Was es braucht: Manager der Emotionen
Im vierten Teil der Serie zum Thema Beziehungskompetenz geht es um fühlende Manager. Und damit um ein entscheidendes Element der Führungskompetenz. Und nicht zuletzt darum, warum es Manager der Emotionen so dringend braucht. Emotionale Intelligenz und die in Teil 3 beschriebenen Soft Skills sind gerade im Bereich Führung dringend gefragt. Ausgangspunkt dieser Episode ist ein Beitrag von Michael Blochberger, einem Coach, Trainer und Berater, also einem Kollegen von mir. Dessen Beitrag auf business-wissen.de habe ich im Internet gefunden. Er heißt „Plädoyer für die Manager der Emotionen“.
Diesen Beitrag gibt es auch zum Hören als Podcast-Episode.
Alle Artikel zum Thema Beziehungskompetenz gibt es hier.
Alle Jahre wieder: miese Ausgangslage
Das klingt schön: Manager der Emotionen – Manager die fühlen. Mein Kollege Michael Blochberger stellt fest, dass es wiederkehrende Bräuche gibt. Weihnachten zum Beispiel oder aber die Veröffentlichung der Gallup Studie. Die Gallup Studie kommt jedes Jahr. Und in gewissen Punkten ist sie jedes Jahr gleich ausgerichtet: Das Ergebnis ist mies. Zum Beispiel was die Motivation von Arbeitnehmern in Deutschland anbelangt.
Unmotivierte Mitarbeiter
Meist pendelt die Quote von Mitarbeitern , die gern zur Arbeit gehen, um stolze 15 Prozent. Das mag ernüchternd klingen für so manchen Unternehmer, der gerne hätte, dass jeder gerne käme. Tun sie aber nicht. Zumindest die meisten nicht. 70 Prozent machen Dienst nach Vorschrift. Na, immerhin! Bei den verbleibenden 15 Prozent sieht das noch schlimmer aus. Die haben innerlich gekündigt und verhalten sich entsprechend. Das ist alles in allem eine sehr traurige, jährlich wiederkehrende Statistik. Aber: Sie deckt sich im großen und ganzem mit meinen Erfahrungen. Auch mit meinen Erfahrungen als Arbeitnehmer, als Angestellter. Schließlich war ich ja auch Führung ausgesetzt. Mal mit mehr, mal mit weniger gut ausgeprägten Kompetenzen im Umgang in de Führung von Mitarbeitern.
Warum so viele Menschen ungern arbeiten
Ich kann mich an viele Kollegen erinnern, die schon gar nicht mehr drüber nachdachten, ob sie Vorschläge machen könnten, um irgendeinen Prozess zu verbessern. Dann hieß es: „Ach, Matthias, das lässt du mal besser bleiben. Wenn du da was vorschlägst, dann kriegst du nur Ärger. Irgendjemand glaubt, er habe was nicht richtig gemacht und fühlt sich auf den Schlips getreten.“ Das Ausmaß an Nicht-Motivation, an fast schon depressiver Zurückgezogenheit, fand ich schon damals erschreckend. Und ich kenne viele Betriebe, in denen sich heute kaum etwas geändert hat.
Durch Druck wird nichts besser
Im Gegenteil: Je schlimmer der internationale Wettbewerb ist, desto höher der Druck, der an die Mitarbeiter weitergegeben wird: von Führungsebene zur Führungsebene bis ganz unten. Kaum nimmt sich noch jemand Zeit, die Mitarbeiter mitzunehmen, geschweige denn sich in ihre Situation hineinzuversetzen. Und alle wundern sich, dass die Stimmung auf dem Nullpunkt. Und alle bekommen den heiligen Zorn, weil die Motivation nicht so ist, wie sie so manche Führungskraft gerne hätte. Führungskompetenz sieht anders aus.
Erfolgreich gegen den Trend
Was in der Statistik nicht so zum Ausdruck kommt, ist, dass es auch Unternehmen gibt, die anders funktionieren. Unternehmen, die sich nicht nur den Anstrich schöner Unternehmenskulturen geben mit schönen Leitsätzen und Leitideen, die nur bedingt realisiert werden. Es gibt auch Unternehmen, bei denen ist Kultur nicht nur ein Wort. Sie mit Leben zu füllen gehört dort zu den wesentlichen Aufgaben und ist das Kriterium, an dem Führungskompetenzen gemessen werden. Da wird tatsächlich dran gearbeitet, da wird auch Geld und zeit darin investiert, dieses Verständnis von Leadership weiter zu entwickeln. Darin, dass alle Mitarbeiter, von oben bis nach unten, einen Umgang pflegen, der das Miteinander so angenehm wie möglich und die Motivation so hoch wie möglich gestaltet. Ich kenne Unternehmen, gerade hier in der näheren Umgebung, die aus meiner Sicht die Speerspitze bilden.
Alles nur Zufall? Von wegen!
Mein Kollege Michael Blochberger stellt sich die Frage, wie es denn kommen kann, dass in gänzlich vergleichbaren Teams oder Abteilungen völlig unterschiedliche Situationen vorzufinden sind. Im einen hängen die Mitarbeiter durch, Stimmung auf dem Nullpunkt. Keiner hat Bock was zu leisten, maximal Dienst nach Vorschrift. Im anderen herrscht positive Stimmung , die Mitarbeiter erarbeiten Top Leistungen. Alles Zufall? Wohl kaum. beides hängt stark davon ab, welches verhalten sich hinter dem Begriff Leadership verbirgt.
Es mangelt an Führungskompetenz
Zahlreiche Studien beweisen immer wieder, dass es eine Hauptursache für schlechte Arbeitseinstellung, miese Atmosphäre, mangelnde Kommunikation und häufige Kündigungen gibt. Es liegt in aller Regel an den mangelnden emotionalen Qualitäten der Führungskraft. Also in der mangelnden emotionalen Intelligenz und deren Anwendung. Sprich, an einem Mangel an Führungskompetenzen, insbesondere an Beziehungskompetenz.
Ursachen verändern, nicht Umstände
Es gibt viele Unternehmen, die viel Geld für teure Mitarbeiterbefragungen ausgeben, um genau zu diesem Ergebnis zu kommen. Ich kann mich an Führungskräfte erinnern, die, als sie die Ergebnisse vorgelegt bekamen, in Tränen ausbrachen. Und ich erinnere mich an Schulungen und Aktionen, sogar an Investitionen in Kaffeeautomaten und Wasserspender. Letztlich blieb alles beim Alten. Warum? Weil die Führungskräfte ganz oben erkennen mussten, dass auch sie angesprochen waren. Sie hatten aber keine Lust, ihr Verhalten zu hinterfragen. Geschweige denn irgendetwas daran zu ändern. Sie versuchten stattdessen, die Umstände zu verändern. Nicht die Ursachen. Führungskompetenz erfordert mehr Mut als das. Und einen erwachsenen Umgang mit Feedback. Die gute Nachricht: Das kann man lernen.
Die Falschen befördert
Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich mich als Angestellter fragte, wieso ausgerecht die Mitarbeiter mit den schlechtesten sozialen und emotionalen Kompetenzen in Führungspositionen befördert wurden. Das ist vielleicht ein spezifisch deutsches Phänomen, denn wir nehmen bekanntermaßen Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit und Leistung sehr ernst. Und so kommt es, dass in der Regel nicht der emotional intelligente oder sozial kompetente, integrierende Mitarbeiter "in Führung geht". Stattdessen der, der sich in Krisensituationen am meisten abgehärtet hat, der fachlich am kompetentesten ist. Der wird in einem Quickie-Seminar auf Führungsqualität getrimmt wird und dann seinen Kollegen vorgesetzt. Völlig ohne Beachtung der Frage, ob er seinen neuen Aufgaben gewachsen ist. Ich halte das für problematisch, denn ich glaube nicht, dass wir Deutschen damit auf dem internationalen Markt lange bestehen können.
Was wir uns nicht leisten können
Es gibt Völker mit anderen Kulturen, in denen die emotionale Befindlichkeit des Einzelnen weit weniger wichtiger genommen wird als bei uns. Zum Beispiel in Fernost. Dort steht das Kollektiv, die Gemeinschaft mehr im Vordergrund als bei uns. Es geht darum, gemeinsam Aufgaben zu lösen. In unseren mitteleuropäischen, westlich geprägten, individualisierten Gesellschaft werden wir es uns auf Dauer nicht leisten können, unsere Ressourcen, unsere Mitarbeiter auf Dauer emotional zu schädigen. Deshalb ist es auch so traurig, dass die wenigsten inkompetenten Führungskräfte sich ihrer Inkompetenz bewusst sind. Denn Beziehungskompetenz, die wichtigste Säule von Führungskompetenz, lässt sich entwickeln. Sie lässt sich sogar wunderbar trainieren.
Führungskompetenz erfordert Training
Was es dazu braucht, ist ein Mindestmaß an Einsicht für den eigenen Mangel. Das Eingeständnis, dass es noch etwas zu lernen gibt. Wer damit überfordert ist, ist auch als Führungskraft überfordert. Solche Führungskräfte geben in aller Regel den Druck, dem sie selbst ausgesetzt sind, nach unten weiter. Oder sie glänzen durch eine „Mir-doch-egal-Haltung“. Es fehlt ihnen oft an Einsicht, an Klarheit und an dem, was Menschen ausmacht: an Menschlichkeit. Manche scheuen auch die Auseinandersetzung und gehen Konflikten grundsätzlich aus dem Weg. Sie verspielen sich mit Arroganz jegliches Vertrauen ihrer Mitarbeiter. Sie glauben, dass jeder Mitarbeiter nur eine ruhige Kugel schieben und möglichst viel Geld einstecken will. Was sie nicht wissen, ist, was Menschen im Allgemeinen brauchen: Respekt und Akzeptanz. Beides kann eine Führungskraft nur liefern, wenn sie in der Lage ist, sich selbst vorbehaltlos anzuschauen. Dazu gehört ein gerüttelt Maß an Kritikfähigkeit.
Leidenschaft vermitteln
In seinem Buch „Emotionale Führung“ schreibt der US-amerikanische Autor Daniel Goleman: Das Wichtigste, was eine Führungskraft können muss, sei positive Gefühle in Menschen zu wecken. Also Begeisterungsfähigkeit, Leidenschaft vermitteln und ein Gefühl der inneren Sicherheit auf die Mitarbeiter zu übertragen. Wer das als Führungskraft leisten will, brauche sechs Eigenschaften.
Wichtige Eigenschaften
- Vorbildliches, visionäres Auftreten. Vor allem dann, wenn es gilt, das Team für neue Ziele zu begeistern.
- Beratende Kompetenz. Also die Fähigkeit, Mitarbeiter zu fördern und sie mit dem, was das Unternehmen will, in Einklang zu bringen.
- Kommunikation, die Gefühle mitberücksichtigt. Damit ich als Führungskraft die Mitarbeiter integrieren und motivieren kann.
- Die Bereitschaft, einen demokratischen Konsens zu akzeptieren. Damit ich die Zustimmung und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Team beziehungsweise mit dem Unternehmen stärken kann.
- Eine fordernde Einstellung, damit ich das Team zu Bestleistungen bringen kann und dass wir höhere Ziele erreichen.
- Entscheidungskompetenz, die auf Selbstbewusstsein fußt, damit ich in Notsituationen für Klarheit und für Sicherheit sorgen kann.
Zwischen den Extremen
Punkt sechs bringt mich immer wieder zum Schmunzeln, weil ich beide Extreme erlebt habe. Einen Chef, der in erster Linie mit Angst regiert hat, weil unglaublich viele Mitarbeiter Angst vor seinen Wutausbrüchen hatten und vor seiner Forschheit. Wenn sich jener Chef in den Urlaub verabschiedete, ging ein kollektives Aufatmen durch die Belegschaft. Aber schon nach wenigen Tagen wich es einem unangenehmen Gefühl der Unsicherheit. Also einer latenten Form von Angst. Warum? Weil egal, wer den Chef vertreten durfte - keiner der Kandidaten hatte das forsche Auftreten und die selbstbewusste Entscheidungskompetenz. Und wer auch immer in dieser Vertretungszeit eine Frage stellte, musste sich mit einer unklaren Antwort zufriedengeben.
Warum Manager fühlen müssen
Der für mich interessanteste Punkt an diesen sechs Facetten ist, dass es nicht reicht, eine oder zwei Kompetenzen zu beherrschen. Ich brauche alle. Und um das zu können, brauche ich ein hochentwickeltes Bewusstsein für meine eigenen Gefühle. Denn alle sechs dieser Punkte erfordern einen unverstellten Zugang zum jeweiligen passenden Gefühl. Zum Beispiel Punkt eins, das vorbildliche, visionäre Auftreten. Das kann ich nur haben, wenn ich einen bewussten Umgang mit meiner Angst pflege. Denn wann immer ich mich in den Bereich Vision, Neuland begebe, beschreite ich zwangsläufig unbekanntes Terrain. Ich begebe mich auf einen Weg abseits ausgetretener Pfade. Das heißt, ich erfahre Unsicherheit. Ich weiß nicht, ob es klappt. Das damit verbundene Gefühl ist Angst. Damit muss ich als Führungskraft umgehen können, wenn ich visionär auftreten möchte.
Mitgefühl gestaltet Tonalität
Eine beratende Kompetenz, um Mitarbeiter zu fördern, erfordert Mitgefühl. Empathie. Ich muss mich auch in die emotionale Befindlichkeit des jeweiligen Mitarbeiters begeben können, um die richtigen Worte und die richtige Tonalität zu finden. Auch das kann man tatsächlich lernen.
Integrieren und motivieren
Die gefühlsorientierte Kommunikation spricht für sich. Auch dafür brauche ich auch Empathie. Ich muss wahrnehmen können, was gebraucht wird, um Mitarbeiter zu integrieren, beziehungsweise zu motivieren.
Selbstdisziplin ermöglicht Konsens
Die Bereitschaft zum Konsens erfordert Selbstdisziplin. Ich muss auch mal in der Lage sein, meine eigene Meinung, meine eigene Überzeugung hintenanzustellen. Dafür brauche ich eine gute Verbindung zu meinem Ärger. Sie erlaubt es mir, mir selbst Grenzen zu setzten: „Stopp, jetzt geht’s nicht mehr nur um meine Meinung, jetzt beuge ich mich dem Konsens.“ Dazu brauche ich eine kleine Portion Ärger. Manchmal auch eine größere.
Eigenen Ärger für Klarheit nutzen
Die fordernde Einstellung kommt ebenfalls vom Ärger. Ich muss meinen Mitarbeitern auch mal fordernd gegenüberstehen können und in klaren Worten sagen können: „Leute, wir müssen bis zum Ende des Tages, beziehungsweise bis zum Ende der Woche dies oder jenes erreicht haben.“
Ohne ein Nein gibt es kein Ja
Die selbstbewusste Entscheidungskompetenz hat auch was mit Ärger zu tun. Denn Entscheidungen zu treffen ohne Ärger funktioniert gar nicht. Nach meiner Erfahrung sind Menschen, die keine Entscheidungen treffen wollen, in der Regel nur schlecht bis gar nicht mit ihrem eigenen Ärger verbunden. Denn eine Entscheidung zu treffen bedeutet immer, zu einer Option Ja sagen und alle anderen Optionen abzulehnen. Und um etwas abzulehnen, um etwas eine Grenze zu setzten, brauche ich ein Minimum an Ärger.
Akzeptanz führt zu Kompetenz
Wenn ich also diese sechs Facetten unter meinem Hut bringen möchte, muss ich mit meinen Gefühlen einigermaßen ausgesöhnt sein. Vor allem mit den meist unbeliebten: Ärger, Trauer und Angst. Ich brauche ein hohes Bewusstsein dafür, ich muss sie akzeptieren können. Nur dann kann ich sie nutzen, um beziehungskompetent zu werden.
Angst und Druck integrieren nicht
Eine Führungskraft, die aber nur auf Angst, Druck und blinden Gehorsam setzt, wird ihre Mitarbeiter niemals gewinnen. Sie wird auch nicht zu Höchstleistung motivieren. Maximal wird sie sie dazu bringen, dass sie das absolut Notwendige leisten, damit die Drohung nicht Wirklichkeit wird. Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter zu Best- und Höchstleistungen animieren wollen, müssen diese sechs Punkte
1. Vorbildlichen, visionäres Auftreten
2. Beratende Kompetenz
3. Gefühlsorientierte Kommunikation
4. Bereitschaft zum Konsens
5. Fordernde Einstellung
6. Selbstbewusste Entscheidungskompetenz
in sich selbst integrieren. Und das können sie nur, wenn sie selbst ein hohes Bewusstsein für die eigene Gefühlswelt haben. Denn rein kognitiv lassen sich diese Fähigkeiten nicht erlernen. Praktisch erlebbare Führungskompetenz bedarf emotionalen Trainings. In Teil 5 der Serie über Beziehungskompetenz geht es um die besonderen Herausforderungen in unserer zunehmend digitalisierten Welt.
Vorbilder sind gefragt
„Ein guter Manager ist“, so schließt Blochberger, „ein Manager, der anderen als Vorbild dienen kann. Er versteht es, mit seinen eigenen Emotionen umzugehen und weiß auf die Emotionen anderer konstruktiv einzugehen.“ Ich würde ergänzen: Er weiß auch die Qualitäten von Emotionen zu nutzen. Das ist Führungskompetenz. Eine gute Führungskraft, nimmt eigene und fremde Emotionalität wahr, kann sie differenziert benennen und nutzt sie verantwortlich zum Wohl des Teams und des Unternehmens. Egal, ob es sich um Freude, Ärger, Trauer oder Angst handelt. Ein Manager, der diese vier Gefühle akzeptieren kann, nutzt auch ihre Qualitäten:
- Integration & Leidenschaft
- Klarheit und Entscheidungskraft
- Empathie und emotionale Nähe
- Kreativität und Mut
Das ist praktisch gelebte Führungskompetenz. Wer führen will, muss fühlen.
Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.
© Matthias Stolla, 2018