Beziehungsfähigkeit zahlt sich aus
Vielen Unternehmen in dieser Welt stellt sich die Frage: Wie schaffe ich den Spagat zwischen Unternehmenskultur und Mitarbeiterpflege einerseits und dem nackten Business, dem Kohle machen, dem Profiterwirtschaften andererseits. Ganz schlaue Unternehmen haben eine ganz schlaue Antwort auf diese Frage gefunden. Sie haben bemerkt, diesen Spagat gibt es gar nicht. Sie erschaffen mehr Umsatz durch Beziehung.
Von wegen Streichelzoo
Die Beziehungsfähigkeit von Mitarbeitern hängt direkt damit zusammen, wie erfolgreich ein Unternehmen am Markt ist. Das bedeutet jetzt nicht, dass sich jedes Unternehmen einfach so schwuppdiwupp in einen Streichelzoo verwandelt. Wo die Mitarbeiter nur noch lieb und nett zueinander sind. Wo die Vorgesetzten lieb und nett zueinander sind. Oder wo es im Idealfall vielleicht sogar gar keine Vorgesetzten gibt. Nein, das bedeutet es nicht. Denn so ein Unternehmen wird keinen Profit erwirtschaften. Was es dagegen bedeutet, ist, dass Unternehmen, denen es gelingt, als Familie, als Ersatz- oder Zweitfamilie wahrgenommen zu werden, tatsächlich davon profitieren. Sie schaffen mehr Umsatz durch Beziehung. Und zwar in Cent und Euro.
Knallharter Familien-Geschäftsmann
Die Gerhard Sprügel GmbH, ein Mittelständler mit 120 Mitarbeitern im Baden-Württembergischen Hohenlohe ist so ein Unternehmen. Witzigerweise ist Sprügel auch ein Familienunternehmen. Sprügel handelt mit Werkzeug, mit Befestigungstechnik, also Schrauben, mit Bauchemie und mit Haustechnik. Jens Sprügel, 48 Jahre alt, führt das Unternehmen in zweiter Generation. Und Jens Sprügel ist alles andere als ein Weichei. Jens Sprügel ist ein knallharter Geschäftsmann. Allerdings einer, der klipp und klar auf dem Schirm hat, dass die Beziehungsfähigkeit seiner Mitarbeiter von großer Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens ist.
Aufs Umfeld achten
Jens Sprügel ist ein Mann klarer Worte. Manchmal sind es auch markige Sprüche. Neulich z.B. habe ich ihn sagen hören: „Der tollste Beruf bringt gar nichts, wenn du in einem Büro voller Vollpfosten sitzt.“ Da mag ich nicht widersprechen. Was er damit gemeint hat, ist, dass das Umfeld eines Arbeitsplatzes zu 50 Prozent zum wirtschaftlichen Erfolg dieses Arbeitsplatzes und damit auch des Mitarbeiters beiträgt.
Gemeinsame Ausrichtung
Jens Sprügel: „Unter Umfeld meine ich natürlich in erster Linie, dass nicht nur der Job alleine, mit dem was man arbeitet, inhaltlich das Umfeld bedeutet. Sondern vor allem das menschliche Umfeld. Das heißt, die Kollegen, die später mit einem in einer Abteilung, in einem Team, in einem Projektteam arbeiten und Dinge entwickeln. Wenn die sich nicht gut verstehen, wenn die andere Werte teilen, wenn die einfach nicht wissen, wo sie hin wollen, wenn die nicht über Ziele informiert sind, dann kann das dazu führen, dass jemand unzufrieden ist mit seinem Umfeld. So jemand ist auch unzufrieden mit seinem Job und zieht vielleicht irgendwann deswegen mal die Reißleine“.
Wie man den Kampf um Fachkräfte gewinnt
Da sind wir schon mittendrin im Geschäft. Jens Sprügel mag es gar nicht, wenn Auszubildende ihre Ausbildung bei Sprügel abbrechen oder wenn Mitarbeiter die Segel streichen und kündigen. Tatsächlich will und kann sich der 48-jährige gar nicht leisten, dass Mitarbeiter sein Familienunternehmen verlassen. Denn er teilt sich den hart umkämpften Markt um Fachkräfte - und vor allem auch um qualifizierte Auszubildende - mit großen Mitbewerbern. Mit den Weltmarktführern in der Befestigungstechnik: mit Würth und Berner, die im Grunde nur einen Steinwurf entfernt ihre Konzernzentralen haben, im benachbarten Künzelsau.
Harter Kampf in der Provinz
Der Kampf um Auszubildende ist tatsächlich hart in der Provinz im nordöstlichen Baden-Württemberg. In jedem Frühjahr laden Unternehmen sowie ganze Gewerbeparks und Berufsschulen dazu ein, dass sich junge Leute und ihre Eltern über die Berufsbilder in den Unternehmen in Hohenlohe informieren. So auch Sprügel. Der Erfolg ist nicht immer berauschend. Manchmal kommen tatsächlich nur eine knappe Handvoll Interessenten.
Resginierte Mitbewerber
Jens Sprügel hat beobachtet, dass manche seiner Mitbewerber inzwischen schon resigniert haben: Sie nehmen jeden Bewerber, der sich meldet. Egal welche Qualität der Auszubildende zu bieten hat. Einfach so die Flinte ins Korn werfen kommt für Jens Sprügel allerdings nicht in Frage. Er stellt hohe Erwartungen an potenzielle Auszubildende und Mitarbeiter. Er will mehr Umsatz durch Beziehung.
Der Wertekatalog
Jens Sprügel: „Ehrlichkeit, das ist für mich eines der wichtigsten Werte. Wer ehrlich ist, auf den kann man sich verlassen. Zuverlässigkeit ist deswegen der zweite der wichtigsten Werte. Dass man sich auf jemanden verlassen kann, ist vor allem für die Kunden unwahrscheinlich wichtig. Wer zuverlässig ist, handelt oft nachhaltig. Nachhaltigkeit ist der dritte Wert bei uns. Da geht es eigentlich um das gesellschaftliche Miteinander, das Umeinander. Beim Umeinander, da sind wir beim Bitte und Danke, wie man miteinander umgeht. Das ist auch etwas, wie herzlich man miteinander umgeht. Das heißt wie familiär man das Ganze sieht. Dass man den Kunden am Schluss begeistern kann. Das sind unsere sechs Werte, und damit schaffen wir es, die drei bis vier Generationen, die wir unter einem Dach bei uns beherbergen, auch gemeinsam dazu zu bekommen, dass sie an einem Strang ziehen. Also der 60-jährige, der bald in Rente geht, und der junge Student wissen, wie sie miteinander umgehen müssen, sollen und dürfen.“
Unternehmen als Trainingsfeld
Das Erwartungsprofil des 48-jährigen Gesellschafters und Geschäftsführers ist kein allzu unübliches. Viele Unternehmen erwarten von Auszubildenden und Mitarbeitern Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Klar ist aber auch, dass Auszubildende, die diese Schlüsselqualifikationen mitbringen, nicht auf Bäumen wachsen. Sie erlangen sie nicht automatisch Kraft Amtes, beispielsweise mit der Volljährigkeit oder mit dem Schulabschluss. Auch bei Sprügel wird durchaus bemerkt, dass vielen jungen Leuten wichtige Schlüsselqualifikationen fehlen. Gerade deshalb versteht sich Sprügel als einen Betrieb, in dem junge Menschen reifen und gerade diese wichtigen Qualifikationen trainieren dürfen. Deshalb hat Jens Sprügel etwas initiiert, was auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich für ein reines Wirtschaftsunternehmen erscheinen mag: Die Azubis im ersten Lehrjahr kümmern sich um Bienenvölker.
Was Azubis von Bienen lernen
Die Betreuung der Bienenkörbe im nahen unternehmenseigenen Tagungshaus gehört zur Ausbildung. Ebenso die Mitarbeit in einem therapeutischen Reiterhof. Neben dem sozialen Engagement und dem Miteinander will Sprügel damit vor allem eins an die jungen Leute heranbringen: Zum einen die Verantwortlichkeit. Erst wenn ich etwas tue, wenn ich die Bienen aktiv betreue, kann ich tatsächlich auch Honig ernten. Aber auch den Umgang mit Trauer und Frust. Denn am Ende der Saison werden Bienen sterben. Der verantwortliche Umgang mit Tod, Abschied und Misserfolg und mit Trauer ist ganz bewusst Teil dieses Azubiprojekts bei Sprügel. Er trägt dazu bei, das Ziel zu erreichen: mehr Umsatz durch Beziehung.
Hart, aber herzlich
Der Geschäftsführer ist ein handfester Hohenloher. Dass auf seiner Erwartungsliste auch der Wert Herzlichkeit zu finden ist, mag manche überraschen.
Jens Sprügel: „Wir sind ein Familienunternehmen. Und mit Herzlichkeit meine ich einfach, dass ich jeden Menschen so nehme, wie er ist und ich mich unwahrscheinlich auch für Menschen interessiere, mit denen herzlich umgehe. Wenn jemand Geburtstag hat, dann wird ihm zum Geburtstag gratuliert, und man freut man sich herzlich drauf. Das spüren am Schluss sogar die Kunden. Sie sagen: „Mein Gott, was seid ihr für eine tolle Truppe! Die merken das, wenn sie bei uns auf der Messe sind oder wenn sie uns hier besuchen. Wenn die Leute dann mit einem Strahlen vorbei laufen und die Kunden dann auch herzlich begrüßen. Und sich dann auch drum kümmern, dass der Kunde alles richtig bekommt, damit er am Schluss auch die Bereitschaft hat, uns das Geld zu bezahlen, dass wir wiederum brauchen, um unsere Kosten zu decken.“
Zuerst das Miteinander, dann das Geschäft
Ich finde die Zeitliche Reihenfolge, in der Jens Sprügel seine unternehmerischen Prioritäten auflistet, sehr interessant. Zuerst kommt das Miteinander, der Umgang im Betrieb zwischen Mitarbeitern und Auszubildenden und der Chefetage. Dann kommt das Geschäft. Wenn das Miteinander im Betrieb stimmt, wenn die Mitarbeiter so erwachsen und verantwortlich miteinander umgehen können, dass auch die unvermeidlichen Konflikte nicht zur Spaltungen und Dauer-Reiberei führen, dann kommt der nachhaltige geschäftliche Erfolg. So funktioniert Mehr Umsatz durch Beziehung.
Positive Wahrnehmung
Und noch etwas kommt: eine positive Wahrnehmung draußen. Schließlich wissen nicht nur Geschäftsführer wie Jens Sprügel, ein positives Klima, ein positives Umfeld durchaus zu schätzen, sondern eben auch potenzielle Auszubildende und Mitarbeiter. Und tatsächlich legt der Sprügel-Chef großen Wert darauf, dass die Mitarbeiter und Azubis bei Sprügel erwachsen und verantwortlich miteinander umgehen. Und nicht gegeneinander arbeiten.
Herzlichkeit - Mehr Umsatz durch Beziehung
Jens Sprügel: „Wenn Mitarbeiter gegeneinander arbeiten, sind sie nicht mit Herzblut bei der Firma. Es gibt immer Prozentsätze von circa 70 Prozent in einem Unternehmen, da kommen die Leute, um zu arbeiten und ihr Geld zu verdienen, vielleicht, weil sie mal die falsche Berufswahl getroffen haben, weil sie im falschen Unternehmen arbeiten. Wenn dann so etwas in einem Unternehmen vorkommt, und die Mitarbeiter nicht mehr an einem Strang ziehen, dann sind wir als Wirtschaftsunternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig. Und deswegen ist es unwahrscheinlich wichtig, dass die Mitarbeiter wissen, dass sie alle an einem Strang ziehen müssen, um die gleichen Ziele erreichen zu können. Dass wir unseren Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung stellen können. Denn sonst sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig und haben‘s auch nicht verdient.“
Der wichtigste Job des Chefs
Noch so ein Nebensätzchen, das viel darüber aussagt, wie Jens Sprügel, der Geschäftsführer und Gesellschafter von Sprügel, tickt. Zuerst muss er seinen Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, dann und damit hat er sich den wirtschaftlichen Erfolg verdient. Das mag anders sein als in anderen Unternehmen, aber bei Sprügel ist man ohnehin sehr stolz darauf und wirbt damit, dass dort einiges anders läuft als bei anderen.
Das Ass im Ärmel: der Sprügl-Azubi
Die derzeit elf Auszubildenden im Betrieb heißen Asse. Sieben davon sind im kaufmännischen und gewerblichen Bereich Azubis, vier sind DHBW Studenten. Sie heißen Asse, ganz bewusst, wobei die Abkürzung auch für Azubis und Studenten bei Sprügel heißen kann. Sie werden betreut von neun Paten, in den Bereichen Einkauf, Verkauf, Lager, Marketing, Buchhaltung, Personal und Zentrale. Ihr Chef, Jens Spügel, steht auf Qualität. Sowohl bei den Produkten, mit denen das Unternehmen das Handwerk beliefert, als auch bei seinen Mitarbeitern. Mittelmäßige Auszubildende und mittelmäßige Mitarbeiter könne er sich nicht leisten, sagt Jens Sprügel. Was mich zur Frage bringt: Wann ist denn ein Sprügel Mitarbeiter oder ein Sprügel Auszubildender ein Ass?
Wo nichts geschenkt wird
Jens Sprügel: „Bei uns ist der Name entstanden, in erster Linie deshalb, weil wir einen gemeinsamen Namen gesucht haben, um keine Zweiklassengesellschaft in Unternehmen zu haben, wenn es darum geht, ob ich eine Ausbildung mache oder ob ich ein Studium mache. Der optimale junge Mensch bringt Engagement mit. Er ist schon erwachsen und ich sag‘s mal so: Ich glaube, der optimale Bewerber hätte 20 Jahre Berufserfahrung, gute schulischen Noten und so weiter und so fort und ist trotzdem noch jung. Nein, Quatsch! Der optimale Bewerber weiß einfach, was er vom Leben will und bringt Engagement mit und begreift, dass einem nichts geschenkt wird.“
Beziehungskompetenz führt zum Erfolg
Auch in einem Unternehmen, das sich gerne als Ersatzfamilie darstellt, ist das Leben kein Ponyhof. Man muss schaffen, wie man in Hohenlohe sagt. Diese ganz elementare Anforderung steht auch bei Jens Sprügel als Unternehmer ganz oben. Wenngleich er weiß, dass die Wertschätzung seiner Mitarbeiter vor ihrer Wertschöpfung kommt. Und wie immer im Leben gilt auch da: So wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Wenn der Chef, wenn Geschäftsführer Jens Sprügel seinen Mitarbeitern Wertschätzung gegenüber bringt, nur dann kann er sie auch von ihnen erwarten. Und gerade deshalb bietet die Ausbildung bei Sprügel nicht nur Fachwissen und sachlich orientierte Kompetenzen. Sprügel legt viel Wert auf Beziehungskompetenz.
Trainings unterstützen den Reifeprozess
Wenn also festgestellt wird, dass die Paten, die sich um die elf Asse kümmern, gerade ein Problem damit haben, weil die jungen Leute von heute eher mit Anspruchshaltung als mit Wertschätzung unterwegs sind, dann schaut sich Jens Sprügel gezielt nach geeigneten Trainings, Weiter- und Fortbildungsangeboten um. Ebenso investiert das Unternehmen in die Beziehungsfähigkeit seiner Mitarbeiter und stellt sich Fragen wie: Was ist uns wichtig im Umgang mit Nachwuchskräften? Oder: Wie kommen wir von zu viel Verständnis zu mehr Klarheit? Oder: Duzen wir die Auszubildenden oder siezen wir sie? Lassen wir uns duzen, oder lassen wir uns siezen? Wenn sie solche Fragen stellen, dann investiert Sprügel auch in Fortbildung, denn er will mehr Umsatz durch Beziehung.
Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.
Mehr dazu finden sie auf meiner Website www.greatgrowingup.com.
© Matthias Stolla 2017