aber der Blick in den Arbeitsalltag zeigt, dass gerade solche Beispiele eher häufiger als selten Menschen beschäftigen. Menschen, die Geld verdienen. Menschen, die etwas andere tun sollten als darum zu kämpfen, wer denn jetzt ein Problem hat und wer nicht. Als darüber zu kämpfen, wer sich darüber ärgert und wer nicht. Als gerade darum zu kämpfen, wer gerade emotional wird und wer nicht.
Keiner will negative Gefühle
Nach meiner Erfahrung gibt es einen Grund warum viele Menschen glauben, die Emotion sei ihre Privatsache. Der Grund ist: Wir wollen nicht in uns hineinschauen lassen. Denn gerade Gefühle wie Trauer oder Angst machen uns verletzlich. Und alle drei angeblich negativen Gefühle, Ärger, Trauer und Angst sind eben als negativ, als Schwäche belegt. Keiner hat Lust als Schwächlich dazustehen.
Emotion lässt sich nicht gänzlich verdrängen
Ich wäre sogar bereit Menschen zuzugestehen, dass sie ihre Emotionen gänzlich unter dem Deckmantel Privatangelegenheit verbergen dürfen. Unter einer Voraussetzung. Und die Voraussetzung wäre: sie müssen es können. Ich kenne allerdings niemanden, dem es gelingt Emotionen gänzlich zu verbergen. Wir tun zwar so, aber abgesehen von Worten, die wir benutzen, klingt die Emotion durch in unserer Stimme, in unserem Tonfall, in der Lautstärke. Die ist sichtbar in unseren Augen, in unseren Mundwinkeln, in unserer Haltung, in unserer Körperhaltung, in unserer Gestik.
Worte sind nicht alles
Wir Menschen sind nicht sonderlich trainiert darin, Emotion gänzlich zu verbergen. Wir benutzen gerne Worte, die das Gegenteil ausdrücken. Unser Körper spricht aber eine andere Sprache. Er spricht die wahrhaftige Sprache. Unser Körper drückt aus, wenn uns etwas bedrückt. Egal mit welchen Worten wir unser Gegenüber davon zu überzeugen versuchen.
Der Körper sagt mehr als 1000 Worte
Unser Körper zeigt, wenn wir uns ärgern, unsere Stimme zeigt es. Unser Körper zeigt uns, wenn wir traurig sind, weil zuhause etwas passiert ist und unsere Stimme zeigt es. Unser Körper zeigt, wenn wir ängstlich an Fingernägeln knabbern oder an der Hosennaht rumzupfen. Unsere Stimme zeigt es. Sie wird hoch und schnell. Unser Puls beschleunigt sich, manche Menschen atmen schneller bei Angst. Welchen Sinn hat es so zu tun, als wäre nichts? Nur um die angebliche Privatsache zu tarnen?
Die Angst vor der Emotion
Ich glaube, außer der Angst davor als Mensch ertappt zu werden, gibt es keinen. Menschen tun, wie gesagt, unglaublich viel, um ihre Emotion zu tarnen. Ich finde das unglaublich bedauerlich, denn abgesehen von solchen Schlagabtauschen wie im Kindergarten, wie ich es gerade eben geschildert habe, bleibt Menschen, die Trauer Ärger und Angst verdrängen wollen, gar nichts anderes übrig, als auch auf ihre Qualitäten zu verzichten.
Qualitäten nutzen
Wie bitte? Hat er gerade Qualitäten gesagt? Qualitäten von Ärger, Trauer und Angst? Ja. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese Qualitäten vorhanden sind. Ich bin überzeugt davon, dass Ärger, Trauer und Angst immense Qualitäten in sich bergen, die wir gerade im Unternehmensalltag nutzen müssen, wenn wir auf der Gewinnerstraße bleiben wollen.
Grund 1 für schlechte Stimmung im Team: verdrängte Trauer
Ein Beispiel: Meine 13 Teilnehmer im eingangs erwähnten Training waren mutig genug davon zu sprechen, was sie traurig macht. Und da ist etwas Interessantes passiert. Erstens war sichtbar, dass nach den ersten zwei Meldungen Empathie entsteht. Nicht nur dadurch, dass der eine Teilnehmer wiederholt hat, was auch der andere sagte. Das kam nicht immer vor. Sondern vor allem dadurch, dass sich die Atmosphäre im Raum veränderte.
Nähe und Verbundenheit
Es wurde stiller, es wurde ein bisschen nachdenklicher. Und dadurch, dass Mitarbeiter A erzählt hat, was ihn traurig macht, hat Mitarbeiter B wahrgenommen: „Oh, das kenne ich. Das macht mich auch traurig.“ Mitgefühl, Empathie war plötzlich im Raum. Trauer wird oft verdrängt, weil wir gerade die Trauer als negatives Gefühl empfinden. Trauer ist das ideale Gefühl, um das Mitgefühl zu erzeugen und damit Nähe und Gemeinschaft zu erschaffen.
Wenn Menschen einander zuhören
Wann immer ich in Trainings mit Belegschaften arbeite, mit Mitarbeitern oder mit Führungskräften, ist die Trauer das Gefühl, das dafür sorgt, dass Menschen einander zuzuhören beginnen, anstatt sich vorzuwerfen, wer denn jetzt ein Problem habe und wer eben nicht.
Verletzlichkeit erfordert Mut
Trauer ist Gefühl, das Menschen miteinander in Verbindung bringt. Und Trauer ist das Gefühl, das Menschen dazu bringt, sich verletzlich zu zeigen. Diese Eigenschaft ist immens wichtig, sie erfordert Mut. Aber sie ist deshalb wichtig, weil gerade die Bereitschaft sich verletzlich zu zeigen die Voraussetzung ist, einander zuzuhören. Zuhören ist das wichtigste Instrument in der Kommunikation.
Grund 2 für schlechte Stimmung im Team: verdrängte Angst
Anschließend habe ich die 13 Teilnehmer gebeten darüber zu sprechen, was ihnen Angst macht. Und auch dabei ist wieder Mitgefühl und eine ganz bestimmte Atmosphäre im Raum entstanden. Denn alle waren von sich selber beeindruckt. Noch nie haben sie darüber gesprochen was ihnen Angst macht. Ey, ich rede von Mitarbeitern einer Baufirma, ja? Von Männer vom Bau. Wenn sie anfangen darüber zu reden, was ihnen Angst macht, dann passiert etwas. Aber was passiert?
Jeder Mensch hat Angst
Was passierte, ist, dass die Mitarbeiter sich wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt wahrhaftig und authentisch wahrgenommen haben. Denn jeder Mensch hat vor irgendetwas Angst. Manche nennen es Sorge, manche nennen es Nervosität, mache nennen es Respekt. Jeder Mensch hat irgendwann mal Angst. Und das ist verdammt gut so. Denn die Angst macht uns vorsichtig. Die Angst ist das Gefühl, den Mitarbeiter einer Firma davon abhält, an eine Stromleitung zu fassen, weil er nicht weiß ob die zuständigen Kollegen dafür gesorgt haben, dass die Spannung abgeschaltet ist.
Qualitäten der Angst
Die Angst ist das Gefühl, das einen Mitarbeiter antreiben kann, wenn er Sorge hat den Zeitplan nicht einzuhalten. Die Angst ist das Gefühl, das einen Mitarbeiter dazu bringt, nie zuvor da gewesene Lösungen zu finden, wenn er vor einem Problem steht, wo keiner eine Lösung weiß. Angst ist Antrieb, Angst macht vorsichtig und achtsam. Angst kann unglaubliche kreative Energien freisetzen.
Verletzliche Gefühle nutzen
Es wäre also nicht schlau, auf die beiden verletzlichen Gefühle Angst oder Trauer zu verzichten. Sie zu verdrängen führt nicht dazu, dass Teams zusammenwachsen. Sie zu verdrängen führt dazu, dass Menschen sich gegenseitig etwas vormachen. So wie das Kindergartenbeispiel. Du hast ein Problem. Nein, du hast ein Problem. Nein, du hast ein Problem. Und so weiter und sofort.
Grund 3 für schlechte Stimmung im Team: verdrängter Ärger
Ich habe die 13 Teilnehmer gebeten darüber zu sprechen, was sie ärgert. Und das war geradezu eine Offenbarung für sie. Weil selbst in der Baubranche scheint es nicht mehr en vogue zu sein über das gefährliche Gefühl Ärger zu sprechen. Mit der Konsequenz, dass Menschen nicht mehr bereit sind Klartext miteinander zu reden. Grenzen zu setzen, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen. Denn das alles braucht eine mehr oder weniger große Portion von dem Gefühl Ärger. Warum ist das so?
Grenzen setzen
Bei Grenzen setzen ist es relativ leicht zu erklären. Wenn ich nicht in der Lage bin meinen Ärger wahrzunehmen, lasse ich mir ziemlich viel gefallen. Das beobachte ich immer wieder, wenn ich Teilnehmer in Trainings dazu auffordere einfach mal gespielt eine Grenze zu setzen. Jemand läuft auf den anderen zu und der andere hat die Aufgabe ihn so zu stoppen, dass der Abstand für ihn OK ist. In der Regel reagieren die Teilnehmer, wenn sie überhaupt reagieren, viel zu spät und der andere Teilnehmer steht ihnen Nase an Nase. Niemand will gegenüber fremden Menschen so nahe stehen. Niemand will den Atem eines anderen riechen, niemand will beim Sprechen angespuckt werden.
Wer keine Grenzen setzt, wird gemobbt
Ärger ist inzwischen in unserer allgemeinen Kultur so verdrängt, dass Menschen sich nicht mehr erlauben sich abzugrenzen. Darin liegt der Grund für die Mobbingproblematik. Menschen, die ausstrahlen: „Hey, ich bin in der Lage für mich zu sorgen und STOP zu sagen!“, werden nach meiner Erfahrung nicht gemobbt. Menschen, die aber ausstrahlen: „Ich lasse mir alles gefallen, ich wehre mich nicht“ – die werden gemobbt. Was hat Ärger damit zutun Entscheidungen zu treffen?
Entscheiden heißt Grenzen setzen
Im Grunde ist eine Entscheidung nicht anderes als eine Grenze. Nicht so sehr vor einem Menschen, der mir zu nahekommen will, sondern viel mehr zwischen zwei Alternativen. Wenn ich eine Entscheidung treffe, ob ich nach links oder nach rechts gehe, braucht es eine Grenze gegenüber der Option, die ich nicht will. Wenn ich mich dafür entscheide nach links zu gehen, muss ich nein sagen zur Option „Ich gehe nach rechts“. Wenn ich mich entscheide, ob ich Pizza oder Pasta will, muss ich mich entscheiden welcher Option ich ein NEIN entgegensetze.
Nein sagen und entscheiden
Dafür brauche ich eine kleine Portion Ärger. Ich weiß, dass das nicht so überzeugend klingt, wie ich es gerne hätte, aber ich lade sie gerade ein, darauf zu achten, wie ihnen Menschen begegnen, denen es schwer fällt Entscheidung für sich selbst zu treffen. Beobachten Sie mal, wie diese Menschen in der Lage sind, sich abzugrenzen, eine Grenze zu setzen, zu jemandem NEIN zu sagen. Ich behaupte, sie werden feststellen, dass es diesen Zusammenhang gibt.
Zu einem Team zusammenwachsen
Menschen, die keinen Ärger haben, grenzen sich nicht ab. Menschen die sich nicht abgrenzen sind nicht in der Lage Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Die 13 Teilnehmer im anfangs erwähnten Training sind zu einem Team zusammengewachsen, in der jedem klar war, dass er es nicht nötig hat irgendjemanden vorzumachen er habe kein Problem, er sei nie traurig, er habe nie Angst, er sein auch nie ärgerlich.
Mehr Freude im Team
Die 13 Teilnehmer, wie viele andere Teilnehmer in meinen Trainings, sind sich inzwischen im Klaren darüber, dass es wichtig ist, verdammt wichtig ist, gerade die Qualitäten, der angeblich negativen Gefühle zu nutzen. Weil sie eben nicht mehr negativ und nicht weniger positiv sind als die allseits geschätzte Freude. Dafür mach ich meinen Job und dafür bringe ich Menschen dazu darüber zu sprechen, was sie traurig macht, was ihnen Angst macht und was sie verärgert. Damit sie mehr Freude und mehr Klarheit in Ihrem Job haben. Für den Erfolg von Unternehmen.
Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.
© Matthias Stolla 2019