Verantwortung - Was sie im Beruf bedeutet und: was nicht
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Alles über Beziehungskompetenz
Warum sie unverzichtbar ist
Vor noch gar nicht allzu langer Zeit galt Beziehungskompetenz im Business als weitgehend verzichtbar. Einer dieser Soft Skills, die irgendwie nett, aber auch irgendwie nicht zwingend notwendig sind für den unternehmerischen Erfolg. Ein Nice-to-have eben. Beziehungskompetenz klang nach Beziehungskram, nach etwas, das Menschen in Paarbeziehungen brauchen. Oder in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern beziehungsweise zwischen Lehrer und Schüler.
Dabei wird gerne übersehen, dass Beziehung im engeren Sinne mehr ist als das Verhältnis zweier Menschen zueinander. Beziehung ist etwas, das unglücklicherweise nicht auf dem Lehrplan in der Schule steht. Dabei wäre es notwendig genug, dass Kinder und Jugendliche lernen, wie sie Beziehung erschaffen und gestalten. In der Regel tun sie das aber weder in der Schule noch in ihren Famillen.
Beziehung erfordert Verantwortung
Der Kontext von Great Growing Up verleiht Beziehungen eine Bedeutung, die von Verantwortlichkeit geprägt ist. Ob Lehrer, Schüler, Eltern, Mann und Frau oder Führungskraft und Mitarbeiter - Beziehung ist erst dann tatsächlich vorhanden, wenn einer der Gesprächspartner sein Interesse dem anderen widmet. Das setzt ein hohes Maß an Beziehungskompetenz voraus. Soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz sowie Empathie sind gefordert, wenn Menschen sich auf eine Art begegnen, die das Interesse an der Entwicklung des jeweils anderen höher bewertet als die eigene Befindlichkeit.
Dafür braucht es nicht nur Empathie gegenüber dem jeweiligen Gesprächspartner, sondern zu allererst ein gut trainiertes Bewusstsein für die eigene Befindlichkeit. Erst wenn ein Menschen erkennen kann, was in ihm selbst vorgeht, ist er in der Lage, den Umgang mit seinem Gegenüber bewusst zu gestalten. Wer das beherrscht, gestaltet seine Beziehungen bewusst und verantwortlich.
Unbewusst ferngesteuert
Kinder können das, solange es ihnen erlaubt bleibt, ihre eigenen Emotionen auf natürliche Weise auszudrücken. Diese Emotionen sind in jedem Menschen vorhanden. Dass wir sie früher oder später verdrängen, bedeutet nicht, dass sie verschwinden. Wir lagern sie nur in irgendeinem selten besuchten Keller unseres Unterbewusstseins. Und wir glauben, dort unten seien sie machtlos. Das ist ein Irrtum.
Die Wissenschaft lehrt uns etwas anderes: Mindestens 90 Prozent unserer alltäglichen Entscheidungen basieren auf unbewussten Entscheidungen. Das heißt, irgendetwas steuert uns, ohne das wir uns dessen bewusst sind: Irgendwelche längst vergessenen Erfahrungen und Emotionen in unserem Unterbewusstsein. Sie steuern unsere Beziehungen zu anderen Menschen: im Umgang mit Kindern, Partnern, Freunden, Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten. Nicht wenige dieser Erfahrungen stammen aus einer Zeit, als wir noch Kind waren. Sie haben folglich nur wenig Bezug zur aktuellen Situation.
Den Emotionen Worte geben
Gar nicht wenige Menschen sind überzeugt, Babys und Kleinkinder seien nicht in der Lage, ihre Emotionen differenziert wahrzunehmen. Das ist blanker Unsinn. Dass Menschen mit Gefühlen wie Freude, Trauer, Ärger oder Angst auf Situationen reagieren ist so natürlich wie Atmen oder unser Herzschlag. Jeder, der kleine Kinder beobachtet, kann sehen, dass sie ihre Emotionen klar, direkt und ungehemmt äußern. Ein Kind kann das. Ihm mögen die Worte fehlen, um das jeweilige Gefühl beim Namen zu nennen, aber die kann es lernen. Das zu vermitteln ist Aufgabe der Eltern und Lehrer.
Wie angepasste Menschen entstehen
Leider kommen sie dieser Aufgabe nur selten nach. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, von diesen „störenden Emotionen“ abzulenken oder sie gar zu unterbinden. Sie fördern stattdessen gefälliges, also positiv bewertetes Verhalten, das niemanden stört. Am besten rund um die Uhr. Das hat einen nachhaltigen Einfluss darauf, wie sich die Fähigkeit eines jungen Menschen entwickelt, Informationen über seine aktuelle emotionale Befindlichkeit in seine Kommunikation einzubinden. Sein natürliches Bestreben, Bindung einzugehen wird mehr und mehr davon geprägt, sein Verhalten dem gewünschten Anforderungsprofil anzupassen. Das Kind passt sich dem an, was als positiv empfunden wird: Verhalten ohne Störungen durch Ärger, Trauer, Angst, mitunter auch ohne Freude, wenn diese als störend empfunden wird.
Massiv gestörte Sachlichkeit
Die Erziehung zum rein sachlich orientierten Menschen mag gut gemeint sein. Gefühle gelten ja gemeinhin als unkalkulierbar und störend. Dass sie aber auch Qualitäten bereithalten, die für den Erfolg im beruflichen Alltag unverzichtbar sind, erkennen wir in der Regel erst dann, wenn der vermeintlich sachorientierte Umgang miteinander massiv von dem gestört wird, was wir so mühsam ausklammern und ins Unterbewusstsein verdrängen: Ärger, Trauer, Angst.
Dem Verdrängten ausgeliefert
Empathie, also die Fähigkeit, die emotionale Befindlichkeit meines Gegenübers mitfühlen zu können, ist die Grundvoraussetzung für emotionale Intelligenz. Sie wiederum setzt voraus, dass ich meine eigene Befindlichkeit differenziert wahrnehmen kann. Menschen, die dazu in der Lage sind, haben keinen Grund, ihre Emotionen zu verdrängen. Sie akzeptieren, was sie fühlen und steuern selbst in wie weit sie Gefühle nutzen, um der vor ihnen liegenden Aufgabe gerecht zu werden. Wer verdrängt, kann das nicht. Er ist seinen unbewussten Emotionen ausgeliefert und muss damit leben, wie sie seinen Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern prägen, wie sie Beziehungen gestalten. Und das nicht zum Vorteil aller Beteiligten.
Weniger Störung, mehr Effizienz
Definition: "Beziehungskompetenz ist die Fähigkeit, tragfähige Beziehungen aufzubauen und verantwortlich zu gestalten."
Inzwischen ist vielen Unternehmen klar geworden, dass es nicht reicht, Maschinen, Geräte, Abläufe und Prozesse zu optimieren. Mindestens genau so wichtig ist es, dass die Menschen in Unternehmen, in Abteilungen, in Teams miteinander klar kommen. Daraus entsteht schließlich die allseits geforderte emotionale Bindung zum Unternehmen.
Das Ziel: möglichst wenig Störung und möglichst viel Effizienz.
Bekannte Modelle
Dabei haben Unternehmen unterschiedliche Modelle entwickelt. An den äußeren Enden des Spektrums finden sich zwei Modelle, die zwar sehr unterschiedlich wirken, aber dennoch eine Gemeinsamkeit haben: beide ignorieren weitgehend das Potenzial der Menschen, die in ihrem Fokus stehen.
Autoritär
An einem Ende der Möglichkeiten steht die autoritäre Führung. Also ein Chef, der Konflikte ebenso ignoriert wie die emotionale Befindlichkeit seiner Mitarbeiter. So eine Art Diktator, der alles zusammenhält und erzwingt. Dieses Modell hat letztlich dazu geführt, dass die Gallup-Studie jedes Jahr das gleiche meldet: Die große Mehrheit der Arbeitnehmer geht nur ungern zur Arbeit, identifiziert sich nicht mit dem Unternehmen. Kündigungsgrund Nummer eins: emotional inkompetente Führung.
Kooperativ
Am anderen Ende steht die moderne, kooperative, vielleicht sogar auf Konsens bedachte Führung. Sie erschafft einen deutlich höheren Wohlfühlfaktor, weil sie Harmonie anstrebt. es gibt viele Menschen, die sich in solchen Führungskulturen lange wohl fühlen und gute bis sehr gute Leistung erbringen.
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Beziehungskompetenz erfordert Mut
In der Mitte zwischen beiden Außenpolen liegt eine Unternehmenskultur, die auf Beziehungskompetenz basiert. Sie hat viel mit dem kooperativen Modell gemein. Es gibt aber auch Unterschiede und sogar die eine oder andere Ähnlichkeit mit dem autoritären Modell. Das macht es mitunter schwer, Menschen, die eine an Harmonie orientierte kooperative Unternehmenskultur gewohnt sind, für Beziehungsfähigkeit zu begeistern. Denn Beziehungsfähigkeit erfordert etwas, das in vielen Abteilungen und Teams zu wenig trainiert wird: Mut.
Von wegen Streichelzoo
Beziehungskompetenz hat wenig bis gar nichts mit einem Streichelzoo zu tun. Sie erfordert emotional intelligente Menschen, die sich auf das einlassen, was das Arbeitsleben mit sich bringt: Harmonie und Nähe, manchmal aber auch Konflikte. Freude und Begeisterung, manchmal aber auch Trauer und Enttäuschung. Begeisterung und Herausforderung, manchmal aber auch Ablehnung und Angst. Anerkennung und Wertschätzung, manchmal aber auch Ärger und Kritik. Nichts davon lässt sich auf Dauer gänzlich vermeiden, wenn Menschen miteinander arbeiten.
Soziale Intelligenz
Sozial intelligente Menschen sind darin trainiert, mit den damit verbundenen Emotionen verantwortlich umzugehen. Sie erschaffen so gemeinsam Möglichkeiten, lösen Probleme und meistern Herausforderungen.
Definition: Soziale Intelligenz ist die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle differenziert wahrzunehmen und verantwortlich damit umzugehen.
Über die etwas theoretisch anmutende Definition wird gerne vergessen, was "Gefühle differenziert wahrnehmen" tatsächlich bedeutet. Alles beginnt mit einem simplen Wort: Fühlen. Wer Gefühle wahrnehmen will, muss sich darauf einlassen zu fühlen. Es gibt keinen anderen Weg. Das ist die schlechte nachricht für Menschen, die keine Lust darauf haben, ihren Ärger, ihre Trauer, ihre Angst zu spüren. Und davon gibt es viele. Die gute Nachricht ist, dass es sich lohnt, sich darauf einzulassen. Denn gerade auch die ungeliebten Gefühle Ärger, Trauer und Angst haben Qualitäten, die beziehungskompetente Menschen ausmachen.
Verborgene Qualitäten
Ich halte nichts davon, Emotionen in negative und positive Gefühle zu unterteilen. Meine Erfahrung ist, dass jedes Gefühl sowohl seine Berechtigung als auch seine Qualität hat. Das fällt vielen Menschen zunächst schwer, weil sie eine andere Betrachtungsweise gewohnt sind: Freude ist gut, Ärger, Trauer und Angst sind schlecht. manche rechnen auch die Trauer zu den positiven Gefühlen. Ärger und Angst aber haben ein Akzeptanzproblem. Diese dualistische Sicht auf Gefühle sorgt dafür, dass viele Menschen von Ärger und Angst nichts wissen wollen. Sie verhindert, dass Menschen Ärger und Angst akzeptieren. damit haben sie auch keine Chance, die damit verbundenen Qualitäten kennen zu lernen, geschweige denn sie zu nutzen. Wenn diese Gefühle aber keinen Platz in einer Unternehmenskultur haben, fehlen auch die damit verbundenen Qualitäten. Und zu denen komme ich jetzt.
Im Ärger
Ich erlebe in meinen Trainings immer wieder dieses fassungslose Staunen, wenn Teilnehmer erkennen, dass sie mit ein klein wenig Ärger plötzlich wieder in der Lage sind, klare Ansagen zu machen, Entscheidungen zu treffen und Menschen nötigenfalls eine Grenze zu setzen. Alles Qualitäten, die nicht nur für Auszubildende und Mitarbeiter, sondern gerade auch für Führungskräfte von - entscheidender - Bedeutung sind. Wer (sich oder andere) führen will, muss seinen Ärger fühlen. Sonst fehlen ihm die Klarheit und der Mut, um auszusprechen, was gebraucht wird.
In der Angst
Nur sehr wenigen Menschen ist bewusst, welche Qualitäten in der Angst stecken. Die meisten wollen lieber nichts mit ihr zu tun haben. Das ist bedauerlich, denn ein unverkrampfter Umgang mit Angst erschafft ganz neue Möglichkeiten: etwa die Freude an Spontaneität oder die prickelnde Aufregung vor einer neuen Herausforderung bzw. bei der Suche nach einer bislang unbekannten Lösung. Wer sich seiner Angst bewusst ist, muss sich nicht von ihr lähmen lassen. Er kann sich dafür entscheiden, zu tun, was getan werden muss. Diese Qualität heißt Mut.
In der Trauer
Und die Trauer? Sie ist zwar beinahe genauso unbeliebt wie die Angst, aber unverzichtbar, wenn es darum geht Nähe und Gemeinschaft zu erschaffen. Ein Team, in dem Trauer ignoriert wird, kann nicht zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen, weil es den Mitgliedern an etwas mangelt, das ohne Bereitschaft zu trauern, nicht zu haben ist: Empathie.
Es gibt eine zweite gute Nachricht für Menschen, die sich darauf einlassen, die Wahrnehmung ihrer eigenen Gefühle zu trainieren: Sie ist die zwingende Voraussetzung dafür, Emotionen in unserem Gegenüber wahrzunehmen. Kurz gefasst: Wer selbst nicht fühlt, nimmt auch nicht wahr, was andere fühlen.
Mit Menschen umgehen
Sozial intelligente Menschen haben alle Voraussetzungen für Beziehungskompetenz. Sie sind in der Lage, mit Jammerlappen, mit Menschen im Groll, mit Ungeduld, mit Menschen im Schneckenhaus, mit Rechthabern, mit Menschen, die sich rechtfertigen, die andere beschuldigen, mit Besserwissern, mit Menschen ohne Ziele und mit unmotivierten Mitarbeitern so umzugehen, dass sie nicht in die Falle ihrer eigenen verdrängten Emotionalität treten.
Mehrwert durch Beziehungskompetenz
Das eröffnet Möglichkeiten, die Unternehmenskulturen ohne Beziehungskompetenz nicht bieten können. Ihr Unternehmen, wird auf diese Weise zu einem Betrieb, der junge Menschen ganzheitlich ausbildet. Er fördert und fordert das Erwachsen werden und gibt wenig selbst-bewussten Millennials eine Chance, die sie anderswo nicht bekommen. Werben Sie damit und sparen Sie sich viele Anstrengungen be der ansonsten mühsamen und kostspieligen Suche nach Azubis. Und möglicherweise verwandeln Sie Ihren betrieb in einen Ort, der die Gallup-Studie Lügen straft: einen Ort, in dem sich Ihre Mitarbeiter wohlfühlen, ein Unternehmen als Ersatzfamilie, weil sie dort Akzeptanz und Wertschätzung erfahren. Daraus erschaffen sie Wertschätzung.
Auf dieser Seite sind alle bisherigen Artikel und Podcast-Episoden zu finden, die sich speziell mit dem Thema Beziehungskompetenz befassen. Sie bieten jedem, der sein Team bzw. seine Mitarbeiter und Führungskräfte nachhaltig entwickeln und zum Erfolg führen will, wertvolle Informationen . Ich freue mich, wenn Sie diese Artikel nutzen und dabei erkennen, dass es sich lohnt, die eigene Kommunikation mit sich selbst so zu entwickeln, dass Sie Ihren Umgang mit anderen bewusst und verantwortlich gestalten. das ist der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. Viele meiner Kunden haben das quasi am eigenen Leib erfahren und sind glücklich darüber. Mehr dazu lesen Sie hier.
Unternehmen wollen wachsen. Menschen auch.
© Matthias Stolla, 2017